Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.02.2018, Az. IV ZR 53/17

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 14293

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:070218UIVZR53.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
IV ZR 53/17
Verkündet am:

7. Februar 2018

Heinekamp

Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R:

ja

ALB §
7 Abs.
8

Eine Klausel in Allgemeinen Versicherungsbedingungen einer Risikolebensversiche-rung, nach der ein [X.] nach dem Ableben des Versicherungsneh-mers als bevollmächtigt zur Entgegennahme von Rücktritts-
oder Anfechtungserklä-rungen gilt, kann nicht so ausgelegt werden, dass im Falle einer Sicherungszession [X.] nur noch der [X.] ist.

[X.], Urteil vom 7. Februar 2018 -
IV ZR 53/17 -
O[X.]

[X.]

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.], die Richter Dr.
Karczewski, [X.] und [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 7.
Februar 2018

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivil-senats des [X.] vom 18.
Januar 2017 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die klagende Sparkasse verlangt aus abgetretenem Recht von dem beklagten Versicherer Auszahlung der Todesfallleistung aus einer Risikolebensversicherung.

Diese schloss die Versicherungsnehmerin bei der [X.]n im Dezember 2007 mit einer Versicherungssumme von 500.000

sich aufgrund der vereinbarten Dynamisierung auf 524.023

Die im Antragsformular im Rahmen der "Risiko-
und Gesundheits-erklärung der zu versichernden Person" gestellten Fragen "[X.] Sie in 1
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den letzten 5 Jahren oder leiden Sie zurzeit an Krankheiten, Störungen letzten 10 Jahren stationär behandelt?" verneinte die
Versicherungs-nehmerin, ebenso die Fragen in einer "Erklärung vor dem Arzt" nach Krankheiten der Psyche und einem Selbsttötungsversuch.

Als bezugsberechtigte Person im Todesfall benannte die Versiche-rungsnehmerin ihren Ehemann.

§
7 Abs.
8 der dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden "All-gemeinen Bedingungen für die Risikoversicherung" (im Folgenden: [X.]) bestimmt:

"Sofern Sie uns keine andere Person als Bevollmächtigten benannt haben, gilt nach Ihrem Ableben ein Bezugsberech-tigter als bevollmächtigt, eine Rücktritts-
oder Anfechtungs-erklärung entgegenzunehmen. Ist auch ein Bezugsberech-tigter nicht vorhanden oder kann sein Aufenthalt nicht er-mittelt werden, so können wir den Inhaber des Versiche-rungsscheins zur Entgegennahme der Erklärung als be-vollmächtigt ansehen."

Am 13.
Februar 2008 trat die Versicherungsnehmerin "die gegen-wärtigen und zukünftigen Rechte und Ansprüche aus dem

Lebensver-sicherungsvertrag
für den Todesfall in voller Höhe"
zur Sicherung "aller bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten
Forderun-gen
des Kreditinstituts

"
aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung an die Klägerin ab und übergab dieser den [X.]. Die Abtretungserklärung
enthält unter der Überschrift "Bezugsrecht"
folgende Regelung:

"Der Versicherungsnehmer widerruft für die Dauer der Ab-tretung ein etwaiges Bezugsrecht, insoweit es den Rechten 4
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des Kreditinstituts entgegensteht. Übersteigt der vom [X.] nach dem Ableben des Versicher-ten an das Kreditinstitut ausgezahlte Geldbetrag die [X.] Ansprüche des Kreditinstituts, so wird das [X.] an den/die von dem Versicherungsun-ternehmen mitgeteilten Bezugsberechtigten auszahlen."

Die Klägerin übersandte der [X.]n die
Abtretungserklärung
sowie eine Abtretungsanzeige, in der die Versicherungsnehmerin erklär-te:

"Ich habe dem oben
genannten Kreditinstitut die [X.] zu-stehenden gegenwärtigen und künftigen Rechte und [X.] aus dem oben genannten Versicherungsvertrag im Umfange der beigefügten Abschrift der Abtretungserklärung Kreditinstitut übergeben. Ich widerrufe hiermit für die Dauer der Abtretung das bisherige Bezugsrecht insoweit, als es dieser entgegensteht."

Am 19.
Oktober 2013 verstarb die Versicherungsnehmerin durch Suizid. Nachdem die Klägerin davon Kenntnis erlangt hatte, bat sie die [X.] um Auszahlung der Versicherungsleistung.

Mit Schreiben vom 5.
Februar 2014 teilte die [X.] der Klägerin mit, sie habe gegenüber dem Ehemann der Versicherungsnehmerin we-gen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht die Anfechtung er-klärt. Mit Schreiben vom 7.
Februar 2014 focht die [X.] gegenüber dem Ehemann der Versicherungsnehmerin ihre Vertragserklärung
an. Hintergrund der Anfechtung war, dass die [X.] im Rahmen der Leis-tungsprüfung festgestellt hatte, dass die Versicherungsnehmerin nach einem Suizidversuch Anfang August 2001 einen Monat in einer Fachkli-nik für Psychiatrie behandelt worden war, nach Aufnahme in die ge-7
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schlossene Station einen weiteren Suizidversuch begangen hatte und anschließend mit Antidepressiva behandelt worden war.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Anfechtung gegenüber dem [X.] der Versicherungsnehmerin greife schon deshalb nicht durch, weil dieser nicht der richtige Anfechtungsgegner gewesen sei.

Das [X.] hat die [X.] antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin 524.023

Zinsen zu zahlen. Auf die Berufung der [X.]n
hat das Oberlandesge-richt das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des [X.] und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

[X.] Nach dessen Auffassung hat die [X.] wirksam die Anfech-tung wegen arglistiger Täuschung gegenüber dem Ehemann der [X.]in erklärt. Diese habe die [X.] getäuscht, indem sie bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen und in der "Erklärung vor dem Arzt" die beiden Suizidversuche und den stationären Aufenthalt in einer Fachklinik für Psychiatrie im Jahr 2001 verschwiegen habe. Dass dies arglistig geschehen sei, liege auf der Hand. Die Fragen seien ein-deutig und der Versicherungsnehmerin zweimal gestellt worden, so dass eine versehentliche falsche Beantwortung auszuschließen sei. Der Ver-10
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sicherungsnehmerin sei klar gewesen, dass sie den begehrten [X.] bei wahrheitsgemäßen
Angaben nicht erhalten würde. Selbst bei einem Versicherungsnehmer, der bemüht sei, Erkrankungen zu verdrängen und nicht wahrzunehmen, bleibe die Erinnerung an Selbstmordversuche bestehen. Dass dies bei der Versicherungsnehme-rin anders gewesen sein könnte, sei nicht substantiiert behauptet und er-kennbar. Die von der Klägerin vorgelegte gutachterliche Stellungnahme stehe dem nicht entgegen. Selbst wenn die Versicherungsnehmerin [X.] Krankheitseinsicht gehabt und sich im Zeitpunkt der Antragstellung gesund gefühlt habe, ändere dies nichts daran, dass sie ihr bekannte ob-jektive Umstände, nach denen sie gefragt worden sei, nicht angegeben habe. Dass sie krankheitsbedingt weder an ihre Selbstmordversuche noch an den stationären Krankenhausaufenthalt gedacht
habe, sei nicht dargelegt worden.

Die Anfechtung sei auch gegenüber dem richtigen [X.] erklärt worden. §
7 Abs.
8 [X.] sei wirksam und begründe eine Empfangsvollmacht des Bezugsberechtigten, hier des Ehemannes der Versicherungsnehmerin. Infolge der Sicherungsabtretung der Ansprüche aus der Lebensversicherung sei das Bezugsrecht des Ehemannes der Versicherungsnehmerin nicht vollständig weggefallen. Es sei nur in dem durch den [X.] bestimmten Umfang im Rang hinter die Rechte der Klägerin zurückgetreten und im Übrigen voll wirksam geblie-ben. Folglich sei der Ehemann der Versicherungsnehmerin weiter [X.] gemäß §
7 Abs.
8 [X.] gewesen. Die Klägerin sei auch nicht als Inhaberin des Versicherungsscheins Empfangsbevoll-mächtigte der Anfechtungserklärung geworden. Nach §
7 Abs.
8 [X.] könne der Inhaber des Versicherungsscheins nur dann zur [X.] als bevollmächtigt angesehen werden, wenn ein 14
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[X.] nicht vorhanden sei oder sein Aufenthalt nicht ermit-telt werden könne.

I[X.] Das hält der rechtlichen Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

1. Das Berufungsgericht hat allerdings ohne Rechtsfehler ange-nommen, dass die [X.] die Anfechtungserklärung trotz der Siche-rungsabtretung an den Ehemann der Versicherungsnehmerin richten
konnte.

a) Dieser war jedenfalls auch zur Entgegennahme der Anfech-tungserklärung als [X.] gemäß §
7 Abs.
8 Satz
1 [X.] empfangsbevollmächtigt. Nach dieser Bestimmung gilt, sofern der [X.] der [X.]n keine andere Person als Bevollmächtig-ten benannt hat, nach seinem Ableben ein [X.] als be-vollmächtigt, eine Rücktritts-
oder Anfechtungserklärung entgegenzu-nehmen. Die Versicherungsnehmerin hatte gegenüber der [X.]n ih-ren Ehemann als Bezugsberechtigten bestimmt und keinen anderen Be-vollmächtigten benannt.

aa) Entgegen der Auffassung der Revision ist die Klägerin durch die Sicherungsabtretung nicht alleinige oder vorrangige Empfangsbe-vollmächtigte im Sinne von §
7 Abs.
8 Satz
1 [X.] geworden. Die Klausel kann nach den maßgeblichen [X.] eines durch-schnittlichen Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche [X.] bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs (vgl. Se-15
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8
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natsurteil vom 23.
Juni 1993 -
IV ZR 135/92, [X.]Z 123, 85 = juris Rn.
14 und ständige Senatsrechtsprechung) nicht so ausgelegt werden, dass im Fall einer Sicherungszession [X.] nur noch der
Siche-rungszessionar ist.

(1) Nach dem Wortlaut, von dem ein verständiger Versicherungs-nehmer ausgeht, sieht er als Bezugsberechtigten im Sinne des §
7 Abs.
8 [X.] jedenfalls diejenige Person an, die nach seinem dem Versi-cherer mitgeteilten Willen im Versicherungsfall die Versicherungsleistung erhalten soll. Ob er einen Sicherungsnehmer, an den er seine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag abgetreten hat, auch als "[X.]" ansieht, kann dahinstehen. Der Versicherungsnehmer wird die Mitteilung einer Sicherungsabtretung an den Versicherer jedenfalls nicht so verstehen, dass er damit den Zessionar zugleich als alleinigen oder vorrangigen Empfangsbevollmächtigen für Rücktritts-
oder Anfechtungs-erklärungen benennt.

(2) Dies
entspricht auch dem einem durchschnittlichen Versiche-rungsnehmer erkennbaren Zweck des §
7 Abs.
8 Satz
1 [X.], hinsichtlich des richtigen Erklärungsadressaten für Klarheit zu sorgen. Der Versiche-rer will sich auf die Empfangsvollmacht eines ihm benannten [X.] verlassen können und nicht aufgrund einer ihm mitgeteilten Sicherungsabtretung nach Eintritt des Versicherungsfalles prüfen müs-sen, ob und in welchem Umfang die gesicherten Forderungen bei Eintritt des Versicherungsfalles noch bestehen und ob der Sicherungsnehmer die ihm abgetretenen Ansprüche aus der Lebensversicherung verwerten will.

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(3) Dieses Verständnis steht im Einklang mit der Senatsrechtspre-chung zur Kollision einer Sicherungsabtretung mit einer widerruflichen Bezugsrechtsbestimmung.

(a) Bei Einräumung eines widerruflichen, im Übrigen nicht einge-schränkten Bezugsrechts liegt in einer nachträglichen Sicherungsabtre-tung der Ansprüche aus einer Lebensversicherung nicht auch ein kon-kludenter Widerruf bestehender Bezugsrechtsbestimmungen. Ein anläss-lich der Sicherungsabtretung erklärter Widerruf "für die Dauer der Abtre-tung" ist vielmehr regelmäßig so zu verstehen, dass etwaige Bezugs-rechte im Rang
hinter das vereinbarte Sicherungsrecht zurücktreten und im Übrigen bestehen bleiben sollen (Senatsurteile vom 18.
Januar 2012

IV ZR 196/10, [X.], 344 Rn.
16; vom 27.
Oktober 2010
IV ZR 22/09, [X.]Z 187, 220 Rn.
13; jeweils m.w.[X.]). Soweit im maßgeblichen Zeitpunkt des Versicherungsfalles dem Sicherungsnehmer gesicherte Forderungen gegen den Versicherungsnehmer zustehen, ist er
als In-haber des Anspruchs, nicht nur als [X.]
-
allein befugt, Zahlung der Todesfallleistung an sich zu verlangen (Senatsurteile vom 18.
Januar 2012 aaO; vom 27.
Oktober 2010 aaO Rn.
14; jeweils m.w.[X.]). Dies bedeutet nur, dass der Sicherungsnehmer infolge seiner unmittelbaren Anspruchsinhaberschaft hinsichtlich der Versicherungs-leistung eine stärkere Stellung als ein [X.] hat. Daraus ergibt sich nicht, dass der Sicherungsnehmer darüber hinaus zugleich aufgrund einer Klausel wie der hier streitgegenständlichen zur Entge-gennahme von Willenserklärungen des Versicherers allein oder
vorrangig bevollmächtigt ist.

(b) Etwas anderes folgt entgegen der Auffassung der Revision nicht aus dem Senatsurteil vom 24.
März 1993 ([X.], VersR 21
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1993, 868 unter 3 a). In jenem Verfahren hat der Senat entschieden, nach der dort in Rede stehenden Klausel wäre -
mangels Benennung ei-nes Bezugsberechtigten
-
der Rücktritt gegenüber der Sicherungsnehme-rin zu erklären gewesen, die infolge der dem Versicherer angezeigten Abtretung "auch Bezugsberechtigte" geworden sei. Dies bedeutet aber
nicht, dass ein Sicherungsnehmer auch dann zur Entgegennahme von Rücktritts-
oder Anfechtungserklärungen allein oder vorrangig bevoll-mächtigt ist, wenn ein vom Versicherungsnehmer benannter Bezugsbe-rechtigter vorhanden ist.

Die Revision beruft sich weiterhin ohne Erfolg auf das Senatsurteil vom 5.
Mai 1982 ([X.], [X.], 746 unter [X.]). Die Frage,
ob die Anfechtung auch gegenüber einem -
nicht benannten
-
[X.] erklärt werden konnte, stellte sich in jenem Streitfall nicht. Die Sicherungsnehmerin war als Inhaberin des Versicherungsanspruchs und des Versicherungsscheins zur Entgegennahme
von Willenserklärungen bevollmächtigt.

bb) In der dargelegten Auslegung hält §
7 Abs.
8 Satz
1 [X.] der Inhaltskontrolle stand. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, sind Klauseln in einer Lebensversicherung, die den Versicherer [X.],
nach dem Tod des Versicherungsnehmers davon auszugehen, dass dieser bestimmte Personen zur Entgegennahme von Willenserklärungen des Versicherers nach Eintritt des Versicherungsfalles bevollmächtigt hat, grundsätzlich rechtlich unbedenklich (Senatsurteile vom 24.
März 1993

[X.], [X.], 868 unter 3 a; vom 5.
Mai 1982
[X.], [X.], 746 unter [X.] und 2). Durch eine solche Be-stimmung wird der Versicherungsnehmer nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben gemäß §
307 Abs.
1 Satz
1, Abs.
2 BGB unange-24
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-

messen benachteiligt. §
7 Abs.
8 Satz
1 [X.] weicht nicht von einer ge-setzlichen Regelung ab und schränkt auch nicht wesentliche Rechte und Pflichten des Versicherungsnehmers aus dem Versicherungsvertrag so ein, dass die Erreichung des
Vertragszwecks gefährdet ist. Die Erteilung einer Empfangsvollmacht für den Bezugsberechtigten oder den Inhaber des Versicherungsscheins entspricht
zumindest in aller Regel

nicht nur den Interessen des Versicherers, sondern auch denen des [X.]. Lebensversicherungsverträge werden vom Versiche-rungsnehmer für den Fall, dass er den Versicherungsfall nicht selbst er-lebt, im Interesse des Bezugsberechtigten geschlossen. Dieser ist nach dem Tode des Versicherungsnehmers an der Versicherung wirtschaftlich interessiert. Es kann deshalb regelmäßig den Interessen des [X.] nicht widersprechen, für den Fall seines Todes den [X.] zu bevollmächtigen. Hingegen hat der Versicherer ein besonderes
Interesse, nach Eintritt des Versicherungsfalles den notwen-digen legitimierten Erklärungsempfänger zu haben. Dies widerspricht den Interessen des Versicherungsnehmers nicht, sondern dient dem [X.] und damit den Interessen beider Vertragspartner (Senatsur-teil vom 5.
Mai 1982 aaO unter [X.]).

b) Die [X.] konnte und musste die Klägerin auch nicht als In-haberin des Versicherungsscheins gemäß §
7 Abs.
8 Satz
2 [X.] zur Entgegennahme der Anfechtungserklärung als bevollmächtigt ansehen. Diese Regelung ist nach ihrem klaren
Wortlaut nur dann einschlägig, wenn ein [X.] nicht vorhanden ist oder sein Aufenthalt nicht ermittelt werden kann. Dies war hier nicht der Fall. Dagegen erhebt die Revision keine Einwände.

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2. Als rechtsfehlerhaft rügt die Revision hingegen zu Recht die Feststellung des Berufungsgerichts, die Versicherungsnehmerin habe die [X.] arglistig getäuscht, indem sie ihr die beiden Suizidversuche und die damit in Zusammenhang stehende stationäre Behandlung im Jahr 2001 verschwiegen habe.

a) Eine arglistige Täuschung setzt eine Vorspiegelung falscher
oder ein Verschweigen wahrer Tatsachen gegenüber dem Versicherer zum Zwecke der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums voraus. Der Versicherungsnehmer muss vorsätzlich handeln, indem er bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirkt. Falsche Angaben in einem Versicherungsvertrag allein rechtfertigen den Schluss auf eine arglistige Täuschung nicht; einen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine bewusst unrichtige Beantwortung einer
Antrags-frage immer und nur in der Absicht erfolgt, auf den Willen des [X.] einzuwirken, gibt es nicht. In subjektiver Hinsicht setzt die Annahme von Arglist vielmehr zusätzlich voraus, dass der Versicherungsnehmer erkennt und billigt, dass der Versicherer seinen Antrag bei Kenntnis des wahren Sachverhalts gar nicht oder nur zu anderen Konditionen anneh-men werde (Senatsurteile vom 24.
November 2010
IV ZR 252/08, [X.], 337
Rn.
19; vom 28.
Februar 2007

IV ZR 331/05, [X.], 785 Rn.
8
m.w.[X.]). Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsge-richt zwar ausgegangen.

b) Es hat aber die Beweislastverteilung nicht beachtet.

aa) Der Versicherer trägt die Beweislast für die Täuschungsabsicht des Versicherungsnehmers (Senatsurteil vom 11.
Mai 2011
[X.], [X.], 909 Rn.
16). Wenn -
wie hier
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objektiv falsche An-27
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13
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gaben vorliegen, trifft den Versicherungsnehmer eine sekundäre Darle-gungslast; er muss plausibel darlegen, wie und weshalb es zu den objek-tiv falschen Angaben gekommen ist (Senatsurteil vom 11.
Mai 2011 aaO; Senatsbeschluss vom 7.
November 2007
IV ZR 103/06, [X.], 242 Rn.
1; jeweils m.w.[X.]).

bb) Dieser sekundären Darlegungslast ist die Klägerin durch Vor-lage der gutachterlichen Stellungnahme des Herrn Dr.
med. F.

nachgekommen. Dieser hat den Krankheitsverlauf der Versicherungs-nehmerin dargelegt und zusammenfassend ausgeführt, zum Vertrags-schluss habe die depressive Erkrankung in ihrem Denken und ihrem Selbstkonzept keinen Platz gehabt. Sie habe die Erkrankung in einer neurotischen Abwehr negiert. Die Krankheit sei nicht Gegenstand ihrer persönlichen Realitätswahrnehmung gewesen. Insofern könne weder von einem betrügerischen noch von einem fahrlässigen Handeln bei der Nichtangabe dieser Vorgeschichte ausgegangen werden. Diesem Verhal-ten liege ein krankhafter Prozess zugrunde. Unter Bezugnahme darauf hat die Klägerin vorgetragen, der Versicherungsnehmerin habe jedenfalls der Wille gefehlt, auf die Entscheidung der [X.]n im
Bewusstsein [X.] möglichen Ablehnung des Versicherungsantrags
Einfluss
zu nehmen. Damit hat die Klägerin nachvollziehbar dargetan,
dass
die Versiche-rungsnehmerin die streitgegenständlichen Gesundheitsfragen objektiv falsch beantwortet habe, weil ihr krankheitsbedingt die Einsichtsfähigkeit und die Erinnerung an die Suizidversuche gefehlt hätten. Indem das Be-rufungsgericht ohne ausgewiesene eigene medizinische Sachkunde die-sen Vortrag der Klägerin als unsubstantiiert bewertet hat, hat es die An-forderungen an die sekundäre Darlegungslast überspannt. Der Versiche-rungsnehmer -
und auch sein [X.]
-
ist nicht gehalten, von einem Facharzt beschriebene medizinische Gründe für die [X.]
-
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beantwortung von Gesundheitsfragen weiter zu erläutern oder gar [X.]. Vielmehr hat bei einer solchen Konstellation der Versicherer zur Arglist des Versicherungsnehmers weiter vorzutragen und gegebe-nenfalls dazu Beweis anzubieten.

II[X.] Da es zu den subjektiven Voraussetzungen der Arglist an aus-reichenden Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhand-lung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Es wird der [X.]n Gelegenheit zu ergänzendem Vorbringen und Be-weisantritt zu geben haben.

[X.] [X.] Dr.
Karczewski

[X.] [X.]

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 21.04.2016 -
14 O 245/15 -

O[X.], Entscheidung vom 18.01.2017 -
5 U 22/16 -

32

Meta

IV ZR 53/17

07.02.2018

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.02.2018, Az. IV ZR 53/17 (REWIS RS 2018, 14293)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 14293

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IV ZR 53/17

IV ZR 196/10

IV ZR 22/09

IV ZR 252/08

IV ZR 148/09

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