Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.10.2014, Az. VII ZB 15/14

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 2132

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 15/14

vom

16. Oktober 2014

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 520 Abs. 2 Satz 3, § 85 Abs. 2
Geht auf einen Fristverlängerungsantrag keine gerichtliche Mitteilung ein, muss sich der Prozessbevollmächtigte rechtzeitig über das wirkliche Ende der Frist -
gegebenenfalls durch Rückfrage bei Gericht -
Gewissheit verschaffen (im [X.] an [X.],
Beschluss vom 24.
November 2009

[X.], [X.], 401).
[X.], Beschluss vom 16. Oktober
2014 -
VII ZB 15/14 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat am
16. Oktober 2014
durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr.
[X.], [X.]
Eick, Dr.
Kartzke
und Prof.
Dr. Jurgeleit und die Richterin Graßnack
beschlossen:
Die
Rechtsbeschwerde der
[X.]
gegen den
Beschluss des 2.
Zivilsenats des [X.] vom 6.
März
2014 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Gegenstandswert:

Gründe:
I.
Die [X.]en streiten über die Verpflichtung der [X.] zur Zahlung einer restlichen Vergütung für Stahlbauarbeiten, die der Kläger
im Auftrag der [X.]
im Zusammenhang mit der Erweiterung einer Schule ausgeführt hat.
Mit
Urteil des [X.] K.
vom 16.
Oktober 2013 ist die Beklagte verurteilt worden, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 80.412,57

g-lich Zinsen sowie weitere 26.428,79

selbstschuldnerischen Gewährleistungsbürgschaft der Kreissparkasse K.
in gleicher Höhe zu zahlen. Gegen das ihr
am 21.
Oktober
2013 zugestellte Urteil hat die
Beklagte am 19.
November
2013 Berufung eingelegt und zugleich [X.], die Frist zur Berufungsbegründung um einen Monat bis zum 23.
Januar
2014 zu verlängern. Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 1
2
-
3
-
21.
November
2013, die am 26.
November
2013 an den Prozessbevollmächtig-ten der
[X.] formlos abgesandt
worden ist, ist die Berufungsbegründungs-frist
lediglich
bis zum 21.
Januar
2014 verlängert worden.
Mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 28. November 2013 bat die Beklagte, über den in der Berufungsschrift gestellten Fristverlängerungsantrag zu entscheiden. Auf diesen Schriftsatz reagierte das Gericht nicht.
Mit Schriftsatz vom 22.
Januar
2014
beantragte die Beklagte
unter [X.] auf das Einverständnis des [X.] eine
weitere Verlängerung der Beru-fungsbegründungsfrist bis zum 27.
Januar
2014. Dieser Antrag
ist mit Verfü-gung vom 22.
Januar
2014 unter Hinweis darauf abgelehnt
worden, dass der Antrag nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist gestellt worden sei.

Der Kläger hat gegen das ihm am 21.
Oktober
2013 zugestellte Urteil des [X.] am 20.
November
2013 ebenfalls Berufung eingelegt. Nach-dem auf seinen Antrag hin die
Frist zur Begründung seiner
Berufung bis zum 21.
Januar
2014 verlängert worden war, hat er
mit am 6.
Januar
2014 bei [X.] Schriftsatz seine
Berufung begründet. Mit Verfügung vom 8.
Januar
2014 ist der [X.] zur Erwiderung auf die Berufung des [X.] eine Frist bis zum 10.
Februar
2014 gesetzt worden. Mit am 27.
Januar
2014 eingegangenem Schriftsatz hat die Beklagte ihre Berufung begründet.
Am 11.
Februar
2014 hat die
Beklagte
wegen der Versäumung der Beru-fungsbegründungsfrist einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt und zur Begründung ausgeführt, dem Prozessbevollmächtigten der
[X.] habe eine Mitteilung und Verfügung des Senats, dass die [X.]sfrist lediglich bis zum 21.
Januar
2014 verlängert worden sei, bis zum Ablauf der beantragten Fristverlängerung am 23. Januar 2014
nicht vorgelegen. Von der
Verfügung
des Vorsitzenden, mit der
die Berufungsbegründungsfrist 3
4
5
-
4
-
bis zum 21.
Januar
2014 verlängert worden sei,
habe die
Beklagte erst durch die Ablehnung
ihres
weiteren Fristverlängerungsantrags vom 22.
Januar
2014 Kenntnis erhalten. Nach Zustellung des landgerichtlichen Urteils sei gemäß der [X.] der Prozessbevollmächtigten der
[X.] die Beru-fungseinlegungsfrist und die Berufungsbegründungsfrist im [X.] Terminkalender eingetragen und eine Vorfrist zum 9.
Januar
2014 vorgesehen worden. Im Hinblick auf die am
23.
Januar
2014 ablaufende [X.] hätten die Prozessbevollmächtigten der
[X.] mit Schriftsatz vom 22.
Januar
2014 eine nochmalige Fristverlängerung bis zum 27.
Januar
2014 beantragt, zu der die Prozessbevollmächtigten des [X.] ihre Zustimmung erteilt hätten. Entsprechend der notierten [X.] zum 27.
Januar
2014 sei die [X.] an diesem Tage beim Berufungsgericht eingereicht worden.
Das Berufungsgericht hat die Berufung der
[X.]
wegen Versäu-mung der Berufungsbegründungsfrist
als unzulässig verworfen und den
Antrag der
[X.], ihr
wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wieder-einsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die
Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.
Nach Einlegung der Rechtsbeschwerde hat der Kläger
am 21. August 2014
seine Berufung zurück-genommen.

II.
Die
gemäß §
574 Abs.
1 Nr.
1 i.V.m. §
522 Abs.
1 Satz 4, §
238 Abs.
2 Satz
1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige
Rechtsbeschwerde ist in der Sache nicht begründet. Das Berufungsgericht hat die Berufung der [X.] im Ergebnis zu Recht wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist 6
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5
-
gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig verworfen
und den Antrag der [X.] auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen.
1.
Die Beklagte hat ihre Berufung nicht innerhalb der bis zum 21. Januar 2014 verlängerten Frist begründet. Die Versäumung der Frist zur [X.] beruht auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten der [X.], das diese
sich
nach §
85 Abs.
2 ZPO zurechnen lassen muss.

a) Zu Recht weist die Beschwerde allerdings darauf hin, dass das [X.] die Frist gemäß § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO zur Begründung der [X.] bis zum 23. Januar 2014 hätte verlängern dürfen, weil erhebliche
Grün-de vom [X.] dargelegt worden sind. Die gesetzliche Frist lief am 23. [X.] 2013
ab, weil der 21. Dezember 2013 ein Samstag war (vgl. [X.], [X.] vom 15. August 2007

[X.], NJW-RR 2008, 76 Rn. 7).
Dahin-stehen kann, ob eine Fristsetzung bis zum 23. Januar 2014 auch deshalb mög-lich gewesen wäre, weil der Kläger ihr nach der Verfügung des Vorsitzenden vom 21. November 2013 zugestimmt hat.
b) [X.] hat von der Möglichkeit, die Frist zur Berufungsbegrün-dung auf den 23.
Januar
2014 festzusetzen,
keinen Gebrauch gemacht, son-dern eine Frist bis zum
21.
Januar
2014
bestimmt. Der Wortlaut der gerichtli-chen Verfügung vom 21.
November
2013 enthält keine Unklarheiten über das Ende der gewährten Fristverlängerung. Die Berufungsbegründungsfrist
ist ver-bindlich bis zum 21.
Januar
2014 verlängert worden.
Vergeblich beruft sich die Beklagte darauf, mit der gerichtlichen Verfügung vom 21.
November 2013 sei wegen der vom Vorsitzenden vorbehaltenen Überprüfung des [X.] kein bindender Endtermin der Berufungsbegründungsfrist festgelegt [X.]. Zwar weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass es auf den objektiven Inhalt der gerichtlichen Verfügung ankommt und die Bindung des Rechtsmittel-8
9
10
-
6
-
führers an das bisherige Fristende aufgehoben sein kann, wenn bei der Ausfer-tigung einer Verfügung, durch die
der Vorsitzende die Frist zur Begründung ei-nes Rechtsmittels verlängert hat, versehentlich das in der Urschrift angegebene neue Fristende ausgelassen wird (vgl. [X.], Beschluss vom 28.
Mai
2013

VI
ZB
6/13, NJW 2013, 2821 Rn.
7; Beschluss vom 29.
Januar
2009

III
ZB
61/08, NJW-RR 2009, 643 Rn.
13; Beschluss vom 25.
Februar
1987

IVa
ZB
20/86, NJW-RR 1987, 1277 m.w.N.). Ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor. Die Beklagte macht insbesondere nicht geltend, sie habe lediglich eine un-vollständige Ausfertigung der gerichtlichen Verfügung vom 21. November 2013 erhalten, aus der das Fristende nicht zu entnehmen gewesen sei. Vielmehr hat sie erklärt, die richterliche Verfügung überhaupt nicht erhalten zu haben.

Der Hinweis der Beschwerde auf den Schriftsatz der [X.] vom 28.
November 2013, mit dem die Bitte zum Ausdruck gebracht wird, über
den
mit der Berufungsschrift gestellten Verlängerungsantrag zu entscheiden, recht-fertigt keine andere Beurteilung. Dieser Schriftsatz ist keine Gegenvorstellung und auch kein neuer Antrag, über die das Gericht hätte erneut entscheiden müssen, sondern vielmehr eine Erinnerung an den aus Sicht der [X.] noch unerledigten Antrag.
c) Die Fristversäumnis
beruht
auf einer
mangelhaften
Organisation der Fristenkontrolle durch den Prozessbevollmächtigten der [X.]. Für die Kontrolle von Fristen bei [X.] ist es erforderlich, dass das mutmaßliche Ende einer Berufungsbegründungsfrist bei oder alsbald nach Einreichung einer Berufungsschrift im Fristenkalender eingetragen wird. [X.] nach Eingang der gerichtlichen Mitteilung
muss diese Eintragung über-prüft werden, damit sichergestellt ist, dass keine hypothetische, sondern die wirkliche Frist eingetragen wird ([X.], Beschluss vom 28.
Mai
2013

VI
ZB
6/13, NJW 2013, 2821
Rn. 9; Beschluss vom 24.
November
2009 11
12
-
7
-

VI
ZB 69/08, [X.], 401; Beschluss vom 20.
Juni
2006
[X.], juris Rn.
7; Beschluss vom 13.
Dezember
2001
VII
ZB 19/01, [X.]-Report 2002, 246, 247; Beschluss vom 14.
Juli
1999
XII
ZB
62/99, NJW-RR 1999, 1663, jeweils m.w.N.).
Wird die Handakte eines Rechtsanwalts allein elektro-nisch geführt, muss sie ihrem Inhalt nach der herkömmlich geführten
Handakte entsprechen ([X.], Beschluss vom 9.
Juli
2014

[X.] 709/13, [X.], 1042
Rn.
13).
Geht keine gerichtliche Mitteilung ein, muss sich der [X.], der eine Fristverlängerung beantragt hat, rechtzeitig über das wirkliche Ende der Frist -
gegebenenfalls durch Rückfrage bei Gericht
-
Ge-wissheit verschaffen ([X.], Beschluss vom 20.
Juni
2006

VI
ZB
14/06, juris Rn.
8; Beschluss vom 24.
November 2009

VI
ZB
69/08, [X.], 401). Auch die Nachfrage bei Gericht ist organisatorisch sicherzustellen.
Eine solche Organisation seines Büros hat der Prozessbevollmächtigte der [X.] weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Nach den Feststellun-gen des Berufungsgerichts, gegen die die Rechtsbeschwerde keine durchgrei-fende Verfahrensrüge erhoben hat,
hat der Prozessbevollmächtigte der [X.] keine Vorkehrungen getroffen, durch die sichergestellt wäre, dass der [X.] des hypothetischen Endes der von ihm beantragten Fristverlängerung vor Fristende daraufhin überprüft wird, dass er mit der wirklichen Frist überein-stimmt. Dass und welche Vorkehrungen der Prozessbevollmächtigte der [X.] getroffen hat, um eine Fristversäumnis zu vermeiden, hat die
Beklagte nicht dargelegt. Es fehlt insbesondere an einer organisatorischen Anweisung des Prozessbevollmächtigten der [X.] dahin, dass vor Ablauf der [X.]en Fristverlängerung durch entsprechende Nachfrage bei Gericht das wirk-liche Fristende in Erfahrung gebracht und in der Handakte vermerkt wird. [X.] dieses Organisationsverschuldens hat der Prozessbevollmächtigte der [X.] bei Vorlage der Akten am 9.
Januar
2014 übersehen, dass es sich bei der eingetragenen Berufungsbegründungsfrist um eine vom Gericht nicht bestä-13
-
8
-
tigte Fristverlängerung und damit eine hypothetische Frist gehandelt hat. Da bei entsprechenden organisatorischen Vorkehrungen
die Fristversäumnis durch eine
Nachfrage bei Gericht vermieden worden wäre, beruht die Fristversäu-mung auf diesem
der [X.] gemäß §
85 Abs.
2 ZPO zurechenbaren
Ver-schulden ihres Prozessbevollmächtigten.

2. Ohne Erfolg bleibt im Ergebnis ferner
der von der [X.] erhobene Einwand, das Berufungsgericht
habe
nicht hinreichend beachtet, dass über das Berufungsbegehren einer [X.] grundsätzlich nur einheitlich entschieden wer-den dürfe.
Ein nicht fristgerecht eingelegtes oder begründetes Rechtsmittel darf in der Berufungsinstanz
allerdings nicht als unzulässig verworfen werden, solange es mit Blick auf ein vom Gegner eingereichtes Rechtsmittel in eine Anschluss-berufung umgedeutet werden kann ([X.], Beschluss vom 26.
Oktober
1999

X
ZB 15/99, [X.], 730; Beschluss vom 2.
Juli
1996
IX
ZB
53/96, NJW 1996, 2659, 2660;
Urteil
vom 27. April 1995

[X.], NJW 1995, 2362, 2363; Beschluss vom 1.
Oktober
1986
IVb
ZB
83/86, [X.], 154 m.w.N.). Die am 27.
Januar
2014 beim Berufungsgericht eingegangene Beru-fungsbegründung
der [X.] hätte zunächst
als Anschlussberufung [X.] werden
können, weil sie noch innerhalb der der
[X.] gesetz-ten Frist zur Berufungserwiderung, die erst am 10.
Februar
2014 ablief, bei [X.] eingegangen ist. Eine Umdeutung der Berufung in eine Anschlussberufung kommt auch ohne ausdrückliche Erklärung der [X.] in Betracht, wenn dies ihrem objektiven Interesse entspricht. Die Möglichkeit zur Umdeutung der Beru-fung der [X.] in eine Anschlussberufung ist
jedoch
nach der vom Kläger am 21.
August
2014 wirksam erklärten Zurücknahme seiner Berufung entfallen. Damit
hat die
Anschlussberufung
der [X.] gemäß §
524 Abs.
4 ZPO 14
15
-
9
-
ebenfalls ihre Wirkung verloren.
Da eine Umdeutung nunmehr nicht mehr in Betracht kommt, kann das Rechtsmittel keinen Erfolg haben.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

[X.]
Eick
Kartzke

Jurgeleit

Graßnack
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 16.10.2013 -
4 O 779/04 -

OLG [X.], Entscheidung vom 06.03.2014 -
2 U 31/13 -

16

Meta

VII ZB 15/14

16.10.2014

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.10.2014, Az. VII ZB 15/14 (REWIS RS 2014, 2132)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2132

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VII ZB 15/14

XII ZB 709/13

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