Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 21.10.2014, Az. 1 ABR 10/13

1. Senat | REWIS RS 2014, 2011

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Gegenstand

(Mitbestimmung des Betriebsrats bei Einstellungen - Vorlage- und Auskunftspflicht des Arbeitgebers nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG)


Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des [X.] vom 29. November 2012 - 5 [X.] - wird zurückgewiesen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Reichweite der [X.] und Vorlagepflichten der Arbeitgeberin bei [X.]instellungen.

2

Die zu 2. beteiligte Arbeitgeberin ist ein Textilhandelsunternehmen mit bundesweit 390 Filialen. Ihr Verkaufsgebiet ist in 15 Areas eingeteilt, für die jeweils ein Büro mit einem [X.] zuständig ist. Die Filiale Nr. 698 in [X.], in der 40 Arbeitnehmer beschäftigt sind und der antragstellende Betriebsrat gebildet ist, gehört mit weiteren 28 Filialen zur Area 1. Sie wird - wie andere Filialen auch - von einem [X.] geleitet. Dieser trifft in personellen und [X.] Angelegenheiten die [X.]ntscheidungen.

3

Seit Mai 2009 nimmt die Arbeitgeberin ausschließlich Online-Bewerbungen entgegen. Dazu teilen die [X.] die zu besetzenden Stellen einschließlich Anforderungsprofil dem für sie zuständigen [X.] mit. Von diesem werden die Positionen mit ihren Bedingungen in ein [X.] eingegeben und die eingehenden Bewerbungen gesichtet sowie daraufhin geprüft, ob ein Bewerber die geforderte Q[X.]lifikation aufweist. Anhand der ihr vom [X.] zugeleiteten Bewerbungsunterlagen trifft der [X.] eine Auswahlentscheidung und leitet das Verfahren zur Beteiligung des Betriebsrats nach § 99 [X.] ein. In diesem Zusammenhang informiert er den Betriebsrat über die ihm vom [X.] weitergeleiteten Bewerbungen und stellt ihm die entsprechenden Unterlagen zur Verfügung.

4

Am 8. Oktober 2010 bewarb sich [X.], wohnhaft in [X.], im [X.] für die Position „Mitarbeiterin im Verkauf“ in Teilzeit in der den [X.] umfassenden „Area 10“. Am 11. Oktober 2010 erhielt sie eine schriftliche Absage. Am 9. November 2011 hörte die (damalige) [X.]in der Filiale Nr. 698 den Betriebsrat zur [X.]instellung von zwei Bewerbern an, ohne über die Bewerbung von [X.] zu informieren. Daraufhin forderte der Betriebsrat die Filialleitung mit Schreiben vom 16. November 2010 auf, künftig alle Bewerbungen vorzulegen, wobei er davon ausging, [X.] habe sich aufgrund ihres Wohnsitzes auf eine Stelle in der [X.]er Filiale beworben. Im Juli und August 2011 wurden weitere die Filiale Nr. 698 betreffende Stellen ausgeschrieben; zwei als Mitarbeiter/in im Verkauf in Voll- bzw. Teilzeit und eine als Filialassistent/-assistentin. Hierauf bewarb sich [X.]. Herr R. Auf seine Bewerbung als Filialassistent erhielt er mit [X.]-Mail der „Recruitment“ vom 22. Juni 2011 eine Absage. Bei seinen Bewerbungen auf eine Verkäuferstelle ging die Arbeitgeberin davon aus, er habe diese vor Abschluss des Auswahlverfahrens zurückgezogen. Die Unterlagen seiner Bewerbungen wurden an die (damalige) [X.]in nicht weitergeleitet; entsprechend wurde der Betriebsrat über die Bewerbungen nicht unterrichtet. Am 1. Dezember 2011 wurde der Betriebsrat bei der Besetzung der Stelle eines [X.] (m/w) beteiligt. Über die Online-Bewerbung von [X.] auf diese Stelle, die dem [X.] vorlag, wurde er nicht informiert.

5

Der Betriebsrat hat in dem von ihm eingeleiteten Beschlussverfahren geltend gemacht, ihm müssten bei seiner Beteiligung nach § 99 Abs. 1 [X.] auch die vom [X.] „vorab aussortierten“ Bewerbungen vorgelegt werden.

6

[X.]r hat - soweit für die Rechtsbeschwerde von Interesse - beantragt

        

festzustellen, dass die Arbeitgeberin verpflichtet ist, ihm im Rahmen der Anhörung nach § 99 [X.] zu einer [X.]instellung die erforderlichen Bewerbungsunterlagen aller Bewerber vorzulegen und Auskunft über die Person aller Bewerber zu geben, den Betrieb in [X.] betreffend, unter [X.]inschluss derjenigen Bewerbungen, die bereits durch eines der Area-Büros der Arbeitgeberin aussortiert und nicht an die Filialleitung weitergereicht werden.

7

Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Sie hat den Standpunkt eingenommen, das Feststellungsbegehren sei schon mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig. Ungeachtet dessen sei der Betriebsrat bei seiner Anhörung nach § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] nur über die vom [X.] an die Leitung der [X.]er Filiale weitergeleiteten Bewerbungen zu unterrichten. Bewerber sei nur derjenige, der in einem konkreten Anbahnungsverhältnis zum jeweiligen [X.] einer Filiale stehe. Dieser treffe die Personalentscheidungen und sei daher Arbeitgeber iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Im Übrigen habe sich [X.] nicht für die Filiale in [X.] beworben. [X.] und [X.] hätten - aus unterschiedlichen Gründen - offensichtlich nicht über die geforderten Q[X.]lifikationen verfügt; ihre Bewerbungen seien daher vom [X.] „vorab aussortiert“ worden.

8

Das Arbeitsgericht hat das bei ihm als Hilfsantrag angefallene - in der [X.] allein noch anhängige - Feststellungsbegehren abgewiesen; das [X.] hat ihm entsprochen. Mit ihrer [X.]. auf den absoluten Rechtsbeschwerdegrund eines Beschlusses ohne Gründe gestützten Rechtsbeschwerde erstrebt die Arbeitgeberin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen [X.]ntscheidung.

9

B. Die zulässige Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist unbegründet. Der geltend gemachte absolute Rechtsbeschwerdegrund liegt nicht vor. Das [X.] hat dem in der [X.] allein noch angefallenen zulässigen Antrag des Betriebsrats zu Recht stattgegeben.

I. Zu Unrecht rügt die Rechtsbeschwerde, dass der angefochtene Beschluss (teilweise) als nicht mit Gründen versehen iSd. § 93 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 2 Satz 1, § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 547 Nr. 6 ZPO anzusehen ist.

1. [X.]ine [X.]ntscheidung ist dann iSd. § 547 Nr. 6 ZPO „nicht mit Gründen versehen“, wenn aus ihr nicht zu erkennen ist, welche tatsächlichen Feststellungen und welche rechtlichen [X.]rwägungen für die getroffene [X.]ntscheidung maßgebend waren. Dem vollständigen Fehlen von Gründen stehen die Fälle gleich, in denen es zwar Ausführungen des Berufungs- oder Beschwerdegerichts gibt, diese aber nicht erkennen lassen, auf welchen Überlegungen die [X.]ntscheidung beruht. Dies gilt auch dann, wenn auf einzelne Ansprüche oder auf einzelne selbständige Angriffs- und Verteidigungsmittel überhaupt nicht eingegangen worden ist. [X.]rforderlich ist, dass die angeführten Gründe unter keinem denkbaren Gesichtspunkt geeignet sind, den Tenor zu stützen. Hiervon abzugrenzen sind die Fälle, in denen die [X.]ntscheidung nur sachlich unvollständig, unzureichend, unrichtig oder sonst rechtsfehlerhaft begründet worden ist (vgl. [X.] 11. Dezember 2013 - 4 [X.] - Rn. 17 f. mwN).

2. Nach diesen Maßstäben ist die angefochtene [X.]ntscheidung kein Beschluss ohne Gründe. [X.]ntgegen der Rüge der Rechtsbeschwerde hat das [X.] nicht nur die festgestellte Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Vorlage der erforderlichen Bewerbungsunterlagen, sondern auch die zur Auskunftserteilung begründet. Seine [X.]rwägungen zur Begründetheit des Feststellungsantrags betreffen nach dem unter II 2 b [X.] in dem angefochtenen Beschluss formulierten [X.]ingangssatz beide Verpflichtungen.

II. Das [X.] hat dem Feststellungsbegehren zu Recht entsprochen. Der Antrag ist zulässig und begründet.

1. Der Antrag ist in der gebotenen Auslegung zulässig.

a) Gegenstand des Antrags ist - anders als es sein Wortlaut zunächst nahelegt - keine Feststellung eines [X.] und Auskunftsbegehrens hinsichtlich sämtlicher Bewerber, sondern (nur) hinsichtlich der Personen, deren Online-Bewerbungen vom [X.] nicht an die Filialleitung in [X.] weitergeleitet werden. Die bei der [X.] zu berücksichtigenden Anlassfälle für den Streit der Beteiligten betreffen nur solche Sachverhalte. Außerdem beansprucht der Betriebsrat die Feststellung nur für Bewerbungen auf eine für die Filiale [X.] ausgeschriebene Stelle. [X.]r hat bereits in seiner Antragsbegründung ausgeführt, ihm ginge es um die Bewerbungen derjenigen Personen, die sich (zumindest auch) auf einen konkreten Arbeitsplatz in dieser Filiale beworben haben. Hiervon geht er bei sämtlichen von ihm angeführten Anlassfällen aus, mag das auch im Fall von [X.] von der Arbeitgeberin in Abrede gestellt worden sein. Der Betriebsrat hat ferner - spätestens mit seiner Rechtsbeschwerdeerwiderung - klargestellt, dass die erstrebte Feststellung keine zurückgenommenen Bewerbungen erfassen soll.

b) In diesem Verständnis ist der Antrag zulässig.

[X.]) [X.]r ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

(1) [X.]in Antrag, mit dem ein Informationsrecht des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber in bestimmten Sit[X.]tionen gerichtlich festgestellt werden soll, muss wegen der Anforderungen der §§ 308, 322 ZPO den Inhalt der begehrten Information sowie den betrieblichen Vorgang, bei dem die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers geltend gemacht wird, so genau bezeichnen, dass mit der [X.]ntscheidung feststeht, wann der Arbeitgeber zu welcher Information verpflichtet ist ([X.] 27. Oktober 2010 - 7 [X.] - Rn. 15, [X.][X.] 136, 123). [X.]nthält der Antrag Rechtsbegriffe, ist dies unter Bestimmtheitsgesichtspunkten nur ausreichend, wenn sich aus dem Vorbringen der Beteiligten ergibt, welche tatsächlichen und in ihrer rechtlichen Beurteilung zwischen ihnen umstrittenen Sachverhalte von dem im Antrag verwandten Begriff umfasst sind. Die Verwendung von auslegungsbedürftigen Rechtsbegriffen führt allerdings dann nicht zur Unbestimmtheit des Antrags, wenn die Beteiligten nicht darüber streiten, was hierunter zu verstehen ist (vgl. [X.] 23. April 1991 - 1 [X.] - zu [X.] 1 der Gründe).

(2) Dem wird der Antrag gerecht.

(a) Der betriebliche Vorgang, für den die streitige Pflicht des § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] vom Betriebsrat beansprucht wird, ist hinreichend beschrieben. Die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob die in § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] geregelte Pflicht des Arbeitgebers, dem Betriebsrat vor einer [X.]. [X.]instellung die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben, (auch) solche Bewerbungen umfasst, die für eine im [X.] ausgeschriebene Stelle der Filiale [X.] abgegeben und von dem [X.] nicht an die Filialleitung weitergegeben werden, kann mit Rechtskraftwirkung beigelegt werden. Dem steht weder entgegen, dass - wie der Anlassfall der Bewerbung von [X.] zeigt - die Beteiligten auch darüber streiten, ob sich eine Bewerbung überhaupt auf die [X.]er Filiale bezieht, oder - wie der Anlassfall der Bewerbung von [X.] als Mitarbeiter im Verkauf zeigt - darüber, ob eine Bewerbung zurückgenommen worden ist. Das vorliegende Verfahren soll nicht der Klärung dieser Auseinandersetzungen dienen, sondern die Streitfrage beantworten, ob der Betriebsrat über Bewerbungen auf Stellen in der Filiale Nr. 698 deshalb nicht iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] unterrichtet werden muss, weil diese vom [X.] aussortiert und nicht an den Store Manager weitergeleitet worden sind.

(b) Die in dem Antrag enthaltenen abstrakten Begriffe wie „[X.]instellung“, oder „Auskunft … zu geben“ führen nicht zu seiner Unbestimmtheit. Aus der Antragsbegründung und der [X.]inlassung der Arbeitgeberin folgt, dass die Beteiligten über inhaltliche Fragen zu diesen Rechtsbegriffen nicht streiten. Ihre unterschiedlichen Auffassungen betreffen allein die Frage, ob sich die Rechte des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] auf die vom [X.] „vorab aussortierten“ Bewerbungen beziehen. Mit der Formulierung „erforderliche Bewerbungsunterlagen“ sind ersichtlich alle im [X.] eingehenden Unterlagen von Bewerbern gemeint. Auch hierüber besteht kein Streit der Beteiligten. Damit sind Unklarheiten über den Umfang der objektiven Rechtskraft einer dem Antrag stattgebenden oder ihn abweisenden gerichtlichen Sachentscheidung nicht zu besorgen.

bb) Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO sind erfüllt. Der Streit darüber, ob die Arbeitgeberin zu der vom Antrag umfassten Vorlage und Auskunft verpflichtet ist, betrifft ein betriebsverfassungsrechtliches Rechtsverhältnis der Betriebsparteien im Sinn einer durch die Herrschaft einer Rechtsnorm über einen konkreten Sachverhalt entstandenen rechtlichen Beziehung einer Person zu einer anderen Person (für einen Streit über ein Mitbestimmungsrecht vgl. [X.] 4. Mai 2011 - 7 [X.] - Rn. 19 mwN, [X.][X.] 138, 25). Der Betriebsrat hat an der begehrten alsbaldigen Feststellung ein berechtigtes Interesse, da die Arbeitgeberin die verfahrensgegenständlichen Verpflichtungen bestreitet.

2. Der Antrag ist begründet. Die Arbeitgeberin ist nach § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] verpflichtet, dem Betriebsrat vor der [X.]instellung eines Arbeitnehmers in der Filiale [X.] (auch) diejenigen erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen, die von Personen eingereicht wurden, die sich im [X.] auf eine ausgeschriebene Stelle für diese Filiale beworben (und ihre Bewerbung nicht wieder zurückgezogen) haben und die von einem Area-Büro nicht an die Filialleitung weitergegeben worden sind. Gleichfalls ist ihm Auskunft über die Person (auch) dieser Beteiligten iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] zu geben.

a) Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] hat der Arbeitgeber in Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern den Betriebsrat [X.]. vor jeder [X.]instellung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben; er hat dem Betriebsrat unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen Auskunft über die Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu geben und die Zustimmung des Betriebsrats zu der geplanten Maßnahme einzuholen.

b) Hiernach besteht die beanspruchte [X.] und Auskunftspflicht.

[X.]) Bei der Arbeitgeberin handelt es sich um ein Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern.

bb) Die [X.] und Auskunftspflicht des § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] erstreckt sich gegenüber dem Betriebsrat der Filiale [X.] (auch) auf solche die Filiale betreffende - nicht zurückgenommene - Bewerbungen, die dem [X.] vorliegen, aber nicht an die Filialleitung weitergegeben werden. Das folgt aus Sinn und Zweck der [X.] und Auskunftspflicht.

(1) Die [X.] und Vorlagepflicht nach § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] soll zum einen dem Betriebsrat die Informationen verschaffen, die er benötigt, um sein Recht zur Stellungnahme nach § 99 Abs. 2 [X.] sachgerecht ausüben zu können. Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat daher so zu unterrichten, dass dieser aufgrund der mitgeteilten Tatsachen in die Lage versetzt wird zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 [X.] genannten Zustimmungsverweigerungsgründe vorliegt (vgl. [X.] 27. Oktober 2010 - 7 [X.] - Rn. 21 mwN, [X.][X.] 136, 123). Zum anderen soll der Betriebsrat bei seiner Beteiligung vor einer [X.]instellung die Möglichkeit haben, Anregungen für die Auswahl der Bewerber zu geben und Gesichtspunkte vorzubringen, die aus seiner Sicht für die Berücksichtigung eines anderen als des vom Arbeitgeber ausgewählten Stellenbewerbers sprechen. Das gilt unabhängig davon, ob hierauf eine Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 2 [X.] gestützt werden kann (vgl. [X.] 28. Juni 2005 - 1 ABR 26/04 - zu [X.] 2 b [X.] (2) der Gründe, [X.][X.] 115, 173).

(2) Nach der Rechtsprechung des [X.] hat der Arbeitgeber die Unterlagen bezüglich aller Stellenbewerber - auch der nicht berücksichtigten oder abgelehnten - vorzulegen (vgl. [X.] 14. Dezember 2004 - 1 [X.] - zu [X.] 2 b [X.] der Gründe mwN, [X.][X.] 113, 109; 10. November 1992 - 1 ABR 21/92 - zu [X.] 2 a der Gründe, [X.][X.] 71, 337). Nur so kann der Betriebsrat seiner gesetzlichen Prüfungspflicht genügen (vgl. [X.] 17. Juni 2008 - 1 [X.] - Rn. 25, [X.][X.] 127, 51).Damit sind alle Stellenbewerber iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] auch „Beteiligte“, über deren Person Auskunft zu geben ist (vgl. [X.] 28. Juni 2005 - 1 ABR 26/04 - zu [X.] 2 b bb (1) der Gründe, [X.][X.] 115, 173; 14. Dezember 2004 - 1 [X.] - zu [X.] 2 b [X.] der Gründe mwN, [X.][X.] 113, 109).Die für das Mitbestimmungsrecht relevante „Beteiligten“stellung kommt all denjenigen zu, die ihr Interesse an einem konkreten zur Besetzung ausgeschriebenen Arbeitsplatz bekunden. Auch derjenige, der sich auf eine Stelle bewirbt, deren Anforderungsprofil oder Q[X.]lifikationsvoraussetzungen er nicht erfüllt und damit - ggf. sogar offensichtlich oder objektiv - für die Stelle ungeeignet ist, bringt sein Interesse an dem ausgeschriebenen Arbeitsplatz zum Ausdruck (vgl. auch [X.] 6. April 1973 - 1 [X.] - zu II 1 der Gründe). Gleiches gilt für etwaige - ohnehin mit einer rechtlichen Bewertung verbundene - nicht ernsthafte Bewerbungen.

(3) Nach diesen Grundsätzen erstreckt sich das Recht des Betriebsrats der Filiale [X.], die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorgelegt und Auskunft über die Person der Beteiligten zu bekommen, auch auf diejenigen Bewerbungen um eine Stelle in der [X.]er Filiale, die vom [X.] aussortiert werden, etwa weil nach dessen [X.]inschätzung von nicht ernsthaften Bewerbungen auszugehen ist oder der Bewerber dem geforderten Anforderungsprofil nicht entspricht. Die Unterrichtung über die Bewerbung (vermeintlich) ungeeigneter Interessenten ist schon im Hinblick auf den weiten Zweck der Unterrichtungspflicht geboten, denn der Betriebsrat soll die Möglichkeit haben, Anregungen für die Auswahl der Bewerber zu geben und Gesichtspunkte vorzubringen, die aus seiner Sicht für die Berücksichtigung eines anderen als dem ausgewählten Stellenbewerber sprechen. Gleiches gilt für als nicht ernsthaft angesehene Bewerbungen. Im Hinblick auf die so eingeschätzten Bewerbungen stellen sich im Übrigen regelmäßig Bewertungsfragen, so dass schon zur Vermeidung von Abgrenzungsproblemen im [X.]inzelfall und der damit einhergehenden Rechtsunsicherheit eine umfassende [X.] und Auskunftspflicht angezeigt ist.

cc) Der verfahrensgegenständlichen [X.] und Auskunftspflicht stehen die organisatorischen Vorgaben des Bewerbungsverfahrens durch die Arbeitgeberin nicht entgegen.

(1) Für das Beteiligungsverfahren nach § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist nicht ausschlaggebend, auf welche Weise der Arbeitgeber konkrete Arbeitsplätze anbietet. Allerdings ist „Bewerber“ (oder „Beteiligter“) iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] nur derjenige, der sein Interesse für einen konkreten Arbeitsplatz bekundet (vgl. [X.] 1. Juni 2011 - 7 [X.] - Rn. 26).Im Rahmen des § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] setzt die [X.]igenschaft als Bewerber voraus, dass ein Anbahnungsverhältnis zum Arbeitgeber für einen konkreten Arbeitsplatz besteht ([X.] 10. November 1992 - 1 ABR 21/92 - zu [X.] 2 b der Gründe, [X.][X.] 71, 337). Aus diesem Grund ist etwa im Fall der [X.]inschaltung eines [X.], das keine Stellenanzeige für den Arbeitgeber aufgegeben hat und allein damit beauftragt wurde, geeignete Bewerber vorzuschlagen, nur derjenige als Bewerber anzusehen, der vom Personalberater vorgeschlagen wird (vgl. [X.] 18. Dezember 1990 - 1 [X.] - zu [X.] 3 c der Gründe, [X.][X.] 66, 328).

(2) Danach besteht vorliegend die [X.] und Auskunftspflicht des § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] auch hinsichtlich solcher Personen, die sich auf eine ausgeschriebene Stelle in der Filiale [X.] bewerben und von einem Area-Büro „vorab aussortiert“ werden. Diese sind Bewerber, weil sie ihr Interesse für einen bestimmten Arbeitsplatz aufgrund einer von der Arbeitgeberin veranlassten Stellenausschreibung in einem von ihr organisierten Verfahren zum Ausdruck gebracht haben (vgl. [X.] 18. Dezember 1990 - 1 [X.] - zu [X.] 3 c der Gründe, [X.][X.] 66, 328).

dd) [X.]ntgegen der Ansicht der Arbeitgeberin ist sie - und nicht die Filialleitung - Verpflichtete der [X.] und Auskunftspflicht des § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Die Unterrichtungspflicht des § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] trifft nach dem ausdrücklichen Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung den „Arbeitgeber“. Der [X.] handelt bei der [X.]instellungsentscheidung und bei der [X.]rfüllung der mit der [X.]instellung zusammenhängenden Beteiligungsrechte des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] für die Arbeitgeberin. [X.]r wird dadurch nicht selbst zum (Betriebs- oder Vertrags-)Arbeitgeber. Das gilt auch dann, wenn ihm wegen seiner Befugnisse die Stellung eines leitenden Angestellten im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn zukommen sollte.

ee) Schließlich ist es für die Unterrichtungspflicht nach § 99 Abs. 1 Satz 1 [X.] entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin unerheblich, ob der für die [X.]instellungsentscheidung zuständige [X.] Kenntnis von der Bewerbung hat und ob ihm die Bewerbungsunterlagen zur Verfügung gestellt werden. [X.]s trifft zu, dass der Arbeitgeber nur das mitteilen kann und muss, was ihm selbst bekannt ist. Auch ist er grundsätzlich nicht verpflichtet, dem Betriebsrat Unterlagen zur Verfügung zu stellen, die er selbst nicht hat (vgl. [X.] 18. Dezember 1990 - 1 [X.] - zu [X.] 2 b der Gründe, [X.][X.] 66, 328). Die Arbeitgeberin verkennt jedoch, dass es nicht darauf ankommt, ob die Filialleitung über die entsprechende Kenntnis oder Unterlagen verfügt, sondern darauf, ob ihr selbst die Bewerbungen vorliegen.

        

    Schmidt    

        

    Koch    

        

    K. Schmidt    

        

        

        

    Fasbender    

        

    [X.]    

                 

Meta

1 ABR 10/13

21.10.2014

Bundesarbeitsgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Flensburg, 9. Februar 2012, Az: 2 BV 43/11, Beschluss

§ 99 Abs 1 S 1 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 21.10.2014, Az. 1 ABR 10/13 (REWIS RS 2014, 2011)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2011

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Wird zitiert von

5 BV 506/18

9 TaBV 32/19

11 TaBV 46/15

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