Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.09.2004, Az. XI ZR 259/03

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 1453

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/03 Verkündet am: 28. September 2004 [X.], [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R: ja _____________________

BGB § 276 [X.]

Die allgemeine Berufserfahrung eines Rechtsanwalts und Notars reicht zur Ver-neinung seiner [X.] in bezug auf [X.] nicht aus.

[X.], Urteil vom 28. September 2004 - [X.]/03 - OLG Schleswig

LG Kiel

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 28. September 2004 durch den Vorsitzenden [X.] und [X.] [X.], [X.], [X.] und [X.]

für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlan-desgerichts vom 19. Juni 2003 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger, ein Rechtsanwalt und Notar, nimmt die beklagte Bank wegen verlustreicher [X.] an der [X.] auf Schadensersatz und [X.] in Anspruch.

Die Parteien führten am 30. September 1997 ein Beratungsge-spräch, dessen Inhalt streitig ist. Am selben Tag unterzeichnete der Klä-ger ein Informationsblatt der [X.] über "Wichtige Informationen - 3 - über Verlustrisiken bei [X.]n" sowie eine "Selbstaus-kunft und Vermögensanalyse für den Abschluß von Börsenterminge-schäften". Darin sind als geplante Geschäftsarten der Kauf und Verkauf von Kauf- und Verkaufsoptionen (Calls, Puts) sowie von [X.] angegeben. Zwischen den Parteien ist streitig, ob im Zeitpunkt der Unterzeichnung bereits eine zehnjährige Anlageerfahrung des [X.] mit festverzinslichen Wertpapieren, Aktien, Optionsscheinen, Optio-nen und sonstigen Termingeschäften eingetragen und ob das Immobili-envermögen des [X.] mit 1,4 Millionen DM, sein liquides [X.] mit 200.000 DM und sein Bruttojahreseinkommen mit 400.000 DM angegeben waren. Die Beklagte händigte dem Kläger die Broschüre "Ba-sisinformationen über [X.]" aus.

In der Folgezeit tätigte die Beklagte für den Kläger verschiedene [X.], die anfangs zu Gewinnen, später auch zu Verlusten führten. Am 1. Juli 1998 verkaufte sie für ihn zehn V.-Put-Optionen mit Basispreis 115 DM und Verfalltag 5. August 1998, am 23. Juli 1998 zehn [X.]-Put-Optionen mit Basispreis 5.800 DM und Verfalltag 21. August 1998 und am 24. Juli 1998 zehn [X.]-Put-Optionen mit [X.] 5.700 DM und Verfalltag 21. August 1998. Diese Geschäfte führ-ten infolge fallender Kurse zu Verlusten in Höhe von 7.300 DM, 40.680 DM und 40.526 DM.

Der Kläger macht geltend, die Beklagte habe [X.], [X.] und weitere Vertragspflichten bei der Durchführung der Options-geschäfte verletzt. Außerdem seien die Geschäfte unverbindlich, weil er nicht börsentermingeschäftsfähig sei. Seine zuletzt auf Zahlung von 45.252,40 • nebst Zinsen gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen erfolg-- 4 - los geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet.

[X.]

Das Berufungsgericht hat Bereicherungs- und Schadensersatzan-sprüche des [X.] verneint und zur Begründung im wesentlichen [X.]:

Dem Kläger stehe kein Bereicherungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu. Die [X.] seien verbindlich, weil der Kläger durch die Unterzeichnung einer Unterrichtungsschrift im Sinne des § 53 Abs. 2 BörsG a.F. die Börsentermingeschäftsfähigkeit erlangt habe. Ob er den Inhalt der Schrift zur Kenntnis genommen habe, sei un-erheblich.

Die Beklagte schulde keinen Schadensersatz wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen bzw. positiver Vertragsverletzung aufgrund unzureichender Aufklärung über die Risiken der [X.]. [X.] sei bereits, ob der Kläger aufklärungsbedürftig gewesen sei. Er sei ein berufserfahrener Rechtsanwalt und Notar und habe zur Aufklä-rung jedenfalls die Broschüre "Basisinformationen über [X.] 5 - schäfte" erhalten. Zudem habe er gegenüber der [X.] den Eindruck erweckt, er lege auf eine gründliche Aufklärung keinen Wert. Nach [X.] eigenen Vortrag habe er sich auf ein nur 30-minütiges Beratungsge-spräch eingelassen, das lediglich zur Hälfte den [X.]n und im übrigen privaten Themen gewidmet worden sei, und das er mit [X.] auf den ihm vorgelegten Urkunden beendet habe. [X.] dieses Verhaltens habe er nicht erwarten dürfen, von der [X.] als aufklärungsbedürftig angesehen zu werden.

Der Mitarbeiter der [X.], der die [X.] durchge-führt habe, habe dabei keine Pflichten verletzt. Er habe den Rahmen der getroffenen Vereinbarungen nicht überschritten. Das mit dem Verkauf der Optionen eingegangene Risiko sei, wie die folgenden Schwankungen des [X.] belegten, nicht unvertretbar gewesen. Der Kläger selbst habe sich in einem Gespräch in der letzten Juliwoche auf Anraten des [X.] der [X.] entschlossen, die Geschäfte nicht glattzustellen, sondern zu halten. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, un-geachtet der Aussicht auf eine Erholung des [X.] die Geschäfte [X.] bei einem Verlust von 10.000 DM glattzustellen. Die Schmerzgrenze des [X.] habe angesichts seiner Einkommens- und Vermögensver-hältnisse deutlich höher gelegen.

I[X.]

Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in einem we-sentlichen Punkt nicht stand.
- 6 - 1. Rechtsfehlerfrei ist allerdings die Auffassung des Berufungsge-richts, dem Kläger stehe kein Bereicherungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu. Die im Juli 1998 getätigten [X.] sind verbindlich, weil der Kläger für ihren Abschluß nach Unterzeich-nung der Unterrichtungsschrift der [X.] am 30. September 1997 als börsentermingeschäftsfähig anzusehen ist (§ 53 Abs. 2 BörsG a.F.). Die Informationsschrift entspricht im wesentlichen der von den [X.] der Kreditwirtschaft entwickelten ([X.], 1193 ff.; vgl. hierzu Senat [X.]Z 133, 82, 85 und Urteil vom 14. Februar 1995 - [X.] ZR 218/93, [X.], 658) und genügt inhaltlich den gesetzlichen Anforde-rungen. Ob der Kläger die Schrift verstanden oder auch nur gelesen hat, ist in diesem Zusammenhang unerheblich (vgl. Senat [X.]Z 133, 82, 87; [X.], [X.] Sonderbeilage 2, S. 8).

2. Rechtlich nicht zu beanstanden ist ferner die Begründung, mit der das Berufungsgericht Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverlet-zungen bei der Durchführung der [X.] verneint hat.

Die Beklagte hat sich nicht durch einen entgeltlichen [X.] zur Einhaltung bestimmter Anlagerichtlinien (vgl. Se-nat [X.]Z 137, 69, 73) verpflichtet. Daß sie im Rahmen des zwischen den Parteien bestehenden Kommissionsvertrages beim Abschluß der streitgegenständlichen [X.] weisungswidrig gehandelt hätte und ein zu hohes Risiko eingegangen wäre, hat der Kläger in den [X.] nicht substantiiert vorgetragen. Die Revision macht dies auch nicht geltend.
- 7 - Die Beklagte hat auch nicht ihre nach dem Vortrag des [X.] gegebene Zusage verletzt, das Risiko ggf. durch die Glattstellung der Geschäfte bzw. den Aufbau von Gegenpositionen gering zu halten, falls Verluste eintreten sollten. Da diese Zusage nicht näher konkretisiert worden ist, lag die Entscheidung, wann einzuschreiten sei, im Ermessen der [X.]. Ihr kann nicht vorgeworfen werden, dieses Ermessen nicht pflichtgemäß im Interesse des [X.] ausgeübt zu haben. Sie war, anders als die Revision meint, nicht verpflichtet, spätestens bei [X.] in Höhe von 10.000 DM einzuschreiten. Die Parteien haben eine solche "[X.]" nicht ausdrücklich vereinbart. Sie ergibt sich auch nicht etwa aus dem Kundenprofil des [X.], der über ein über-durchschnittliches Einkommen und Vermögen verfügte, oder den [X.] der [X.]. Da der Kläger auch nicht darge-legt hat, daß im Juli und August 1998 keine realistische Aussicht auf eine Erholung des [X.] bestand, kann die Entscheidung der [X.], die Geschäfte zu halten, nicht aber mit Verlust glattzustellen oder Gegenpo-sitionen aufzubauen, nicht als Pflichtverletzung angesehen werden.

3. Hingegen begegnet die Begründung, mit der das Berufungsge-richt Schadensersatzansprüche wegen Verschuldens bei [X.] bzw. positiver Vertragsverletzung aufgrund unzureichender Aufklärung über die Eigenart und Risiken der [X.] abge-lehnt hat, rechtlichen Bedenken. Nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Vortrag des [X.] kann seine Aufklärungsbe-dürftigkeit nicht verneint werden.

a) Nicht aufklärungsbedürftig sind Kunden, die über ausreichende Kenntnisse und Erfahrungen mit den beabsichtigten Geschäften verfügen - 8 - oder sich, nicht ersichtlich unglaubwürdig, als erfahren gerieren und eine Aufklärung nicht wünschen (Senat, Urteile vom 14. Mai 1996 - [X.] ZR 188/95, [X.], 1214, 1216, vom 24. September 1996 - [X.] ZR 244/95, [X.], 309, 311 und vom 21. Oktober 2003 - [X.] ZR 453/02, [X.], 2242, 2244).

b) Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

[X.]) Den Feststellungen des Berufungsgerichts und dem Vortrag des [X.] ist nicht zu entnehmen, daß er über ausreichende [X.] und Erfahrungen mit [X.]n verfügte. Insbesondere ist nicht ersichtlich, daß er durch seine Tätigkeit als Rechtsanwalt und Notar tatsächlich Kenntnisse und Erfahrungen mit [X.]n erworben hat. Seine allgemeine Berufserfahrung und seine Fähigkeit, im Rahmen eines Mandats nach entsprechender Einarbeitung andere über die Ei-genart und Risiken von [X.]n aufzuklären, reicht - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - zur Verneinung seiner Aufklä-rungsbedürftigkeit nicht aus (vgl. zur [X.] eines [X.] und Immobilienfinanzierungsmaklers bzw. eines Wirtschafts-prüfers in bezug auf [X.]: Senat, Urteile vom 24. September 1996 - [X.] ZR 244/95, [X.], 309, 311 und vom 21. Oktober 2003 - [X.] ZR 453/02, [X.], 2242, 2244 f. und zur Auf-klärungsbedürftigkeit eines Rechtsanwalts in bezug auf [X.]: [X.], Urteil vom 9. Oktober 1989 - [X.], [X.], 145, 147).

Die Aushändigung der Broschüre "Basisinformationen über Bör-sentermingeschäfte", auf die das Berufungsgericht in diesem [X.] 9 - menhang zu Unrecht verweist, ließ die [X.] ebenfalls nicht entfallen. Die Übergabe von Informationsmaterial ist nicht für die Beurteilung der [X.] des Anlegers, sondern für die Erfüllung der Aufklärungspflicht von Bedeutung. Hierfür reicht aber die bloße Überlassung der Broschüre "Basisinformationen über Börsenter-mingeschäfte", die verschiedene Arten von Termingeschäften behandelt und aus der sich ein Anleger die Informationen, die die von ihm beab-sichtigten Geschäfte betreffen, erst heraussuchen müßte, nicht aus (vgl. Senat, Urteile vom 14. Mai 1996 - [X.] ZR 188/95, [X.], 1214, 1215 und vom 24. September 1996 - [X.] ZR 244/95, [X.], 309, 310 f.). Aus dem Beschluß des Senats vom 24. November 1998 ([X.] ZR 113/98, [X.], 15) ergibt sich nichts Gegenteiliges, weil der Anleger dort zu-sätzlich auf die Gefahr eines Totalverlustes hingewiesen worden war und das mit den Termingeschäften verbundene Risiko kannte.

[X.]) Der Kläger hat sich nach seinem eigenen Vorbringen auch nicht als erfahren geriert. Er bestreitet, in der "Selbstauskunft und Ver-mögensanalyse für den Abschluß von [X.]n" eine zehnjährige Erfahrung in Termingeschäften angegeben zu haben. Das Berufungsgericht hat dies nicht festgestellt. Daß der Kläger diese Urkun-de blanko unterschrieben haben will, bedeutet lediglich, daß er auf die korrekte Ausfüllung durch die Beklagte vertraute. Dies rechtfertigt es, anders als das Berufungsgericht meint, nicht, ihn nicht mehr als aufklä-rungsbedürftig anzusehen. Eine andere Beurteilung ist auch nicht des-halb gerechtfertigt, weil der Kläger sich nach seinem Vortrag auf ein Be-ratungsgespräch eingelassen hat, das wegen Zeitnot nur 30 Minuten dauerte und zur Hälfte privaten Themen gewidmet war. Der Kläger [X.] 10 - te erwarten, daß die Beklagte ihm von sich aus die erforderliche Aufklä-rung erteilte.

II[X.]

Das angefochtene Urteil war aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, war sie an das Berufungs-gericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dieses wird die angebotenen Beweise zu den Behauptungen des [X.], er habe der [X.] nicht erklärt, über [X.] von 10 Jahren unter an-derem in Optionen und Termingeschäften zu verfügen, sondern die von der [X.] später unrichtig ausgefüllte Selbstauskunft blanko [X.], sowie gegebenenfalls dazu, die Beklagte habe ihn nicht ausrei-chend über Eigenart und Risiken der [X.] aufgeklärt, zu erheben haben.

Falls eine für die Anlageentscheidung kausale [X.] festgestellt werden sollte, wird bei der Berechnung der Scha-denshöhe davon auszugehen sein, daß der Kläger bei sachgerechter - 11 - Aufklärung am 30. September 1997 alle in der Folgezeit getätigten Opti-onsgeschäfte nicht abgeschlossen und sämtliche Gewinne und Verluste aus diesen Geschäften nicht erzielt hätte.

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[X.]

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XI ZR 259/03

28.09.2004

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.09.2004, Az. XI ZR 259/03 (REWIS RS 2004, 1453)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 1453

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