Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.09.2017, Az. 5 StR 593/16

5. Strafsenat | REWIS RS 2017, 5166

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2017:190917U5STR593.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
5 StR 593/16

vom
19. September 2017
in der Strafsache
gegen

wegen Falschbeurkundung im Amt u.a.

-
2
-
Der 5.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom [X.] 2017, an der teilgenommen haben:
[X.] am [X.] [X.],

[X.],
[X.]in am [X.] Dr. [X.],
[X.] am [X.] Dr. [X.],
[X.] am [X.] Prof. Dr. Mosbacher

als beisitzende [X.],

St[X.]tsanwältin als Gruppenleiterin

als Vertreterin
der [X.],

Rechtsanwalt

S.

,
Rechtsanwalt

A.

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,
-
3
-
für Recht erkannt:

Auf die Revision der St[X.]tsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 16. September 2016 mit den zu-gehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschafts-strafkammer des [X.]s zurückverwiesen.

-
Von Rechts wegen
-

Gründe:
Mit dem angegriffenen Urteil hat das [X.] das Verfahren mangels örtlicher Zuständigkeit eingestellt (§ 260 Abs. 3 [X.]). Die St[X.]tsanwaltschaft beanstandet mit ihrer Revision die Verletzung sachlichen Rechts. Das vom Ge-neralbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
1. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, sich in 20 Fällen der [X.] im Amt (§ 348 StGB) schuldig gemacht
zu haben. Er soll als amtlich bestellter Notar in seinen Kanzleiräumen in [X.]/[X.] GmbH-Gründungen bzw. -Verkäufe und die Abtretungen von Geschäftsanteilen an sol-chen Gesellschaften und dabei wider besseres Wissen tatsächlich nicht abge-1
2
-
4
-
gebene Erklärungen der zumeist bulgarisch-stämmigen und in den Urkunden als Geschäftsführer, Gesellschafter oder Käufer von Geschäftsanteilen [X.] beurkundet haben. Diese hätten für den Angeklagten ersichtlich nicht über die für das Verständnis des
jeweiligen Vorgangs [X.] Deutschkenntnisse verfügt und daher die Dokumente ohne Verständnis des [X.] unterzeichnet. Die Erklärungen seien jeweils auf Geheiß des gesondert verfolgten und bereits wegen Steuerhinterziehung verurteilten
K.

bzw. seiner Geschäftspartner erfolgt, der die Erschienenen für die von ihm für kriminelle Zwecke genutzten Gesellschaften verwendet habe. Wie auch dem Angeklagten im [X.] bewusst gewesen sei, hätten die Erschienenen als soge-nannte
Scheinselbständige ohne sozialversicherungsrechtliche Anmeldung für K.

auf Baustellen in [X.] arbeiten sollen.
Zudem wird dem Angeklagten zur Last gelegt, er habe sich in 14 dieser Fälle (Fälle 7
bis 20 der Anklageschrift) tateinheitlich der Beihilfe zum soge-nannten Gründungs-
bzw. [X.] (§ 82 GmbHG, § 27 StGB) schuldig gemacht, indem er die Gründung von bzw. die Kapitalerhöhung bei Gesellschaften zur Eintragung in das Handelsregister bei dem [X.] angemeldet habe. Die beantragten Eintragungen seien erfolgt; der Angeklagte habe jeweils gewusst oder billigend in Kauf genommen, dass das angegebene Kapital nicht eingebracht worden sei.
2. Nach den Feststellungen verliefen die maßgeblichen [X.] wie folgt:
a) Durch Beschluss vom 24. Februar 2015 hat sich das [X.] für unzuständig erklärt, weil es in Bezug auf die für eine Begründung seiner [X.] Zuständigkeit allein in Frage kommenden Beihilfetaten
zum Gründungs-
und [X.] an einem hinreichenden Tatverdacht fehle. Das 3
4
5
-
5
-
Hanseatische [X.] hat auf die Beschwerde der [X.] diesen Beschluss durch Entscheidung vom 22. April 2015
(StraFo
2015, 284) mit der Begründung aufgehoben, das seine örtliche Zustän-digkeit im Zwischenverfahren überprüfende Gericht habe dabei den im konkre-ten [X.] benannten Sachverhalt zugrundezulegen und tatsächliche Zweifel hätten hier nur insoweit Bedeutung, als sie die [X.] tatsächlichen Behauptungen beträfen; eine weitergehende Tatver-dachtsprüfung fände nicht statt.
b) Darauf hat das [X.] mit Beschluss vom 25. Juni 2015 das Hauptverfahren unter Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung mit der Maßgabe vor einer allgemeinen Strafkammer eröffnet, dass betreffend die Vor-würfe der tateinheitlichen Beihilfe zum Gründungs-
und [X.] [X.] diesen Beschluss am 21. September 2015 insoweit aufgehoben, als die Eröffnung vor einer allgemeinen Strafkammer er-folgt war, und das Hauptverfahren vor der [X.] eröffnet.
c) Auf den in der Hauptverhandlung seitens des
Angeklagten erhobenen Einwand der Unzuständigkeit (§ 16 Satz 2 und 3 [X.]) hat das [X.] das Verfahren mit dem angefochtenen Urteil eingestellt und die Entscheidung mit seiner fehlenden örtlichen Zuständigkeit begründet. Es hat ausgeführt, im Rah-men
der nach § 16 [X.] vorzunehmenden Prüfung nicht an die Eröffnungsent-scheidung des [X.] gebunden zu sein. Ein Gerichtsstand nach § 7 [X.] liege nicht vor, da der Tatort der Falschbeurkundungen nicht [X.] sei und es für die Begehung der

allein für eine Zuständigkeitsbegrün-6
7
-
6
-
dung in Betracht kommenden

Beihilfen zum Gründungs-
bzw. Kapitalerhö-hungsschwindels an einem hinreichenden Tatverdacht fehle.
II.
Die Revision der St[X.]tsanwaltschaft hat Erfolg. Die Einstellungsent-scheidung des [X.]s hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
1. Die Annahme fehlender örtlicher Zuständigkeit durch das [X.] ist rechtsfehlerhaft. Zwar war das [X.] nicht an die Bejahung seiner [X.] Zuständigkeit durch die (erste) Beschwerdeentscheidung des [X.] vom 22. April 2015 gebunden (a.). Es war jedoch unabhängig von dieser Entscheidung örtlich zuständig (b.).
a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat sich das [X.] nicht an die (erste) Beschwerdeentscheidung des [X.] [X.] gebunden gesehen. Das Beschwerdegericht hatte im Zwischenverfahren lediglich über den bei ihm anhängig gewordenen Beschwerdegegenstand, also die Feststellung der eigenen örtlichen Unzuständigkeit durch das [X.], zu entscheiden. Ein entsprechender Beschluss entfaltet aber keine Bindungs-wirkung in Bezug auf die spätere Entscheidung über die Eröffnung des [X.] oder eine Rüge gemäß § 16 [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 24.
Januar 2017

3 [X.], [X.], 420; Urteil vom 25. August 1975

2 [X.], [X.]St 26, 191, 192 f.; [X.]/[X.], 26. Aufl., § 210 Rn. 42 [X.]; [X.] NStZ 1986, 59).
b) Das [X.] war für das bei ihm anhängige Verfahren jedoch ört-lich zuständig, weil im Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidung hinreichende [X.] für eine Straftat mit Erfolgsort [X.] (§ 7 Abs. 1 [X.], § 9 8
9
10
11
-
7
-
Abs.
1 Variante 3 StGB) bei jedenfalls 14 der angeklagten Taten vorlagen und sich die Zuständigkeit für die übrigen sechs ausschließlich in [X.]/[X.] begangenen Taten durch den bestehenden persönlichen Zusammenhang ergab (vgl. §§ 3, 13 Abs. 1 [X.]).
[X.]) Auf den Einwand gemäß § 16 Satz 2 [X.] hin hat das Gericht aus-schließlich zu prüfen, ob es für den ihm vorliegenden Lebenssachverhalt örtlich zuständig ist. Eine inhaltliche Prüfung dahin, ob hinreichender Tatverdacht für die seiner Kognitionspflicht unterliegende Tat oder Teile dieser Tat vorliegt, [X.] dagegen nicht statt (vgl. zur Prüfung der Prozessvoraussetzung der örtli--[X.]/[X.], 26. Aufl., § 204 Rn. 7, 9). Denn insoweit liegt mit dem Eröffnungsbeschluss eine ab-schließende Entscheidung vor, die im Verfahren nach § 16 [X.] nicht erneut zu beurteilen ist. Für die dort
noch vorzunehmende Prüfung ist vielmehr allein maßgeblich, ob im Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidung hinreichende tatsäch-liche Anhaltspunkte für das Bestehen eines die örtliche Zuständigkeit [X.] Gerichtsstands gegeben waren (vgl. [X.], Beschluss vom 24. Okto-ber
2012

1 StR 485/12, [X.], 300, 301 mwN).
[X.]) Hieran gemessen war das [X.] örtlich zuständig.
[X.]) Teil der vom [X.] zur Hauptverhandlung zugelassenen Taten ist der Tatvorwurf, der Angeklagte habe in den Fällen 7
bis 20 der [X.] zur Falschbeurkundung im Amt jeweils Beihilfe zum Grün-dungs-
bzw. [X.] begangen, indem er die Gründung von Gesellschaften bzw. die Kapitalerhöhung bei einer Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister bei dem [X.] angemeldet habe, wobei er gewusst oder billigend in Kauf genommen habe, dass das angegebene [X.] nicht eingebracht worden sei. Auf die Bejahung hinreichenden Verdachts 12
13
14
-
8
-
auch für diese Tatvorwürfe kommt es im Verfahren nach § 16 [X.] angesichts des auf die örtliche Zuständigkeit begrenzten [X.] nicht an. Denn wird dieser Verdacht

wie hier

bei der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens bejaht, ist er unanfechtbar festgestellt (vgl. § 210 Abs. 1 [X.]).
Dass das [X.] in seiner Eröffnungsentscheidung ausgesprochen hat, dass die Vorwürfe der tateinheitlichen Beihilfe zum Gründungs-
bzw. Kapi-s-spruch nicht auf selbständige prozessuale Taten im Sinne des § 207 Abs. 2 Nr.
1 [X.] bezogen hat, ist er als bloße abweichende rechtliche Würdigung gemäß § 207 Abs. 2 Nr. 3 [X.] zu qualifizieren und stellt unabhängig von der Frage, ob diese Entscheidung später durch das
Hanseatische Oberlandesge-richt [X.] korrigiert wurde, keine Teil-Nichteröffnung dar (vgl. [X.], [X.] vom 5. Januar 1989

StB 45/88, [X.]R [X.] § 207 Abs. 2 Nr. 1 Ände-rungen 2). Ausgehend von der Rechtsansicht des [X.]s, ein hinreichen-der Tatverdacht bezüglich der allein zuständigkeitsbegründenden Taten läge nicht vor, hätte es nach der ersten Beschwerdeentscheidung die Eröffnung des Hauptverfahrens insgesamt ablehnen müssen, anstatt die Sache vor einer [X.] Strafkammer des [X.]s
[X.] zu eröffnen.
(2) Mit den aktenkundigen Ermittlungserkenntnissen zu den unstreitig durch den Angeklagten beim Handelsregister bei dem [X.] angemeldeten Eintragungen liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass der Erfolg der dem Angeklagten als tateinheitlich begangen zur Last gelegten Taten der Beihilfe zum Gründungs-
bzw. [X.] in [X.] eingetreten ist.

15
16
-
9
-
(3) Anhaltspunkte für eine willkürliche Handhabung durch die St[X.]tsan-waltschaft sind nicht gegeben (vgl. [X.], Urteil vom 24. Oktober 2002

5 [X.], [X.], 446, 452; [X.]/[X.], 27. Aufl., Vor § 7 Rn. 24).
2. Der aufgezeigte Rechtsmangel führt zur Aufhebung des angefochte-nen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache. Die neu zur Entscheidung berufene [X.] wird das angeklagte Verhalten auch unter dem Gesichtspunkt einer Beteiligung des Angeklagten an etwaigen Straftaten nach § 266a StGB und § [X.] zu würdigen haben.

[X.]

[X.]

[X.] Mosbacher

17
18

Meta

5 StR 593/16

19.09.2017

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.09.2017, Az. 5 StR 593/16 (REWIS RS 2017, 5166)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 5166

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 StR 593/16 (Bundesgerichtshof)

Einwand der Unzuständigkeit des Gerichts durch den Angeklagten: Umfang der vorzunehmenden Prüfung; Bindungswirkung der Beschwerdeentscheidung …


2 ARs 383/03 (Bundesgerichtshof)


1 StR 77/21 (Bundesgerichtshof)

Steuerhinterziehung bei Verbringen von Tabakwaren in das deutsche Steuergebiet: Örtliche Zuständigkeit bei Transport von Tabakwaren …


2 StR 36/15 (Bundesgerichtshof)

Strafverfahren wegen Betrugs: Kapitalerhöhungsschwindel als abstraktes Gefährdungsdelikt; Vermögensschaden beim Eingehungsbetrug; Zurechnung eines besonders schweren Falls …


2 StR 36/15 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

5 StR 593/16

3 StR 335/16

1 StR 485/12

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.