Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.03.2022, Az. 3 StR 456/21

3. Strafsenat | REWIS RS 2022, 4856

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Gegenstand

Gewerbsmäßige Bandenhehlerei: Voraussetzungen des Sichverschaffens von Wertgegenständen sowie der Gewerbsmäßigkeit der Tatbegehung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 6. Juli 2021 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben diejenigen zu den unter [X.] 2. bis [X.] 4. der Urteilsgründe dargestellten Betrugstaten jeweils bis einschließlich der Abholung durch den Fahrer aufrechterhalten.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen "schwerer" (gemeint: gewerbsmäßiger) Bandenhehlerei in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Außerdem hat es den Wert von Taterträgen in Höhe von 534.030,63 € und ein Mobiltelefon eingezogen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat weitgehend Erfolg.

I.

2

Nach den von der [X.] getroffenen Feststellungen erklärte sich der Angeklagte gegenüber einem in der [X.] lebenden Kontaktmann dazu bereit, in B.    Geld- und Goldlieferungen von verschiedenen Fahrern entgegenzunehmen, aufzulisten, zu fotografieren, zu taxieren und zu verpacken. Er wusste, dass es sich um Beute aus Straftaten handelte, kannte jedoch insoweit keine Einzelheiten. Tatsächlich erlangten die Hintermänner die Sachen mittels der sogenannten [X.]. Aus einem [X.] Callcenter heraus veranlassten sie meist ältere Personen telefonisch unter Vorspiegelung eines vermeintlichen Polizeieinsatzes dazu, Bargeld und Wertgegenstände zur angeblichen Sicherung durch Polizisten an einem bestimmten Ort [X.]. Von dort wurden sie abgeholt und von Fahrern der Gruppe zum Angeklagten verbracht. Dieser kam für einen Lohn von 100 bis 200 € seiner Aufgabe nach, wobei er Kontakt mit den [X.] [X.] hielt. Jeweils noch am selben Tag gab er die Lieferungen an Personen weiter, die sie, wie er wusste, in die [X.] transferierten.

3

Das [X.] hat drei Betrugstaten zum Nachteil verschiedener Geschädigter festgestellt, bei denen jeweils große Mengen Gold und in einem Fall zusätzlich Bargeld erbeutet wurden. Der Angeklagte erfüllte in allen drei Fällen die ihm zugeschriebene Funktion und erhielt die vereinbarte Vergütung.

II.

4

1. [X.] tragen die Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei nicht.

5

a) Der Tatbestand der Hehlerei gemäß § 259 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter eine bemakelte Sache ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder absetzen hilft. Lediglich im [X.] der Urteilsgründe ist auf der Grundlage der Feststellungen die Tatvariante des Sichverschaffens insoweit gegeben, als der Angeklagte einen geringen Teil der [X.] als seinen Lohn für sich behielt; im Übrigen nahm er keine Hehlereihandlung vor.

6

aa) Ein für die Tatbestandsmerkmale des Absetzens und der [X.], mithin die entgeltliche Übertragung der Verfügungsgewalt auf einen Erwerber (vgl. im Einzelnen [X.], Beschlüsse vom 22. Oktober 2013 - 3 StR 69/13, [X.]St 59, 40 Rn. 10 ff.; vom 31. Oktober 2018 - 2 [X.], [X.]St 63, 228 Rn. 15 ff. [X.]), ist nicht festgestellt. Es ist lediglich bekannt, dass die ertrogenen Wertgegenstände vom Angeklagten aus über weitere Mittelsmänner in die [X.] verbracht wurden und damit offenbar zu den [X.], also Personen, welche die jeweiligen Betrugstaten begingen. Eine monetäre Verwertung der Beute ist in diesem Vorgang nicht zu erblicken. Dass die [X.] die Wertgegenstände abgesetzt hätten, ist nicht festgestellt.

7

bb) Es liegt auch kein Drittverschaffen vor. § 259 Abs. 1 StGB unterscheidet den Vortäter als "anderen" von dem "Dritten", dem die Sache verschafft werden kann, weshalb ein Verschaffen an den Vortäter nicht unter den Tatbestand fällt ([X.], Beschluss vom 22. August 2019 - 1 StR 205/19, NStZ-RR 2019, 379, 380; vgl. auch [X.], Urteil vom 18. Mai 1995 - 4 StR 41/95, [X.]R StGB § 259 Abs. 1 Absatzhilfe 6).

8

cc) Schließlich verschaffte sich der Angeklagte in den Fällen [X.] und II. 4. der Urteilsgründe die [X.] nicht selbst, im [X.] der Urteilsgründe größtenteils nicht selbst.

9

Das Sichverschaffen setzt voraus, dass der Täter eigene Verfügungsgewalt über die Sache erlangt, mithin über sie unabhängig vom Willen des Vortäters zu eigenen Zwecken verfügen kann und dies auch will. Dafür muss er den Gegenstand in seinem wirtschaftlichen Wert vom Vortäter übernehmen ([X.], Beschluss vom 20. Mai 2020 - 2 [X.], juris Rn. 9 [X.]; MüKoStGB/[X.], 4. Aufl., § 259 Rn. 85 [X.]). Nach den getroffenen Feststellungen sollte der Angeklagte die Lieferungen jedoch lediglich sichten und schätzen, bevor er sie für den Transport in die [X.] verpackte und weitergab. Eigenständig verfügen durfte und wollte er über die Wertgegenstände nicht.

Eine Ausnahme gilt nur, soweit er in [X.] der Urteilsgründe seinen Lohn direkt der Beute entnahm; allein diesen verschaffte er sich im Sinne des § 259 Abs. 1 StGB.

b) Überdies ist die [X.] nicht belegt. [X.] erschöpfen sich in der Angabe, dem Angeklagten sei klar gewesen, dass die "Geschäfte" auf Wiederholung angelegt gewesen seien und sich "neben" seinem Kontaktmann "auch" die in [X.] eingesetzten Fahrer zur wiederholten Tatbegehung zusammengeschlossen hätten. Daraus geht nicht hervor, dass er selbst sich durch wiederholte ([X.] eine fortlaufende Einnahmequelle von einigem Umfang verschaffen wollte (vgl. hierzu etwa [X.], Beschluss vom 27. Februar 2014 - 1 StR 15/14, [X.]R StGB § 260 Gewerbsmäßig 4). Nicht ausschließbar ist der [X.] aus dem Blick geraten, dass es sich bei der [X.] um ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB handelt (st. Rspr.; s. etwa [X.], Urteil vom 17. Oktober 2019 - 3 StR 521/18, [X.]R StGB § 28 Abs. 2 Merkmal 3; Beschluss vom 20. April 2021 - 3 StR 343/20, juris Rn. 4).

c) Außerdem sind die Voraussetzungen für die Bande nicht erfüllt. Die Straftatbestände der Bandenhehlerei (§ 260 Abs. 1 Nr. 2 StGB) und der gewerbsmäßigen Bandenhehlerei (§ 260a Abs. 1 StGB) erfassen Taten im Rahmen einer Verbindung mehrerer Täter zu einer reinen Hehlerbande, Fälle, in denen ein Hehler als Mitglied einer Diebes- oder Räuberbande handelt, sowie Hehlereitaten in sogenannten gemischten Banden, die aus Dieben bzw. Räubern und Hehlern bestehen ([X.], Beschluss vom 21. Mai 2014 - 4 StR 70/14, [X.], 113 Rn. 9; Urteil vom 6. November 2019 - 2 StR 87/19, [X.]R StGB § 260a Bande 3). Gruppierungen aus Hehlern und Betrügern sind nicht erfasst. Weitere Hehler, mit denen der Angeklagte eine Bande hätte bilden können, sind nicht vorhanden, da die Urteilsfeststellungen ebenfalls nicht belegen, dass die in [X.] eingesetzten Fahrer und Transferpersonen den Tatbestand des § 259 Abs. 1 StGB verwirklichten.

2. Infolgedessen unterliegt der Schuldspruch der Aufhebung. Dies entzieht dem Strafausspruch und den [X.] die Grundlage.

Die Feststellungen zu den Vortaten zulasten der drei Geschädigten sind hingegen rechtsfehlerfrei getroffen. Sie werden von den aufgezeigten rechtlichen Mängeln nicht berührt und können daher bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO), wobei die Formulierung, das Betrugsopfer aus [X.] der Urteilsgründe sei von "Mittätern" des Angeklagten angerufen worden (s. [X.], nicht im rechtstechnischen Sinne zu verstehen und im Hinblick auf seine Beteiligung oder ein von ihm begangenes [X.] nicht bindend ist. Weitergehende Feststellungen, die den aufrechterhaltenen nicht widersprechen, sind möglich.

3. Im Umfang der Aufhebung bedarf die Sache erneuter Verhandlung und Entscheidung. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Sollte das neue Tatgericht wiederum feststellen, dass der Angeklagte die Geld- und Goldlieferungen entgegennahm und nach Sichtung und Schätzung weitergab, wird es auch die Tatbestände der Begünstigung (§ 257 StGB) und - nach einer gegebenenfalls gebotenen Wiedereinbeziehung (§ 154a Abs. 3 StPO) - der Geldwäsche (§ 261 StGB) in den Blick zu nehmen haben. Je nach den neuerlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite kommt ebenfalls eine Beihilfe zum Betrug namentlich durch eine im Vorfeld gegebene Zusage in Betracht (zum Gehilfenvorsatz vgl. [X.], Beschlüsse vom 28. Februar 2012 - 3 [X.], [X.], 302 Rn. 4; vom 28. November 2017 - 3 StR 272/17, juris Rn. 33).

b) Sollte die nunmehr zur Entscheidung berufene [X.] wiederum auf die Einziehung eines dem Wert des [X.] entsprechenden Geldbetrages nach § 73 Abs. 1, § 73c StGB erkennen, wird sie bei der Wertbestimmung zu beachten haben, dass es bei [X.], die - wie der Goldpreis - Wertschwankungen unterliegen, hierfür auf den Zeitpunkt des Eintritts der Voraussetzungen für die Wertersatzeinziehung ankommt. Denn die Abschöpfung muss spiegelbildlich dem Vermögensvorteil entsprechen, den der Täter aus der Tat zog. Wertsteigerungen oder -verluste, die der ursprüngliche Gegenstand erfährt, bevor der Täter ihn erlangt oder nachdem er ihn nicht mehr innehat, tangieren sein Vermögen nicht (s. [X.], Beschluss vom 6. Juni 2018 - 4 StR 569/17, NJW 2018, 3325 Rn. 24 ff. zu Bitcoins; Urteil vom 19. Januar 2021 - 5 [X.], juris Rn. 12 zu [X.]; MüKoStGB/[X.]/[X.], 4. Aufl., § 73d Rn. 12 ff.; [X.]Lohse, StGB, 13. Aufl., § 73c Rn. 15; [X.]/[X.]/Eser/[X.], StGB, 30. Aufl., § 73c Rn. 10). In den vorliegenden Fällen ist mithin für die Höhe des Wertersatzes der Verkaufspreis maßgeblich, den die erbeuteten Goldbarren und -münzen an denjenigen Tagen im Inland erzielt hätten, an denen der Angeklagte sie in den Händen hielt. Sollten insoweit genaue Feststellungen, besonders die Münzen betreffend, nicht möglich sein, kann der Wert nach § 73d Abs. 2 StGB geschätzt werden.

Berg     

        

Ri[X.] Prof. Dr. Paul befindet
sich im Urlaub und ist deshalb
gehindert zu unterschreiben.

        

     Erbguth

                 

Berg   

                 
                          

Ri[X.] Dr. [X.] befindet sich
im Urlaub und ist deshalb
gehindert zu unterschreiben.

        
        

Kreicker     

        

Berg    

        

Meta

3 StR 456/21

08.03.2022

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bad Kreuznach, 6. Juli 2021, Az: 2 KLs 1021 Js 913/21

§ 259 StGB, § 260 Abs 1 Nr 2 StGB, § 260a StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.03.2022, Az. 3 StR 456/21 (REWIS RS 2022, 4856)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 4856

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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