Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.08.2000, Az. 5 StR 273/00

5. Strafsenat | REWIS RS 2000, 1310

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[X.] DES VOLKES5 StR 273/00URTEILvom 29. August 2000in der Strafsachegegen1.2.3.wegen Landfriedensbruchs u. a.- 2 -Der 5. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom [X.], an der teilgenommen haben:Vorsitzende [X.]in [X.],[X.],[X.],[X.]in [X.],[X.] Dr. [X.] beisitzende [X.],[X.] Vertreter der [X.],Rechtsanwältin [X.] Verteidigerin des Angeklagten A ,Rechtsanwältin [X.]undRechtsanwältin [X.] des Angeklagten [X.],Rechtsanwalt [X.] Verteidiger des Angeklagten U ,[X.] Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,- 3 - für Recht erkannt:Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das [X.] [X.] vom 24. November 1999 mit [X.] aufgehoben.Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Straf-kammer des [X.] zurückverwiesen.[X.] Von Rechts wegen [X.] Angeklagten wird mit der Anklage vorgeworfen, gemeinschaftlicheinen Landfriedensbruch im besonders schweren Fall in Tateinheit mitschwerem Hausfriedensbruch und Bildung bewaffneter Gruppen nach § 125Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 125a, § 124, § 127, § 25 Abs. 2, § 52 StGB begangenzu haben. Der die Tat konkretisierende Teil des Anklagesatzes lautet: —[X.] Februar 1999 gegen 13.30 Uhr versammelten sich die (Angeklagten) [X.] die gesondert verfolgten ... in mehreren Gruppen von insgesamt minde-stens 50 bis 60 Personen [X.] Herkunft im Bereich [X.]/[X.] in [X.], um entsprechend vorheriger [X.] aus Protest gegen die Inhaftierung des Führers der verbotenenkurdischen Arbeiterpartei ‡PKK‚ gewaltsam auf das Gelände und in das Ge-bäude des [X.] Generalkonsulates in der [X.] 10 einzu-dringen. Ein großer Teil der Menge war zum Einsatz gegen Personen undSachen mit mitgeführten Schlagwerkzeugen, unter anderem Eisenstangen,Holzknüppeln, [X.] und [X.] bewaffnet. Unter gewaltsamer Überwin-- 4 -dung der Umzäunung sowie der zum Schutz des [X.] [X.] drang die Menge, in der sich weiterhin auch die (Angeklag-ten) befanden, auf das Gelände des [X.] vor. Auf der [X.] sowie in dessen unmittelbarem Eingangsbereich drängte sichein Teil der Menge, darunter auch die (Angeklagten), um in das [X.]. Durch Fußtritte sowie unter Einsatz von Schlagwerkzeugen wurdedie Eingangstür aufgebrochen, worauf ein Teil der Menge in das [X.].Um die Angreifer zurückzudrängen und ein weiteres Eindringen zuverhindern, setzten Sicherheitskräfte des [X.] ihre Schußwaffen ein,wodurch vier Personen tödliche Verletzungen erlitten sowie die [X.] verletzt [X.] hat die Angeklagten —aus tatsächlichen und [X.] freigesprochen. Die hiergegen gerichtete Revision [X.] hat mit der Sachrüge Erfolg.[X.] hat folgende Feststellungen getroffen:Anläßlich der Festnahme des Anführers der (in der [X.] mit einem Betätigungsverbot belegten) kurdischen [X.] [X.] kam es am 17. Februar 1999, nachdem bereits am Vortagebundesweit Protestaktionen stattfanden, zu einer Ansammlung von [X.] Bereich vor und auf dem Gelände des [X.] Generalkonsulats inder [X.] 10 in [X.]. Es handelte sich hierbei ummehrere Gruppierungen von [X.] insgesamt mindestens 70 bis90 Personen. Ein Teil der sich vor dem Gelände des [X.] General-konsulats aufhaltenden [X.] hatte sich mit Schlagwerkzeugen wie [X.],aber auch Holzstangen und stählernen [X.] bewaffnet. Da zum Schutz- 5 -des [X.] Generalkonsulats zunächst nur drei Polizeiangestellte desObjektschutzes vor Ort waren, wurden weitere Polizeikräfte vor Ort zum [X.] berufen, so drei Einsatzhundertschaften, die sukzessive eintrafen undjeweils nicht ihre volle Mannschaftsstärke aufwiesen. Die eintreffenden [X.]kräfte errichteten im Straßenbereich in der Nähe des Geländes des [X.], die jedoch von einzelnen [X.] oder kurdi-schen Gruppierungen überwunden oder umgangen werden konnten. [X.] es zu gewalttätigen Übergriffen von [X.] gegenüber den eingesetz-ten Polizeikräften, wobei letztere [X.] vereinzelt nicht unerheblich [X.] verletztwurden. Ob die Angeklagten oder einzelne von ihnen an diesen gewaltsa-men Ausschreitungen bzw. Übergriffen teilnahmen oder sich in solchen kur-dischen Gruppierungen aufhielten, von denen diese Gewalt ausging, ist un-klar.Trotz der eingesetzten Polizeikräfte und der von diesen errichtetenAbsperrungen gelang es einigen [X.], auf das Gelände des [X.]Generalkonsulats vorzudringen. Auf diesem befindet sich ein mehrstöckigesGebäude mit einem kleineren Vorgarten. Eine etwa 8 m lange Treppe führtzu der erhöhten Gebäudeeingangstür. Das [X.] ist umzäunt.Die Eingänge waren verschlossen. Die [X.] gelangten auf das Konsulats-gelände durch [X.] des Zaunes. Einigen [X.] gelang es auch, indas [X.] zu kommen. Spätestens um 13.42 Uhr gelang [X.] den Angeklagten [X.] möglicherweise einzeln [X.] durch [X.] des[X.]es auf das Gelände des [X.] Generalkonsulats [X.]. Sie begaben sich auf die Treppe; dort befanden sich nun [X.] [X.]. Sie wirkten auf Beobachter unschlüssig. Von ihnen ging keinerleiGewalttätigkeit aus. Teilweise standen sie mit dem Gesicht zum Konsulats-gebäude gewandt, teilweise von diesem abgewandt. Lediglich eine Personim unteren Bereich der Treppe hielt erkennbar ein Schlagwerkzeug (Holz-stange oder ähnliches) in der Hand. Dieses Schlagwerkzeug wurde [X.] eingesetzt. Die auf der Treppe befindlichen [X.] befanden sich ins-gesamt in einer abwartenden Haltung. In dieser Situation wurde um- 6 -13.47 Uhr von innen die Eingangstür des [X.]s geöffnet undzwei [X.] Konsulatssicherheitsbeamte eröffneten ohne Vorwarnungmit Handfeuerwaffen das Feuer. Unter anderem die Angeklagten [X.] von Schüssen getroffen und verletzt.Die Angeklagten mußten aufgrund ihrer Verletzungen zur Versorgungins Krankenhaus gebracht werden.[X.] der Grundlage dieser Feststellungen hat das [X.] der Angeklagten verneint: Unter dem Gesichtspunkt des [X.] nach § 125 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB fehle die —unmittelbare‡Teilnahme‚ an gewalttätigen [X.]gruppierungenfi. Unter dem Aspekt [X.] bewaffneter Gruppen nach § 127 StGB mangele es objektiv wiesubjektiv an der Feststellung einer Gruppe mit einer militärischen oder mili-tärähnlichen Organisation mit Befehls- und Kommandostrukturen. Eine [X.] wegen schweren Hausfriedensbruchs nach § 124 StGB sei [X.] möglich, weil nicht auszuschließen sei, —daß die Angeklagten einzelnüber den [X.] auf das [X.] gelangtenfi, und zudemein —[X.] ... den Angeklagten persönlich nicht (habe) nachge-wiesen werdenfi können.Außer Betracht blieben etwaige Verstöße der Angeklagten gegen [X.] und gegen das Versammlungsgesetz, weil das Verfahren in-soweit gemäß § 154a Abs. 1 StPO beschränkt worden ist. Eine Verfolgungwegen Hausfriedensbruchs scheidet mangels eines Strafantrags (§ 123Abs. 2 StGB) [X.] -III.Das Urteil hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand, so daß es aufdie Verfahrensrüge nicht ankommt.Die Begründung eines Freispruchs aus tatsächlichen Gründen mußdie getroffenen Feststellungen unter allen nach der konkreten Sachlage na-heliegenden Gesichtspunkten würdigen ([X.] in Löwe/[X.],[X.]. § 267 Rdn. 150 m.w.N.). Dem wird das angefochtene Urteilnicht gerecht.Die Beweiswürdigung beschränkt sich auf den Gesichtspunkt des [X.] der Angeklagten am Tatort: Es wird belegt, daß die drei Angeklagtensich von 13.42 Uhr bis 13.47 Uhr auf der [X.] befanden (—[X.] wären sie nicht angeschossen wordenfi); zudem wird referiert, daßein längerer dortiger Aufenthalt nicht habe festgestellt werden können, [X.] keiner der Zeugen einen der Angeklagten (hinreichend sicher) als Täterhabe identifizieren können. Diese alleinige Betrachtung des sechsminütigenAufenthalts der Angeklagten auf der Treppe greift zu kurz.Die Feststellungen weisen eine Massenaktion aus, bei der [X.] Personen, zum Teil mit massiven Schlagwerkzeugen bewaffnet, untergewalttätigen Übergriffen gegen Polizeibeamte, die [X.] vereinzelt nicht uner-heblich [X.] verletzt wurden, durch [X.] des Zaunes auf das Konsulats-gelände und teilweise auch in das [X.] eindrangen. Bei die-sem Bild des Gesamtgeschehens durfte das [X.] die Beweiswürdi-gung nicht damit abschneiden, daß es allein auf den sechsminütigen Aufent-halt der Angeklagten auf der Treppe abstellte. Vielmehr war eine Erörterungder möglichen Intentionen und Wahrnehmungen der Angeklagten geboten.Dabei war zunächst der unfriedliche Charakter der Gesamtaktion in Rech-nung zu stellen. Daß die Angeklagten durch [X.] des Zaunes auf das[X.] vordrangen, kann Indizwirkung haben. Nach den [X.] 8 -stellungen liegt es zudem nahe, daß die Angeklagten während ihres Aufent-halts auf der Treppe wahrnahmen, in welcher Weise —einigen [X.] es auch(gelang), in das [X.] zu [X.] ([X.]). Schließlich war [X.], daß am Vortag der hier in Rede stehenden Ereignisse anläßlichder Festnahme des [X.] eine Vielzahl von [X.] das [X.] Gene-ralkonsulat in [X.] über längere Zeit hinweg besetzt gehalten und im [X.] schwere Verwüstungen angerichtet hatte. Zu alledem schweigt das Ur-teil.Es kommt folgendes hinzu: Am Ende der Beweiswürdigung ist im Ur-teil ausgeführt: —Der von der Kammer festgestellte Sachverhalt wurde von derSitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft nicht abweichend gesehen. [X.] Auffassung der Staatsanwaltschaft konnten sämtlichen Angeklagtenkeine Gewalthandlungen oder aufwiegelnden Handlungen persönlich nach-gewiesen werden. Sie beantragte dennoch deren Verurteilung, weil ihnendas [X.] unstreitige [X.] gewalttätige Verhalten [X.] Demonstranten im [X.] Vorfeld und vor dem [X.] zuzurechnen sei. [X.] wird von der Kammer nicht geteiltfi ([X.]). [X.] verstärken die Besorgnis des Senats, daß das [X.] dieIndizwirkung von objektiven Umständen für das Vorliegen weiterer Merkmale,- 9 -hier insbesondere der subjektiven Voraussetzungen der in Betracht [X.], übersehen hat, nämlich statt dessen vom [X.] einer Rechtsfrage ausgegangen ist.[X.] Häger BasdorfTepperwien Brause

Meta

5 StR 273/00

29.08.2000

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.08.2000, Az. 5 StR 273/00 (REWIS RS 2000, 1310)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 1310

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