Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.04.2017, Az. 2 StR 466/16

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 12475

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:120417B2STR466.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 466/16
vom
12. April
2017
in der Strafsache
gegen

wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.

-
2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung
des Generalbun-desanwalts
und des Beschwerdeführers
am 12. April
2017
gemäß §
349 Abs.
2 und 4
StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 3.
Juni 2016 im [X.] mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige [X.] des [X.] zurückverwiesen.
3.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 21 Fällen, schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern, Sichver-schaffens kinderpornographischer Schriften in fünf Fällen, davon in vier Fällen tateinheitlich mit Verschaffen kinderpornographischer Schriften, sowie wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und die Sicherungsverwahrung angeordnet. Die Revision des Angeklagten, mit der die Verletzung sachlichen Rechts gerügt wird,
führt zur Aufhebung des [X.]s, im Übrigen ist sie offensichtlich unbe-gründet.
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1. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) Die Urteilsgründe lassen schon nicht erkennen, dass
sich das [X.] bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung bewusst war, eine Ermes-sensentscheidung zu treffen (vgl. [X.], [X.], 438, 439; [X.], Beschluss vom 13.
Juni 2012 -
2 StR 121/12).
Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass
die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung gegeben sind, hat aber nicht mitgeteilt, auf welche der im Gesetz vorgesehenen Alternativen es die Anordnung der Maßregel gestützt hat. Tatsächlich liegen lediglich die formellen Voraussetzungen für eine Anordnung nach §
66 Abs.
2 und 3 Satz
1 StGB vor, die die Entscheidung über den [X.] von einer Ermes-sensentscheidung des Tatrichters abhängig machen. In diesen Fällen müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass und aus
welchen Gründen das Gericht von seiner Entscheidungsbefugnis in einer bestimmten Weise Gebrauch [X.] hat. Das Tatgericht muss im Rahmen der Ermessensausübung erkenn-bar auch diejenigen Umstände erwägen, die gegen die Anordnung der [X.] sprechen können. Das gilt vor allem im Hinblick auf den gesetzgeberischen Zweck der Vorschrift, dem Tatgericht die Möglichkeit zu geben, sich ungeachtet der festgestellten Gefährlichkeit des [X.] zum Zeitpunkt der [X.] auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe zu beschränken, sofern erwartet werden kann, dass sich dieser die Strafe hinreichend zur Warnung dienen lässt.
Das [X.] hat weder ausdrücklich eine Ermessensentscheidung getroffen, noch kann dem Zusammenhang der Urteilsgründe hinreichend ent-nommen werden, dass es sich dem ihm bei der Anordnung der Sicherungsver-wahrung eingeräumten Ermessen bewusst war.
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Es finden sich in den Urteilsgründen zwar Ausführungen zum möglichen Einfluss der zu verbüßenden Freiheitsstrafe sowie zum Lebensalter des Ange-klagten, wobei es sich auch um Kriterien handelt, die nach der Rechtsprechung des [X.] im Rahmen der Ermessensentscheidung regelmäßig zu berücksichtigen sind (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], [X.], 270, 272). Diese Ausführungen der [X.] beziehen sich aber ausdrücklich nur auf die Frage, ob unter Berücksichtigung der genannten Umstände schon die Gefähr-lichkeit des Angeklagten ausgeschlossen werden kann und lassen nicht erken-nen, dass die [X.] die Anordnung der Sicherungsverwahrung
nicht als zwingend angesehen hat.
b) Das [X.] hat in seiner ohnehin wenig aussagekräftigen Prü-fung der Verhältnismäßigkeit nicht bedacht, dass §
66 StGB nur nach Maßgabe einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung im Sinne des Urteils des [X.] vom 4.
Mai 2011 ([X.] 128, 326) anzuwenden war. Der Angeklagte hat die Taten, auf die das [X.] die Anordnung der Siche-rungsverwahrung gestützt hat, vor dem 31.
Mai 2013 (und jedenfalls auch nach dem 31.
Dezember 2010) begangen. Nach Art.
316f Abs.
2 Satz
1 EGStGB i.V.m. Art.
316e Abs.
1 Satz
1 EGStGB ist für in diesen Tatzeitraum fallende Taten §
66 Abs.
2 und 3 StGB i.d.[X.] des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22.
Dezember 2010 anwendbar, für den nach der Weitergeltungsanordnung des [X.] in seiner genannten Entscheidung eine strikte, vom Gesetzgeber insoweit übernommene Verhältnismäßigkeitsprüfung gilt ([X.] NJW 2014, 1316). Der [X.] kann -
entgegen
der Ansicht des General-bundesanwalts
-
nicht ausschließen, dass die im Ermessen der [X.] stehende Anordnung der Unterbringung auf diesem Rechtsfehler beruht. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es nach August 2012 (bis zu sei-6
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5
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ner Inhaftierung im Februar 2015 von einem weniger gewichtigen Übergriff im August 2013 abgesehen)
nicht mehr zu Missbrauchshandlungen gekommen ist.
2.
Für die neue Hauptverhandlung weist der [X.] darauf hin, dass die Gefährlichkeitsprognose, ggf. unter Einschaltung eines anderen Sachverständi-gen, noch sorgfältigerer Begründung bedarf. [X.] kommt zwar lediglich ein geringer Beweiswert zu, gleichwohl kann ihnen -
auch nicht mit der pauschalen Erwägung, die positiven Faktoren könnten der g-

-
nahezu jegliche [X.] abgesprochen werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die [X.] an anderer Stelle erwähnt, der Angeklagte habe seit [X.] unterlassen, ohne sich mit den Gründen für

[X.] Zeng

Frau R'in[X.] Dr. Bartel

ist an der Unterschrifts-

leistung gehindert.

Krehl

Wimmer

8

Meta

2 StR 466/16

12.04.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.04.2017, Az. 2 StR 466/16 (REWIS RS 2017, 12475)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 12475

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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