Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.03.2012, Az. I ZR 125/11

1. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8147

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Gegenstand

Wettbewerbsverstoß: Gezielte Behinderung von Konkurrenten bei einem Parkplatz-Service am Flughafen: Gehörsverletzung durch das Berufungsgericht bei abweichender Würdigung von Zeugenaussagen ohne erneute Zeugenvernehmung


Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird die Revision gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des [X.] vom 24. Mai 2011 zugelassen.

Auf die Revision der Klägerin wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an den 7. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Der Streitwert der Revision wird auf 30.000 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Parteien betreiben in D.    unter der übereinstimmenden Lagebezeichnung [X.]    auf verschiedenen Grundstücken jeweils einen Parkplatz-Service, mit dem sie Personen, die einen Flug vom Dr.    [X.] aus gebucht haben, für die Dauer ihrer Abwesenheit einen Parkplatz sowie den Transfer zum und vom [X.] anbieten. Die Kunden können die Angebote der Parteien über das [X.] buchen und erhalten danach eine Reservierungsbestätigung per E-Mail zugesandt.

2

Der Kunde [X.].    hatte auf diese Weise bei der Klägerin einen Parkplatz für die [X.] vom 23. September bis 7. Oktober 2009 gebucht. Nachdem er zusammen mit seiner Frau und seiner Tochter am 23. September 2009 auf dem Gelände [X.]in D.    angekommen war, zeigte er nach dem vom Beklagten bestrittenen Vortrag der Klägerin dem für den Beklagten tätigen Busfahrer [X.]. seine Reservierungsbestätigung, aus der sich ergab, dass ein Parkplatz bei der Klägerin gebucht war. Der Busfahrer [X.].   wies [X.].    gleichwohl einen Parkplatz auf dem Gelände der Beklagten zu und vereinnahmte ein Parkentgelt in Höhe von 50 €.

3

Das [X.] hat die Beklagte nach Vernehmung von Zeugen antragsgemäß zur Unterlassung des Anbietens eines Parkplatzes an Kunden, die bei der Rechtsnachfolgerin der Klägerin einen Parkplatz reserviert haben und dem Beklagten oder dessen Mitarbeitern oder von diesen beauftragten [X.] eine entsprechende Reservierungsbestätigung vorweisen, und zur Zahlung von 50 € Schadensersatz an die Klägerin verurteilt. Es hat die [X.] für aus §§ 8, 9, 3, 4 Nr. 10 UWG begründet erachtet und hierzu ausgeführt:

4

Eine gezielte Behinderung von Mitbewerbern nach § 4 Nr. 10 UWG durch [X.] zum Vertragsbruch liege insbesondere dann vor, wenn ein Wettbewerber einen an einen Mitbewerber gebundenen Kunden in den irrigen Glauben versetze, er beziehe die Leistung von diesem Vertragspartner. Dies sei hier deshalb der Fall, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer feststehe, dass der Zeuge [X.].   , dessen Verhalten die Beklagte sich nach § 8 Abs. 2 UWG zurechnen lassen müsse, bei der Zuweisung des Parkplatzes an die [X.].   und der Vereinnahmung des [X.] gewusst habe, dass der Zeuge [X.].   einen Parkplatz nicht beim Beklagten, sondern bei der Klägerin gebucht habe, und dadurch den Irrtum des Zeugen [X.].   , er befinde sich auf dem Parkplatz der Klägerin und zahle an diese, aufrechterhalten habe. Die entsprechenden Angaben der als Zeugen vernommenen Eheleute [X.].   , an deren Glaubwürdigkeit zu zweifeln kein Anlass bestehe, seien glaubhaft. Die vom Zeugen [X.].   gemachten Angaben seien demgegenüber in sich widersprüchlich, mit den sonstigen Umständen unvereinbar und insbesondere auch im Hinblick auf das Verhalten dieses Zeugen bei seiner Vernehmung und auf sein mittelbares Interesse am Ausgang des Rechtsstreits unglaubhaft. Der Zeuge [X.].   habe den Zeugen [X.].   zudem im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG irregeführt. Aus diesem Grund greife auch der vom Beklagten erhobene [X.] nicht durch. Der Schadensersatzanspruch in Höhe von 50 € ergebe sich aus § 9 UWG, weil der Zeuge [X.].   die Klägerin durch sein Verhalten zum Verzicht auf ihren Anspruch auf Zahlung des mit dem Zeugen [X.].   vereinbarten [X.] herausgefordert habe.

5

Die vom Beklagten eingelegte Berufung hat zur Abweisung der Klage geführt. Das Berufungsgericht ist dabei - ohne weitere Beweisaufnahme - im Gegensatz zum [X.] davon ausgegangen, dass die Klägerin den Beweis für ein wettbewerbsrechtlich zu beanstandendes Verhalten des Beklagten nicht geführt habe, weil die Würdigung der erstinstanzlichen Zeugenaussagen zu einem non liquet führe und dies zu Lasten der beweisbelasteten Klägerin gehe.

6

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 544 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO). In der Sache ist sie ebenfalls begründet und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Dieses hat die erstinstanzlich vernommenen Zeugen entgegen § 529 Abs. 1 Nr. 1, § 398 Abs. 1 ZPO nicht erneut vernommen, obwohl es deren Aussagen anders gewürdigt hat als das [X.]. Diese rechtsfehlerhafte Anwendung des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO verletzt den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 14. Juli 2009  VIII ZR 3/09, [X.] 2009, 1291 Rn. 4; Beschluss vom 9. Februar 2010  XI ZR 140/09, [X.], 515 Rn. 6 und 8; Beschluss vom 24. März 2010  VIII ZR 270/09, [X.], 1095 Rn. 5, jeweils mwN). Eine Entscheidung des [X.] ist daher zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 544 ZPO).

7

1. Das [X.] hat auf der Grundlage der von ihm als glaubhaft angesehenen Bekundungen der Eheleute [X.].   mit Recht einen Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten aus §§ 8, 3, 4 Nr. 10 UWG unter dem Gesichtspunkt des [X.]s zum Vertragsbruch in Form der Verstärkung eines Irrtums über die Person des Leistenden (vgl. [X.] in [X.]/[X.], UWG, 30. Aufl., § 4 Rn. 10.36a und 10.38) und aus §§ 8, 3, 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 UWG in Form der Verstärkung des Irrtums des Zeugen [X.]. über die Person des Unternehmers, der ihm gegenüber die Dienstleistung erbrachte, bejaht. Die Haftung des Beklagten für den der Klägerin durch das Verhalten des Zeugen [X.]. entstandenen Schaden folgte zwar nicht aus § 8 Abs. 2 UWG, wohl aber aus § 831 Abs. 1 BGB (vgl. [X.] in [X.]/[X.] aaO § 9 Rn. 1.7). Der Beklagte, der insoweit nach § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB die Darlegungs und Beweislast trägt, hat nicht vorgetragen, dass er bei der Auswahl des Zeugen [X.].   , der die in Rede stehende geschäftliche Handlung für ihn vorgenommen hat, die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet hat oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden wäre.

8

2. Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist das Berufungsgericht grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen des ersten [X.] gebunden. Bei Zweifeln an der [X.]chtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen ist eine erneute Beweisaufnahme zwingend geboten. Nach ständiger Rechtsprechung muss das Berufungsgericht die bereits in erster Instanz vernommenen Zeugen insbesondere dann regelmäßig nochmals gemäß § 398 Abs. 1 ZPO vernehmen, wenn es deren Aussagen anders würdigen will als die Vorinstanz. Die nochmalige Vernehmung eines Zeugen kann allenfalls dann unterbleiben, wenn sich das Rechtsmittelgericht auf solche Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfreiheit seiner Aussage betreffen (vgl. [X.], [X.] 2009, 1291 Rn. 5; [X.], 515 Rn. 9; [X.], 1095 Rn. 6 f., jeweils mwN).

9

3. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier entgegen der Ansicht der Beschwerdeerwiderung nicht vor.

a) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Klägerin den direkten Beweis dafür, dass der Zeuge [X.]. die ihm vom Zeugen [X.]. übergebene bzw. vorgehaltene Buchungsbestätigung als eine solche der Klägerin erkannt hat, nicht geführt hat und auf eine solche Kenntniserlangung allenfalls aus den vom [X.] in seinem Urteil dargelegten Umständen geschlossen werden kann. Danach ist für die Revision davon auszugehen, dass die Klägerin den ihr insoweit obliegenden Hauptbeweis (zumindest indirekt) geführt hat.

b) Das Berufungsgericht hat sodann aber ein non liquet mit der Begründung angenommen, die Aussage des Zeugen [X.].   habe die aufgrund der Aussagen der Eheleute [X.].   etwa gewonnene Annahme erschüttert, dem Zeugen [X.].   sei durch Einsichtnahme in die vom Zeugen [X.].   mitgebrachte Buchungsbestätigung positiv bekannt geworden, dass es sich um eine Bestätigung der Klägerin gehandelt habe. Es hat hierzu ausgeführt, die Aussage des Zeugen [X.].   sei entgegen der Ansicht des [X.]s weder in sich widersprüchlich noch aus sonstigen Gründen unglaubhaft, sondern im Gegenteil jedenfalls nicht weniger glaubhaft als die Aussagen der Eheleute [X.].   . Eine solche Beurteilung der Widerspruchsfreiheit und Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen [X.].   , die insoweit ganz erheblich von der Beurteilung dieser Fragen abweicht, die das [X.] auf der Grundlage des von ihm erhobenen Zeugenbeweises und der dabei gewonnenen Eindrücke vorgenommen hat, konnte das Berufungsgericht nach der vorstehend unter [X.] angeführten Rechtsprechung nicht ohne eigene Vernehmung der drei bei dem in Rede stehenden Vorgang anwesenden Zeugen vornehmen.

III. Das angefochtene Urteil beruht danach auf einer Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör. Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einer abweichenden Entscheidung gelangt wäre, wenn es die drei Zeugen selbst erneut vernommen hätte.

Der Senat hat bei der Zurückverweisung von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.

[X.]                                             Pokrant                                      Schaffert

                             [X.]                                          Koch

Meta

I ZR 125/11

15.03.2012

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Dresden, 24. Mai 2011, Az: 14 U 166/11

Art 103 Abs 1 GG, § 398 Abs 1 ZPO, § 529 Abs 1 Nr 1 ZPO, § 3 UWG, § 4 Nr 10 UWG, § 5 Abs 1 S 1 UWG, § 8 Abs 2 UWG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.03.2012, Az. I ZR 125/11 (REWIS RS 2012, 8147)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8147

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