Bundesarbeitsgericht, EuGH-Vorlage vom 16.12.2020, Az. 5 AZR 143/19 (A)

5. Senat | REWIS RS 2020, 564

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Arbeitnehmerüberlassung - Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt ("equal pay") - Abweichung durch Tarifvertrag


Tenor

I. Der [X.] wird gemäß Art. 267 AEUV um Vorabentscheidung über folgende Fragen ersucht:

1. Wie definiert sich der Begriff des „Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern“ in Art. 5 Abs. 3 Richtlinie 2008/104/[X.] des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit, umfasst er insbesondere mehr als das, was nationales und Unionsrecht als Schutz für alle Arbeitnehmer zwingend vorgeben?

2. Welche Voraussetzungen und Kriterien müssen erfüllt sein für die Annahme, von dem in Art. 5 Abs. 1 Richtlinie 2008/104/[X.] festgelegten Grundsatz der Gleichbehandlung abweichende Regelungen in Bezug auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Leiharbeitnehmern in einem Tarifvertrag seien unter Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern erfolgt?

a) Ist die Prüfung der Achtung des Gesamtschutzes - abstrakt - auf die tariflichen Arbeitsbedingungen der unter den Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags fallenden Leiharbeitnehmer bezogen oder ist eine vergleichende, wertende Betrachtung zwischen den tariflichen und den Arbeitsbedingungen geboten, die in dem Unternehmen bestehen, in das die Leiharbeitnehmer überlassen werden (Entleiher)?

b) Verlangt bei einer Abweichung vom Grundsatz der Gleichbehandlung in Bezug auf das Arbeitsentgelt die in Art. 5 Abs. 3 Richtlinie 2008/104/[X.] vorgegebene Achtung des Gesamtschutzes, dass zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht?

3. Müssen die Voraussetzungen und Kriterien für die Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern iSd. Art. 5 Abs. 3 Richtlinie 2008/104/[X.] den Sozialpartnern vom nationalen Gesetzgeber vorgegeben werden, wenn er ihnen die Möglichkeit einräumt, Tarifverträge zu schließen, die von dem Gebot der Gleichbehandlung abweichende Regelungen in Bezug auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Leiharbeitnehmern enthalten, und das nationale Tarifsystem Anforderungen vorsieht, die zwischen den Tarifvertragsparteien einen angemessenen Interessenausgleich erwarten lassen (sog. Richtigkeitsgewähr von Tarifverträgen)?

4. Falls die dritte Frage bejaht wird:

a) Ist die Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern iSd. Art. 5 Abs. 3 Richtlinie 2008/104/[X.] gewahrt mit gesetzlichen Regelungen, die wie die seit dem 1. April 2017 geltende Fassung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes eine Lohnuntergrenze für Leiharbeitnehmer, eine Höchstdauer für die Überlassung an denselben Entleiher, eine zeitliche Begrenzung der Abweichung vom Grundsatz der Gleichbehandlung in Bezug auf das Arbeitsentgelt, die Nichtgeltung einer vom Grundsatz der Gleichbehandlung abweichenden tariflichen Regelung für Leiharbeitnehmer, die in den letzten sechs Monaten vor der Überlassung an den Entleiher bei diesem oder einem Arbeitgeber, der mit dem Entleiher einen Konzern iSd. § 18 Aktiengesetzes bildet, ausgeschieden sind sowie die Verpflichtung des Entleihers, dem Leiharbeitnehmer grundsätzlich unter den gleichen Bedingungen, wie sie für [X.] gelten, Zugang zu den Gemeinschaftseinrichtungen oder -diensten (wie insbesondere Kinderbetreuungseinrichtungen, Gemeinschaftsverpflegung und Beförderungsmittel), zu gewähren, vorsehen?

b) Falls dies bejaht wird:

Gilt das auch dann, wenn in entsprechenden gesetzlichen Regelungen wie in der bis zum 31. März 2017 geltenden Fassung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes eine zeitliche Begrenzung der Abweichung vom Grundsatz der Gleichbehandlung in Bezug auf das Arbeitsentgelt nicht vorgesehen ist und das Erfordernis, dass die Überlassung nur „vorübergehend“ sein darf, zeitlich nicht konkretisiert wird?

5. Falls die dritte Frage verneint wird:

Dürfen die nationalen Gerichte bei vom Grundsatz der Gleichbehandlung abweichenden Regelungen in Bezug auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Leiharbeitnehmern durch Tarifverträge gemäß Art. 5 Abs. 3 Richtlinie 2008/104/[X.] diese Tarifverträge ohne Einschränkung daraufhin überprüfen, ob die Abweichungen unter Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern erfolgt sind oder gebieten Art. 28 GRC und/oder der Hinweis auf die „Autonomie der Sozialpartner“ im Erwägungsgrund 19 der Richtlinie 2008/104/[X.], den Tarifvertragsparteien in Bezug auf die Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern einen gerichtlich nur beschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum einzuräumen und - wenn ja - wie weit reicht dieser?

[X.] Das Revisionsverfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] über das Vorabentscheidungsersuchen ausgesetzt.

Gründe

1

A. Gegenstand und Sachverhalt des Ausgangsverfahrens

2

Die Parteien streiten über eine weitere Vergütung unter dem Gesichtspunkt der Gleichstellung der Leiharbeitnehmer in Bezug auf das Arbeitsentgelt („equal pay“) für die Monate Januar bis April 2017.

3

In diesem [X.]raum war die Klägerin aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrags bei der [X.], die gewerblich Arbeitnehmerüberlassung betreibt, als Leiharbeitnehmerin beschäftigt. Sie war einem Unternehmen des Einzelhandels (iF Entleiher) für dessen Auslieferungslager als Kommissioniererin überlassen und erhielt zuletzt einen Stundenlohn von 9,23 [X.] brutto.

4

Die Klägerin ist Mitglied der [X.] ([X.]), die Beklagte gehört dem [X.] ([X.]) an. Dieser hat mit mehreren [X.]en des [X.] ([X.]) - darunter [X.] - Mantel-, Entgeltrahmen- und Entgelttarifverträge geschlossen, die eine Abweichung von dem in § 8 Abs. 1 [X.] und § 10 Abs. 4 Satz 1 [X.] aF verankerten Grundsatz der Gleichstellung vorsehen, insbesondere auch eine geringere Vergütung als diejenige, die vergleichbare [X.] im Entleiherbetrieb erhalten.

5

Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin von der [X.] die Zahlung von insgesamt 1.296,72 [X.] brutto als Differenz zwischen der erhaltenen Vergütung und derjenigen, die vergleichbaren [X.]n des Entleihers gezahlt worden sein soll. Die Klägerin ist der Auffassung, die Tariföffnung im [X.] sowie die auf ihr Arbeitsverhältnis Anwendung findenden Tarifverträge seien mit Art. 5 [X.] 2008/104/[X.] nicht vereinbar. Sie hat vorgetragen, vergleichbare [X.] der Entleiherin würden nach dem [X.] für die gewerblichen Arbeitnehmer im Einzelhandel in [X.] vergütet und hätten im Streitzeitraum einen Stundenlohn von 13,64 [X.] brutto erhalten.

6

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, aufgrund der beiderseitigen [X.] schulde sie nur die für Leiharbeitnehmer vorgesehene tarifliche Vergütung.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klage weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

8

B. Rechtlicher Rahmen

9

I. Das einschlägige nationale Recht

§ 9 Nr. 2 und § 10 Abs. 4 [X.] in der bis zum 31. März 2017 geltenden Fassung bestimmten Folgendes:

        

„§ 9 Unwirksamkeit

        

Unwirksam sind:

        

…       

        
        

2.    

Vereinbarungen, die für den Leiharbeitnehmer für die [X.] der Überlassung an einen Entleiher schlechtere als die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts vorsehen; ein Tarifvertrag kann abweichende Regelungen zulassen, soweit er nicht die in einer Rechtsverordnung nach § 3a Absatz 2 festgesetzten [X.] unterschreitet; im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren; eine abweichende tarifliche Regelung gilt nicht für Leiharbeitnehmer, die in den letzten sechs Monaten vor der Überlassung an den Entleiher aus einem Arbeitsverhältnis bei diesem oder einem Arbeitgeber, der mit dem Entleiher einen Konzern im Sinne des § 18 Aktiengesetzes bildet, ausgeschieden sind,

                 

…       

        

§ 10 Rechtsfolgen bei Unwirksamkeit, Pflichten des Arbeitgebers zur Gewährung von Arbeitsbedingungen

        

…       

        
        

(4)     

Der Verleiher ist verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die [X.] der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren. Soweit ein auf das Arbeitsverhältnis anzuwendender Tarifvertrag abweichende Regelungen trifft (§ 3 Absatz 1 Nummer 3, § 9 Nummer 2), hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer die nach diesem Tarifvertrag geschuldeten Arbeitsbedingungen zu gewähren. Soweit ein solcher Tarifvertrag die in einer Rechtsverordnung nach § 3a Absatz 2 festgesetzten [X.] unterschreitet, hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer für jede Arbeitsstunde das im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers für eine Arbeitsstunde zu zahlende Arbeitsentgelt zu gewähren. Im Falle der Unwirksamkeit der Vereinbarung zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer nach § 9 Nummer 2 hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren.“

In dem seit dem 1. April 2017 geltenden § 8 [X.] ist nunmehr geregelt:

        

„§ 8 Grundsatz der Gleichstellung

        

(1)     

Der Verleiher ist verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die [X.] der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren (Gleichstellungsgrundsatz). Erhält der Leiharbeitnehmer das für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers im Entleihbetrieb geschuldete tarifvertragliche Arbeitsentgelt oder in Ermangelung eines solchen ein für vergleichbare Arbeitnehmer in der [X.] geltendes tarifvertragliches Arbeitsentgelt, wird vermutet, dass der Leiharbeitnehmer hinsichtlich des Arbeitsentgelts im Sinne von Satz 1 gleichgestellt i[X.] Werden im Betrieb des Entleihers Sachbezüge gewährt, kann ein Wertausgleich in [X.] erfolgen.

        
        

(2)     

Ein Tarifvertrag kann vom Gleichstellungsgrundsatz abweichen, soweit er nicht die in einer Rechtsverordnung nach § 3a Absatz 2 festgesetzten [X.] unterschreitet. Soweit ein solcher Tarifvertrag vom Gleichstellungsgrundsatz abweicht, hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer die nach diesem Tarifvertrag geschuldeten Arbeitsbedingungen zu gewähren. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung des Tarifvertrages vereinbaren. Soweit ein solcher Tarifvertrag die in einer Rechtsverordnung nach § 3a Absatz 2 festgesetzten [X.] unterschreitet, hat der Verleiher dem Leiharbeitnehmer für jede Arbeitsstunde das im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers für eine Arbeitsstunde zu zahlende Arbeitsentgelt zu gewähren.

        
        

(3)     

Eine abweichende tarifliche Regelung im Sinne von Absatz 2 gilt nicht für Leiharbeitnehmer, die in den letzten sechs Monaten vor der Überlassung an den Entleiher aus einem Arbeitsverhältnis bei diesem oder einem Arbeitgeber, der mit dem Entleiher einen Konzern im Sinne des § 18 des Aktiengesetzes bildet, ausgeschieden sind.

        
        

(4)     

Ein Tarifvertrag im Sinne des Absatzes 2 kann hinsichtlich des Arbeitsentgelts vom Gleichstellungsgrundsatz für die ersten neun Monate einer Überlassung an einen Entleiher abweichen. Eine längere Abweichung durch Tarifvertrag ist nur zulässig, wenn

        
                 

1.    

nach spätestens 15 Monaten einer Überlassung an einen Entleiher mindestens ein Arbeitsentgelt erreicht wird, das in dem Tarifvertrag als gleichwertig mit dem tarifvertraglichen Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer in der [X.] festgelegt ist, und

        
                 

2.    

nach einer Einarbeitungszeit von längstens sechs Wochen eine stufenweise Heranführung an dieses Arbeitsentgelt erfolgt.

        
                 

Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen vereinbaren. Der [X.]raum vorheriger Überlassungen durch denselben oder einen anderen Verleiher an denselben Entleiher ist vollständig anzurechnen, wenn zwischen den Einsätzen jeweils nicht mehr als drei Monate liegen.

        
        

(5)     

Der Verleiher ist verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer mindestens das in einer Rechtsverordnung nach § 3a Absatz 2 für die [X.] der Überlassung und für [X.]en ohne Überlassung festgesetzte Mindeststundenentgelt zu zahlen.“

        

II. Einschlägige Vorschriften des Unionsrechts

1. Die Richtlinie 2008/104/[X.] des [X.]päischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit ([X.]) lautet auszugsweise:

        

„…    

        

in Erwägung nachstehender Gründe:

        

…       

                 
        

(14)   

Die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen für Leiharbeitnehmer sollten mindestens denjenigen entsprechen, die für diese Arbeitnehmer gelten würden, wenn sie von dem [X.] Unternehmen für den gleichen Arbeitsplatz eingestellt würden.

        
        

(15)   

Unbefristete Arbeitsverträge sind die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses. Im Falle von Arbeitnehmern, die einen unbefristeten Vertrag mit dem Leiharbeitsunternehmen geschlossen haben, sollte angesichts des hierdurch gegebenen besonderen Schutzes die Möglichkeit vorgesehen werden, von den im [X.] Unternehmen geltenden Regeln abzuweichen.

        
        

(16)   

Um der Vielfalt der Arbeitsmärkte und der Arbeitsbeziehungen auf flexible Weise gerecht zu werden, können die Mitgliedsstaaten den [X.] gestatten, Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen festzulegen, sofern das [X.] für Leiharbeitnehmer gewahrt bleibt.

        
        

(17)   

Außerdem sollten die Mitgliedsstaaten unter bestimmten, genau festgelegten Umständen auf der Grundlage einer zwischen den [X.] auf [X.] geschlossenen Vereinbarung vom Grundsatz der Gleichbehandlung in beschränktem Maße abweichen dürfen, sofern ein angemessenes Schutzniveau gewährleistet i[X.]

        
        

…       

                 
        

(19)   

Die vorliegende Richtlinie beeinträchtigt weder die Autonomie der [X.], noch sollte sie die Beziehungen zwischen den [X.] beeinträchtigen, einschließlich des Rechts, Tarifverträge gemäß nationalem Recht und nationalen Gepflogenheiten bei gleichzeitiger Einhaltung des geltenden Gemeinschaftsrechts auszuhandeln und zu schließen.

        
        

…       

                 
        

Kapitel II. Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen

        
        

Artikel 5 Grundsatz der Gleichbehandlung

        
        

(1)     

Die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Leiharbeitnehmer entsprechen während der Dauer ihrer Überlassung an ein entleihendes Unternehmen mindestens denjenigen, die für sie gelten würden, wenn sie von jenem genannten Unternehmen unmittelbar für den gleichen Arbeitsplatz eingestellt worden wären.

        
        

…       

                 
        

(2)     

In Bezug auf das Arbeitsentgelt können die Mitgliedsstaaten nach Anhörung der [X.] die Möglichkeit vorsehen, dass vom Grundsatz des Absatzes 1 abgewichen wird, wenn Leiharbeitnehmer, die einen unbefristeten Vertrag mit dem Leiharbeitsunternehmen abgeschlossen haben, auch in der [X.] zwischen den Überlassungen bezahlt werden.

        
        

(3)     

Die Mitgliedsstaaten können nach Anhörung der [X.] diesen die Möglichkeit einräumen, auf [X.] und nach Maßgabe der von den Mitgliedsstaaten festgelegten Bedingungen Tarifverträge aufrechtzuerhalten oder zu schließen, die unter Achtung des Gesamtschutzes von [X.] Regelungen in Bezug auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von [X.], welche von den in Absatz 1 aufgeführten Regelungen abweichen können, enthalten können.

        
        

…“    

                 

2. Charta der Grundrechte der [X.]päischen Union vom 12. Dezember 2007 ([X.] S. 1):

        

„…    

        

Artikel 28 Recht auf [X.] und Kollektivmaßnahmen

        

Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber oder ihre jeweiligen Organisationen haben nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten das Recht, Tarifverträge auf den geeigneten Ebenen auszuhandeln und zu schließen sowie bei Interessenkonflikten kollektive Maßnahmen zur Verteidigung ihrer Interessen, einschließlich Streiks, zu ergreifen.“

C. Erforderlichkeit der Entscheidung des Gerichtshofs der [X.]päischen Union

Das [X.] verpflichtet den Verleiher grundsätzlich, dem Leiharbeitnehmer das gleiche Arbeitsentgelt zu zahlen, das der Entleiher vergleichbaren [X.]n gewährt („equal pay“). Von diesem Gebot der Gleichstellung erlaubt das [X.] ein Abweichen durch Tarifvertrag, soweit er nicht die in einer Rechtsverordnung nach § 3a Abs. 2 [X.] festgesetzten [X.] unterschreitet, § 8 Abs. 2 Satz 1 [X.], § 9 Nr. 2 Halbs. 2 [X.] aF. Dies hat zur Folge, dass der Verleiher dem Leiharbeitnehmer lediglich das tariflich vorgesehene Arbeitsentgelt gewähren muss, § 8 Abs. 2 Satz 2 [X.], § 10 Abs. 4 Satz 2 [X.] aF. Nur wenn dieses die in einer Rechtsverordnung nach § 3a Abs. 2 [X.] festgesetzten [X.] unterschreitet, muss der Verleiher dem Leiharbeitnehmer für jede Arbeitsstunde das im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers für eine Arbeitsstunde zu zahlende Arbeitsentgelt gewähren, § 8 Abs. 2 Satz 4 [X.], § 10 Abs. 4 Satz 3 [X.] aF.

I. Davon ausgehend könnte die Klägerin für die Dauer ihrer Überlassung an den Entleiher keine weitere Vergütung unter dem Gesichtspunkt des equal pay beanspruchen. Ihre Klage wäre unbegründet und ihre Revision zurückzuweisen.

1. Nach [X.] Tarifrecht sind die Klägerin und die Beklagte kraft ihrer Mitgliedschaft in den tarifschließenden Verbänden an die von diesen für die [X.] geschlossenen Tarifverträge mit unmittelbarer und zwingender Wirkung gebunden, § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 [X.]. Diese vom Gleichstellungsgrundsatz abweichenden Tarifverträge sind - zumindest soweit sie auf Arbeitnehmerseite von der [X.] [X.] geschlossen wurden - wirksam.

a) Die Parteien der auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findenden Tarifverträge für die [X.] - nämlich der [X.] ([X.]) und die in den jeweiligen Tarifverträgen namentlich aufgeführten Mitgliedsgewerkschaften des Deutschen [X.]sbunds ([X.]), darunter [X.] - sind tariffähig (vgl. - zur Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung - [X.] 14. Dezember 2010 - 1 [X.] - Rn. 67 mwN, [X.]E 136, 302). Das steht zwischen den Parteien auch außer Streit.

b) Der [X.] und die [X.] [X.] sind für die [X.] tarifzuständig. Ob alle weiteren an den Tarifabschlüssen beteiligten [X.]en ebenfalls für die [X.]n tarifzuständig sind bzw. im maßgeblichen [X.]punkt waren, kann als nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben. Denn bei den fraglichen Tarifverträgen handelt es sich um sog. mehrgliedrige Tarifverträge im engeren Sinne, bei denen lediglich mehrere - in der Regel gleichlautende - Tarifverträge in einer Urkunde zusammengefasst sind. Im Streitfall ist es deshalb ausreichend, dass die für das [X.] der Parteien einschlägigen Tarifverträge zwischen dem [X.] und [X.] wirksam sind, weil [X.] jedenfalls seit ihrer Satzungsänderung 2009 für die gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung tarifzuständig i[X.] Soweit einer anderen am mehrgliedrigen Tarifvertrag im engeren Sinne beteiligten [X.] die Tarifzuständigkeit fehlen sollte, bedingt dies nur die Unwirksamkeit des von ihr abgeschlossenen Tarifvertrags, hat aber keine Auswirkungen auf die zwischen den anderen Tarifvertragsparteien geschlossenen Tarifverträge.

Anders wäre es nur, wenn die auf das [X.] der Parteien Anwendung findenden Tarifverträge als sog. [X.] einzuordnen wären. Dann müsste jede am Tarifvertrag beteiligte [X.] für die [X.] tarifzuständig sein (vgl. - zur Tariffähigkeit - [X.] 15. November 2006 - 10 [X.] - Rn. 24, [X.]E 120, 182). Denn es wäre mit dem Wesen der Tarifautonomie nicht vereinbar, wenn eine nicht tarifzuständige [X.] an Verhandlung und Abschluss eines Tarifvertrags mitwirken und diesen möglicherweise wesentlich (mit-)gestalten könnte (ebenso in Bezug auf das Erfordernis der Tariffähigkeit der Mitglieder einer Spitzenorganisation iSv. § 2 Abs. 2 [X.] zum Abschluss von Tarifverträgen [X.] 14. Dezember 2010 - 1 [X.] - Rn. 74, [X.]E 136, 302). Für die Annahme, die Tarifvertragsparteien hätten [X.] schließen wollen, fehlt es jedoch an hinreichend deutlichen Anhaltspunkten. Deshalb verbleibt es bei der [X.], dass die auf einer Seite beteiligten Tarifvertragsparteien sich grundsätzlich ihrer jeweils autonomen [X.] nicht begeben, sondern voneinander unabhängige, eigenständige Tarifverträge schließen wollen, von denen sie sich ohne Rücksicht auf die übrigen Beteiligten auch wieder lösen können (vgl. [X.] 29. Juni 2004 - 1 [X.] - zu III 4 b aa der Gründe; 8. November 2006 - 4 [X.] - Rn. 23, [X.]E 120, 84; 7. Mai 2008 - 4 [X.] - Rn. 20).

c) Eine Tarifkollision im Betrieb der [X.] aufgrund der mehrgliedrigen Tarifverträge im engeren Sinne bestand nicht, weil alle in Betracht kommenden Tarifverträge von Anfang an und jedenfalls bis zum Ende des [X.] inhaltsgleich waren, § 4a Abs. 2 Satz 3 [X.].

2. Die vom Gleichstellungsgrundsatz abweichenden Tarifverträge unterschritten nicht die in einer Rechtsverordnung nach § 3a Abs. 2 [X.] festgesetzten [X.], § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 9 Nr. 2 Halbs. 2 [X.] aF. Im Streitzeitraum existierten solche nicht. Die am 31. Dezember 2016 außer [X.] getretene Zweite Verordnung über eine Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung sah zuletzt für die „alten“ Bundesländer ein Mindeststundenentgelt von 9,00 [X.] brutto vor. Die am 1. Juni 2017 in [X.] getretene Dritte Verordnung über eine Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung legte ab diesem [X.]punkt in den „alten“ Bundesländern ein Mindeststundenentgelt von 9,23 [X.] brutto fe[X.] Beide Grenzen unterschritt der für das [X.] und den Streitzeitraum maßgebliche Entgelttarifvertrag [X.]arbeit in der Fassung vom 30. November 2016 nicht.

II. Wäre hingegen die nationale Regelung der Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz durch Tarifvertrag - wie die Klägerin geltend macht - mit Unionsrecht nicht vereinbar, könnte der Klägerin für die Dauer ihrer Überlassung an den Entleiher - soweit ein möglicher Anspruch für die Monate Januar und Februar 2017 nicht nach einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfristenregelung verfallen ist (vgl. [X.] 13. März 2013 - 5 [X.] - Rn. 36 ff., [X.]E 144, 306, [X.] Rspr., zuletzt [X.] 16. Dezember 2020 - 5 [X.] - Rn. 11 ff.) - eine weitere Vergütung unter dem Gesichtspunkt des equal pay zustehen mit der Folge, dass ihre Klage zumindest teilweise begründet und ihrer Revision insoweit stattzugeben wäre.

1. Fehlte es an einer wirksamen Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz, wäre die Beklagte verpflichtet, der Klägerin für die Dauer der Überlassung an den Entleiher das Arbeitsentgelt zu gewähren, das ein vergleichbarer [X.] des Entleihers im Streitzeitraum erhielt. Nach nationalem Verständnis ist der Anspruch des Leiharbeitnehmers auf gleiches Arbeitsentgelt ein die vertragliche Vergütungsabrede korrigierender gesetzlicher Entgeltanspruch, der mit jeder Überlassung entsteht und jeweils für die Dauer der Überlassung besteht ([X.] Rspr. seit [X.] 13. März 2013 - 5 [X.] - Rn. 42, [X.]E 144, 306).

2. Zur Höhe des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt hat die dafür nach allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweispflichtige Klägerin (vgl. [X.] 13. März 2013 - 5 [X.] - Rn. 21, seither [X.] Rspr.; [X.]/[X.] 9. Aufl. § 8 [X.] Rn. 17; [X.] in [X.]/[X.] [X.] 5. Aufl. § 8 Rn. 82, 86; [X.]/Spinner 8. Aufl. § 611a Rn. 1202; [X.] in Thüsing [X.] 4. Aufl. § 8 Rn. 38) schlüssig und unter Beweisantritt dargelegt, dass vergleichbare [X.] für dieselbe Tätigkeit im Streitzeitraum einen Stundenlohn von 13,64 [X.] brutto erhielten. Dürfte die Beklagte nicht vom Gleichstellungsgrundsatz abweichen, wäre sie nach § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 10 Abs. 4 Satz 1 und Satz 4 [X.] aF verpflichtet, der Klägerin für die von dieser beim Entleiher geleisteten Arbeitsstunden die entsprechende Differenz nachzuzahlen.

3. Die Beklagte hat die von der Klägerin behauptete Höhe der Vergütung vergleichbarer [X.] mit Nichtwissen bestritten. Sollte die Beklagte vom Gleichstellungsgrundsatz nicht abweichen dürfen, wären deshalb in einem erneuten Berufungsverfahren die von der Klägerin insoweit angebotenen Beweise zu erheben. Dies betrifft jedoch nur die mögliche Höhe einer weiteren Vergütung. Für den Grund des geltend gemachten Anspruchs kommt es maßgeblich auf nur vom Gerichtshof der [X.]päischen Union zu klärende Fragen insbesondere zur Auslegung von Art. 5 Abs. 3 Richtlinie 2008/104/[X.] an. Diese sind somit entscheidungserheblich (vgl. [X.] 14. Oktober 2020 - C- 681/18 - Rn. 33 ff. mwN).

D. Erläuterung der Vorlagefragen

Zur Frage 1.

Art. 5 Abs. 3 Richtlinie 2008/104/[X.], von dem der nationale Gesetzgeber bei der innerstaatlichen Regelung der Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz durch Tarifverträge Gebrauch gemacht hat (vgl. [X.]. 17/4804 S. 9), gestattet den [X.] Abweichungen von den in Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie aufgeführten wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen „unter Achtung des Gesamtschutzes von [X.]“. Die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen sind in Art. 3 Abs. 1 Buch[X.] f der Richtlinie 2008/104/[X.] definiert. Unter welchen Voraussetzungen der Gesamtschutz der Leiharbeitnehmer in Bezug auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen als ausreichend geachtet angesehen werden kann, ist der Richtlinie nicht zu entnehmen. Der Erwägungsgrund 16 verlangt, dass das [X.] gewahrt bleibt, um der Vielfalt der Arbeitsmärkte und der Arbeitsbeziehungen auf flexible Weise gerecht zu werden, gibt aber keinerlei Anhaltspunkte für die hieran zu stellenden Anforderungen. Im [X.] Schrifttum werden hierzu unterschiedliche Auffassungen vertreten (vgl. nur [X.]/[X.] 21. Aufl. § 8 [X.] Rn. 32 f.; [X.] in [X.]/[X.] [X.] 5. Aufl. § 8 Rn. 138; [X.] in Thüsing [X.] 4. Aufl. § 8 Rn. 43 ff.; [X.]/Sansone [X.]päisches Arbeitsrecht 2. Aufl. § 12 Rn. 12.77 ff.; [X.]/[X.]/[X.]/[X.] 3. Aufl. [X.] 2008/104/[X.] Art. 5 Rn. 20 ff., jeweils mwN). Dabei stellt sich insbesondere die Frage, ob der „Gesamtschutz von [X.]“ gleichzustellen ist mit dem Schutz, den nationales und Unionsrecht grundsätzlich für alle Arbeitnehmer unabhängig davon, ob sie Stamm- oder Leiharbeitnehmer sind, zwingend vorsehen (zB Kündigungsschutz, Mutterschutz, Mindestlohn, Entgeltfortzahlung in bestimmten Fällen, Arbeitszeitschutz, Besondere Anforderungen an Befristungen, Schwerbehindertenschutz etc.) oder die Richtlinie mit dem „[X.] für Leiharbeitnehmer“ (so die Formulierung im Erwägungsgrund Nr. 16 zur Richtlinie) mehr umfasst, etwa auf einen spezifischen Sonderschutz für Leiharbeitnehmer zielt. Inwieweit tarifvertraglich vereinbarte Abweichungen vom Gleichstellungsgrundsatz einer gerichtlichen Kontrolle unterliegen, ist Gegenstand der Frage 5.

Zur Frage 2.

Schließen die [X.] Tarifverträge, die Regelungen enthalten, die in Bezug auf die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von [X.] vom Grundsatz der Gleichbehandlung iSd. Art. 5 Abs. 1 Richtlinie 2008/104/[X.] abweichen, bedarf es der Klärung, welche Voraussetzungen und Kriterien erfüllt sein müssen für die Annahme, die Abweichungen vom Grundsatz der Gleichbehandlung seien unter Achtung des Gesamtschutzes von [X.] erfolgt.

a) Dabei stellt sich zum einen die Frage nach dem Maßstab: Ist allein abzustellen auf die durch einen solchen Tarifvertrag geregelten Arbeitsbedingungen der betroffenen Leiharbeitnehmer und zu prüfen, ob diese einen - wie auch immer gearteten - Gesamtschutz der Leiharbeitnehmer achten? Oder müssen für die Beurteilung, ob die Abweichung vom Grundsatz der Gleichbehandlung durch Tarifvertrag unter Achtung des Gesamtschutzes von [X.] erfolgte, die (wesentlichen) Arbeitsbedingungen, die in dem [X.] Unternehmen für die [X.], also die unmittelbar von dem [X.] Unternehmen für den gleichen Arbeitsplatz eingestellten Arbeitnehmer, gelten, in einer wertenden Betrachtung mit einbezogen werden?

b) In Erwägungsgrund 15 zur Richtlinie 2008/104/[X.] heißt es, unbefristete Arbeitsverträge seien die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses und gäben einen „besonderen Schutz“. Vor diesem Hintergrund stellt sich zum anderen die Frage, ob die Achtung des Gesamtschutzes von [X.] iSd. Art. 5 Abs. 3 Richtlinie 2008/104/[X.] auch verlangt, dass - ähnlich wie in Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie vorgesehen - eine Abweichung vom Grundsatz der Gleichbehandlung in Bezug auf das Arbeitsentgelt nur möglich ist, wenn zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht (so [X.]/[X.]/[X.]/[X.] 3. Aufl. [X.] 2008/104/[X.] Art. 5 Rn. 14), oder eine Abweichung auch in befristeten Arbeitsverhältnissen möglich ist ([X.]/Sansone [X.]päisches Arbeitsrecht 2. Aufl. § 12 Rn. 12.76 mwN). Für die letztgenannte Auffassung könnte sprechen, dass in Art. 5 Abs. 3 Richtlinie 2008/104/[X.], anders als in deren Abs. 2, keine Beschränkung auf unbefristete Arbeitsverhältnisse enthalten und als zusätzliches Regulativ die Achtung des Gesamtschutzes vorgesehen i[X.]

Zur Frage 3.

Der [X.] Gesetzgeber hat beim [X.] von der von Art. 5 Abs. 3 Richtlinie 2008/104/[X.] eröffneten Möglichkeit zur Abweichung vom Grundsatz der Gleichbehandlung Gebrauch gemacht (vgl. [X.]. 17/4804 S. 9). Es erschließt sich indes - auch unter Berücksichtigung von Erwägungsgrund 19 zur Richtlinie, nach dem die Autonomie der [X.] nicht beeinträchtigt werden soll - nicht mit ausreichender Klarheit aus der Richtlinie selbst, ob der nationale Gesetzgeber in einem solchen Falle den [X.] die Voraussetzungen und Kriterien für die Achtung des Gesamtschutzes von [X.] bei der Abweichung vom Grundsatz der Gleichbehandlung vorgeben muss oder es Sache der [X.] ist, bei Abschluss entsprechender Tarifverträge für die [X.] für die Achtung des Gesamtschutzes von [X.] zu sorgen (hierfür offenbar [X.]/Sansone [X.]päisches Arbeitsrecht 2. Aufl. § 12 Rn. 12.80; [X.]/[X.]/[X.]/[X.] 3. Aufl. [X.] 2008/104/[X.] Art. 5 Rn. 22).

Letzteres würde dem Erwägungsgrund 19 der Richtlinie 2008/104/[X.] Rechnung tragen, wonach die Richtlinie weder die Autonomie der [X.] noch die Beziehungen zwischen ihnen beeinträchtigen soll, und zwar einschließlich des Rechts, Tarifverträge gemäß nationalem Recht und nationalen Gepflogenheiten bei gleichzeitiger Einhaltung des geltenden Gemeinschaftsrechts auszuhandeln und abzuschließen. Dieses Recht ist zudem durch Art. 28 GRC geschützt. Ein solches Verständnis entspräche überdies [X.] Verfassungs- und Tarifrecht. Danach steht Tarifvertragsparteien als selbständigen Grundrechtsträgern bei ihrer Normsetzung aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Sie haben außerdem eine [X.], soweit die tatsächlichen Gegebenheiten, die betroffenen Interessen und die Regelungsfolgen zu beurteilen sind. Darüber hinaus verfügen sie über einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung der Regelung ([X.] Rspr., vgl. zB [X.] 3. Juli 2019 - 10 [X.] - Rn. 19 mwN). Tarifverträgen kommt nach [X.] Arbeitsrecht grundsätzlich eine Richtigkeitsgewähr zu (so auch ausdrücklich die Regierungsbegründung zum Entwurf eines [X.] zur Änderung des [X.]es - Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung, [X.]. 17/4804 S. 9).

Zudem stellt das [X.] hohe Anforderungen an die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung und hat insbesondere mit dem [X.] ([X.] 14. Dezember 2010 - 1 [X.] - [X.]E 136, 302) einem möglichen Missbrauch der Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz durch Tarifvertrag mit Hilfe arbeitgebernaher „Arbeitnehmervereinigungen“ “einen Riegel vorgeschoben“. Faktisch kommen damit derzeit im Wesentlichen nur die im Deutschen [X.]sbund organisierten, seit Jahrzehnten als tariffähig anerkannten [X.]en als Tarifpartner der [X.]arbeitsbranche in Betracht. Deren Durchsetzungsfähigkeit leidet auch nicht an dem geringen Organisationsgrad der Leiharbeitnehmer, vielmehr sind die Verleiher für Abweichungen vom Gleichstellungsgrundsatz geradezu auf sie angewiesen (zutr. [X.] in [X.]/[X.] [X.] 5. Aufl. § 8 Rn. 138).

Zur Frage 4.

Bejaht der Gerichtshof die dritte Frage, stellt sich daran anschließend die weitere Frage, ob der [X.] Gesetzgeber mit den im [X.] in der seit dem 1. April 2017 geltenden Fassung getroffenen Regelungen zur Begrenzung der Abweichungen vom Grundsatz der Gleichbehandlung bzw. - in der nationalen Terminologie - Gleichstellungstellungsgrundsatz durch Tarifverträge ausreichend für die Achtung des Gesamtschutzes von [X.] gesorgt hat. In der aktuellen Fassung des [X.]es sehen § 1 Abs. 1b (Höchstdauer von 18 Monaten für die Überlassung an denselben Entleiher), § 8 Abs. 2 Satz 1 (Lohnuntergrenze aufgrund einer Rechtsverordnung über [X.]), § 8 Abs. 3 (sog. [X.]), § 8 Abs. 4 (zeitliche Begrenzung der Abweichung vom Gebot der Gleichstellung in Bezug auf das Arbeitsentgelt) und § 13b (Zugang des Leiharbeitnehmers zu Gemeinschaftseinrichtungen oder -diensten des Entleihers) die in Frage 4. a) beschriebenen gesetzlichen Beschränkungen der Ungleichbehandlung von Leih- und [X.]n vor. Damit sei - so wird im Schrifttum vielfach angenommen (etwa [X.] in [X.]/[X.] [X.] 5. Aufl. § 8 Rn. 138; [X.] in Thüsing [X.] 4. Aufl. § 8 Rn. 45; [X.]/[X.]/[X.]/[X.] 3. Aufl. [X.] 2008/104/[X.] Art. 5 Rn. 23, jeweils mwN) - der Gesamtschutz von [X.] ausreichend gewahrt, zumal sie nach § 1 Abs. 1 und Abs. 3 Mindestlohngesetz ([X.]) Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben, wenn dieser höher ist als die nach dem [X.] festgesetzten [X.].

Die Frage 4. b) trägt der - im Ausgangsrechtstreit für einen Teil des [X.] noch maßgeblichen - bis zum 31. März 2017 geltenden Fassung des [X.]tes Rechnung, die eine zeitliche Begrenzung der Abweichung vom Grundsatz der Gleichbehandlung in Bezug auf das Arbeitsentgelt sowie eine zeitliche Konkretisierung des Erfordernisses der „vorübergehenden“ Überlassung nicht vorsah.

Zur Frage 5.

Falls der Gerichtshof die dritte Frage verneint und es (allein) den [X.] obliegt, bei Abschluss von Tarifverträgen, die vom Grundsatz der Gleichbehandlung abweichen, den Gesamtschutz von [X.] iSd. Art. 5 Abs. 3 Richtlinie 2008/104/[X.] zu achten, bedarf der Klärung, in welcher Intensität die nationalen Gerichte überprüfen dürfen, ob derartige Tarifverträge den Gesamtschutz von [X.] ausreichend achten. Aufgrund der sog. Richtigkeitsgewähr von Tarifverträgen räumt das nationale Recht den Tarifvertragsparteien einen weiten Beurteilungs- und Ermessensspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Gestaltung einer Regelung ein (vgl. oben Rn. 28), der gerichtlich nur beschränkt überprüfbar i[X.] Insbesondere sind die Tarifvertragsparteien nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen ([X.] Rspr., vgl. nur [X.] 29. September 2020 - 9 [X.] - Rn. 47 mwN).

Unionsrechtlich könnten der Hinweis auf die „Autonomie der [X.]“ im Erwägungsgrund 19 zur Richtlinie 2008/104/[X.] und die in Art. 28 GRC geschützte Tarifautonomie für einen erheblichen Beurteilungsspielraum der nationalen [X.] sprechen, zumal deren Recht, die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von [X.] festzulegen, nach Erwägungsgrund 16 zur Richtlinie 2008/104/[X.] dazu dient, der Vielfalt der Arbeitsmärkte und der Arbeitsbeziehungen auf flexible Weise gerecht zu werden. Mit Blick auf die Erwägungsgründe 16 und 19 zur Richtlinie 2008/104/[X.] und auf Art. 28 GRC wird im [X.] Schrifttum mit guten Gründen eine allenfalls sehr eingeschränkte gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit auch solcher Tarifregelungen, die vom Grundsatz der Gleichbehandlung abweichen, befürwortet (vgl. dazu [X.]/[X.] 2017, 485, 499 f.; [X.]/[X.] 2011, 474, 498 ff.; [X.] ZESAR 2009, 207, 211; Sansone Gleichstellung von [X.] nach [X.] und Unionsrecht 2011 S. 540 ff.; [X.]/[X.]/[X.]/[X.] 3. Aufl. [X.] 2008/104/[X.] Art. 5 Rn. 20 f. mwN). Wie weit ein solcher Beurteilungsspielraum reichen würde, ob er auch in Bezug auf die Achtung des Gesamtschutzes von [X.] besteht und - wenn ja - wie weit er im Einzelnen der gerichtlichen Kontrolle entzogen ist, erschließt sich aus der Richtlinie 2008/104/[X.] nicht mit hinreichender Deutlichkeit und ist nicht geklärt.

E. Das Revisionsverfahren wird gemäß § 148 ZPO bis zur Entscheidung des Gerichtshofs über das Vorabentscheidungsersuchen ausgesetzt.

        

    [X.]    

        

    Berger    

        

    [X.]    

        

        

        

    Eberhard    

        

    E. Bürger    

                 

Meta

5 AZR 143/19 (A)

16.12.2020

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

EuGH-Vorlage

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Würzburg, 8. Mai 2018, Az: 2 Ca 1248/17, Urteil

Art 267 AEUV, Art 5 Abs 3 EGRL 104/2008, Art 5 Abs 1 EGRL 104/2008, § 18 AktG, Art 28 EUGrdRCh, § 8 Abs 1 AÜG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, EuGH-Vorlage vom 16.12.2020, Az. 5 AZR 143/19 (A) (REWIS RS 2020, 564)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 564

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 AZR 143/19 (Bundesarbeitsgericht)

Leiharbeit - gleiches Arbeitsentgelt - Abweichung durch Tarifvertrag


7 AZR 286/18 (Bundesarbeitsgericht)

Betriebsratsmitglied - Personalgestellung - equal-pay


2 Sa 402/18 (LArbG Nürnberg)

Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz nach der Leiharbeits-RL durch arbeitsvertragliche Bezugnahme auf Tarifverträge


15 Ca 4827/17 (ArbG Nürnberg)

Gleichbehandlungsgrundsatz


6 AZR 390/20 (A) (Bundesarbeitsgericht)

Personalgestellung - Verstoß gegen die Leiharbeitsrichtlinie


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.