Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.07.2014, Az. 4 StR 158/14

4. Strafsenat | REWIS RS 2014, 3971

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
4
StR
158/14

vom
17. Juli 2014
in der Strafsache
gegen

wegen versuchten Mordes u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17.
Juli
2014, an der teilgenommen haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer

als Vorsitzender,

[X.]in am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
[X.] am Bundesgerichtshof
Cierniak,
[X.],
Dr. Quentin

als beisitzende [X.],

[X.]in am [X.]

als Vertreterin
des [X.]s,

Rechtsanwalt

als Pflichtverteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 18.
Dezember 2013 mit Ausnahme der Entscheidung über den [X.] mit den Feststellungen aufgehoben; hiervon ausgenom-men sind jedoch die Feststellungen bis zur Ausführung
des Messerstichs durch den Angeklagten -
diese einge-schlossen -
sowie zum Geschehen in der Gaststätte und danach.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere
[X.] des Land-gerichts zurückverwiesen.
2.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in [X.] mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung von vier [X.] zu der Einheitsjugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten ver-urteilt; ferner
hat es
eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die hiergegen ge-richtete, auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Ange-klagten hat weitgehend Erfolg.

1
-
4
-
1.
Die Ablehnung eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch des heimtückisch begangenen Mordes
(§ 24 Abs. 1 StGB)
begegnet durchgreifen-den rechtlichen Bedenken.
a) Nach den Feststellungen versetzte der Angeklagte dem Nebenkläger
einen wuchtigen Stich mit einem Küchenmesser -
Klingenlänge ca. 17 cm -
in den oberen Rückenbereich, um ihn zu töten.
Auf Aufforderung
des Geschädig-ten
versuchte er anschließend, das Messer wieder herauszuziehen; er ließ den Griff jedoch sofort wieder los, weil der Nebenkläger zu große
Schmerzen erlitt.
Beide gingen anschließend zu
dem
bis zu 300 Meter vom Tatort entfernt abge-stellten
Pkw des [X.], der seinen Wagen aufschloss und den Ange-klagten bat, mit dessen im Auto zurückgelassenen Handy einen Krankenwagen herbeizurufen. Der Angeklagte
nahm auf dem Fahrersitz Platz, täuschte aber einen Anruf lediglich vor; die Frage des misstrauisch gewordenen Nebenklä-gers, ob er das mit dem Messer gewesen sei,

verneinte er. Dem Wunsch des [X.], den Fahrersitz freizumachen, kam der Angeklagte nicht nach. Er nahm an, sein zögerliches
Verhalten werde dazu führen, dass der Geschädigte in absehbarer Zeit vor Ort versterben werde. Der Nebenkläger
ging sodann mit dem Messer im Rücken zu einer etwa 700
m entfernten Gaststätte. Der Ange-klagte folgte ihm in einigem Abstand

und schloss, kurz bevor der Geschädigte
die Gaststätte erreichte, zu diesem auf. Er betrat die Gaststätte in
geringem
Abstand zum Nebenkläger; dort anwesende Personen setzten sogleich einen Notruf an die Rettungsleitstelle ab. Letztlich konnte der Nebenkläger durch eine Notoperation gerettet werden.
b) Die Annahme
des [X.]s, es liege ein beendeter Versuch des Tötungsdelikts vor, von dem der Angeklagte in Ermangelung von [X.] nicht zurückgetreten sei, begegnet durchgreifenden rechtlichen Be-2
3
4
-
5
-
denken.
Die Feststellungen der [X.] zum subjektiven Vorstellungs-bild des Angeklagten sind in einem entscheidenden Punkt lückenhaft.
aa) Ein beendeter Versuch liegt vor, wenn der Täter nach der letzten Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs für
möglich
hält (sog. Rücktrittshorizont; vgl. nur [X.] -
Großer Senat -, Beschluss vom 19.
Mai 1993

GSSt
1/93, [X.]St 39, 221, 227). Eine Korrektur des [X.] ist
allerdings
in engen Grenzen möglich. Der Versuch eines Tötungs-delikts ist daher nicht beendet, wenn der Täter zunächst irrtümlich den Eintritt von weiteren Ausführungshandlungen Abstand nimmt ([X.], Urteile vom [X.] -
3 StR 337/11, [X.]R StGB § 24 Abs. 1
Satz 1 Versuch, [X.], und vom 19. März 2013 -
1 [X.], [X.], 273, 274; Be-schluss vom 7. Mai 2014 -
4 [X.]; vgl. weiter [X.], Beschluss vom 8.
Juli 2008 -
3 [X.], [X.], 335, 336; [X.], StGB, 61. Aufl., § 24 Rn. 15a; [X.]/[X.]/[X.], 2. Aufl., § 24 Rn.

z-). Die Frage, ob nach diesen Rechtsgrundsätzen von einem beendeten oder unbeendeten Versuch auszugehen ist, bedarf insbeson-dere dann eingehender Erörterung, wenn das angegriffene Tatopfer nach der letzten Ausführungshandlung noch -
vom Täter wahrgenommen
-
zu körperli-chen Reaktionen fähig ist, die geeignet sind, Zweifel daran aufkommen zu [X.], das Opfer sei bereits tödlich verletzt
([X.], Beschluss vom 7. November 2001 -
2 [X.], [X.], 73, 74; Urteil vom 6. März 2013 -
5 [X.], [X.], 463). So liegt es
nach der Rechtsprechung des Bundesge-richtshofs
etwa in dem
Fall, dass
das Opfer noch in der Lage ist, sich vom Tat-ort wegzubewegen ([X.], Beschluss vom 19. Dezember 2000 -
4 [X.]; vgl. dazu etwa [X.], Beschluss vom 15. August 2001 -
3 [X.]: das Opfer verfolgte
den Urteil vom 11. November 2004 -
4 [X.], [X.], 331
f.: das Opfer lief die Treppe von der Empore 5
-
6
-
zum Eingangsbereich der Diskothek hinunter; s. weiter [X.], Urteile vom 19.
Juli 1989 -
2 [X.], [X.]St 36, 224,
vom 29. September 2004 -
2 StR 149/04, [X.], 150, 151, und vom 8. Februar 2007 -
3 [X.], [X.], 399 f.). Ein solcher Umstand kann geeignet sein, die Vorstellung des [X.] zu erschüttern, alles zur Erreichung des gewollten Erfolgs getan zu haben ([X.], Urteil vom 11.
November 2004, aaO;
Beschluss vom 8.
Juli 2008
-
3
StR
220/08, [X.], 335, 336).
bb) Diese zur Korrektur des Rücktrittshorizonts entwickelten Grundsätze hat das [X.] erkennbar nicht bedacht. Es ist zwar
rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Angeklagte, nachdem er dem Nebenkläger
das Messer in den Rücken gestoßen hatte, den Erfolgseintritt
für möglich hielt ([X.]); auch ging er nach Rückkehr zum PKW des Verletzten davon aus, dass dieser alsbald versterben werde
([X.]). Die [X.] hat aber keine
Feststellungen
zu den subjektiven
Vorstellungen
des Angeklagten
getroffen, als dieser bemerkte, dass
sich der Nebenkläger zu
der Gaststätte begab.
Seinem
nicht stark bluten-den (UA
28) und noch nicht in akuter
Lebensgefahr
befindlichen
(UA
15) Opfer, das nach dem Stich bereits
bis zu seinem Auto gelaufen war und dort nach-drücklich die Hilfe des Angeklagten eingefordert hatte,
gelang es
nämlich, aus [X.] die Strecke von ca. 700
Metern zu bewältigen. Unterwegs bat er noch vier Personen -
vergeblich -
um Hilfe. Diese Feststellungen lassen es [X.] als möglich erscheinen, dass der Angeklagte infolge des Verhaltens des Geschädigten sogleich oder jedenfalls alsbald nicht mehr davon ausging, diesen tödlich verletzt zu haben.
Das
Urteil rechtfertigt auch nicht
die Annahme, der Nebenkläger
habe sich bereits so weit vom
Angeklagten
entfernt, dass aus dessen Sicht
zur Vollendung eines Tötungsdelikts ein erneuter Geschehensab-lauf hätte in Gang gesetzt
werden müssen
(vgl. [X.], Urteil vom 8. Mai 2012
-
5 [X.], [X.], 688, 689).
6
-
7
-
c) Auf dem aufgezeigten [X.] beruht der Schuldspruch wegen versuchten Mordes. Die bisher getroffenen Feststellungen zu
dem
Vor-stellungsbild
des Angeklagten im Rücktrittshorizont lassen einen sicheren Schluss auf einen Fehlschlag des Versuchs
(vgl. dazu [X.], Beschlüsse
vom 7.
Mai 2014 -
4 [X.]/14
und 4 [X.])
nicht zu. Erst im Zusammenhang mit dem passiven Verhalten des Angeklagten in der Gaststätte hält das [X.] dafür, dass der Angeklagte in diesem Moment erkannt hat, dass sein [X.] gescheitert ist, den Tod (des [X.]) herbeizuführen und ihn [X.] Erkenntnis niederdrückt

(UA
35); das vermag jedoch die erforderlichen Feststellungen zu einem zeitlich vorgelagerten Zeitpunkt nicht zu ersetzen (vgl. [X.], Beschluss vom 11. März 2014 -
1 [X.], NStZ-RR 2014, 201, 202).
Zwar hat das [X.] bei der Erörterung eines Rücktritts
auch ausgeführt, der Angeklagte habe nach seiner Vorstellung keine naheliegenden weiteren Möglichkeiten gehabt, auf den Geschädigten einzuwirken: Wegen seiner [X.] mit Blut umzugehen, war er nicht in der Lage, etwa
das Messer heraus-zuziehen und erneut einzusetzen oder andere blutige Verletzungen hervor-rufende Hilfsmittel einzusetzen

(UA
36). Es ist aber schon fraglich, ob die Ju-gendkammer
mit diesen Ausführungen einen auf einen früheren Zeitpunkt be-zogenen Fehlschlag begründen wollte. Denn die zitierte Wendung
schließt un-mittelbar an die Bejahung eines beendeten Versuchs an. Die
tatsächliche Be-wertung der weiteren Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten steht
zudem
-
wie der [X.] mit Recht ausgeführt
hat -
in einem nicht aufge-lösten Widerspruch zu den weiteren Feststellungen.
Es war der Angeklagte, der mit direktem Vorsatz ([X.]) unter Verwendung eines
Küchenmessers
mit
einer langen Klinge auf den Nebenkläger einstach und ferner -
auf die Bitte des Geschädigten
-
versuchte, das Messer aus dem Rücken herauszuziehen. [X.] Versuch brach er nicht etwa deswegen ab, weil er

([X.]), sondern weil der Nebenkläger hierdurch große Schmerzen erlitt. Dass 7
-
8
-
sich der Angeklagte, der naheliegend weiterhin Zugriff auf die im Rücken des [X.] steckende Tatwaffe hatte, an einer Tatvollendung auf dem Weg zur Gaststätte gehindert sah, versteht sich deshalb nicht von selbst.
2.
Der dargelegte Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung des Schuldspruchs insgesamt. Die Aufhebung erfasst auch die für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung (vgl. [X.], Urteil vom 20.
Februar 1997 -
4
StR
642/96, [X.]R [X.] §
353 Auf-hebung
1).
Allerdings bedarf es nur der Aufhebung der Feststellungen zu dem dem Messerstich nachfolgenden Geschehen, bis der Nebenkläger die Gaststätte erreichte (§
353 Abs.
2 [X.]).
Die Aufhebung erfasst nicht den Adhäsionsausspruch ([X.]/
[X.], [X.], 57. Aufl.,
§ 406a Rn. 8).
Mutzbauer Roggenbuck Cierniak

[X.]

Quentin
8
9
10

Meta

4 StR 158/14

17.07.2014

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.07.2014, Az. 4 StR 158/14 (REWIS RS 2014, 3971)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3971

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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