Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.04.2012, Az. 5 StR 150/12

5. Strafsenat | REWIS RS 2012, 6990

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Gegenstand

Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Schuldfähigkeit trotz Schizophrenie


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 8. November 2011 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben. Ausgenommen sind die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen; insoweit wird die weitergehende Revision nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten von den Vorwürfen der Vergewaltigung, der versuchten Nötigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, der sexuellen Nötigung, der Sachbeschädigung und des Diebstahls mit Waffen freigesprochen. Es hat jedoch die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Dagegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel ist im Wesentlichen begründet.

2

1. Frei von Rechtsfehlern sind allerdings die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen; diese (Abschnitt II der Urteilsgründe) können demgemäß aufrechterhalten bleiben.

3

2. [X.] und die Anordnung, ihn in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen, haben dagegen keinen Bestand, da die Voraussetzungen der §§ 20, 63 StGB im angefochtenen Urteil nicht hinlänglich dargelegt sind.

4

a) Das [X.] hat zur Begründung ausgeführt, der Angeklagte leide seit mehreren Jahren an einer schizophrenen Psychose ([X.] 10: [X.]). Er unterliege einem religiösen Wahn. Daneben leide er seit vielen Jahren auch an einem Missbrauch von Cannabinoiden ([X.] 10: [X.]). Der Angeklagte habe die Taten jeweils unter dem Einfluss der schizophrenen Psychose begangen, wobei nicht ausgeschlossen werden könne, dass seine Steuerungsfähigkeit bei Begehung der jeweiligen Taten aufgehoben im Sinne des § 20 StGB gewesen sei; mit Sicherheit sei sie jedoch erheblich vermindert im Sinne des § 21 StGB gewesen. Der [X.] habe für die Begehung der Taten eine allenfalls untergeordnete Bedeutung gehabt. Das [X.] ist dabei, ohne die diagnostische Bewertung näher zu erläutern, den von ihm als überzeugend angesehenen Ausführungen der Sachverständigen gefolgt.

5

b) Die bloße Wiedergabe der [X.] eines Sachverständigen reicht als Grundlage für die eine Unterbringung nach § 63 StGB tragenden tatrichterlichen Feststellungen nicht aus. Denn sie ermöglicht nicht eine revisionsrechtliche Überprüfung, ob das Tatgericht zutreffend die Voraussetzungen dieser den Angeklagten besonders schwer belastenden Maßregel angenommen hat. Die Urteilsgründe erlauben dem Senat auch unter Berücksichtigung ihres Gesamtzusammenhangs nicht die Nachprüfung, ob das [X.] eine erhebliche Verminderung oder einen Ausschluss der Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der abgeurteilten Taten, wie für eine Unterbringung nach § 63 StGB erforderlich ([X.], Urteil vom 6. März 1986 – 4 StR 40/86, [X.]St 34, 22, 26), rechtsfehlerfrei positiv festgestellt hat. Die Diagnose einer Schizophrenie führt für sich allein genommen nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere [X.]räume überdauernden gesicherten erheblichen Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit (vgl. [X.], Beschlüsse vom 2. Oktober 2007 – 3 [X.], [X.], 39 und vom 31. August 2010 – 3 [X.]). Ob sich der Angeklagte bei Begehung der längere [X.] zurückliegenden Taten jeweils in einem akuten Schub seiner Krankheit befand, zu deren Beginn, Entwicklung und sonstigen Auswirkungen auf das Leben des Angeklagten zudem nichts Genaueres festgestellt ist, ist im Urteil ebenso wenig belegt wie ein spezifischer Zusammenhang zwischen der Psychose und den einzelnen Taten, insbesondere den für die [X.] maßgeblichen Sexualverbrechen.

6

3. Zur Vorbereitung der erforderlichen erneuten im Rahmen der einstweiligen Unterbringung nunmehr leichter möglichen gründlichen Exploration des Angeklagten wird das neue Tatgericht angesichts dessen, dass im Urteil jeder Hinweis auf den Versuch einer bei den gegenständlichen Taten unerlässlichen Sexualanamnese fehlt, die Beauftragung eines anderen Sachverständigen zu erwägen haben.

7

Bei gleichzeitiger Aufhebung des Freispruchs ist das neue Tatgericht nach § 358 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht gehindert, den Angeklagten zu bestrafen, soweit sich nunmehr eine Schuldunfähigkeit sicher ausschließen lassen sollte.

[X.]                                       Raum                                    Schaal

                        [X.]Bellay

Meta

5 StR 150/12

24.04.2012

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Berlin, 8. November 2011, Az: (532) 284/70 Js 1344/08 KLs (11/11)

§ 20 StGB, § 21 StGB, § 63 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.04.2012, Az. 5 StR 150/12 (REWIS RS 2012, 6990)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6990

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