Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.04.2016, Az. I ZR 174/14

I. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 13403

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:070416BIZR174.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I [X.]
vom
7. April 2016
in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat am 7. April 2016 durch die
Richter Prof.
Dr.
Koch, Prof.
Dr.
Schaffert, Dr.
Löffler, die Richterin Dr.
[X.] und den Richter
Feddersen

beschlossen:

Die Anhörungsrüge gegen das [X.]surteil vom 26.
November
2015 wird auf Kosten der [X.] als unzulässig verworfen.

Gründe:
Die Anhörungsrüge ist weder zulässig noch wäre sie begründet.
[X.] Die Anhörungsrüge ist unzulässig. Zwar ist sie gemäß § 321a Abs. 1 [X.] statthaft und von der [X.] auch innerhalb der zweiwöchigen Notfrist des § 321a Abs. 2 Satz 1 [X.] erhoben worden. Es fehlt jedoch an einer [X.] der [X.].

1. Die Beschwer einer [X.] bemisst sich grundsätzlich nach dem rechtskraftfähigen Inhalt einer Entscheidung ([X.], Beschluss vom 16. April 1996 -
XI ZR 302/95, NJW-RR 1996, 828, 829; [X.] in Musielak/[X.], [X.], 13.
Aufl., [X.]. § 511 Rn. 22).

Die klagende [X.] ist durch eine gerichtliche Entscheidung nur dann beschwert, wenn diese von dem in der unteren Instanz gestellten Antrag zu ih-rem Nachteil abweicht, ihrem Begehren also nicht voll entsprochen worden ist (formelle Beschwer). Für die Beschwer des
[X.]
kommt es demgegen-über darauf an, dass die angefochtene Entscheidung für ihn inhaltlich
nachteilig 1
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ist (materielle Beschwer, vgl. [X.], Beschluss
vom 18.
Januar 2007
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IX
ZB
170/06, NJW-RR 2007, 765 Rn.
6; Beschluss vom 5.
Juni 2014
-
V [X.], NJW-RR 2014, 1279 Rn. 7; Beschluss vom 11. März 2015
-
XII [X.], NJW-RR 2015, 1203 Rn.
8).
Danach ist der Beklagte zwar beschwert, wenn die Klage nicht als unbe-gründet, sondern als unzulässig
(vgl. [X.], Urteil vom 18.
November 1958
-
VIII ZR 131/57, [X.]Z 28, 349 f.),
derzeit unbegründet (vgl. [X.], Urteil vom 4.
Mai 2000 -
VII ZR 53/99, [X.]Z 144, 242, 244 f.) oder im Hinblick auf § 322 Abs. 2 [X.] aufgrund einer Aufrechnung einer dem [X.] zustehenden [X.] abgewiesen wird (vgl. [X.], Beschluss vom 29.
November 1972
-
VIII ZR 202/71, NJW 1973, 146).
Von diesen Ausnahmen abgesehen
be-schwert das klageabweisende Urteil den [X.] jedoch nicht.
Insbesondere ist es für die Beschwer einer unterlegenen beklagten [X.] unerheblich, welche und wieviele Einwendungen sie gegen den [X.] ohne Erfolg erhoben hat (vgl. [X.],
NJW 1973, 146; NJW-RR 1996, 828, 829; NJW-RR 2015, 1203 Rn.
8; MünchKomm.[X.]/Rimmelspacher,
4. Aufl., [X.]. zu § 511 ff. Rn. 37).
Gleichermaßen anerkannt ist, dass
auch der vorinstanzlich erfolgreiche Rechtsmittelkläger nicht beschwert ist, wenn er keine andere, sondern dieselbe, lediglich mit einer anderen Begründung verse-hene Entscheidung begehrt (vgl. [X.],
Urteil vom
2.
Dezember 1981
-
IVb
ZR
638/80, NJW 1982, 578, 579;
Urteil vom 10.
März 1993
-
VIII ZR 85/92, NJW 1993, 2052, 2053; [X.]/[X.], [X.], 31.
Aufl., Vor § 511 Rn. 10; [X.] [X.]/[X.], Stand 1.
März 2016, §
511 Rn. 12).
2. Danach ist die Beklagte durch das [X.]surteil, mit welchem die Revi-sion der [X.] gegen das die Klageabweisung durch das [X.] bestätigende Berufungsurteil zurückgewiesen worden ist, nicht beschwert.
Das [X.], dessen Entscheidung durch die Zurückweisung der Revision rechtskräftig geworden ist,
hat die Klage insgesamt als unbegründet abgewie-5
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sen und den [X.] die geltend gemachten Ansprüche nicht nur zeitweilig, sondern dauerhaft aberkannt.
Entgegen der Ansicht der [X.] ist der vor-liegende Fall deshalb mit einer Abweisung der Klage als derzeit unbegründet nicht vergleichbar. Da einer der vorstehend genannten Ausnahmefälle nicht vorliegt, folgt aus
der
durch den [X.] gewählten Begründung der Revisionszu-rückweisung, die die Beklagte im Wege der Anhörungsrüge angreift und deren Änderung sie -
bei gleichbleibendem Ergebnis -
erreichen möchte,
keine pro-zessuale Beschwer.
I[X.] Die Anhörungsrüge wäre
auch
nicht begründet. Das rechtliche Gehör der [X.] ist nicht verletzt worden. Es fehlt ferner an der nach § 321a Abs.
1 Satz 1 Nr. 2 [X.] erforderlichen Entscheidungserheblichkeit.
1. Der [X.] hat das rechtliche Gehör der [X.] nicht verletzt.

a) Die Bestimmung des Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten ei-nes gerichtlichen Verfahrens, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vor Erlass der Ent-scheidung zu äußern, und dass das Gericht das Vorbringen zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht ([X.] 86, 133, 144; [X.], NJW-RR 2004, 1710, 1712). Hingegen ist es nicht erforderlich, alle Einzelpunk-te des [X.]vortrags ausdrücklich zu bescheiden ([X.] 96, 205, 216 f.; [X.], Beschluss vom 24. Februar 2005 -
III ZR 263/04, NJW 2005, 1432 f.). Die [X.] hat auch keinen Anspruch darauf, dass das Gericht sich in dem von ihr für richtig erachteten Sinn mit ihrem
Vorbringen befasst (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Juli 2011 -
I [X.], [X.], 314 Rn. 12 -
Medicus.log; [X.] vom 17. November 2014 -
I [X.], juris Rn. 2).
b) Die Beklagte macht mit der Anhörungsrüge geltend, der [X.] habe ihren in der Revisionserwiderung gehaltenen Vortrag dazu übergangen, dass die von den [X.] begehrten Sperrmaßnahmen aufgrund der Dokumen-8
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tation und Verarbeitung der jeweils erfolgenden Kommunikationsversuche nicht nur eine Kommunikationsverhinderung darstellten, sondern einen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis der Internetnutzer bedeuteten. Der [X.] habe zudem nicht berücksichtigt, dass es -
wie von der [X.] vorgetragen -
den Dienste-anbietern verwehrt sei, Kenntnisse über dem Fernmeldegeheimnis unterliegen-den
Tatsachen zu anderen als den in § 88 Abs. 3 TKG genannten Zwecken zu verwenden, so dass eine Verwendung zur Umsetzung von Sperrmaßnahmen unzulässig sei.
Der [X.] habe weiter substantiierten und mit [X.] versehenen Vortrag der [X.] über den für eine Durchführung der Sperr-maßnahmen erforderlichen wirtschaftlichen Aufwand übergangen, der zur An-nahme der Unzumutbarkeit
führe. Ferner habe der [X.] auch den Vortrag der [X.] nicht in Betracht gezogen, dass die begehrten Sperrmaßnahmen nicht
hinreichend effektiv seien. Die vom [X.] genannten Erfahrungen mit der Effektivität von Sperren im [X.] Ausland habe die Beklagte bestritten. Schließlich habe der [X.] nicht berücksichtigt, dass die Beklagte hinsichtlich der Problematik der Erfassung legaler Inhalte durch die Sperrmaßnahmen ("Overblocking") darauf hingewiesen habe, das Zahlenmaterial der [X.] sei nicht aussagekräftig und belastbar.
c) Die Rüge
der [X.] ist unbegründet.
aa) Der [X.] hat sich eingehend mit der Frage eines durch Sperrmaß-nahmen erfolgenden Eingriffs in das Grundrecht der Internetnutzer auf Wah-rung des Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 Abs. 1 GG)
befasst und den Vortrag der [X.] auch insoweit umfassend zur Kenntnis genommen ([X.], Urteil vom 26. November 2015 -
I [X.], [X.], 268 Rn. 60 ff. = WRP 2016, 341 -
Störerhaftung des Accessproviders).
bb) Den Vortrag der [X.] zum wirtschaftlichen Aufwand, der für die Durchführung der begehrten Sperren erforderlich ist, hat der [X.] gewürdigt 12
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und für unzureichend befunden ([X.],
[X.], 268 Rn. 42 -
Störerhaftung des Accessproviders).
cc) Auch hinsichtlich der Frage der Effektivität der Sperrmaßnahmen liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor. Der [X.] hat den Vortrag der [X.] auch insoweit umfassend zur Kenntnis genommen. Die von der [X.] als übergangen gerügte Entscheidung des High Court of Justice hat der [X.] -
wenn auch nicht im Sinne der [X.] -
zitiert ([X.],
[X.], 268 Rn. 47
-
Störerhaftung des Accessproviders).
Bei den
von der [X.] angegriffenen Ausführungen des [X.]s zu den Erfahrungen mit Sperren in anderen [X.] Ländern
handelt es sich nicht -
wie die Beklagte meint -
um "eigene [X.]"
des [X.]s, die das Bestreiten der [X.] außer Betracht ließe. Das Berufungsgericht hatte diese von den [X.]
vorgetragenen Umstände zu Prüfungszwecken unterstellt und den darin ge-schilderten Rückgang der Zugriffe im Rahmen der Zumutbarkeitsbetrachtung als nicht "massiv" bewertet (vgl. [X.], [X.], 1081, 1093 f.).
Der [X.] hat im Rahmen der rechtlichen Würdigung ausgeführt, dass das [X.] hinreichender Effektivität erfüllt ist, wenn man den
diesbezüglichen Vortrag der [X.] zugrunde legt ([X.],
[X.], 268 Rn. 50 -
Störerhaftung des Accessproviders).
Ob dieser Vortrag zutrifft, war weder Gegenstand des Berufungsurteils noch der Entscheidung
des [X.]s.
dd) Hinsichtlich der Problematik des "[X.]" hat der [X.] den Vortrag der [X.] ebenfalls umfassend
zur Kenntnis genommen und ge-würdigt. Soweit der [X.] auf den Anteil rechtmäßiger Inhalte auf der [X.]" Bezug genommen hat, handelt es sich ein weiteres Mal
nicht um eigene tatsächliche Feststellungen des [X.]s, sondern um die rechtliche Beurteilung
von Vorbringen der [X.], welches das
Berufungsgericht zu Prüfungszwecken unterstellt hat. Das Berufungsgericht hat angenommen, ein von den
[X.]
behaupteter,
von den Sperrmaßnahmen mitbetroffener 15
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7
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Anteil von 4%
legaler Inhalte
sei nicht "vernachlässigenswert gering" (vgl. [X.],
[X.], 1081,
1093).
Das rechtliche Gehör der [X.] ist hier-durch nicht
tangiert.
2. Es fehlt schließlich an der nach § 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] erfor-derlichen Entscheidungserheblichkeit.
a) Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist entscheidungserheblich im Sinne des § 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.], wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht ohne den Verstoß zu einer anderen, der betroffenen [X.] günstigeren Entscheidung gekommen wäre (vgl. [X.],
NJW 1988, 1963; [X.], Beschluss vom 19. August 2010 -
VII ZB 2/09, NJW-RR 2011, 424 Rn. 17 mwN).
b) Der von der [X.] gerügte Gehörverstoß ist danach nicht ent-scheidungserheblich. Die Zurückweisung der Revision durch das [X.]surteil wird nicht von den Erwägungen zum Eingriff in Art. 10
Abs. 1 GG, zur wirt-schaftlichen Unzumutbarkeit von Sperrmaßnahmen, ihrer Effektivität oder
zur Problematik des "[X.]" getragen, sondern einzig von der Erwägung, dass das begehrte
Verbot für die Beklagte nicht zumutbar ist, weil die Klägerin-nen zuvor nicht gegen den Betreiber der Internetseite "[X.]" vorgegangen
17
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-
sind ([X.],
[X.], 268 Rn. 81 ff. -
Störerhaftung des Accessproviders).
Es ist daher auszuschließen, dass die Entscheidung des [X.]s auf einer etwa-igen
Verletzung des rechtlichen Gehörs der [X.] beruht.

Koch
Schaffert
Löffler

[X.]
Feddersen
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 31.08.2011 -
28 O 362/10 -

[X.], Entscheidung vom 18.07.2014 -
6 [X.] -

Meta

I ZR 174/14

07.04.2016

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.04.2016, Az. I ZR 174/14 (REWIS RS 2016, 13403)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 13403

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