Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.06.2012, Az. 2 StR 121/12

2. Strafsenat | REWIS RS 2012, 5666

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 [X.]
vom
13.
Juni 2012
in der Strafsache
gegen

wegen
vorsätzlicher Körperverletzung

-
2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 13.
Juni 2012 gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts [X.] vom 9.
Dezember 2011 mit den Fest-stellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Ange-klagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechts-mittels, an eine andere [X.] des [X.].
3.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Mit Urteil vom 8. November 2010 hatte das [X.] [X.] den [X.] wegen vorsätzlicher Körperverletzung unter Einbeziehung zweier Einzelfreiheitsstrafen aus Vorverurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Auf die Revision der
Staatsanwaltschaft hob der Senat durch Urteil vom 3. August 2011 -
2 [X.]/11
-
das Urteil des [X.]s [X.] mit den Feststellungen auf, soweit von der Anordnung
der
Sicherungsverwahrung abgesehen worden war sowie im Strafausspruch 1
-
3
-
und verwies die Sache insoweit an das [X.] zurück. Die neu zur Ent-scheidung berufene [X.] hat den Angeklagten nunmehr unter Einbe-ziehung der zwei Einzelstrafen aus Vorverurteilungen zu einer Gesamtfreiheits-strafe von drei
Jahren und vier Monaten verurteilt und die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die dagegen gerichtete und auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist
sie unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
1. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, denn die Urteilsgründe lassen schon nicht erkennen, dass sich das [X.] bei der auf §
66 Abs.
2 StGB
aF gestützten Anord-nung der Sicherungsverwahrung des ihm dabei eingeräumten Ermessens [X.] war (vgl. [X.],
[X.], 438, 439).
Das Tatgericht muss im Rahmen der Ermessenausübung erkennbar auch diejenigen Umstände erwägen, die gegen die Anordnung der Maßregel sprechen können. Das gilt vor allem im Hinblick auf den gesetzgeberischen Zweck der Vorschrift, dem Tatgericht die Möglichkeit zu geben, sich ungeachtet der festgestellten Gefährlichkeit des [X.] zum Zeitpunkt der [X.] auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe zu beschränken, sofern erwartet werden kann, dass sich dieser die Strafe hinreichend zur Warnung dienen lässt. Damit soll dem Ausnahmecharakter der Vorschriften des §
66 Abs.
2 und Abs.
3 StGB aF Rechnung getragen werden, der sich daraus ergibt, dass eine frühere Verur-teilung und eine frühere Strafverbüßung nicht vorausgesetzt werden ([X.], [X.], 270, 272 mwN).
Das [X.] hat weder ausdrücklich eine Ermessensentscheidung getroffen noch kann dem Zusammenhang der Urteilsgründe sicher entnommen 2
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4
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4
-
werden, dass es sich dem ihm bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung eingeräumten Ermessens bewusst war. Es finden sich in den Urteilsgründen zwar Ausführungen zu einer möglichen Warnfunktion einer verbüßten Freiheits-strafe sowie zum Lebensalter des Angeklagten, wobei es sich auch um Kriterien handelt, die nach der Rechtsprechung des [X.] im Rahmen der Ermessensentscheidung regelmäßig zu berücksichtigen sind (st. Rspr.; vgl.
etwa [X.],
[X.], 270, 272; Beschluss vom 13. September 2011 -
5 [X.] mwN). Diese Ausführungen der [X.] beziehen sich aber [X.] nur auf die Frage, ob unter Berücksichtigung der genannten [X.] schon die Gefährlichkeit des Angeklagten ausgeschlossen werden kann und lassen
nicht erkennen, dass die [X.] die Anordnung der Sicherungs-verwahrung nicht als zwingend angesehen hat.
Das Revisionsgericht kann die fehlende Ermessensentscheidung nicht ersetzen; sie ist dem neuen Tatrichter vorbehalten ([X.],
[X.], 12).
Der auf [X.] beruhende Straf-ausspruch bleibt davon unberührt.
2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
Auch bei Annahme einer für den Angeklagten ungünstigen Gefährlich-keitsprognose sind Feststellungen zum Vorliegen eines Hanges im Sinne des §
66 Abs.
1 Nr.
3 StGB grundsätzlich nicht entbehrlich. Es mag zwar nahe [X.], dass -
wovon das [X.] ausdrücklich ausgegangen ist
-
die Beja-hung einer hohen Wahrscheinlichkeit der künftigen Begehung erheblicher Straf-taten im Regelfall auch auf das Vorliegen eines "Hanges"
hindeutet; zwingend ist dies jedoch nicht, so dass diese Frage der ausdrücklichen Prüfung durch die [X.] bedarf ([X.]St 50, 121, 132). Das neue Tatgericht wird auch zu erwägen haben, ob ein neuer Sachverständiger zu bestellen ist, nachdem der 5
6
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-
5
-
bisherige im Hinblick auf das Vorliegen eines Hanges wiederholt von einem fal-schen Maßstab ausgegangen ist (vgl. Senat, Urteil vom 3. August 2011 Rn. 9).

Ernemann

Appl
Ri[X.] Dr. Berger

befindet sich im Urlaub

und ist daher gehindert

zu unterschreiben.

Ernemann

Eschelbach

Ott

Meta

2 StR 121/12

13.06.2012

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.06.2012, Az. 2 StR 121/12 (REWIS RS 2012, 5666)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5666

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5 StR 189/11

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