Bundessozialgericht, Urteil vom 24.01.2013, Az. B 3 KR 22/11 R

3. Senat | REWIS RS 2013, 8700

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Krankenversicherung - Hilfsmittelverzeichnis - Voraussetzungen für die Streichung von Hilfsmitteln ab 1.4.2007


Leitsatz

Seit dem 1.4.2007 sind Hilfsmittel aus dem Hilfsmittelverzeichnis zu streichen, wenn sie den Aufnahmevoraussetzungen entweder im Zeitpunkt der Streichung nicht mehr genügen oder sie schon bei Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis nicht erfüllt hatten.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 6. Oktober 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 30 000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Streitig ist die Streichung eines Hilfsmittels aus dem [X.] (im Folgenden: [X.]).

2

Die Klägerin vertreibt Hilfsmittel für Patienten mit Luftröhrenschnitt ([X.]), ua einen [X.] unter der Produktbezeichnung "[X.]", der vom [X.] für die früher beklagten Spitzenverbände der Krankenkassen - seit dem [X.] abgelöst durch den [X.] als Funktionsnachfolger - unter der Produktgruppe "Hilfsmittel bei [X.]" in das [X.] aufgenommen worden ist (Bescheid vom [X.]). Der Produktbeschreibung nach soll das Gerät Einfluss nehmen ua auf das körperliche Wohlbefinden, um Abgespanntheit, Müdigkeit und Konzentrationsschwäche als Symptomen von mangelnder Sauerstoffzufuhr und einem "Wasserverlust der Haut" entgegenzuwirken (vgl http://www.fahl-medizintechnik.de/index.php?id=205&type=123 &no_cache=1&tx_ttproducts_pi1[backPID]=98&tx_ttproducts_pi1[product]=42&L=0&filename= [X.], recherchiert am 8.1.2013).

3

Die Spitzenverbände der Krankenkassen strichen im Oktober 2005 zunächst die Produktart "Elektrische Atemluftbefeuchter für Tracheotomierte" aus dem [X.], weil sie Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens darstellen und deshalb nicht der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegen würden. Anschließend hoben sie den Aufnahmebescheid für den von der Klägerin vertriebenen [X.] auf, da sich durch die Fortschreibung der entsprechenden Produktgruppe die für die Aufnahme des Produktes in das [X.] maßgebenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse iS von § 48 Abs 1 S 1 [X.] wesentlich geändert hätten, weshalb eine weitere Listung des Produktes nicht möglich sei (Bescheid vom [X.], Widerspruchsbescheid vom [X.]). Im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens hat der Beklagte jedoch darauf abgestellt, dass Rechtsgrundlage der Aufhebungsentscheidung § 139 Abs 8 S 2 [X.]B V und ein Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften der §§ 44 ff [X.] deshalb entbehrlich sei.

4

Während das [X.] die angefochtenen Bescheide aufgehoben und darauf hingewiesen hat, dass weder die Voraussetzungen nach § 48 Abs 1 [X.] noch nach § 45 [X.] vorlägen (Urteil vom 24.03.2010), hat das L[X.] die Klage unter Änderung des erstinstanzlichen Urteils abgewiesen: Seit der Streichung der entsprechenden Produktart im [X.] habe sich der Aufnahmebescheid vom [X.] gemäß § 39 Abs 2 [X.] auf andere Weise erledigt. [X.] seien keine Hilfsmittel, sondern als Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 33 Abs 1 S 1 [X.]B V nicht umfasst. Deshalb hätte die Produktart aus dem [X.] gestrichen werden dürfen; hierdurch könne die Klägerin nicht beschwert sein (Urteil vom 6.10.2011).

5

Mit der vom L[X.] zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Die Wirkung des Aufnahmebescheids vom [X.] hätte sich nicht durch die Streichung der entsprechenden Produktart im [X.] erledigt. Die [X.] sei ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, der nur nach Maßgabe der §§ 45 oder 48 [X.] hätte aufgehoben werden dürfen. Deren Voraussetzungen lägen aber nicht vor, wie das [X.] zutreffend ausgeführt habe.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] vom 6. Oktober 2011 zu ändern und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 24. März 2010 zurückzuweisen.

7

Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Zwar könnte der streitige [X.] nach Maßgabe von § 139 Abs 6 [X.] [X.] aus dem [X.] gestrichen werden, wenn die für die Aufnahme in das [X.] maßgeblichen Voraussetzungen schon anfänglich nicht erfüllt gewesen oder zwischenzeitlich entfallen sind. Ob das der Fall ist, vermag der Senat indes anhand der Feststellungen des [X.] nicht abschließend zu beurteilen.

9

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist die Streichung des [X.] "[X.]" aus dem [X.] durch Bescheide des Funktionsvorgängers des [X.]n. Hiergegen wendet sich die Klägerin zutreffend mit der Anfechtungsklage. Die Bewilligung ihres Eintragungsantrags durch Aufnahmebescheid vom [X.] erfolgte durch Verwaltungsakt, wie sich für die [X.] ab 1.1.2004 unmittelbar aus dem Gesetz ergibt (§ 139 Abs 2 [X.] [X.] idF von [X.] a des GKV-Modernisierungsgesetzes - [X.] - vom 14.11.2003, [X.] 2190, ab [X.] § 139 Abs 6 S 3 [X.] idF von [X.] des [X.] des [X.] in der gesetzlichen Krankenversicherung - [X.] - vom 26.3.2007, [X.] 378) und für die [X.] zuvor schon durch die Rechtsprechung des erkennenden Senats geklärt war (vgl [X.], 105, 106 = [X.]-2500 § 139 [X.]). Ebenso ist demgemäß auch die Streichung als Verwaltungsakt zu qualifizieren, gegen den die Anfechtungsklage gegeben ist (§ 54 Abs 1 [X.] Alt 1 SGG). Deren Gegenstand ist indes - anders als vom [X.] angenommen - nicht mehr der Bescheid vom [X.] in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.2.2007. Dieser ist vielmehr im Berufungsverfahren durch die Erklärung des [X.]n ersetzt worden, die Streichung nunmehr auf die durch [X.] des [X.] eingeführte Neuregelung des § 139 Abs 8 [X.] stützen zu wollen (Schriftsatz vom [X.]). Hierdurch hat der [X.] zum einen implizit die bis dahin vertretene Rechtsauffassung aufgegeben, dass die Streichung der entsprechenden Produktgruppe eine für die Listung des [X.] im [X.] wesentliche Änderung iS von § 48 Abs 1 [X.] [X.] bewirkt und die Aufhebung der [X.] vom [X.] veranlasst habe. Zum anderen ist dadurch der ursprüngliche Aufhebungsbescheid vom [X.] durch eine auf eine andere Rechtsgrundlage gestützte neue Aufhebungsentscheidung ersetzt worden, die wiederum als Verwaltungsakt zu qualifizieren und gemäß § 96 Abs 1 iVm § 153 Abs 1 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist. Der Schriftsatz eines Leistungsträgers im sozialgerichtlichen Verfahren - hier vom [X.] - kann ausnahmsweise als Verwaltungsakt verstanden werden, wenn er über die bloße Prozesserklärung hinaus dessen Willen zur Regelung eines Einzelfalls gegenüber dem anderen Prozessbeteiligten klar erkennen lässt ([X.] 53, 194, 195 = [X.] 2200 § 1303 [X.]; [X.] in: von [X.], [X.], 7. Aufl 2010, § 31 Rd[X.]6). So liegt es hier mit der Bekundung des [X.]n, einerseits an der angefochtenen Streichung aus dem [X.] festzuhalten und diese andererseits auf eine andere Rechtsgrundlage und damit zugleich auf einen anderen Lebenssachverhalt zu stützen - nämlich auf die aus Sicht des [X.]n fehlende [X.] des [X.] und nicht auf die Streichung der Produktgruppe. Dieser modifizierte Verwaltungsakt ist in Form des Schriftsatzes vom [X.] erlassen und mit Zustellung am [X.] bekannt gegeben worden; er ist zu diesem [X.]punkt wirksam geworden (§ 39 Abs 1 [X.] [X.]).

2. Rechtsgrundlage der neuen Streichungsentscheidung ist ausschließlich § 139 Abs 6 [X.] [X.], nicht mehr aber eine der allgemeinen Vorschriften der §§ 45 oder 48 [X.].

a) Nach § 139 Abs 8 [X.] (hier idF der am [X.] und [X.] in [X.] getretenen [X.] und Art 2 [X.] a des [X.]) hat der [X.] das [X.] regelmäßig fortzuschreiben (§ 139 Abs 8 [X.] iVm § 139 Abs 1 [X.] [X.]), und zwar unter anderem durch "Streichung von Produkten, deren Aufnahme zurückgenommen oder nach Absatz 6 Satz 5 widerrufen wurde" (§ 139 Abs 8 S 2 Halbs 3 [X.]). Nach § 139 Abs 6 [X.] [X.] (idF des am [X.] in [X.] getretenen [X.] des [X.]) ist die Aufnahme zu widerrufen, wenn die Anforderungen nach Absatz 4 nicht mehr erfüllt sind, wonach ein Hilfsmittel in das [X.] aufzunehmen ist, wenn der Hersteller die [X.], die Erfüllung der Qualitätsanforderungen nach Absatz 2 und, soweit erforderlich, den medizinischen Nutzen nachgewiesen hat und es mit den für eine ordnungsgemäße und sichere Handhabung erforderlichen Informationen in [X.] versehen ist (§ 139 Abs 4 [X.] idF des am [X.] in [X.] getretenen [X.] des [X.]).

b) Mit dieser Regelung sind die §§ 45 und 48 [X.] nach Wortlaut und Systematik als Rechtsgrundlage für Korrekturen im [X.] verdrängt worden. Bereits die in § 139 Abs 8 S 2 Halbs 3 [X.] vorgenommene Unterscheidung zwischen dem Widerruf ursprünglich rechtmäßiger (§§ 46 und 47 [X.]) und der Rücknahme bereits anfänglich rechtswidriger Entscheidungen (§§ 44 und 45 [X.]) lässt erkennen, dass Korrekturen im [X.] nur noch im Rahmen von § 139 [X.] und nicht mehr nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 45 und 48 [X.] vorgenommen werden sollen. Dafür spricht auch die Regelungssystematik, weil schon das Aufnahmeverfahren für das [X.] in § 139 [X.] abschließend geregelt und deshalb nicht anzunehmen ist, dass nach der Neufassung des § 139 [X.] für Streichungen aus dem [X.] abweichend hiervon keine abschließende bereichsspezifische Regelung bezweckt war. Schließlich hätte für die Neuregelung in § 139 Abs 6 [X.] und Abs 8 S 2 [X.] ansonsten kein Anlass bestanden; ihrer hätte es offenkundig nicht bedurft, wenn es nach der Vorstellung des Gesetzgebers bei den allgemeinen Vorgaben der §§ 45 und 48 [X.] hätte bleiben sollen.

c) Dieses Normverständnis legt ebenfalls die besondere Funktion nahe, die das [X.] bei der Hilfsmittelversorgung einnimmt. Es verkörperte ständiger Rechtsprechung zufolge schon zur Rechtslage nach § 128 [X.] in der durch das [X.] vom 20.12.1988 ([X.] 2477) begründeten und bis zur Außerkraftsetzung durch Art 1 Nr 94 des [X.] zum [X.] im Wesentlichen unveränderten Fassung keine abschließende und die Leistungspflicht der Kranken- und Pflegekassen iS einer "Positivliste" beschränkende Regelung. Es hat vielmehr die Funktion einer reinen Auslegungs- und Orientierungshilfe für die medizinische Praxis und für die Gerichte nur die Qualität einer unverbindlichen Auslegungshilfe (stRspr; vgl BSG [X.]-2500 § 33 [X.]6 S 72 - Lese-Sprechgerät; BSG [X.]-2500 § 33 [X.] - [X.]; BSG [X.]-2500 § 33 [X.] - [X.]; BSG [X.]-2500 § 33 [X.] - [X.]; BSG [X.] 4-2500 § 33 [X.]1 RdNr 23 - zweisitziger Elektrorollstuhl; [X.] 99, 197 = [X.] 4-2500 § 33 [X.]6 jeweils Rd[X.] - Aufsichtsanordnung; BSG [X.] 4-2500 § 33 [X.] RdNr 9 - GPS-Gerät). Einerseits steht deshalb dem Leistungsbegehren eines Versicherten nicht entgegen, dass ein von ihm beanspruchtes Hilfsmittel (noch) nicht im [X.] eingetragen ist (vgl [X.]). Andererseits vermag aus diesem Grund umgekehrt allein die Aufnahme eines Gegenstands in das [X.] den Leistungsanspruch eines Versicherten nicht zu stützen, wenn sich die [X.] gemessen an den Voraussetzungen des § 33 [X.] als fehlerhaft darstellt; Anspruch auf Versorgung hat ein Versicherter ungeachtet der Fassung des [X.] nur, wenn die beanspruchte Hilfe tatsächlich als Hilfsmittel iS des § 33 Abs 1 [X.] [X.] zu qualifizieren ist.

Entfalten Eintragungen ins [X.] somit rechtliche Bindungswirkung insoweit weder im Verhältnis zu Krankenkassen noch zu Versicherten, so können aus ihnen auch die Hersteller keine nur nach Maßgabe der allgemeinen Vorschriften der §§ 45 und 48 [X.] korrigierbaren Vertrauensschutzpositionen ableiten, um ggf mit der objektiven Rechtslage in Widerspruch stehende bindende Ansprüche zu begründen. Zudem kann das [X.] seiner Funktion als Auslegungshilfe für die Praxis nur gerecht werden, wenn es mit der objektiven Rechtslage in Einklang steht, das eingetragene Hilfsmittel also insbesondere den Anforderungen aus § 33 Abs 1 und § 139 Abs 4 [X.] genügt. Dem kann nur Rechnung getragen werden, wenn das [X.] unabhängig vom Interesse eines Herstellers am Fortbestand auch unrichtiger Eintragungen der tatsächlichen Rechtslage angepasst werden kann. Das hat offenkundig auch der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 139 Abs 6 [X.] und Abs 8 [X.] so gesehen, wie der Hinweis auf die Notwendigkeit der Berücksichtigung der Weiterentwicklung von Qualitäts- und sonstigen Anforderungen im [X.] belegt (vgl BT-Drucks 16/3100 [X.]51).

d) Das bedeutet indes nicht, dass die [X.] durch die Neuregelungen in § 139 [X.] schutzlos gestellt wären. Ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats zufolge haben sie wegen der Bedeutung des [X.] für die Tätigkeit am Markt Anspruch auf Bescheidung ihrer Aufnahmeanträge und - soweit die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind - auf Aufnahme ihrer Hilfsmittel in das [X.] (vgl grundlegend [X.], 105 = [X.]-2500 § 139 [X.] - [X.]; zuletzt BSG [X.] 4-2500 § 139 [X.] Rd[X.]3 ff mwN); daran ist weiter festzuhalten, wie der Gesetzgeber indirekt auch in § 139 Abs 6 [X.] bis 4 [X.] zum Ausdruck gebracht hat. Ungeachtet der ausschließlich objektiv-rechtlichen Funktion des [X.] ist deshalb auch die Streichung eines Hilfsmittels aus dem [X.] nur zulässig, wenn die gesetzlichen Aufnahmevoraussetzungen nicht (mehr) erfüllt sind; andernfalls würde der Anspruch auf eine korrekte [X.] verletzt. Auch wenn [X.] seit der Neuregelung des § 139 [X.] gegenüber Änderungen im [X.] keinen Vertrauensschutz mehr nach den §§ 45 oder 48 [X.] genießen, bleibt es gleichwohl dabei, dass Eintragungen in das [X.] nur nach Maßgabe der rechtlichen Anforderungen des § 139 [X.] und im Wege eines durch Verwaltungsakt abzuschließenden förmlichen Verwaltungsverfahrens korrigiert werden dürfen, das seinerseits den Weg zur anschließenden gerichtlichen Überprüfung eröffnet.

3. Ein Produkt ist aus dem [X.] gemäß § 139 Abs 8 S 2 [X.] zu streichen, wenn das Hilfsmittel den maßgeblichen Aufnahmevoraussetzungen entweder im [X.]punkt der Streichung nicht mehr genügt oder es sie schon bei Aufnahme in das [X.] nicht erfüllt hat. Das ergibt sich im Rückschluss aus der Widerrufsregelung des § 139 Abs 6 [X.] [X.]:

a) Gemäß § 139 Abs 6 [X.] [X.] ist die Aufnahme in das [X.] zu widerrufen, wenn die Anforderungen nach Absatz 4 nicht mehr erfüllt sind. Nach § 139 Abs 4 [X.] ist ein Hilfsmittel antragsgemäß (vgl § 139 Abs 3 [X.] [X.]) in das [X.] aufzunehmen, wenn der Hersteller die [X.], die Erfüllung der Qualitätsanforderungen nach Absatz 2 und, soweit erforderlich, den medizinischen Nutzen nachgewiesen hat und es mit den für eine ordnungsgemäße und sichere Handhabung erforderlichen Informationen in [X.] versehen ist. Demnach ist gemäß § 139 Abs 6 [X.] [X.] ein Hilfsmittel zwingend ("ist") auch dann aus dem [X.] zu streichen, wenn es - wie die Wendung "nicht mehr erfüllt sind" und die Qualifizierung der Streichung als "Widerruf" erweisen (vgl §§ 46 und 47 [X.]) - ursprünglich rechtmäßig in das [X.] aufgenommen worden war. Damit hat der Gesetzgeber der dargelegten objektiv-rechtlichen Funktion des [X.] Rechnung getragen und die Rechtsgrundlage dafür geschaffen, Eintragungen im [X.] ungeachtet der ursprünglichen Verhältnisse ausschließlich an der aktuell geltenden Sach- und Rechtslage auszurichten. Vertrauensschutz insbesondere im Rahmen der [X.] nach § 48 Abs 4 [X.] [X.] kommt einem [X.] deshalb bei nachträglichen rechtserheblichen Änderungen selbst dann nicht (mehr) zu, wenn die Aufnahme des Hilfsmittels in das [X.] ursprünglich rechtmäßig gewesen ist.

b) Vor diesem Hintergrund ist erst Recht kein Raum für schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand einer Eintragung in das [X.], die bereits anfänglich rechtswidrig gewesen ist. Wenn selbst bei ursprünglich rechtmäßiger Aufnahme die Fortschreibung des [X.] nicht dem Regime des § 48 [X.] unterstellt wird, besteht kein Anlass für die Annahme, dass einer ursprünglich rechtswidrigen Aufnahme in das [X.] nach dem Regelungskonzept des § 139 [X.] gesteigerter Schutz zukommen sollte. Vielmehr muss die Vorschrift im Regelungskontext so verstanden werden, dass bei anfänglich rechtswidriger Aufnahme eines Hilfsmittels in das [X.] - ebenfalls und erst Recht - eine Streichung durch Korrektur des [X.] nach § 139 Abs 8 S 2 Halbs 3 [X.] zu erfolgen hat. Bei anfänglich zu Unrecht erfolgter Aufnahme in das [X.] ist demnach für die Rücknahmeentscheidung allein maßgebend, ob die materiellen Eintragungsvoraussetzungen nach § 139 Abs 4 [X.] nach der Sach- und Rechtslage im [X.]punkt der Rücknahme gegeben sind oder ob die weitere Listung des Hilfsmittels im [X.] mit diesen Anforderungen nicht in Einklang steht.

4. Ob hiernach die angefochtene Streichung des [X.] "[X.]" aus dem [X.] zu Recht erfolgt ist, erscheint zweifelhaft, kann indes vom Senat anhand der vom [X.] bis jetzt getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden:

a) Nicht maßgeblich ist allerdings die Streichung der Produktart "Elektrische Atemluftbefeuchter für Tracheotomierte" aus dem [X.]. Eine solche Streichung wirkt sich entgegen der Auffassung des früheren [X.]n und des [X.] auf den Bestand eines im [X.] gelisteten Hilfsmittels rechtlich nicht aus. Wie der erkennende Senat zuletzt durch Urteil vom 15.3.2012 nochmals bekräftigt hat, verleiht § 139 Abs 4 [X.] dem Hersteller eines jeden Hilfsmittels, das den gesetzlichen Anforderungen genügt, einen Anspruch auf dessen Aufnahme in das [X.] (vgl [X.] 4-2500 § 139 [X.] Rd[X.]3 ff mwN). Als nicht zulässig hat der Senat deshalb in jener Entscheidung die bis dahin geübte Verwaltungspraxis des [X.]n bewertet, Hilfsmittel mit aus seiner Sicht untergeordneter Bedeutung nicht durch Einzellistung im [X.] zu führen (aaO Rd[X.]2 ff). Ebenso wäre es, wenn der Listung von Hilfsmitteln im [X.] durch bloße Streichung von Produktarten die Grundlage entzogen werden könnte, ohne dass es auf ihre Eigenschaften im Weiteren ankäme. Rechtlich maßgeblich im Verhältnis zwischen [X.]n und dem [X.]n für den Aufnahmeanspruch aus § 139 Abs 4 [X.] sind vielmehr allein die [X.] und die Anforderungen des § 139 [X.], nicht aber dessen Klassifizierung nach Maßgabe der Systematisierung des [X.] durch den [X.]n. Diese Systematisierung ist zwar aus Gründen der Praktikabilität und auch rechtlich geboten, wie sich aus § 139 Abs 1 [X.] [X.] ergibt; offenkundig hat sich jedoch diese Ordnung am Bestand der vorhandenen (rechtmäßigen) Eintragungen im [X.] auszurichten und nicht umgekehrt der Aufnahmeanspruch an der Systematik - dies würde den Aufnahmeanspruch ersichtlich wertlos machen.

b) Entscheidend für die angefochtene Streichung des [X.] aus dem [X.] ist demnach allein dessen konkrete [X.] und damit hier vor allem die Frage, ob er etwa nur als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen ist und ihm folglich die [X.] nach § 33 Abs 1 [X.] [X.] fehlt. Hierfür kommt es nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats - anders als nach früherer Auffassung (BSG [X.]-2500 § 33 [X.], [X.]10 - [X.] I, dazu schon [X.] 84, 266, 268 f = [X.]-2500 § 33 [X.] [X.]96 f - [X.] II) - ausschließlich darauf an, ob der Gegenstand bereits seiner Konzeption nach den Zwecken des § 33 Abs 1 [X.] [X.] dienen soll oder - falls dies nicht so ist - den Bedürfnissen erkrankter oder behinderter Menschen jedenfalls besonders entgegenkommt und von körperlich nicht beeinträchtigten Menschen praktisch nicht genutzt wird (vgl zuletzt BSG [X.] 4-2500 § 33 [X.] RdNr 25 - Barcodelesegerät mit Verweis auf BSG [X.] 4-2500 § 33 [X.] RdNr 25 - Therapiedreirad sowie BSG [X.] 4-2500 § 33 [X.] Rd[X.]6 - Klingelleuchte, jeweils mwN; BSG [X.] 4-3300 § 40 [X.] Rd[X.]8 - [X.]).

c) Diese besondere Ausrichtung an den Bedürfnissen erkrankter oder behinderter Menschen erscheint nach den Angaben der Klägerin zur Zweckbestimmung des hier im Streit stehenden [X.] eher zweifelhaft, ohne dass der Senat dies anhand der vom [X.] getroffenen Feststellungen abschließend entscheiden könnte. Danach wird der [X.] ua wie folgt beworben:

        

"Das körperliche Wohlbefinden hängt von vielen Einflüssen ab. Auch die Luftfeuchtigkeit in Wohnräumen ist hierfür von Bedeutung. Insbesondere während der Heizperiode wird die kalte, meist auch trockene Außenluft, die durch die Fenster in die Wohnräume einströmt, erwärmt. Dies hat ein massives Absinken der relativen Luftfeuchtigkeit zur Folge, was für Menschen ein ungünstiges Klima darstellt.
Trockene Atemluft behindert die Sauerstoffaufnahme und dessen Transport zur [X.]. Abgespanntheit, Müdigkeit und Konzentrationsschwäche sind Symptome verminderter Sauerstoffzufuhr. Eine weitere Folge zu trockener Raumluft ist die Beeinträchtigung der Selbstreinigungsfunktion der Luftröhre. Die Schleimhäute trocknen aus und man wird besonders anfällig für Infektionen und Erkrankungen der Atemwege. Auch wird durch mangelnde Luftfeuchte der Wasserverlust der Haut beschleunigt. Sie wird trocken, rau und schuppig, neigt zu entzündlichen Rötungen, sogenanntes Austrocknungsekzem. …
Durch die integrierte [X.] besteht die Möglichkeit, zusätzlich ätherische Öle zu vernebeln. … ." (vgl http://www.fahl-medizintechnik.de/index.php?id=205&type=123& no_cache=1&tx_ttproducts_pi1[backPID]=98&tx_ttproducts_pi1[product]=42&L=0&filename=[X.], recherchiert am [X.])

Diese Werbeaussagen begründen erhebliche Zweifel daran, dass der [X.] "[X.]" ausschließlich oder jedenfalls vorwiegend für die Bedürfnisse erkrankter oder behinderter Menschen konzipiert sein könnte. Der Hinweis der Klägerin auf die Auswirkungen trockener Atemluft auf das körperliche Wohlbefinden, auf Abgespanntheit, Müdigkeit und Konzentrationsschwäche und schließlich auf die Haut sowie der Verweis auf die Nutzbarkeit [X.] Öle legen eher die Annahme nahe, dass der [X.] von Menschen ohne Tracheostoma ebenso mit Vorteil genutzt werden kann und er deshalb weder für die speziellen Bedürfnisse kranker oder behinderter Menschen entwickelt und hergestellt worden ist noch ausschließlich oder ganz überwiegend auch von diesem Personenkreis benutzt wird (vgl dazu aus jüngerer [X.] BSG [X.] 4-3300 § 40 [X.] Rd[X.]8 mwN - [X.]; BSG [X.] 4-2500 § 33 [X.] Rd[X.]1; BSG [X.] 4-2500 § 33 [X.] Rd[X.]6 - Klingelleuchte). Sollte sich das bei Prüfung durch das [X.] bestätigen, wird er deshalb nur dann gleichwohl nicht als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens iS von § 33 [X.] anzusehen sein, wenn er - worauf die Darstellung der Klägerin ebenfalls nicht unmittelbar deutet - in seiner konkret zu beurteilenden Funktion und Gestaltung so erheblich von allgemein gebräuchlichen [X.]n abweicht, dass er deshalb nicht mehr ebenso nutzbar ist wie im Alltag nicht behinderter Menschen (vgl etwa BSG [X.] 4-3300 § 40 [X.] Rd[X.]8 mwN - [X.]). Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das [X.] deshalb zu prüfen haben, ob [X.] vergleichbarer Art in nennenswertem Umfang auch von Menschen ohne Tracheostoma genutzt werden und ob ggf die Ausstattung des fraglichen Geräts hier ausnahmsweise so beschaffen ist, dass es trotzdem als wesentlich für die Zwecke von Menschen mit entsprechender Behinderung konzipiert anzusehen ist.

5. Das [X.] wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

6. Die Festsetzung des Streitwerts für das Revisionsverfahren beruht auf § 197a Abs 1 [X.] SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 4, § 47 Abs 1 GKG.

Meta

B 3 KR 22/11 R

24.01.2013

Bundessozialgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Köln, 24. März 2010, Az: S 9 KR 81/07, Urteil

§ 33 Abs 1 S 1 SGB 5, § 139 Abs 2 S 5 SGB 5 vom 14.11.2003, § 139 Abs 4 SGB 5 vom 26.03.2007, § 139 Abs 6 S 3 SGB 5 vom 26.03.2007, § 139 Abs 8 S 1 SGB 5 vom 26.03.2007, § 139 Abs 8 S 2 Halbs 3 SGB 5 vom 26.03.2007, § 139 Abs 1 S 1 SGB 5 vom 26.03.2007, § 139 Abs 6 S 5 SGB 5 vom 26.03.2007, § 39 Abs 2 SGB 10, § 45 SGB 10, § 48 Abs 1 S 1 SGB 10, § 48 Abs 4 S 1 SGB 10

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 24.01.2013, Az. B 3 KR 22/11 R (REWIS RS 2013, 8700)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8700

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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