Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16.08.2011, Az. 1 ABR 22/10

1. Senat | REWIS RS 2011, 4015

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Gegenstand

Zuständigkeit des Betriebsrats - Unterrichtung - Online-Zugriff


Leitsatz

Der Gesamtbetriebsrat ist nicht Träger des Überwachungsrechts aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Für dessen Wahrnehmung ist allein der Betriebsrat zuständig.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Gesamtbetriebsrats gegen den Beschluss des [X.] vom 2. Dezember 2009 - 4 [X.] - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über einen Online-Zugriff auf Dateien mit personenbezogenen [X.].

2

Die Arbeitgeberin ist ein Versicherungsunternehmen. Antragsteller ist der bei ihr gebildete Gesamtbetriebsrat. Die Beteiligten schlossen im Jahr 1999 eine [X.] ([X.]). Nach § 10 Nr. I Abs. 1 [X.] ist zur Gewährleistung der Persönlichkeitsrechte der Mitarbeiter jegliche automatisierte Verarbeitung von mitarbeiterbezogenen oder -beziehbaren Daten sowie deren Weitergabe an Dritte nur im Rahmen einer datenschutzrechtlich vorgesehenen Zweckbestimmung zulässig. Ohne Wissen der Mitarbeiter dürfen keine Vorrichtungen zur quantitativen und qualitativen Leistungskontrolle verwendet werden (§ 10 Nr. I Abs. 3 [X.]). §§ 11, 14 [X.] lauten:

        

§ 11 

        

Kontrollrechte

        

(1)     

Der [X.] ist jederzeit berechtigt, die Einhaltung dieser Betriebsvereinbarung und ggf. ergänzender anwendungsbezogener Vereinbarungen zu überprüfen. Zu diesem Zweck hat er auch ein Zutrittsrecht zu den [X.] und -räumen. Zur Wahrnehmung dieses Zutrittsrechts erfolgt durch den [X.] eine zeitnahe Information an die zuständigen Fachabteilungen. Dem [X.] werden zur Wahrnehmung seiner Kontrollrechte Ansprechpartner aus diesen Fachabteilungen benannt. Der [X.] hat das Recht, einen Informationsaustausch mit den [X.] vorzunehmen.

        

(2)     

Der [X.] kann, wenn er dies für die Wahrnehmung seiner Kontrollrechte für notwendig erachtet, den Datenschutzbeauftragten oder die für die [X.] zuständigen Mitarbeiter/innen hinzuziehen. ...

        

(3)     

Der [X.] kann jederzeit in die nach § 37 Abs. 2 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) vorgesehenen Übersichten (Dateien) Einsicht nehmen.

        

(4)     

Der [X.] hat das Recht

                 

-       

alle Systemunterlagen einzusehen und sich erläutern zu lassen,

                 

-       

die für die Abrechnung der Rechnerleistung erstellten Listen einzusehen,

                 

-       

die vergebenen Benutzer- und Terminalberechtigungen im System einzusehen.

        

(5)     

Soweit in den Entwicklungssystemen Referenzen der Entwicklungsobjekte (z. B. Programme, Copy-Books, Dateiaufbauten, Datenfelder) hinterlegt sind, können sie abgerufen werden.

                 

Der [X.] kann sich jederzeit an die zuständige Fachabteilung, die das entsprechende Anwendungssystem kennt, wenden, um sich die Nutzung der Objekte untereinander aufzeichnen und erläutern zu lassen.

        

§ 14   

        

Gemeinsame [X.]

        

Zur Begleitung der Umsetzung dieser Betriebsvereinbarung und zur Regelung von Streitigkeiten wird eine paritätisch besetzte [X.] gebildet. Sie setzt sich aus je drei Vertretern des Arbeitgebers und drei Vertretern des [X.] zusammen. Bei Bedarf können sachverständige Personen beigezogen werden. Die Vertreter des [X.] haben das Recht, Rücksprache mit dem jeweils betroffenen [X.] zu halten.

        

Auf Verlagen einer der beiden Vertragsparteien tritt die [X.] sobald als möglich zusammen. Die [X.] ist bestrebt, eine Klärung innerhalb eines Zeitraums von einem Monat herbeizuführen.

        

Kommt in der gemeinsamen [X.] eine Einigung nicht zustande, richtet sich das weitere Verfahren nach § 76 [X.].“

3

In einer Sitzung des vom Gesamtbetriebsrat gebildeten Kontrollausschusses im März 2004 wurde berichtet, dass ein Gruppenleiter den Inhalt eines im [X.] erstellten Dokuments mit leistungsbezogenen Daten seiner Mitarbeiter vor diesen kommuniziert haben soll. Diesen Vorfall nahm der Kontrollausschuss zum Anlass, die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 9. Dezember 2005 aufzufordern, ihm alle auf [X.] basierenden Dateien aus den Betrieben der Region Nord mit personenbezogenen Daten zur Verfügung zu stellen. In der Region Nord waren zu diesem Zeitpunkt etwa 764 Mitarbeiter beschäftigt, davon 88 Führungskräfte. Weiterhin forderte der Gesamtbetriebsrat von der Arbeitgeberin, ihm Einsicht in drei persönliche Laufwerke von Mitarbeitern der Personalabteilung zu gewähren sowie mitzuteilen, wie und wo Zugriffe auf dem [X.] protokolliert und gespeichert werden. Das lehnte die Arbeitgeberin ab.

4

Der Gesamtbetriebsrat hat die Auffassung vertreten, das von ihm beanspruchte Kontrollrecht ergebe sich aus § 11 [X.] sowie aus § 80 Abs. 2 Satz 1 [X.]. Bei den in § 11 [X.] normierten Kontrollrechten handele es sich nicht um eine abschließende Aufzählung. Mit dem Zugriff auf die persönlichen Laufwerke von Mitarbeitern der Personalabteilung wolle er erforschen, welche mitarbeiterbezogenen Daten sich dort befinden. Einer Einwilligung der hiervon betroffenen Arbeitnehmer bedürfe es nicht.

5

Der Gesamtbetriebsrat hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Arbeitgeberin zu verpflichten, ihm auf Dateien im Format *.xls oder anderen, mit [X.] verarbeitbaren Formaten lesenden Zugriff zu gewähren,

                 

-       

die sich in Unterverzeichnissen befinden, die solchen Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmern organisatorisch zugeordnet sind, die regelmäßig in Betrieben der Region Nord der Arbeitgeberin ([X.] einschließlich sogenannter Satelliten, [X.], [X.], 12, 13, 25, 29, 40 und 41) tätig sind, und

                 

-       

in denen die personenbezogenen Daten Name, Geburtsdatum, Personalnummer und/oder Orga-Nummer einzeln oder gemeinsam mit weiteren numerischen Daten erfasst, gespeichert oder verarbeitet werden,

                 

-       

einschließlich aller seit dem 30. November 2005 gelöschten, aber unter Einsatz technischer Mittel wieder herstellbarer Dateien mit einem derartigen Anforderungsprofil,

        

2.    

die Arbeitgeberin zu verpflichten, ihm lesenden Zugriff auf jeweils drei von der Arbeitgeberin zu benennende persönliche Laufwerke der Gruppen aus den Bereichen [X.] 20 und [X.] 30 über den Systemadministrator oder in Gegenwart des betreffenden Mitarbeiters zu gewähren.

6

Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Ihnen fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil das in § 14 [X.] vorgesehene Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt worden sei und der Gesamtbetriebsrat sich nicht genügend um eine außergerichtliche Verständigung bemüht habe. Für den von ihm beanspruchten Online-Zugriff fehle es an einer Anspruchsgrundlage. Die Durchführung der Suche nach Dateien mit personenbezogenen Daten der Arbeitnehmer sei mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden. Außerdem stehe einem Online-Zugriff des [X.] auf die Dateien von Mitarbeitern der Personalabteilung das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Arbeitnehmer entgegen.

7

Das Arbeitsgericht hat den in der [X.] angefallenen Anträgen des [X.] weitgehend entsprochen. Das [X.] hat sie auf die Beschwerde der Arbeitgeberin abgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Gesamtbetriebsrat seine zuletzt gestellten Anträge weiter.

8

B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das [X.] hat beide Anträge des [X.] zu Recht abgewiesen.

9

I. Die Anträge sind zulässig.

1. Die Anträge bedürfen der Auslegung.

a) Mit dem Antrag zu 1 möchte der Gesamtbetriebsrat erreichen, dass die Arbeitgeberin zu einem von ihr zu bestimmenden Stichtag die in den Betrieben der Region Nord im Format [X.] oder mit diesem Programm verarbeitbaren Formaten erstellten Dateien durch einen maschinellen Suchprozess ermittelt und dem Gesamtbetriebsrat ohne weitere Vorprüfung zum einmaligen Öffnen und Lesen an einem Datenlesegerät zur Verfügung stellt. Der Antrag zu 1 ist beschränkt auf Dateien, die von Arbeitnehmern erstellt worden sind, die den Betrieben der Region Nord zu dem gewählten Stichtag organisatorisch zugeordnet sind. Der Suchlauf soll sich auf sämtliche in diesen Betrieben vorhandenen Laufwerke beziehen. Werden die aufgefundenen Dateien nach dem Stichtag verändert, soll sich die [X.] auf den geänderten Dateiinhalt erstrecken. Die im Antrag zu 1 bezeichneten personenbezogenen Daten stehen dabei in einem Alternativverhältnis zueinander. Der Gesamtbetriebsrat begehrt einen lesenden Zugriff auf solche im Format [X.] erstellten oder verarbeitbaren Dateien, in denen bereits eine der aufgeführten Angaben (Name, Geburtsdatum, Personalnummer, Orga-Nummer) enthalten ist. Eine Ausnahme für Dateien, die sowohl Kundendaten wie auch personenbezogene [X.] enthalten, ist nicht vom [X.] des [X.] umfasst. Sein Auskunftsverlangen ist in zeitlicher Hinsicht beschränkt auf die am Stichtag vorhandenen Dateien einschließlich aller seit dem 30. November 2005 gelöschter Dateien, sofern deren Inhalt physisch wiederhergestellt werden kann. Die Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Gewährung eines lesenden Zugriffs soll entfallen, wenn die Dateien tatsächlich nicht mehr oder nur durch unverhältnismäßigen technischen Aufwand wiederherstellbar sind.

b) Mit dem Antrag zu 2 möchte der Gesamtbetriebsrat über einen von der Arbeitgeberin benannten Mitarbeiter einen Online-Zugriff auf die persönlichen Laufwerke von drei in der Personalabteilung tätigen Arbeitnehmern erhalten. Auf diesen will er selbst nach Dateien suchen, die leistungsbezogene [X.] enthalten. Der Gesamtbetriebsrat hat in der Anhörung vor dem Senat klargestellt, dass es ihm entgegen seinen Ausführungen in der Rechtsbeschwerdebegründung nicht nur darum geht, die erfolgten Zugriffe auf die persönlichen Laufwerke zu kontrollieren, sondern weitergehend zu erforschen, welche mitarbeiterbezogenen oder -beziehbaren Daten sich in den dort gespeicherten Dateien befinden. Nach dem [X.] des [X.] soll ihm der Zugriff unabhängig von dem Einverständnis der betroffenen Arbeitnehmer ermöglicht werden.

2. Mit diesem Inhalt sind die Anträge hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss ein Antrag auch im Beschlussverfahren so bestimmt sein, dass die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten entschieden werden kann. Im Falle einer dem Antrag stattgebenden Entscheidung muss für den in Anspruch genommenen Beteiligten eindeutig erkennbar sein, was von ihm verlangt wird. Die Prüfung, welche Maßnahmen der Schuldner vorzunehmen oder zu unterlassen hat, darf grundsätzlich nicht in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden ([X.] 15. März 2011 - 1 [X.] - Rn. 12, [X.] 2011, 462).

b) Beide Anträge genügen diesen Anforderungen. Der Antrag zu 1 lässt den Umfang der Dateien erkennen, nach denen die Arbeitgeberin suchen soll. Die Art der Dateien ist durch die Einschränkung auf [X.]-Dateien, in denen die im Antrag zu 1 aufgeführten personenbezogenen Daten enthalten sind, hinreichend bestimmt. Die Arbeitgeberin kann erkennen, welche Dateien sie durch einen Suchprozess finden und dem Gesamtbetriebsrat für einen Online-Zugriff zur Verfügung stellen soll. Mit dem Antrag zu 2 verlangt der Gesamtbetriebsrat in hinreichend bestimmter Weise über eine berechtigte Person die Einräumung einer elektronischen Leseberechtigung für die Dateien auf den persönlichen Laufwerken.

3. Der Zulässigkeit der Anträge steht § 14 [X.] nicht entgegen.

a) Ein Antrag im Beschlussverfahren zur Klärung einer betriebsverfassungsrechtlichen Meinungsverschiedenheit ist unzulässig, wenn sich die Betriebsparteien verpflichtet haben, in einem solchen Konfliktfall zunächst über ein förmliches Verfahren eine innerbetriebliche Einigung zu versuchen. Ein solches Vorverfahren ist keine nach § 4 ArbGG unzulässige Schiedsvereinbarung, sondern eine den Betriebsparteien durch § 76 Abs. 6 [X.] eröffnete Möglichkeit, eine innerbetriebliche Streitigkeit ohne Anrufung der Arbeitsgerichte beizulegen ([X.] 20. November 1990 - 1 [X.] - zu [X.] 3 der Gründe, [X.]E 66, 243).

b) Es kann dahinstehen, ob auch ein auf § 80 Abs. 2 Satz 1 [X.] gestütztes Auskunftsverlangen von der Einhaltung eines solchen Vorverfahrens abhängig gemacht werden kann. Die in § 14 [X.] bestimmten Voraussetzungen für den Zusammentritt der Gemeinsamen [X.] liegen nicht vor. Deren Tätigkeit ist von einem Verlangen einer der Betriebsparteien abhängig, an dem es vorliegend fehlt. Weder der Gesamtbetriebsrat noch die Arbeitgeberin haben den Zusammentritt der Gemeinsamen [X.] beantragt. Überdies erstreckt sich deren Zuständigkeit nicht auf die Entscheidung über den Umfang eines Auskunftsanspruchs, sondern nur auf Regelungsfragen, was aus der Verweisung auf das Einigungsstellenverfahren in § 14 Unterabs. 3 [X.] folgt.

4. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin sind die Anträge nicht wegen des von ihr behaupteten Verstoßes gegen die [X.] des § 74 Abs. 1 Satz 2 [X.] unzulässig. Eine Verletzung dieser Pflicht löst diese Rechtsfolge nicht aus.

II. Die Anträge des [X.] sind unbegründet.

1. Der Gesamtbetriebsrat kann nicht die Einrichtung eines Online-Zugriffs auf die im Antrag zu 1 bezeichneten Dateien verlangen, die sich auf den Laufwerken der den Betrieben der Region Nord zugeordneten Arbeitnehmer befinden.

a) Der Anspruch folgt nicht aus § 11 [X.].

aa) Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist der Gesamtbetriebsrat jederzeit berechtigt, die Einhaltung dieser Betriebsvereinbarung und ggf. ergänzender anwendungsbezogener Vereinbarungen zu überprüfen. Zu diesem Zweck hat er auch ein Zutrittsrecht zu den [X.] und -räumen (§ 11 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Darüber hinaus werden ihm in § 11 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 bis 5 [X.] weitere besondere Kontrollbefugnisse eingeräumt. Dazu gehören der Informationsaustausch mit Mitarbeitern der [X.] sowie der zuständigen Fachabteilungen (§ 11 Abs. 1 Satz 5, Abs. 5 Unterabs. 2), die Hinzuziehung des Datenschutzbeauftragten und von Mitarbeitern der [X.] (§ 11 Abs. 2 Satz 1), besondere Einsichtnahmerechte (§ 11 Abs. 3 und Abs. 4) sowie der Abruf von Referenzen der Entwicklungsobjekte (§ 11 Abs. 5 Unterabs. 1).

bb) Allerdings ist der Wortlaut von § 11 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 [X.] nicht eindeutig. Er kann im Sinne einer umfassenden Zuständigkeit des [X.] für die Kontrolle der im Geltungsbereich der [X.] vorgenommenen Datenverarbeitung verstanden werden, von der auch ein Online-Zugriff auf bestimmte Dateien umfasst wäre. Für diese Sichtweise spricht insbesondere die Verwendung des anknüpfenden Partikels „auch“ in § 11 Abs. 1 Satz 2 [X.]. Die weiteren in § 11 [X.] aufgeführten Durchführungswege für die Kontrolle wären dann im Sinne einer beispielhaften Aufzählung ohne abschließenden Charakter zu verstehen. Der Wortlaut lässt aber ebenso ein Verständnis zu, wonach der Gesamtbetriebsrat bei seiner Kontrolle auf die in § 11 [X.] aufgeführten Durchführungswege beschränkt ist, zu denen ein Online-Zugriff nicht gehört.

cc) Für eine abschließende Aufzählung der dem Gesamtbetriebsrat zur Verfügung stehenden Kontrollrechte spricht die Entstehungsgeschichte von § 11 [X.].

Nach der vom Gesamtbetriebsrat vorgelegten Synopse über das Zustandekommen der [X.] hat dieser die in § 11 [X.] angeführten Kontrollmöglichkeiten selbst nicht als nur generalklauselartige Aufzählung seiner Kontrollrechte verstanden. Er hat ursprünglich neben den später in § 11 Abs. 2 bis Abs. 5 [X.] normierten Rechten ein „uneingeschränktes Zutrittsrecht zu allen Geräten der Informations- und Kommunikationstechniken“ gefordert. Daneben sollten alle Mitarbeiter, die an oder mit Informations- und Kommunikationstechniken arbeiten, ihm gegenüber auskunftsberechtigt und auskunftspflichtig sein. Mit diesem Vorschlag, der ihm ein umfassendes Kontrollrecht eingeräumt hätte, hat sich der Gesamtbetriebsrat im weiteren Verhandlungsverlauf nicht durchsetzen können. Das in § 11 Abs. 1 Satz 2 [X.] vereinbarte Zutrittsrecht beschränkt sich räumlich und gegenständlich auf die [X.] und -räume. Daher kann die Verwendung des Partikels „auch“ nur dahingehend verstanden werden, dass dieses Zutrittsrecht neben die in § 11 Abs. 2 bis Abs. 5 [X.] aufgeführten Kontrollmöglichkeiten tritt, die ihrerseits aber eine abschließende Aufzählung darstellen. Auf § 11 Abs. 1 [X.] hat der Gesamtbetriebsrat sein Auskunftsverlangen auch zuletzt selbst nicht mehr gestützt.

b) Der Gesamtbetriebsrat kann die Einrichtung eines Online-Zugriffs nicht zur Wahrnehmung eines gesetzlichen Überwachungsrechts verlangen.

aa) Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 [X.] hat der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und nach Satz 2 auf Verlangen die zur Durchführung der Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Mit dieser Verpflichtung geht ein entsprechender Anspruch des Betriebsrats einher, soweit die begehrte Information zur Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist ([X.] 15. März 2011 - 1 [X.] - Rn. 23, [X.] 2011, 462).

bb) Der Gesamtbetriebsrat ist nicht Träger des allein in Betracht kommenden Überwachungsrechts aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 [X.]. Für dessen Wahrnehmung ist allein der Betriebsrat zuständig.

(1) Die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen den auf der Betriebs- und Unternehmensebene errichteten Arbeitnehmervertretungen richtet sich nach § 50 [X.]. Dem Gesamtbetriebsrat ist nach § 50 Abs. 1 Satz 1 [X.] nur die Behandlung von Angelegenheiten zugewiesen, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. Die Zuständigkeitsverteilung nach dieser Vorschrift betrifft aber nur die im [X.] geregelten Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte, bei denen Arbeitgeber und Betriebsrat eine Regelungsbefugnis eröffnet ist. Bei [X.], die einer weiteren Ausgestaltung durch die Betriebsparteien nicht zugänglich sind oder einer solchen nicht bedürfen, findet § 50 Abs. 1 Satz 1 [X.] keine Anwendung, so dass es bei der Zuständigkeit des Betriebsrats verbleibt. Dies betrifft etwa die Geltendmachung von Rechtsansprüchen, die allein vom Vorliegen der im Gesetz bestimmten Tatbestandsvoraussetzungen abhängig sind (vgl. für die Pflicht zur Ausschreibung von Arbeitsplätzen nach § 93 [X.]: [X.] 1. Februar 2011 - 1 [X.] - Rn. 26, EzA [X.] 2001 § 93 Nr. 1).

(2) Zu diesen [X.] gehört auch die Wahrnehmung des Überwachungsrechts nach § 80 Abs. 1 [X.]. Dessen Ausübung ist nicht von einer Vereinbarung oder einem Einvernehmen mit dem Arbeitgeber, sondern ausschließlich von dem Vorliegen zumindest eines der dort aufgeführten Katalogtatbestände des § 80 Abs. 1 [X.] abhängig. Zu diesen zählt die in § 80 Abs. 1 Nr. 1 [X.] normierte Pflicht, darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden. Das Überwachungsrecht ist nicht vom Vorliegen besonderer Mitwirkungs- oder Mitbestimmungsrechte abhängig. Der Betriebsrat entscheidet allein, ob und auf welche Weise er seine Überwachungsaufgabe wahrnimmt. Die gesetzliche Aufgabenzuweisung an den Betriebsrat bleibt bestehen, wenn der Gesamtbetriebsrat im Rahmen seiner Zuständigkeit nach § 50 Abs. 1 Satz 1 [X.] in einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit eine Betriebsvereinbarung abschließt ([X.] 20. Dezember 1988 - 1 [X.] - zu [X.] 1 c der Gründe, [X.]E 60, 311). Für dieses Verständnis spricht, dass der Betriebsrat nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 [X.] nicht nur über die Einhaltung seiner eigenen Regelungen zu wachen hat, sondern auch über die anderer Normgeber.

(3) Entgegen der vom Gesamtbetriebsrat in der Anhörung vertretenen Auffassung folgt seine Zuständigkeit zur Überwachung der von ihm abgeschlossenen [X.] nicht aus § 51 Abs. 5 [X.]. Danach gelten die Vorschriften über die Rechte und Pflichten des Betriebsrats entsprechend für den Gesamtbetriebsrat, soweit dieses Gesetz keine besonderen Vorschriften enthält. § 51 Abs. 5 [X.] erklärt in Form einer Generalklausel die für den Betriebsrat bestehenden Geschäftsführungsvorschriften für entsprechend anwendbar, soweit diese nicht bereits an anderer Stelle im [X.] ausgestaltet worden sind. Danach hat der Gesamtbetriebsrat bei seiner Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber etwa den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 [X.]) ebenso zu beachten wie den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 [X.] (Fitting 25. Aufl. § 51 Rn. 62). § 51 Abs. 5 [X.] regelt nicht die Zuständigkeit des [X.], sondern nach der Regelungssystematik der für ihn geltenden Vorschriften nur seine Geschäftsführung. Der Gesamtbetriebsrat wird nur Träger der dem Betriebsrat zustehenden Rechte und Pflichten, wenn er entweder nach § 50 [X.] oder nach anderen Vorschriften für die Behandlung der Angelegenheit zuständig ist.

c) Der vom Gesamtbetriebsrat konkret geltend gemachte Online-Zugriff überschreitet zudem die Grenzen des [X.] aus § 80 Abs. 2 [X.].

aa) [X.] der Betriebsrat seiner gesetzlichen Überwachungspflicht nach § 80 Abs. 1 [X.] nachkommen, verschafft ihm § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 [X.] einen Anspruch auf Vorlage solcher Unterlagen, die für die Erledigung dieser Aufgaben erforderlich sind. Die Voraussetzungen dieses [X.], mit dem eine entsprechende Informationspflicht des Arbeitgebers korrespondiert, hat der Betriebsrat darzulegen. Anhand seiner Angaben kann der Arbeitgeber und im Konfliktfall das Arbeitsgericht prüfen, ob die Voraussetzungen der Vorlagepflicht im Hinblick auf die gewünschten Unterlagen gegeben sind.

bb) Nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 [X.] erfüllt der Arbeitgeber den Anspruch des Betriebsrats durch die Vorlage von Unterlagen, in der die verlangten Informationen verkörpert sind. Unterlagen haben einen feststehenden Inhalt und sind Veränderungen - auch nachträglicher Art - nicht zugänglich. Das erlaubt dem Arbeitgeber die Prüfung, ob aus der verlangten Unterlage Angaben hervorgehen, die in keinem Zusammenhang mit der geltend gemachten Überwachungsaufgabe oder einer anderen Betriebsratsaufgabe stehen. Solche Angaben kann der Arbeitgeber unkenntlich machen. Insoweit billigt ihm das [X.] ein Vorprüfungsrecht zu, das allerdings der arbeitsgerichtlichen Kontrolle unterliegt. Das kann zur Folge haben, dass eine Unterlage ggf. nur in Auszügen zur Verfügung zu stellen ist, soweit in ihr Informationen verkörpert sind, auf die sich der Vorlageanspruch des Betriebsrats nicht erstreckt ([X.] 17. März 1983 - 6 [X.] - zu II 2 der Gründe, [X.]E 42, 113).

cc) Unterlagen iSd. § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 [X.] sind die beim Arbeitgeber vorhandenen schriftlichen Aufzeichnungen. Zu diesen gehören auch die bei ihm in Datenverarbeitungsanlagen vorhandenen Dateien, die der vorlageverpflichtete Arbeitgeber auszudrucken und dem Betriebsrat auszuhändigen hat. Verlangt der Betriebsrat die Kenntnis von Angaben aus einer konkreten Datei, kann der Arbeitgeber seiner Vorlagepflicht auch durch das Einräumen einer stichtagsbezogenen Leseberechtigung genügen, wenn er zugleich sicherstellt, dass die betroffene Datei in diesem Zustand dem Betriebsrat für die Ausübung seines Überwachungsrechts zugänglich bleibt. In einem solchen Fall kennt der Arbeitgeber den Inhalt der Datei und kann sein Vorprüfungsrecht ausüben.

dd) Danach ist der vom Gesamtbetriebsrat begehrte Online-Zugriff nicht mehr von dem betriebsverfassungsrechtlichen Informationsrecht umfasst. Der geforderte lesende Zugriff nimmt der Arbeitgeberin das Wahlrecht aus § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 [X.], den Anspruch durch den Ausdruck des vorlagepflichtigen [X.] zu erfüllen. Ebenso lässt er ihr Vorprüfungsrecht unberücksichtigt. Die Arbeitgeberin könnte bei einem Online-Zugriff die Übermittlung nicht auf die vorlagepflichtigen Angaben beschränken, weil sich nach dem [X.] des [X.] seine Leseberechtigung uneingeschränkt auf alle Dateien erstreckt, die allein den von ihm benannten Kennungen entsprechen.

d) Auf die zwischen den Beteiligten in den Vorinstanzen erörterten Fragen nach der Erforderlichkeit des begehrten Online-Zugriffs kommt es danach nicht mehr an. Ebenso war nicht zu entscheiden, ob einem solchen Zugriffsrecht Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer entgegengestanden hätten.

2. Der Antrag zu 2, mit dem der Gesamtbetriebsrat einen Online-Zugriff auf die persönlichen Laufwerke von drei Mitarbeitern der Personalabteilung beansprucht, unterliegt aus den gleichen Gründen wie der Antrag zu 1 der Abweisung. Für die Wahrnehmung des Überwachungsrechts besteht keine Zuständigkeit des [X.]. Ebenso fehlt es für einen lesenden Zugriff an einer Anspruchsgrundlage.

        

    Schmidt    

        

    Linck    

        

    Koch    

        

        

        

    Platow    

        

    [X.]    

                 

Meta

1 ABR 22/10

16.08.2011

Bundesarbeitsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Bamberg, 18. Juli 2007, Az: 3 BV 11/06 C, Beschluss

§ 80 Abs 1 Nr 1 BetrVG, § 50 Abs 1 S 1 BetrVG, § 51 Abs 5 BetrVG, § 80 Abs 2 S 1 BetrVG, § 80 Abs 2 S 2 Halbs 1 BetrVG, § 74 Abs 1 S 2 BetrVG, § 4 ArbGG, § 253 Abs 2 Nr 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16.08.2011, Az. 1 ABR 22/10 (REWIS RS 2011, 4015)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4015

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