Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14.11.2011, Az. 2 B 71/11

2. Senat | REWIS RS 2011, 1456

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Gegenstand

Folge eines Dienstunfalls; Anpassungsstörung; Hinzutreten einer dienstunfallunabhängigen Mitursache zu einer fortbestehenden dienstunfallbedingten Mitursache


Gründe

1

Die auf die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache und auf Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO) gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die 1954 geborene Klägerin stand bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand im Oktober 2005 als Lehrerin im Dienst des [X.]. Sie begehrt die Verpflichtung des [X.], eine Reihe von Verletzungen als weitere Folge eines [X.] anzuerkennen sowie in diesem Zusammenhang näher bezeichnete Heilbehandlungskosten zu erstatten und von der Rückforderung bereits erstatteter Heilbehandlungskosten abzusehen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat den [X.] verpflichtet, als weitere Folge des [X.] eine psychoreaktive Störung in Form einer Anpassungsstörung anzuerkennen. Im Übrigen hat er die [X.]erufung der Klägerin zurückgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Urteil die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die [X.]eschwerde des [X.].

3

2. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche [X.]edeutung, die ihr die [X.]eschwerde beimisst.

4

Grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - von der [X.]eschwerde zu bezeichnende - bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer bedeutsamen Fortentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des [X.] erheblich sein wird (vgl. [X.]eschluss vom 2. Oktober 1961 - [X.]VerwG 8 [X.] 78.61 - [X.]VerwGE 13, 90 <91 f.>; stRspr). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt.

5

Die [X.]eteiligten streiten darüber, ob als Folge des [X.] eine psychoreaktive Störung in Form einer Anpassungsstörung anzuerkennen ist. Hier ist die Kausalität des [X.] vom Februar 2003 für die festgestellte Krankheit zweifelhaft, weil als Ursache neben dem anerkannten Dienstunfall vom Februar 2003 noch die seit 2005 bestehende eheliche Konfliktsituation, die im [X.] schließlich zur Scheidung der Klägerin geführt hat, in [X.]etracht kommt. Die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache sieht die [X.]eschwerde in der Frage, ob allein die Aufrechterhaltung eines zunächst dienstunfallbedingten [X.] durch eine neu hinzutretende, dienstunabhängige Ursache einen haftungsbegründenden Kausalzusammenhang im Sinne von § 31 [X.] vermitteln kann, unabhängig davon, ob die auslösende dienstunfallbedingte Ursache ohne die neue Ursache ihre Wirkung verloren hätte.

6

Die so bezeichnete Frage würde in einem Revisionsverfahren nicht zu beantworten sein, weil die [X.]eschwerde von einem Sachverhalt ausgeht, den der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt hat. Die von der [X.]eschwerde aufgeworfene Frage setzt in tatsächlicher Hinsicht voraus, dass ein dienstunfallbedingter [X.] ausschließlich durch eine neue, dienstunfallunabhängige Ursache aufrechterhalten wurde. Demgegenüber war nach dem Gutachten von Prof. [X.] die eheliche Konfliktsituation der Klägerin nicht der einzige Umstand, der zur Aufrechterhaltung der psychoreaktiven Störung beigetragen hat. Der Gutachter hat sich lediglich außerstande gesehen zu quantifizieren, wie hoch der Anteil der ehelichen Konfliktsituation an der Aufrechterhaltung der Anpassungsstörung zu bemessen ist. Auf dieser tatsächlichen Grundlage ist der Verwaltungsgerichtshof zu der Überzeugung gelangt, dass die eheliche Konfliktsituation zu der bereits chronischen Anpassungsstörung der Klägerin als wesentliche Mitursache hinzugetreten ist, ohne damit die wesentliche Mitursächlichkeit des [X.] für diese Störung zu verdrängen.

7

Soweit die von der [X.]eschwerde aufgeworfene Frage dahin zu verstehen sein sollte, ob das Hinzutreten einer dienstunfallunabhängigen Mitursache zu einer fortbestehenden dienstunfallbedingten Mitursache den Kausalzusammenhang zwischen dem Dienstunfall und dem dadurch ausgelösten [X.] ausschließt, bedarf es nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, weil sich die Frage anhand der vorliegenden Rechtsprechung beantworten lässt. In derartigen Fällen ist der Dienstunfall dann als wesentliche Ursache im Rechtssinne anzuerkennen, wenn er bei natürlicher [X.]etrachtungsweise entweder überragend zum Erfolg ([X.]) hingewirkt hat oder zumindest annähernd die gleiche [X.]edeutung für den Eintritt des Schadens hatte wie die anderen Umstände insgesamt (vgl. Urteile vom 20. April 1967 - [X.]VerwG 2 [X.] 118.64 - [X.]VerwGE 26, 332 <333>, vom 10. Juli 1968 - [X.]VerwG 6 [X.] 65.65 - [X.] 232 § 186 [X.] Nr. 6, vom 30. Juni 1988 - [X.]VerwG 2 [X.] 77.86 - [X.] 239.1 § 31 [X.] Nr. 6 und vom 1. März 2007 - [X.]VerwG 2 A 9.04 - Schütz [X.]/[X.] II 3.5 Nr. 16).

8

Weiterführende rechtsgrundsätzliche Erkenntnisse wären in dem mit der [X.]eschwerde angestrebten Revisionsverfahren nicht zu erwarten. Die Frage, ob der Verwaltungsgerichtshof die genannten Grundsätze zur wesentlich mitwirkenden Teilursache auf den konkreten Fall zutreffend angewendet hat, ist keine von rechtsgrundsätzlicher [X.]edeutung.

9

3. Die Revision ist auch nicht wegen der in der [X.]eschwerde geltend gemachten Abweichung von der Rechtsprechung des [X.] zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

Zwar liegt eine Abweichung auch dann vor, wenn sich das Oberverwaltungsgericht in seinen Obersätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung durch die Wiedergabe der maßgeblichen Entscheidungen des [X.] angeschlossen hat, die fallbezogenen Rechtsausführungen aber erkennen lassen, dass es der Sache nach einen anderen rechtlichen Standpunkt eingenommen und von dort aus abweichende Rechtssätze zugrunde gelegt hat ([X.]eschluss vom 15. September 2005 - [X.]VerwG 1 [X.] 12.05 - [X.] 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 316 und [X.]FH, [X.]eschluss vom 23. April 1992 - VIII [X.] 49/90 - [X.]FHE 167, 488). Eine solche Abweichung liegt hier aber nicht vor.

Die [X.]eschwerde bezieht sich insoweit auf die ergänzenden Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs in Rn. 67 seines Urteils. Aus diesen kann aber nicht im Sinne der [X.]eschwerde geschlossen werden, der Verwaltungsgerichtshof sei entgegen der wiedergegebenen Rechtsprechung des [X.] davon ausgegangen, für die Annahme des [X.] zwischen dem Dienstunfall und der Erkrankung reiche die äquivalente Kausalität aus. Die Prüfung der Kausalität erfolgt in zwei Schritten. Ausgangsbasis ist die naturwissenschaftlich-philosophische [X.]edingungstheorie (conditio sine qua non). Wegen der Weite dieser Theorie muss auf der zweiten Stufe eine wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache getroffen werden ([X.]SG, Urteil vom 9. Mai 2006 - [X.] 2 U 1/05 R - [X.]SGE 96, 196, Rn. 13 ff.). Der Verwaltungsgerichtshof ist aber bei seinen von der [X.]eschwerde angegriffenen Darlegungen ersichtlich nicht auf der ersten Stufe, den Überlegungen zur schlichten Kausalität im Sinne der [X.]edingungstheorie, stehen geblieben. Das [X.]erufungsgericht hat vielmehr, wie den Worten "zumindest mit maßgeblich" zu entnehmen ist, anknüpfend an die zuvor dargestellte Theorie der wesentlich mitwirkenden Teilursache eine [X.]ewertung der Wesentlichkeit des [X.] für die Aufrechterhaltung der diagnostizierten Erkrankung vorgenommen.

Meta

2 B 71/11

14.11.2011

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 1. Februar 2011, Az: 3 B 05.1641, Urteil

§ 31 BeamtVG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14.11.2011, Az. 2 B 71/11 (REWIS RS 2011, 1456)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1456


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 1 BvR 1616/11

Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 1616/11, 12.07.2011.


Az. 2 B 71/11

Bundesverwaltungsgericht, 2 B 71/11, 14.11.2011.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
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W 1 K 22.1896

W 1 S 14.1233

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