Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.03.2018, Az. 4 StR 397/17

4. Strafsenat | REWIS RS 2018, 12275

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:150318U4STR397.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
4
StR
397/17

vom
15. März 2018
in der Strafsache
gegen

wegen versuchten besonders schweren Raubes u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 15. März
2018, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende [X.]in
am [X.]
Sost-Scheible,

[X.]in
am [X.]
Roggenbuck,
[X.] am [X.]
Dr. [X.],
[X.],
Dr. Feilcke

als beisitzende [X.],

Oberstaatsanwältin beim [X.]

in der Verhandlung

,
[X.]in am Amtsgericht

bei der Verkündung

als Vertreterinnen
des
Generalbundesanwalts,

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Rechtsanwalt

als Vertreter des [X.],

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
-
3
-
Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 10.
März 2017, soweit es den Angeklagten H.

betrifft, mit den Feststellungen aufge-
hoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des [X.] zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten besonders schweren Raubes in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit ver-suchtem Sichverschaffen von Betäubungsmitteln zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Nebenkläger mit seiner auf die Verletzung materiellen und formellen
Rechts gestützten Revision, mit der er auch die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen eines ver-suchten Tötungsdelikts erstrebt. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
I.
Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
Der seinerzeit 18-jährige Angeklagte und die jugendlichen Mitangeklag-ten A.

und G.

beschlossen am 8.
August 2016,
den 17-jährigen
1
2
3
-
4
-
Nebenkläger

U.

, bei dem der Angeklagte schon mehrmals Dro-
gen gekauft hatte, Drogen
und Geld wegzunehmen. Der Angeklagte verabrede-te ein Treffen mit dem Nebenkläger, um vorgeblich Drogen zu kaufen. Er [X.] sich mit einem Küchenmesser mit einer Klingenlänge von acht Zenti-metern, A.

mit einer Gehstockhülle aus Metall. G.

führte einen
Schlagstock mit sich, blieb allerdings vor dem Haus, in dem sich der [X.]. Als der Nebenkläger sah, dass der Angeklagte nicht allein kam, [X.] er wütend und fuhr ihn an. Der Angeklagte beschloss, ihn so schnell wie möglich kampfunfähig zu machen,
und stach ihm mit [X.] das mitgeführte Küchenmesser in den linken Oberkörperbereich zwischen Brust-
und Bauch-raum, wobei er den Tod des [X.] billigend in Kauf nahm. Durch den Stich wurden die [X.] und Äste der Körperhauptschlagader des [X.] verletzt. Beides war akut lebensgefährlich und hätte bei fehlender [X.] zum Tod geführt. Der Nebenkläger zeigte zunächst keine erkennbare Wirkung. Der Angeklagte drängte in die Wohnung und nahm in der Küche ein Messer mit 23
Zentimeter
langer Klinge an sich, um damit dem Nebenkläger zu drohen und weiter auf ihn einzustechen. Dann ließ er es jedoch in dem [X.], weitere lebensgefährliche Stiche führen zu können, sinken und schließlich fallen. Es kam nun zu einem Gerangel mit dem Nebenkläger, den der Angeklagte nicht für tödlich verletzt hielt. Der Angeklagte fügte dem Neben-kläger sodann mit dem wieder zur Hand genommenen mitgebrachten kleineren Küchenmesser einige oberflächliche Verletzungen zu. Nachdem der [X.] bei dem Gerangel die Oberhand gewonnen hatte, versetzte der Angeklagte ihm einen Stich über dem linken Schulterblatt, der zu einer oberflächlichen Hautdurchtrennung führte. Der Nebenkläger wehrte sich weiter,
und der [X.] verlor das Messer. A.

kam ihm zu Hilfe und schlug mit der Geh-
stockhülle auf den Nebenkläger ein. Unmittelbar danach erschien der Zeuge -
5
-
Z.

mit einer Machete in der Wohnungstür und machte damit Stichbewegun-
gen, um die Angreifer zu vertreiben. Der Angeklagte und A.

entschlossen
sich zu fliehen. Jetzt

frühestens aber gegen Ende des Kampfgeschehens

e-sem Moment kam ihm der Gedanke, der Nebenkläger könne möglicherweise doch tödlich verletzt sein

13).
Das [X.] ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte seinen Tötungsvorsatz aufgab, als er das aus der Küche entnommene große Messer fallen ließ. Zu diesem Zeitpunkt habe er aufgrund der fortbestehenden Kampf-fähigkeit davon ausgehen können, dass der Nebenkläger nicht tödlich verletzt sei, und sei vom Versuch des (unbeendeten) Tötungsdelikts zurückgetreten. Die weiteren Verletzungen habe er dem Nebenkläger mit Körperverletzungs-vorsatz zugefügt. Frühestens gegen Ende des Kampfgeschehens, also [X.] Zeit danach, seien die ersten Anzeichen erkennbar geworden, dass der [X.] schwerer verletzt sein könnte. Dass er zu einem späteren Zeitpunkt aufgrund des massiven Blutverlusts des [X.] eine tödliche Verletzung für möglich gehalten habe, sei irrelevant
(UA
35).
II.
Die Revision des [X.] ist zulässig, soweit sie sich dagegen richtet, dass der Angeklagte nicht wegen eines versuchten Tötungsdelikts ver-urteilt worden ist. Während die Verfahrensrügen aus den Gründen der [X.] nicht durchgreifen, führt die Sachrüge zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Jugendkammer des [X.].
4
5
-
6
-
1.
Die Beweiswürdigung des [X.] weist, wie der Generalbun-desanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend dargelegt hat, keinen Rechtsfehler auf.
2.
Die Annahme eines Rücktritts vom unbeendeten [X.] hält rechtlicher Nachprüfung hingegen nicht stand, weil das [X.] die Mög-lichkeit einer sogenannten umgekehrten Korrektur des [X.] nicht bedacht hat.
Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] kommt es für die Abgrenzung des unbeendeten vom beendeten
Versuch und damit für die Voraussetzungen strafbefreienden Rücktritts darauf an, ob der Täter nach der letzten von ihm konkret vorgenommenen Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs für möglich hält ([X.], Beschluss vom 19.
Mai 1993

GSSt
1/93, [X.]St 39, 221, 227 mwN). Der sogenannte Rücktrittshori-zont kann in engen Grenzen allerdings noch nachträglich korrigiert werden: Wenn der Täter, der nach der letzten Ausführungshandlung den [X.] zunächst für möglich hält, unmittelbar darauf erkennt, dass er sich geirrt hat, kann er durch Abstandnahme von weiteren möglichen Ausführungshandlungen mit strafbefreiender Wirkung vom Versuch zurücktreten ([X.], Urteil vom 19.
Juli 1989

2
StR
270/89, [X.]St 36, 224). Rechnet der Täter zunächst nicht mit einem tödlichen Ausgang, ist auch eine sogenannte umgekehrte Kor-rektur des Rücktrittshorizontes möglich, wenn er unmittelbar darauf erkennt, dass er sich insoweit geirrt hat. In diesem Fall liegt ein beendeter Versuch vor. Dies gilt jedoch nur
dann, wenn die Korrektur der Vorstellung des [X.] bei fortbestehender Handlungsmöglichkeit sogleich nach der letzten Tathandlung in engstem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dieser erfolgt ([X.], Urteil vom 15.
Juni 1988

2
StR
157/88, [X.]R StGB §
24 Abs.
1 Satz
1 Ver-6
7
8
-
7
-
such, unbeendeter 15; Urteil vom 18.
August 1998

5
StR
189/98, [X.]R StGB §
24 Abs.
1 Satz
1 Versuch, beendeter 12; Beschluss vom 6.
Februar 2008

5
StR
590/07, [X.], 212; Beschluss vom 6.
Oktober 2009

3
StR 384/09, NStZ
2010, 146; vgl. [X.]/[X.] in LK, StGB,
12.
Aufl., §
24 Rn.
179, 181).
Das [X.] ist zwar mit tragfähigen Erwägungen zu dem Ergebnis gelangt, dass der Angeklagte nach Ausführung des [X.] mit der Ablage des Messers strafbefreiend
von dem nach seiner Vorstellung zu diesem Zeitpunkt unbeendeten Versuch eines Tötungsdelikts zurücktrat und während des nachfolgenden [X.] mit dem Nebenkläger von weiteren mit [X.] ausgeführten Angriffen absah. Mit der Frage, ob der festgestellte

der Angeklagte hatte nunmehr den massiven Blutverlust beim Nebenkläger erkannt und hielt es zu diesem Zeitpunkt
für möglich, den Nebenkläger doch tödlich ver-letzt zu haben

zu einer Korrektur des [X.] und zum Vorliegen eines beendeten Versuchs geführt hat, hat sich das [X.] nicht erkenn-bar auseinandergesetzt. Es hat lediglich pauschal darauf verwiesen, diese [X.]. Dies lässt besorgen, dass die [X.] dem nachträglichen Wechsel des [X.] des Angeklagten von vorneherein für die Rücktrittsfrage jede Bedeutung abgespro-chen und die Möglichkeit einer nachträglichen

umgekehrten

Korrektur des [X.] nicht in den Blick genommen hat. Der für die Annahme einer solchen Korrektur des [X.] erforderliche zeitliche und räumliche Zusammenhang lag nach den Feststellungen des [X.] indes nahe, die Frage einer umgekehrten Korrektur des [X.] war mithin erörte-rungsbedürftig.
9
-
8
-
Es ist zwar davon auszugehen, dass zwischen dem mit Tötungsvorsatz geführten
Messerstich und dem Wechsel des [X.] gegen Ende der Kampfhandlungen ein gewisser zeitlicher Abstand lag. Feststellungen hier-zu hat das [X.] indes nicht getroffen, so dass schon aus diesem Grund nicht beurteilt werden kann, ob der zeitliche Ablauf des Geschehens eine Zäsur herbeiführte, die einer nachträglichen umgekehrten Korrektur des [X.] und damit dem Vorliegen eines beendeten Versuchs entgegenstand. Hinzu kommt, dass es sich bis zum Ende des Kampfes um ein ohne wesent-liche Zwischenakte ablaufendes, von demselben Handlungsziel, nämlich der beabsichtigten Wegnahme von Betäubungsmitteln,
getragenes dynamisches Geschehen handelte, was wiederum für den geforderten engen Zusammen-hang mit der Tötungshandlung sprechen könnte.
Mit alledem hat sich das [X.] nicht auseinandergesetzt. Der Erör-terungsmangel führt zur Aufhebung des Urteils in seiner Gänze. Da eine Verur-teilung wegen eines versuchten Tötungsdelikts in Tateinheit mit den ausgeur-teilten übrigen Taten stünde, werden diese, obwohl sie rechtsfehlerfrei [X.] sind, von der [X.] mit erfasst ([X.], Urteil
vom 7.
März 1996

1
StR
688/95, NJW 1996, 2171, 2172 mwN; Urteil vom 20.
Februar 1997

4
StR
642/96, [X.]R StPO §
353 Aufhebung
1; Urteil vom 10.
September 2015

4
StR
151/15, NJW 2015, 3732, 3733).
3.
Dass das [X.] ein neues

durch Unterlassen begangenes

versuchtes Tötungsdelikt nicht erörtert hat, begründet keinen Verstoß gegen die Kognitionspflicht. Angesichts der Anwesenheit von ersichtlich hilfsbereiten [X.] vor Ort bestand zu dahingehenden Erörterungen kein Anlass.
10
11
12
-
9
-
4.
Die nach §
301 StPO gebotene Überprüfung des Urteils auch zuguns-ten des Angeklagten hat keinen ihn [X.] Rechtsfehler ergeben.
5.
Soweit sich die Revisionsbegründung gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils richtet, fehlt es an der notwendigen rechtzeitigen Kostenbeschwerde.
Sost-Scheible
Roggenbuck
[X.]

Quentin
Feilcke
13
14

Meta

4 StR 397/17

15.03.2018

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.03.2018, Az. 4 StR 397/17 (REWIS RS 2018, 12275)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 12275

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