Bundessozialgericht, Urteil vom 29.04.2010, Az. B 3 KR 5/09 R

3. Senat | REWIS RS 2010, 7075

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Krankenversicherung - schwerhöriger Versicherter - Anspruch auf Versorgung mit einer Lichtsignalanlage - Bezuschussung durch Pflegeversicherung bei fester Verbindung der Lichtsignalanlage mit Gebäude


Leitsatz

1. Ein schwerhöriger Versicherter kann gegen seine Krankenkasse einen Anspruch auf Versorgung mit einer Lichtsignalanlage (Klingelleuchte) als Hilfsmittel der GKV haben.

2. Ist die Lichtsignalanlage allerdings fest mit dem Gebäude verbunden, kann ihr Einbau nur eine Maßnahme zur Verbesserung des individuellen Wohnumfelds darstellen, deren Bezuschussung den Pflegekassen obliegt (Abgrenzung zu BSG vom 17.9.1986 - 3 RK 5/86 = SozR 2200 § 182b Nr 33).

Tatbestand

1

Streitig ist die Bewilligung einer Lichtsignalanlage als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung ([X.]) für eine hochgradig schwerhörige Versicherte.

2

Die 1963 geborene Klägerin leidet an einer hochgradigen, an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit. Akustische Signale wie zB eine Türklingel kann sie auch mit Hörgeräten nicht wahrnehmen. Ende Dezember 2005 beantragte sie mit vertragsärztlicher Verordnung die Versorgung mit einer Lichtsignalanlage, die akustische Signale mittels Blitzlampen in optische Signale umwandelt. Nach dem beigefügten Kostenvoranschlag eines Hörgeräteakustikers vom 22.12.2005 sollte die Lichtsignalanlage aus folgenden Einzelteilen bestehen: 1 [X.] zu 13,50 Euro; 1 Türklingelkabel galvanisch, 10 Meter, zu 9,20 Euro; 1 [X.] zu 212 Euro; 1 Kombisender galvanisch zu 156 Euro; 1 Telefonkabel galvanisch, 10 Meter, zu 7,30 Euro; 1 Vibrationskissen nebst 3 Mignon-Batterien zu 34 Euro sowie [X.] Standard zu 348 Euro. Insgesamt ergaben sich Kosten in Höhe von 780 Euro.

3

Die beklagte Krankenkasse lehnte den Leistungsantrag ab (Bescheid vom 27.1.2006, Widerspruchsbescheid vom [X.]). Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 31.5.2007): Die Lichtsignalanlage könne von der Klägerin bei einem Wohnungswechsel nicht mitgenommen werden, weil nach der gewählten Ausführung eine Kabelverbindung zwischen Sender und Türklingel erforderlich sei. Bei der Lichtsignalanlage handele es sich also nicht um ein Hilfsmittel der [X.], sondern um eine - in die Zuständigkeit der [X.] fallende - Maßnahme zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes (§ 40 Abs 4 [X.]B XI); nur wegen der individuellen Wohnsituation würden drei Blitzlampen benötigt. Auf die Berufung der Klägerin hat das L[X.] das erstinstanzliche Urteil geändert und die Beklagte verurteilt, die Kosten für die Lichtsignalanlage gemäß Kostenvoranschlag vom 22.12.2005 zu übernehmen (Urteil vom [X.]): Die Lichtsignalanlage sei nicht fest mit dem Wohngebäude verbunden und könne in jeder anderen Wohnung mit im Wesentlichen unveränderter Ausführung eingesetzt werden, sodass die Anlage ein Hilfsmittel der [X.] darstelle (§ 33 [X.]B V, § 31 [X.]B IX). Die Leistungspflicht der Beklagten sei auch nicht eingeschränkt, weil die Ausstattung mit drei Blitzlampen nicht unverhältnismäßig sei.

4

Mit der vom L[X.] zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 33 [X.]B V. Unter Berücksichtigung der vom L[X.] festgestellten Tatsachen müsse davon ausgegangen werden, dass die Lichtsignalanlage fest mit dem Gebäude verbunden sei; diese könne folglich kein Hilfsmittel der [X.] sein. Eine Leistungspflicht nach § 33 [X.]B V scheide zudem deshalb aus, weil die Lichtsignalanlage als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen sei. Vergleichbare - aber deutlich preiswertere - Geräte würden in Arbeitsbereichen mit hohem Lärmpegel sowie in Tonstudios und Callcentern zum Einsatz kommen.

5

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des L[X.] Niedersachsen-Bremen vom [X.] zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] Aurich vom 31.5.2007 zurückzuweisen.

6

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

[X.]ie Revision der Beklagten hat insoweit Erfolg, als das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen war (§ 170 Abs 2 Satz 2 [X.]). Zwar steht der Klägerin grundsätzlich ein Anspruch gegen die Beklagte auf Versorgung mit einer Lichtsignalanlage zu, weil es sich um ein Hilfsmittel der [X.] iS des § 33 Abs 1 [X.] handelt, das seiner Art und Funktion nach im Fall der Klägerin zum [X.] auch geeignet und notwendig ist. Es lässt sich den bisher getroffenen Feststellungen des [X.] aber nicht entnehmen, ob zum [X.] sämtliche Komponenten der Lichtsignalanlage erforderlich sind, die im Kostenvoranschlag vom 22.12.2005 aufgeführt sind. [X.]as [X.] hat die Beklagte zur Hilfsmittelversorgung gemäß diesem Kostenvoranschlag verurteilt, ohne auf die Erforderlichkeit der einzelnen Komponenten näher einzugehen. Außerdem ist zu klären, ob es zu den einzelnen Komponenten - deren Erforderlichkeit unterstellt - preisgünstigere, aber ebenso geeignete Alternativen gibt, wovon die Beklagte ausgeht. [X.]iese Feststellungen hat das [X.] im erneut durchzuführenden Berufungsverfahren nachzuholen.

8

1. Streitgegenstand ist der Anspruch auf Versorgung mit einer Lichtsignalanlage in Form sämtlicher Einzelbestandteile, wie sie im Kostenvoranschlag vom 22.12.2005 aufgeführt und in einem inhaltsgleichen Kostenvoranschlag vom [X.] wiederholt worden sind. Nicht zum Streitgegenstand gehören hingegen zwei "Bescheide" der Beklagten vom 27.12.2005, mit denen zum Einen die Versorgung der Klägerin mit einem Lichtwecker für 95 Euro bewilligt und zum Anderen die Versorgung mit den übrigen Komponenten der Lichtsignalanlage abgelehnt werden sollte. [X.]iese "Bescheide" haben das Stadium eines Entwurfs nicht überschritten, sind der Klägerin nicht bekannt gegeben (§ 37 [X.]) und deshalb auch nicht wirksam geworden (§ 39 [X.]). Sie finden sich dementsprechend nur als Entwürfe in den Verwaltungsakten. [X.]ie Klägerin ist mit dem Lichtwecker auch nicht versorgt worden. Grund für die unterbliebene Bekanntgabe beider Bescheide war die Unklarheit der ersten von der Klägerin eingereichten vertragsärztlichen Verordnung vom 19.12.2005, in der lediglich von einer "Licht-Blitz-Anlage" die Rede ist, also nicht der für Hörgeräteakustiker feststehende Begriff der "Lichtsignalanlage" benutzt worden war. Im Hilfsmittelverzeichnis ([X.], § 139 [X.]) wird zur Kennzeichnung der betroffenen Untergruppe 16.99.09 der Produktgruppe 16 "Kommunikationshilfen" der Begriff der "Signalanlagen für Gehörlose" verwandt. Auf Veranlassung der Beklagten ist die unklare Verordnung vom 19.12.2005 vernichtet und durch die durch zweite vertragsärztliche Verordnung vom [X.] ersetzt worden, in der es - hilfsmittelrechtlich korrekt - "1 Lichtsignalanlage bei [X.]: hochgradiger, an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit" heißt. Nur um diese zweite Verordnung, deren Umsetzung die Beklagte insgesamt abgelehnt hat, streiten die Beteiligten im vorliegenden Rechtsstreit. Mit ihrem Klageabweisungs- und Revisionsantrag hat die Beklagte zudem bekräftigt, dass sie dem entworfenen [X.] hinsichtlich des [X.] auch nicht nachträglich zur Wirksamkeit (§§ 37, 39 [X.]) verhelfen will.

9

2. Rechtsgrundlage des Versorgungsanspruchs ist § 33 [X.] in der ab [X.] geltenden Fassung des [X.]-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007 ([X.]), weil bei [X.], auch wenn sie - wie hier - mit einer Anfechtungsklage verbunden sind, grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend ist [X.] in: [X.]/[X.]/[X.], [X.], 9. Aufl 2008, § 54 Rd[X.] 34 mwN). Nach § 33 Abs 1 Satz 1 [X.] haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 [X.] ausgeschlossen sind. Nach § 33 Abs 1 Satz 4 [X.] umfasst der Anspruch auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Im vorliegenden Fall geht es um die Variante der Erstausstattung mit einem Hilfsmittel zum [X.]. [X.]eren Tatbestandsvoraussetzungen sind hier dem Grunde nach erfüllt.

3. [X.]ie Leistungsablehnung ist rechtswidrig, weil eine Lichtsignalanlage hier zum [X.] erforderlich ist. [X.]ieser in § 33 Abs 1 Satz 1 [X.] als 3. Variante genannte Zweck (vgl jetzt auch § 31 Abs 1 [X.]) eines von der [X.] zu leistenden Hilfsmittels hat zweierlei Bedeutung:

a) Im Vordergrund steht der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst. Bei diesem unmittelbaren [X.] gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des [X.], und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. [X.]ie gesonderte Prüfung, ob mit der vorgesehenen Verwendung ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist, entfällt, weil sich die unmittelbar auszugleichende Funktionsbeeinträchtigung selbst immer schon auf ein Grundbedürfnis bezieht; die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion ist als solche ein Grundbedürfnis (vgl [X.]-2500 § 33 [X.] Rd[X.]8 ff zur Versorgung mit einer Badeprothese, die dem - von den normalen Beinprothesen nicht gewährleisteten - sicheren Gehen und Stehen in Nassbereichen dient und deshalb unabhängig davon beansprucht werden kann, dass das Schwimmen eine Freizeitbetätigung darstellt, die nicht zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehört). [X.]er Frage nach der Erfüllung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens kommt beim unmittelbaren [X.] erst dann Bedeutung zu, wenn es nicht um die erstmalige Behebung eines [X.] geht und auch nicht um die reine Ersatzbeschaffung (was bei der Versorgung mit einer Badeprothese in [X.]-2500 § 33 [X.] der Fall war und von [X.] SGb 2010, 359 ff übersehen worden ist), sondern um die Versorgung eines für den [X.] bereits ausreichend ausgestatteten Versicherten mit einem zweiten Hilfsmittel gleicher Art als bloße Zweitausstattung (Reservehaltung), für einen speziellen Zweck ([X.] Sportbrille für Schüler, [X.] 2200 § 182 [X.]) oder mit einem technisch weiter entwickelten Hilfsmittel ([X.] computergestütztes statt mechanisches Kniegelenksystem). [X.]abei kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte [X.] sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist ([X.], 183 = [X.]-2500 § 33 [X.], Rd[X.] 4 - [X.]). [X.]ie Wirtschaftlichkeit eines dem unmittelbaren [X.] dienenden Hilfsmittels ist grundsätzlich zu unterstellen und erst zu prüfen, wenn zwei tatsächlich gleichwertige, aber unterschiedlich teure Hilfsmittel zur Wahl stehen.

b) [X.]aneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen (sog mittelbarer [X.]). In diesem Rahmen ist die [X.] allerdings nur für den [X.] der Folgen der Behinderung eintrittspflichtig. Es geht dabei nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. [X.]enn Aufgabe der [X.] ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl § 1 [X.] sowie § 6 Abs 1 [X.] iVm § 5 [X.] und 3 [X.]), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des [X.], um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder [X.] Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren [X.] ist von der [X.] daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums ([X.], 176, 180 = [X.]-2500 § 33 [X.]; [X.], 60, 63 = [X.]-2500 § 33 [X.] 3; [X.] 3-3300 § 14 [X.]4; stRspr). Zum Grundbedürfnis der Erschließung eines geistigen Freiraums gehört ua die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen Menschen sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens bzw eines Schulwissens ([X.] 3-2500 § 33 [X.] 29 und 46; [X.]-2500 § 33 [X.]1 Rd[X.]8). Zum körperlichen Freiraum gehört - im Sinne eines [X.]s der eingeschränkten Bewegungsfreiheit - die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind ([X.] Supermarkt, Arzt, Apotheke, Geldinstitut, Post), nicht aber die Bewegung außerhalb dieses [X.]. Soweit überhaupt die Frage eines größeren Radius über das zu Fuß Erreichbare hinaus aufgeworfen worden ist, sind schon immer zusätzliche qualitative Momente verlangt worden (vgl [X.], 176, 180 = [X.]-2500 § 33 [X.] - Erreichbarkeit ambulanter medizinischer Versorgung für Wachkomapatientin; [X.] 3-2500 § 33 [X.] 27 - [X.] für Jugendliche; [X.] 3-2500 § 33 [X.] 46 - behindertengerechtes [X.]reirad; [X.] 2200 § 182b [X.]3 - Faltrollstuhl).

c) [X.]em Gegenstand nach besteht für den unmittelbaren ebenso wie für den mittelbaren [X.] Anspruch auf die im Einzelfall ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung, nicht jedoch auf eine Optimalversorgung. [X.]eshalb besteht kein Anspruch auf ein teureres Hilfsmittel, soweit die kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell in gleicher Weise geeignet ist (vgl [X.] 3-2500 § 33 [X.] 26 S 153; stRspr); andernfalls sind die Mehrkosten gemäß § 33 Abs 1 Satz 5 [X.] (ebenso § 31 Abs 3 [X.]) von dem Versicherten selbst zu tragen. [X.]emgemäß haben die Krankenkassen nicht für solche "Innovationen" aufzukommen, die keine wesentlichen Gebrauchsvorteile für den Versicherten bewirken, sondern sich auf einen bloß besseren Komfort im Gebrauch oder eine bessere Optik beschränken ([X.] 3-2500 § 33 [X.] 44; [X.], 183, 188 = [X.]-2500 § 33 [X.]).

4. Nach Maßgabe dieser Grundsätze über die Hilfsmittelversorgung im Rahmen der [X.] beim unmittelbaren und mittelbaren [X.] (3. Variante des § 33 Abs 1 Satz 1 [X.] und des § 31 Abs 1 [X.]) geht es bei einer Lichtsignalanlage für Gehörlose und hochgradig Schwerhörige nicht um einen unmittelbaren [X.], weil nicht das Hörvermögen wiederhergestellt oder gestärkt wird, wie es [X.] bei der Versorgung mit Hörgeräten der Fall ist. Nicht das Hören selbst wird ermöglicht oder erleichtert, sondern das fehlende Hörvermögen durch die Nutzung des nicht beeinträchtigten Sehvermögens kompensiert, indem akustische Signale, wie [X.] das Läuten der Türklingel oder des Telefons, in optische Signale ([X.] Lichtblitze) umgewandelt werden. [X.]er gehörlose Versicherte hört nicht das Läuten der Türklingel, sondern sieht, dass die Türklingel bedient wird. Ebenso kann die Kompensation des fehlenden Hörvermögens durch die Umwandlung von akustischen in taktile Signale erfolgen, wie es [X.] beim Einsatz von [X.] der Fall ist. [X.]er Ersatz eines ausgefallenen bzw beeinträchtigten Sinnes durch die Nutzung eines intakten anderen Sinnes stellt sich somit als mittelbarer [X.] dar, bei dem - wie ausgeführt - zu prüfen ist, ob ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist.

[X.]ie Lichtsignalanlage ist erforderlich zur Verwirklichung eines solchen Grundbedürfnisses. [X.]as selbstständige Wohnen sowie das Kommunizieren mit anderen Menschen gehört zu diesen Grundbedürfnissen. Es geht um die passive Erreichbarkeit durch Menschen aus dem Bereich der Außenwelt nicht nur für angemeldete, sondern gerade auch für spontane Besuche ([X.] 2200 § 182b [X.] 33 zur Klingelleuchte). [X.]ie Verwirklichung dieses Grundbedürfnisses erfordert, dass das für Gesunde hörbare [X.] in ein für die Klägerin wahrnehmbares Signal umgewandelt wird.

5. [X.]ie Lichtsignalanlage ist auch nicht als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens von der Leistungspflicht der Krankenkassen ausgenommen (§ 33 Abs 1 Satz 1, letzter [X.]). [X.]ie Einordnung als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens hängt davon ab, ob ein Gegenstand bereits seiner Konzeption nach den Erfolg einer Krankenbehandlung sichern oder eine Behinderung ausgleichen soll oder - falls dies nicht so ist - den Bedürfnissen erkrankter oder behinderter Menschen jedenfalls besonders entgegenkommt und von gesunden, körperlich nicht beeinträchtigten Menschen praktisch nicht genutzt wird ([X.] 3-2500 § 33 [X.] 22 zum Personalcomputer). Was regelmäßig auch von Gesunden benutzt wird, fällt nicht in die Leistungspflicht der Krankenkassen, wobei es auf einen bestimmten prozentual messbaren Verbreitungsgrad in der Bevölkerung oder einen Mindestpreis nicht ankommt ([X.] 3-2500 § 33 [X.] 33 zum [X.]). Nicht ausschlaggebend ist, ob der Gegenstand aus [X.] als "medizinisches Hilfsmittel" beworben wird ([X.] 3-3300 § 40 [X.] zum elektrisch verstellbaren Sessel).

Gegen die Einordnung der Lichtsignalanlage als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens spricht zunächst, dass derartige Geräte in der Produktgruppe 16 im [X.] der [X.] (§ 139 [X.]) als Kommunikationshilfe aufgeführt werden. [X.]as [X.] ist zwar nicht geeignet, Ansprüche der Versicherten im Sinne einer Positivliste auszuschließen ([X.] 3-2500 § 33 [X.]6, 20, 27; [X.], 197 = [X.]-2500 § 33 [X.]6, Rd[X.] 20). Wenn aber ein Gegenstand im [X.] gelistet ist, spricht dies im Sinne einer Orientierungshilfe zugunsten des Versicherten dafür, den Gegenstand nicht als allgemeinen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen. [X.]em Anspruch der Klägerin steht auch nicht entgegen, dass [X.] mit optischem Signal auch von gesunden Menschen am Arbeitsplatz genutzt werden, um einen hohen Geräuschpegel zu umgehen oder die notwendige Stille zu gewährleisten ([X.] Werkshallen, Callcenter, Tonstudio). Bei beruflich veranlasster Verwendung von Klingeln mit optischem Signal handelt es sich gerade nicht um eine Nutzung als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, da Grund für den Einsatz allein besondere äußere Umstände des Arbeitsplatzes sind, die für das normale tägliche Leben nicht prägend sind.

6. [X.]ie Lichtsignalanlage ist auch ein beweglicher Gegenstand iS von § 31 Abs 1 [X.]. Von der Krankenkasse zu leistende Hilfsmittel zur medizinischen Rehabilitation iS von § 26 Abs 2 [X.] 6 [X.] - um solche handelt es sich, wenn wie hier mit dem Hilfsmittel ein [X.] bezweckt wird - müssen nach § 31 Abs 1 [X.] getragen, mitgeführt oder zumindest bei einem Wohnungswechsel mitgenommen werden können. [X.]er Hilfsmittelbegriff des § 31 [X.] gibt insoweit den Regelungsgehalt des § 33 [X.] wieder, wie er auch vor Inkrafttreten des [X.] von der Rechtsprechung entwickelt worden ist ([X.]-2500 § 33 [X.] 3 Rd[X.]4). Für das - hier entscheidende - Kriterium der Mitnahmemöglichkeit kommt es darauf an, ob das Gerät so in das Gebäude eingebaut ist, dass es nach der Verkehrsauffassung auch bei einem Umzug in der alten Wohnung verbleibt und der Einbau von [X.]auer ist. Kann das Gerät bei einem Wohnungswechsel ohne wesentliche verbleibenden Folgen, insbesondere ohne nennenswerte Substanzbeeinträchtigung an Wänden, [X.]ecken und Fußböden, ausgebaut und mit vertretbarem Aufwand in einer neuen Wohnung wieder eingebaut werden, liegt ein beweglicher Gegenstand iS von § 31 Abs 1 [X.] vor ([X.], 22 = [X.]-3300 § 40 [X.], Rd[X.] 21 - [X.]eckenlifter). Insoweit hat die frühere Rechtsprechung des Senats, wonach keine Leistungspflicht der Krankenkassen nach § 33 [X.] besteht, wenn eine Klingel- oder Signalleuchte mit dem Gebäude fest verbunden ist ([X.] 3-2500 § 33 [X.] 30 unter teilweiser Aufgabe von [X.] 2200 § 182b [X.] 33, weil dort Klingelleuchten unabhängig von der Art ihres Einbaus immer als Hilfsmittel eingestuft wurden), eine Modifizierung erfahren.

Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die begehrte Lichtsignalanlage nicht als fester Bestandteil der Wohnung anzusehen. Nach den gemäß § 163 [X.] bindenden Feststellungen des [X.] besteht die Lichtsignalanlage aus beweglichen Einzelteilen, wobei die Telefonanlage und die Türklingel mittels Kabel mit dem Sender der Lichtsignalanlage verbunden werden. [X.] und Telefonkabel können ohne größeren Aufwand wieder gelöst werden. [X.]ie vom Sender aufgenommenen Signale werden in [X.] umgewandelt und über das normale Stromnetz zum Empfänger, den [X.], übertragen. Ob für die Installation der Anlage ggf aus Sicherheitsgründen auf die fachmännische Hilfe eines Elektrikers zurückgegriffen werden sollte, wie die Bedienungsanleitung der Lichtsignalanlage jedenfalls bei [X.] einer Gegensprechanlage empfiehlt, ist dabei ohne Belang. Angesichts einiger weniger Kabelverbindungen kann es sich nur um einen zeitlich geringfügigen Aufwand handeln, der zudem einen wesentlichen Eingriff in die Bausubstanz der Wohnung nicht erfordert. Anders wäre es beispielsweise, wenn das Verbindungskabel zwischen Türklingel und Sender unter [X.] gelegt oder durch eine Wand geführt wurde oder die Halterungen der [X.] in die Wände eingelassen wären. In einem solchen Fall wäre der Einbau der Lichtsignalanlage als Maßnahme zur Verbesserung des individuellen [X.] einzustufen, für deren Bezuschussung die Pflegekassen zuständig sind (§ 40 Abs 4 [X.]I).

7. [X.]ie Lichtsignalanlage ist auch nicht als sonstige Maßnahme zur Anpassung des individuellen Umfeldes an die Bedürfnisse des behinderten Menschen von der Leistungspflicht der Krankenkassen ausgenommen. Über das Kriterium der Beweglichkeit iS von § 31 Abs 1 [X.] hinaus hat der Senat aus dem Verhältnis von § 31 Abs 1 [X.] zu § 33 [X.] sowie in Abgrenzung zu den von der Pflegekasse als Ermessensleitung zu erbringenden Leistungen zur Verbesserung des individuellen [X.] nach § 40 Abs 4 [X.]I abgeleitet, dass ungeachtet ihrer Beweglichkeit diejenigen Mittel aus der Leistungspflicht der [X.] ausgenommen sind, die "sonst der Anpassung des individuellen Umfeldes an die Bedürfnisse des behinderten Menschen dienen" ([X.], 22 = [X.]-3300 § 40 [X.], Rd[X.]3 mwN - [X.]eckenlifter). Hilfen, die auf die individuelle Wohnsituation zugeschnitten sind und ggf gerade wegen dieser besonderen Wohnsituation benötigt werden, zählen daher ungeachtet ihrer Beweglichkeit nicht zu den von der Krankenkasse nach § 33 [X.] zu leistenden Hilfsmitteln ([X.] speziell auf die Bedürfnisse von kleinwüchsigen Menschen oder Rollstuhlfahrern zugeschnittene Möbel und Kücheneinrichtungen). [X.]iese Eigenschaft hat die Lichtsignalanlage nicht, denn aufgrund der nahezu aufgehobenen Hörfähigkeit der Klägerin könnte diese auch in keiner anderen Wohnung eine Türklingel oder ein Telefon akustisch wahrnehmen.

[X.]ie Lichtsignalanlage wird auch nicht deshalb zu einer Maßnahme zur Anpassung des [X.], weil aufgrund der individuellen Wohnsituation der Klägerin drei [X.] angeschafft werden sollen. [X.]enn die nach § 33 [X.] zu beanspruchenden Hilfsmittel umfassen auch die im Einzelfall individuell benötigten Zubehörteile (BT-[X.]rucks 11/2237 [X.], 174). [X.]ie [X.] sind als funktionell unselbstständige Zubehörteile anzusehen, da sie ihren Zweck nur erfüllen können, wenn die eingehenden Signale über den [X.] vermittelt werden. Als unselbstständiges Zubehörteil der Lichtsignalanlage (vgl allgemein zu unselbstständigen Teilen: [X.] 3-3300 § 40 [X.] 6 S 31 - Gegensprechanlage) teilen die Lampen den Hilfsmittelcharakter der Anlage.

8. Ob die Klägerin Anspruch auf Versorgung im vom [X.] tenorierten Umfang hat, lässt sich nach den bisherigen Feststellungen allerdings nicht abschließend beurteilen. [X.]ie Leistungspflicht nach § 33 Abs 1 [X.] beschränkt sich auf die kostengünstigste Hilfsmittelversorgung, also auf die Versorgung des Versicherten mit ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Hilfsmitteln (§ 12 Abs 1 Satz 1 [X.]). [X.]eshalb besteht kein Anspruch auf ein teureres Hilfsmittel, wenn für den angestrebten Nachteilsausgleich eine funktionell ebenfalls geeignete, aber kostengünstigere Versorgung möglich ist. Es ist bereits ausgeführt worden, dass das [X.] alle Komponenten der Lichtsignalanlage, wie sie im Kostenvoranschlag vom 22.12.2005 aufgeführt sind, auf ihre Notwendigkeit und Preisgünstigkeit hin zu prüfen hat. Zusätzlich ist aber zu beachten, dass mit der Verordnung einer Lichtsignalanlage grundsätzlich nur Anlagen mit optischen Signalen erfasst werden. Soweit akustische durch taktile Signale ersetzt werden, wie es [X.] bei den [X.] der Fall ist, handelt es sich zwar um "Signalanlagen für Gehörlose" im Sinne der Untergruppe 16.99.09 der Produktgruppe 16 ("Kommunikationshilfen") des [X.], nicht aber um "Lichtsignalanlagen" im eigentlichen Sinne. [X.]as [X.] wird deshalb ebenfalls zu prüfen haben, ob das im Kostenvoranschlag genannte [X.], das zu den taktilen [X.] gehört, von der verordneten optischen Signalanlage überhaupt umfasst ist. [X.]ies könnte [X.] der Fall sein, wenn ein [X.] üblicherweise als Zubehör zu einer Lichtsignalanlage angesehen wird (vgl [X.] die Produktart "Blitz- und Vibrationswecker" [X.] 3000-3999 sowie die Produktart "Signalempfänger mit taktiler Ausgabe" [X.]000-1999).

9. [X.]as [X.] hat auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden.

Meta

B 3 KR 5/09 R

29.04.2010

Bundessozialgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Aurich, 31. Mai 2007, Az: S 8 KR 21/06, Urteil

§ 33 Abs 1 S 1 Alt 3 SGB 5 vom 26.03.2007, § 26 Abs 2 Nr 6 SGB 9, § 31 Abs 1 Nr 3 SGB 9, § 40 Abs 4 SGB 11

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 29.04.2010, Az. B 3 KR 5/09 R (REWIS RS 2010, 7075)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7075

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