Bundesfinanzhof, Urteil vom 28.02.2013, Az. VI R 6/12

6. Senat | REWIS RS 2013, 7786

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(Berufsausbildung i.S. der §§ 9 Abs. 6, 12 Nr. 5 EStG - Werbungskostenabzug bei Ausbildung einer Flugbegleiterin zur Verkehrsflugzeugführerin)


Leitsatz

Weder die erstmalige Berufsausbildung i.S. des § 12 Nr. 5 EStG noch die i.S. des § 9 Abs. 6 EStG setzen ein Berufsausbildungsverhältnis nach dem Berufsbildungsgesetz oder eine bestimmte Ausbildungsdauer voraus (Fortführung der Senatsrechtsprechung, Urteil vom 27. Oktober 2011 VI R 52/10, BFHE 235, 444, BStBl II 2012, 825) .

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob [X.]ufwendungen für die einer Flugbegleiterausbildung nachfolgende Flugzeugführerausbildung als Werbungskosten zu berücksichtigen sind.

2

Die Kläger und [X.] (Kläger) wurden als Ehegatten im Streitjahr (2006) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Die 1970 geborene Klägerin war als [X.] nichtselbständig tätig. Sie machte in ihrer Einkommensteuererklärung des [X.] u.a. 18.874 € für ihre [X.]usbildung zur [X.] als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger [X.]rbeit geltend. Die Klägerin hatte schon früher, von Mai bis September 1992, bei der [X.] erfolgreich eine [X.]usbildung zur Flugbegleiterin absolviert.

3

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --F[X.]--) versagte den [X.]bzug der [X.]ufwendungen für die [X.]usbildung zur [X.] als Werbungskosten; er berücksichtigte stattdessen im streitigen Einkommensteuerbescheid Sonderausgaben in Höhe von 4.000 € gemäß § 10 [X.]bs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

4

Mit der dagegen erhobenen Klage begehrten die Kläger weiterhin den Werbungskostenabzug für die [X.]ufwendungen zur [X.]usbildung als [X.]. Sie machten insbesondere geltend, dass die [X.]bzugsbeschränkung des § 12 Nr. 5 EStG nicht zur [X.]nwendung komme, weil die [X.]usbildung der Klägerin zur [X.] angesichts ihrer zuvor schon absolvierten [X.]usbildung zur Flugbegleiterin keine erstmalige Berufsausbildung i.S. des § 12 Nr. 5 EStG sei.

5

Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 506 veröffentlichten Gründen statt.

6

Die [X.]ufwendungen der Klägerin für ihre [X.]usbildung zur [X.] seien Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger [X.]rbeit. § 12 Nr. 5 EStG stehe dem nicht entgegen.

7

Denn die innerbetriebliche [X.]usbildung der Klägerin zur Flugbegleiterin sei ihre erstmalige Berufsausbildung i.S. des § 12 Nr. 5 EStG. Bei § 12 Nr. 5 EStG komme es für die Beurteilung des Begriffs der (erstmaligen) Berufsausbildung allein darauf an, ob die [X.]usbildung berufsbezogen sei und eine Voraussetzung für die geplante bzw. beabsichtigte Berufsausübung darstelle. Die im Gesetzgebungsverfahren bei der seinerzeitigen Einfügung des § 12 Nr. 5 EStG gegebene Begründung beziehe "Berufsausbildung" allein auf den Erwerb von Kenntnissen, die zur [X.]ufnahme eines Berufs befähigten, ohne dass [X.]nforderungen an den [X.]usbildungsgang bzw. den [X.]blauf oder [X.]bschluss der [X.]usbildung gestellt würden. Es werde vielmehr ganz allgemein auf die erste berufliche Befähigung bzw. den Erwerb von Kenntnissen abgestellt, die zur [X.]ufnahme eines (ersten) Berufs befähigten (BTDrucks 15/3339, S. 10). Danach sei Berufsausbildung "Erlernen der Grundlagen eines Berufs zum Erwerb einer selbständigen und gesicherten Position im Leben" (vgl. BTDrucks 15/3339, S. 10 rechte Spalte); angesichts dessen komme es alleine darauf an, dass eine [X.]usbildung berufsbezogen sei und sie eine (Grund)Voraussetzung für die geplante Berufsausübung darstelle.

8

Davon sei bei der Klägerin auszugehen. Sie habe im Rahmen einer sechsmonatigen [X.]usbildung diverse Schulungsmaßnahmen durchlaufen müssen; ihr seien dabei sowohl theoretische als auch praktische Inhalte zu ihrer Tätigkeit als Flugbegleiterin vermittelt worden. Dazu seien neben der psychologischen Schulung --gerade auch mit Blick auf das richtige Verhalten in [X.] und dem Sicherheitstraining --etwa für die korrekte Durchführung der Evakuierung eines vollbesetzten Flugzeugs oder einer Notwasserung-- auch die [X.]rbeit im Servicebereich sowie der allgemeine Umgang mit den Passagieren von grundlegender Bedeutung. Daneben sei die Klägerin im aktiven Flugdienst zunächst auf Kurz- und später auch auf Langstreckenflügen eingesetzt worden und habe dort unter fachlicher [X.]ufsicht ein "training on the job" durchlaufen. Die in der Praxis und Theorie erworbenen Kenntnisse und Qualifikationen seien während der [X.]usbildung immer wieder überprüft worden. Die Klägerin habe ihre [X.]usbildung schließlich mit einer firmeninternen Prüfung erfolgreich abgeschlossen und später noch eine Zusatzqualifikation erworben. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sei die Klägerin berufsbezogen --nämlich im Hinblick auf ihre Tätigkeit als Flugbegleiterin-- ausgebildet worden.

9

Das F[X.] rügt mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt,
das Urteil des [X.] Köln vom 12. Dezember 2011  7 K 3147/08 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung). Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass die streitigen Aufwendungen der Klägerin für ihre Ausbildung als Berufspilotin zum Werbungskostenabzug berechtigen.

1. Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie liegen vor, wenn sie durch den Beruf oder durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Das ist der Fall, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden. Erzielt der Steuerpflichtige gegenwärtig noch keine Einnahmen, sind die Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar, wenn sie in einem hinreichend konkreten, objektiv feststellbaren Veranlassungszusammenhang mit späteren Einnahmen stehen; das kann grundsätzlich auch bei berufsbezogenen Bildungsmaßnahmen der Fall sein.

a) § 9 EStG vor der Fassung des [X.] (--[X.]--) vom 7. Dezember 2011 ([X.], 2592) hatte keine Sonderregelung zu Berufsausbildungskosten enthalten. Deshalb blieb für den Abzug von Berufsausbildungskosten als Werbungskosten entscheidend, ob die Aufwendungen einen hinreichend konkreten Veranlassungszusammenhang zur nachfolgenden auf die Erzielung von Einkünften gerichteten Berufstätigkeit aufweisen (vgl. Senatsurteile vom 27. Oktober 2011 VI R 52/10, [X.], 444, [X.], 825; vom 28. Juli 2011 VI R 38/10, [X.], 279, [X.], 561; jeweils m.w.N.).

b) § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des [X.] bestimmt, dass Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, keine Werbungskosten sind, wenn diese Berufsausbildung oder dieses Erststudium nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet. Entsprechendes regelt § 4 Abs. 9 EStG i.d.F. des [X.] für Betriebsausgaben. Nach § 52 Abs. 23d Satz 5 sowie § 52 Abs. 12 Satz 11 EStG i.d.F. des [X.] sind § 9 Abs. 6 sowie § 4 Abs. 9 EStG i.d.F. des [X.] für Veranlagungszeiträume ab 2004 anzuwenden.

c) Der Werbungskostenabzug ist gegenüber dem Abzug von Aufwendungen als Sonderausgaben vorrangig. Denn Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine Berufsausbildung sind nur dann Sonderausgaben, "wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind". Das ist ein allgemeiner, für alle Sonderausgaben durch den Einleitungssatz zu § 10 Abs. 1 EStG normierter Grundsatz (Senatsurteil in [X.], 279, [X.], 561). Dieser Einleitungssatz blieb auch durch das [X.] unverändert. § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG steht deshalb dem Abzug der [X.] als Werbungskosten nach wie vor nicht entgegen.

2. Im Streitfall ist der Werbungskostenabzug weder durch § 9 Abs. 6 EStG noch durch § 12 Nr. 5 EStG, jeweils i.d.F. des [X.], ausgeschlossen. Denn zutreffend hat das [X.] insoweit entschieden, dass die mit dem [X.] eingeführten Abzugsbeschränkungen dem Abzug nicht entgegenstehen, weil es sich bei der Ausbildung der Klägerin zur Verkehrsflugzeugführerin nicht um eine erstmalige Berufsausbildung i.S. der §§ 9 Abs. 6, 12 Nr. 5 EStG i.d.F. des [X.] handelt. Zutreffend hat das [X.] deshalb weiter entschieden, dass die in der Höhe nicht streitigen Werbungskosten zu berücksichtigen sind und der bisher vom [X.] berücksichtigte Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG in Höhe von 4.000 € ausscheidet.

a) Der erkennende Senat hatte mit Urteil in [X.], 444, [X.], 825, m.w.N. zu dem im Gesetz nicht näher beschriebenen steuerrechtlichen Begriff der Berufsausbildung entschieden. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Berufsausbildung ist danach die Ausbildung zu einem künftigen Beruf. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind. Gegenbegriff zur Berufsausbildung ist die Allgemeinbildung, die keine notwendige Voraussetzung für eine geplante Berufsausübung darstellt. Deshalb liegt eine Berufsausbildung im Sinne des Steuerrechts nicht nur vor, wenn der Steuerpflichtige im dualen System oder innerbetrieblich Berufsbildungsmaßnahmen durchläuft. Es ist auch kein Berufsausbildungsverhältnis nach dem [X.] oder eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren erforderlich. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Ausbildung den Steuerpflichtigen befähigt, aus der angestrebten Tätigkeit Einkünfte zu erzielen.

b) Nach Maßgabe dieser vorgenannten Rechtsgrundsätze hat die Klägerin nach den Feststellungen des [X.] mit ihrer Ausbildung zur Flugbegleiterin eine Berufsausbildung i.S. der §§ 9 Abs. 6, 12 Nr. 5 EStG i.d.F. des [X.] absolviert. Der Beruf des Flugbegleiters kann regelmäßig als Vollerwerbstätigkeit ausgeübt werden und befähigt zur Erzielung von Einkünften. Die Ausbildung der Klägerin war planmäßig ausgestaltet, an dem Ausbildungsziel des Flugbegleiters und der dazu erforderlichen Qualifikation ausgerichtet und schloss sogar mit einer firmeninternen Prüfung ab. Das [X.] hat dazu festgestellt, dass die Klägerin im Rahmen ihrer sechsmonatigen Ausbildung diverse Schulungsmaßnahmen zu durchlaufen hatte. Dabei wurden sowohl theoretische als auch praktische Inhalte in Bezug auf die Tätigkeit als Flugbegleiterin umfassend vermittelt. Die Schulung umfasste danach sowohl das Sicherheitstraining für Notfallsituationen als auch die typische Arbeit im Servicebereich; die so erworbenen Kenntnisse und Qualifikationen wurden während der Ausbildung immer wieder überprüft. Die vom [X.] auf Grundlage dieser Feststellungen getroffene Würdigung, dass die Klägerin berufsbezogen --nämlich im Hinblick auf ihre Tätigkeit als Flugbegleiterin-- ausgebildet wurde, ist deshalb revisionsrechtlich in keiner Weise zu beanstanden.

3. Angesichts dessen kann für den Streitfall die Frage dahinstehen, ob die §§ 9 Abs. 6, 12 Nr. 5 EStG inhaltlich insbesondere mit Blick auf das objektive Nettoprinzip sowie hinsichtlich des für sie geltenden zeitlichen Anwendungsbereichs i.d.F. des [X.], beschlossen durch Gesetz vom 7. Dezember 2011, aber anwendbar ab dem Veranlagungszeitraum 2004, verfassungsrechtlichen Anforderungen genügten.

Meta

VI R 6/12

28.02.2013

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 12. Dezember 2011, Az: 7 K 3147/08, Urteil

§ 9 Abs 1 S 1 EStG 2002, § 9 Abs 6 EStG 2009 vom 07.12.2011, § 10 Abs 1 Nr 7 EStG 2009 vom 07.12.2011, § 12 Nr 5 EStG 2009 vom 07.12.2011, § 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2002, § 52 Abs 23d S 5 EStG 2009 vom 07.12.2011, § 52 Abs 12 S 11 EStG 2009 vom 07.12.2011, Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 3 Abs 1 GG, EStG VZ 2006

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 28.02.2013, Az. VI R 6/12 (REWIS RS 2013, 7786)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7786

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VI R 18/20 (VI R 59/14), VI R 18/20, VI R 59/14 (Bundesfinanzhof)

Aufwendungen für die Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer als Werbungskosten


III R 24/14 (Bundesfinanzhof)

Fahrtkosten eines Kindes wegen Fachschule und Praktikum


VI R 38/12 (Bundesfinanzhof)

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Beschlüssen vom 17.7.2014 VI R 2/12 und VI R 8/12 - …


VI R 72/13 (Bundesfinanzhof)

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Beschlüssen vom 17.7.2014 VI R 2/12 und VI R 8/12 - …


VI R 2/13 (Bundesfinanzhof)

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Beschlüssen vom 17.7.2014 VI R 2/12 und VI R 8/12 - …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.