Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.01.2005, Az. IX ZR 273/02

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 5277

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] ZR 273/02
Verkündet am: 27. Januar 2005 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: ja [X.]R: ja

[X.] § 3 Abs. 3

a) Vereinbart ein Rechtsanwalt bei [X.] eine Vergütung, die mehr als das Fünffache über den gesetzlichen Höchstgebühren liegt, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, daß sie unangemessen hoch und das Mäßigungsgebot des § 3 Abs. 3 [X.] verletzt ist.
b) Die Vermutung einer unangemessen hohen Vergütung kann durch den Rechtsanwalt entkräftet werden, wenn er ganz ungewöhnliche, geradezu ex-treme einzelfallbezogene Umstände darlegt, die es möglich erscheinen [X.] 2 - sen, bei Abwägung aller für die Herabsetzungsentscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte die Vergütung nicht als unangemessen hoch anzusehen.

[X.], [X.]eil vom 27. Januar 2005 - [X.] OLG Koblenz

LG Koblenz

- 3 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2005 durch den Vorsitzenden [X.] Dr. [X.], die [X.] [X.], [X.], [X.] und die [X.]in [X.]
für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.]n wird das [X.]eil des 10. Zivilsenats des [X.] vom 29. November 2002 aufge-hoben, soweit zu seinem Nachteil erkannt worden ist.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von dem [X.]n restliche Honorarzahlung. Der [X.] ist u.a. wegen [X.] in 61 Fällen angeklagt. In dem Strafver-fahren war dem [X.]n ein Pflichtverteidiger beigeordnet, außerdem stand ihm ein Wahlverteidiger zur Seite. Als sich das Verfahren vor der [X.] nach etwa 10 Verhandlungstagen seinem Ende näherte, nahm der [X.] Kontakt zu Rechtsanwalt [X.] auf, um ihn als weiteren Verteidi-ger zu gewinnen. Dieser lehnte ab, verwies ihn jedoch an seinen Partner [X.]. Dieser erklärte sich zur Übernahme des Mandats bereit. Die Parteien - 4 - schlossen am 20. August 1998 schriftlich eine Honorarvereinbarung. Diese sieht vor, daß der [X.] eine Honorarpauschale in Höhe von 60.000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer sowie ein Stundenhonorar von 800 DM zuzüglich Mehrwertsteuer zu zahlen hat. Weiterhin sind nach dieser Gebührenvereinba-rung die Kopierkosten und Spesen von dem [X.]n zu tragen. Der [X.] war nach der Honorarvereinbarung zur Hälfte sofort nach Erhalt einer entsprechenden Kostennote fällig und zur anderen Hälfte innerhalb einer Wo-che ab Unterzeichnung der Honorarvereinbarung. Das Stundenhonorar war fällig "gemäß Anforderung". Mit dem Pauschalhonorar sollte das besondere "Know how" des Rechtsanwalts abgegolten werden.

Da sich der [X.] in finanziellen Schwierigkeiten befand, bestand Rechtsanwalt [X.] darauf, daß die zweite Honorarhälfte durch die Bestel-lung einer Grundschuld abgesichert werde. Die erste Hälfte der Pauschale in Höhe von 34.800 DM zahlte der [X.] sofort und wegen der weiteren Hälfte wurde eine Grundschuld an einem der Tochter des [X.]n gehörenden Grundstück abgetreten. Das Mandat dauerte vom 20. August 1998 bis 28. September 1998. In diesem [X.]raum haben zwei Verhandlungstermine am 4. September und 15. September stattgefunden. Die Parteien waren ursprüng-lich davon ausgegangen, daß [X.]den [X.]n an fünf Verhandlungsta-gen vertreten werde. Am 3. September erteilte [X.]

wegen der zweiten Hälfte der Pauschale und wegen des Stundenhonorars für 29,42 Stunden eine Rechnung über insgesamt 62.138,88 DM. Wenige Tage vor dem [X.] am 28. September 1998 erklärte [X.]dem [X.], er werde den Termin nicht wahrnehmen, wenn die [X.] vom 3. September 1998 nicht zuvor beglichen werde. Als der [X.] nicht zahlte, legte [X.]das Mandat nieder. - 5 -

Mit der Klage hat die Klägerin ursprünglich die zweite Hälfte des [X.] sowie ein [X.]honorar für 44,25 angefallene Arbeitsstunden und Kosten für angefertigte Fotokopien geltend gemacht. Nach Einholung eines Gutachtens des Vorstandes der zuständigen Rechtsanwaltskammer hat das [X.] das vereinbarte Honorar gemäß § 3 Abs. 3 [X.] herabgesetzt und dem [X.]n unter Zurückweisung der Klage im übrigen zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 6.357,96 DM verurteilt. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin nunmehr als [X.] insgesamt 40.461,96 DM gefordert, das sind 2/5 der Pauschale von 60.000 DM sowie die Vergütung für 51 Stunden Arbeitsaufwand nebst Kopierkosten und Auslagenpauschale. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zunächst zurückgewiesen und auf die Anschlußberufung des [X.]n die Klage insgesamt abgewiesen. Auf die Verfassungsbeschwerde der Klägerin hat das [X.] diese Entscheidung aufgehoben. Daraufhin hat das Berufungsgericht der Klage in ihrem nunmehrigen Umfang stattgegeben und die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgt der [X.] seinen Klagabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung und zur Zurückverweisung, soweit zum Nachteil des [X.]n erkannt worden ist.

[X.] - 6 - Das Berufungsgericht hat die zwischen den Parteien getroffene [X.] als wirksam angesehen. Insbesondere hat es die Verbindung von Pauschal- und [X.]honorar nicht beanstandet. Das vereinbarte Honorar sei nicht gemäß § 3 Abs. 3 [X.] herabzusetzen. Es sei angesichts der [X.] zu beurteilenden Sachverhaltes nicht unangemessen hoch. So sei zu berücksichtigen, daß hinsichtlich der Pauschale gemäß § 628 BGB nur ein Teil anzusetzen sei, weil Rechtsanwalt [X.]den [X.]n nur an zwei Verhandlungstagen verteidigt habe. Außerdem habe er sogleich ein äu-ßerst umfangreiches Wirtschaftsstrafverfahren übernehmen und innerhalb [X.] sechs bis acht Leitzordner durcharbeiten müssen. Es sei eindeutig, daß der mit der Übernahme des Mandats verbundene Arbeitsaufwand mit der Rahmengebühr des § 83 [X.] und auch mit einem Mehrfachen derselben nicht angemessen abgegolten werde.

I[X.]

Diese Erwägungen halten in wesentlichen Punkten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings die Wirksamkeit der Honorarvereinbarung vom 20. August 1998 bejaht. Sie ist weder gemäß § 138 Abs. 1 BGB wegen Sittenwidrigkeit noch wegen mangelnder Bestimmtheit un-wirksam.

a) Aufgrund der getroffenen Feststellungen scheidet eine Nichtigkeit der Vergütungsvereinbarung vom 20. August 1998 gemäß § 138 Abs. 1 BGB aus. - 7 - Zwar ist bei [X.] in der Regel davon auszugehen, daß ein auffälliges Mißverhältnis zwischen der Leistung des Anwalts und dem verein-barten Honorar den Schluß auf eine verwerfliche Gesinnung desjenigen recht-fertigt, der sich die überhöhte Vergütung hat zusagen lassen ([X.] 144, 343, 346). Falls hier ein derartiges Mißverhältnis bestehen sollte, wären jedoch Um-stände gegeben, die eine andere Beurteilung rechtfertigen. Die Klägerin mußte ihre Leistung kurzfristig erbringen. Sie hat nicht eine Notlage oder eine Unter-legenheit des [X.]n bewußt zu ihrem Vorteil ausgenutzt (vgl. [X.], [X.]. v. 23. Februar 1995 - [X.] ZR 29/94, NJW 1995, 1425, 1429 f). Eine Notlage [X.] nicht, weil der [X.] im Strafverfahren durch einen Pflicht- und ein Wahlverteidiger vertreten war. Bei dem [X.]n handelt es sich um [X.], der geschäftsführender Gesellschafter einer größeren Unternehmensgruppe war, deren drei größte Unternehmen ein Stammkapital von 25 Millionen DM aufwiesen. Die Revision macht denn auch keine Verlet-zung von § 138 Abs. 1 BGB geltend.

b) Die Honorarvereinbarung ist außerdem ausreichend bestimmt.

[X.]) Für die Wirksamkeit einer Honorarvereinbarung ist es erforderlich, daß sie genügend bestimmt ist ([X.], [X.]. v. 25. Februar 1995 - [X.], NJW 1965, 1023; [X.]. v. 12. Januar 1978 - [X.], [X.]. 1978, 227; [X.] [X.]. 1986, 452; [X.]/[X.], [X.] 2002 § 3 Rn. 19; [X.]/[X.]/[X.], [X.] 8. Aufl. § 3 Rn. 26). Dabei muß ein Maß-stab gewählt werden, der ohne Schwierigkeiten eine ziffernmäßige [X.] der Vergütung zuläßt ([X.] [X.]O S. 1023 und [X.]; [X.] [X.]O S. 452).
- 8 - Die Revision meint, im Streitfall fehle es an der hinreichenden [X.], weil die hier gewählte Verbindung von Pauschal- und [X.]honorar dazu führe, daß die Vergütung des Anwalts (umgerechnet auf die einzelne Arbeitsstunde) nicht von vornherein feststehe, sondern je nach tatsächlich aufgewendeter [X.] variiere. Diese Auffassung verdient keine Zustimmung. Die Berechnung der Vergütung auf der Grundlage der im Streitfall getroffenen Honorarvereinbarung ist ohne Schwierigkeiten möglich. Für das Pauschalhonorar liegt das ohne weiteres auf der Hand. Das gleiche gilt für die Stundenlohnvereinbarung. Zwar war das Ausmaß der zeitlichen Beanspruchung bei Abschluß der Honorarvereinbarung noch offen. Dadurch wird die Leistung jedoch nicht unbestimmt. Vielmehr reicht es aus, wenn die Leistung bestimmbar ist ([X.], 937). Das ist bei einem aufwandsbezogenen Stundenhonorar der Fall, da der [X.]aufwand für den Auftraggeber nachprüfbar darzulegen ist und demgemäß objektiv ermittelt werden kann ([X.] [X.]O S. 937).

[X.]) Die Revision ist darüber hinaus der Auffassung, daß sich die Un-wirksamkeit der streitgegenständlichen Honorarvereinbarung aus einer analogen Anwendung des § 3 Abs. 5 Satz 1 [X.] herleiten lasse. Dabei versteht sie diese Bestimmung so, daß das vereinbarte Honorar in dem dort geregelten Anwendungsbereich (außergerichtliche Angelegenheiten; Vergütung, die niedriger als die gesetzlichen Gebühren ist) entweder pauschal pro Angelegenheit oder nach [X.]aufwand abgerechnet werden müsse.

Diese Ansicht geht fehl. Ihr ist schon im Ausgangspunkt nicht zu folgen, wobei offenbleiben kann, ob die Voraussetzungen einer Analogie überhaupt vorliegen, insbesondere das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke (vgl. da-zu [X.] 149, 165, 174 m.w.[X.]) enthält. Die Revision [X.] den [X.] 9 - lungsgehalt des § 3 Abs. 5 Satz 1 [X.]. Diese Vorschrift gebietet es in den dort geregelten Fällen nicht, das Honorar pro Angelegenheit entweder [X.] oder nach [X.]aufwand abzurechnen. Einer solchen Rechtsauffassung steht schon der Wortlaut dieser Bestimmung entgegen. Dort ist ausdrücklich von Pauschalvergütung und [X.]vergütung die Rede. Auch die Gesetzesbe-gründung ([X.]. 12/4993, [X.]) liefert für die Rechtsauffassung der [X.] keinen Anhaltspunkt. Im Hinblick auf das in § 49b Abs. 1 [X.] geregelte grundsätzliche Verbot, geringere als in der [X.] vorgesehene Gebühren und Auslagen zu vereinbaren oder zu fordern, wollte der Gesetzgeber dieses standesrechtliche Verbot - in Anlehnung an eine schon bestehende Praxis - für Fälle der außergerichtlichen Beratung und in [X.] lockern. Die-ser Begründung läßt sich jedoch nicht der Wille des Gesetzgebers entnehmen, daß die von ihm - statt der gesetzlichen Gebührenberechnung - genannten [X.] (Pauschal- und [X.]vergütung) in einem Alternativverhält-nis stehen sollen. Hierfür ist kein vernünftiger Grund erkennbar. Ein solcher wird von der Revision auch nicht angeführt. Die Literaturmeinung, auf die sie verweist ([X.]/[X.], [X.]O § 3 Rn. 131; [X.], [X.] 8. Aufl. 1995 § 3 Rn. 28), liefert ebenfalls keine nachvollziehbare Begründung für eine solche dem Wortlaut des § 3 Abs. 5 Satz 1 [X.] widerstreitende Auslegung.

2. Rechtsfehlerhaft sind jedoch die Erwägungen, mit denen das [X.] die Herabsetzung des Honorars gemäß § 3 Abs. 3 [X.] abge-lehnt hat.

a) § 3 Abs. 3 Satz 1 [X.] (so jetzt auch § 4 Abs. 4 RVG) räumt dem [X.] das Recht und die Pflicht ein, eine vereinbarte Vergütung, die unter Berücksichtigung aller Umstände unangemessen hoch ist, herabzusetzen. Die - 10 - Herabsetzung ist ein gestaltender richterlicher Eingriff in den von dem Rechts-anwalt mit dem Auftraggeber geschlossenen Vertrag, der mit der besonderen Stellung des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege und dem Erfordernis des Mandantenschutzes gerechtfertigt wird ([X.], [X.]. v. 15. Mai 1997, [X.]O [X.] m.w.[X.]; [X.]/[X.]/[X.], [X.]O § 3 Rn. 31).

Für die Beantwortung der Frage, ob die vereinbarte Vergütung unange-messen hoch ist, kommt es nicht darauf an, was bei Vertragsschluß vorauszu-sehen war und bei der Vereinbarung kalkuliert wurde, sondern es ist die [X.] Entwicklung zu berücksichtigen ([X.]/[X.]/[X.], [X.]O § 3 Rn. 36 m.w.[X.]; [X.]/v. Eicken/[X.], [X.] 15. Aufl. § 3 Rn. 24; OLG Düsseldorf OLGR 1996, 211). Der Gesetzgeber hat den Begriff "unter Berücksichtigung aller Umstände" nicht näher erläutert. In Rechtsprechung und Literatur haben sich aber gewisse Faktoren herausgebildet, die hierbei zu be-achten sind. Danach kommen namentlich in Betracht: die Schwierigkeit und der Umfang der Sache, ihre Bedeutung für den Auftraggeber, das Ziel, das der [X.] mit dem Auftrag angestrebt hat. Weiter ist wesentlich, in welchem Umfang dieses Ziel durch die Tätigkeit des Rechtsanwalts erreicht worden ist, wie weit also das Ergebnis tatsächlich und rechtlich als Erfolg des Rechtsan-walts anzusehen ist. Die Stellung des Rechtsanwalts und die [X.] sind ebenfalls zu berücksichtigen (vgl. grundle-gend OLG München NJW 1967, 1571, 1572; [X.]/[X.]/[X.], [X.]O § 3 Rn. 37; [X.]/v. Eicken/[X.], [X.]O § 3 Rn. 25).

Nach § 3 Abs. 3 Satz 2 [X.] hat das Gericht vor der Herabsetzung ein Gutachten des [X.] einzuholen. Diese Verpflichtung besteht allerdings nur dann, wenn eine Herabsetzung beabsich-- 11 - tigt ist ([X.]/[X.], [X.]O § 3 Rn. 113 m.w.[X.]). Das Gutachten ist (wie bei § 12 Abs. 2 [X.]) ein Rechtsgutachten, welches die Kontrolle des [X.] durch das Prozeßgericht unterstützen soll ([X.], [X.]. v. 11. Dezember 2003 - [X.] ZR 109/00, NJW 2004, 1043, 1046). Das Gericht ist an das Gutachten, das der freien richterlichen Würdigung unterliegt, nicht gebunden ([X.] [X.]O S. 1046; [X.]/[X.], [X.]O § 12 Rn. 102; [X.], [X.]O § 3 Rn. 18).

b) Gemessen an diesen Grundsätzen hält das Berufungsurteil den An-griffen der Revision nicht stand. Das Berufungsgericht hat den Rechtsbegriff "unangemessen hoch" verkannt.

[X.]) Es hat die vereinbarte Pauschale gemäß § 628 BGB herabgesetzt, weil Rechtsanwalt [X.]nur an zwei von ursprünglich fünf geplanten [X.] teilgenommen habe. Dies ist rechtsfehlerhaft. Bei einer vorzeitigen Beendigung des Mandats ist zunächst zu prüfen, welcher Teil des vereinbarten Pauschalhonorars dem Verteidiger nach § 628 Abs. 1 Satz 1 BGB zusteht. Erst dann, wenn der dem Rechtsanwalt zustehende Teil noch immer wesentlich höher als die gesetzliche Vergütung ist, kommt eine weitere Herab-setzung nach § 3 Abs. 3 [X.] in Betracht. § 628 BGB ist gegenüber § 3 Abs. 3 [X.] vorrangig ([X.], [X.]. v. 16. Oktober 1986 - [X.], NJW 1987, 315; [X.]/v. Eicken/[X.], [X.]O § 3 Rn. 19 m.w.[X.]). Unter Zugrundelegung dieser Rechtsauffassung ist die Rechtsanwaltskammer in ih-rem Gutachten von einem Pauschalhonorar in Höhe von 24.000 DM ausge-gangen. Die Revisionserwiderung nimmt dies im Anschluß an einen [X.] Vortrag der Klägerin in der Berufungsinstanz hin. - 12 - [X.]) Gegenstand der Prüfung gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 [X.] ist [X.] folgende [X.]:
Pauschale 24.000,00 DM [X.] Kopien 43,00 DM Auslagenpauschale 30,00 DM Kosten [X.]-[X.]eil 8,00 DM Summe: 64.881,00 DM 16 % Mehrwertsteuer 10.380,00 DM Summe: 75.261,96 DM abzüglich Vorschußzahlung 34.800,00 DM Restforderung: 40.461,96 DM

Eine Gegenüberstellung mit den gesetzlichen Höchstgebühren, die im Streitfall entstanden wären, ergibt folgendes Bild:

Erster [X.] (§ 83 Abs. 1 Nr. 2 [X.]) 1.520,00 DM Zweiter [X.] (§ 83 Abs. 1 Nr. 2 [X.]) 760,00 DM 16 % Mehrwertsteuer

364,80 DM
Gesamtsumme: 2.644,80 DM

cc) Hiernach übersteigt die vereinbarte Vergütung die gesetzlichen Höchstbeträge um mehr als das Achtundzwanzigfache (75.261,96 : 2.644,80 = 28,46), so daß sich die Frage aufdrängt, ob sich eine vereinbarte Vergütung schon deshalb als unangemessen hoch erweist. - 13 -

(1) Der [X.] hat in seiner Rechtsprechung allein das mehrfache Überschreiten der gesetzlichen Gebühren ohne Berücksichtigung des tatsächlichen Aufwandes nicht für ein [X.] Mißverhältnis von an-waltlicher Leistung und vereinbarter Gegenleistung ausreichen lassen ([X.] 144, 343, 346; [X.], [X.]. v. 4. Juli 2002 - [X.] ZR 153/01, [X.], 2774, 2775; [X.]. v. 15. Mai 1997 [X.]O [X.]; vgl. ferner [X.], [X.] 2002, 268 m.w.[X.]; [X.]/v. Eicken/[X.], [X.]O § 3 Rn. 20; Gebau-er/[X.], [X.]O § 3 Rn. 121). Dann kann für die Qualifizierung eines Hono-rars als "unangemessen hoch" nichts anderes gelten. Allerdings hat der Bun-desgerichtshof ([X.] 144, 343, 346) nach der Höhe des Streitwerts differen-ziert. Bei hohen Streitwerten hat er ein Honorar für unangemessen gehalten, das mehr als das Fünffache der gesetzlichen Gebühren betrug, weil nichts [X.] spreche, daß die anwaltliche Tätigkeit durch die gesetzlichen Gebühren nicht angemessen abgegolten sei ([X.] 144, 343, 346).

Diese Rechtsprechung läßt sich - unabhängig davon, daß sie die Sit-tenwidrigkeit und nicht die Unangemessenheit betrifft - auf die streitgegenständliche Problematik nicht ohne weiteres übertragen, weil sich hier die gesetzlichen Gebühren (§§ 83 ff [X.]) nicht nach dem Streitwert richten.

(2) Das hindert den Senat jedoch nicht, auch für [X.] ei-ne Grenze festzulegen, bei deren Überschreitung regelmäßig davon auszuge-hen ist, das Honorar sei im Sinne des § 3 Abs. 3 [X.] unangemessen hoch. Nach dem Sinn und Zweck dieser Gesetzesbestimmung soll ein Rechtsanwalt sich beim Abschluß einer Honorarvereinbarung Mäßigung auferlegen ([X.], [X.]. v. 15. Mai 1997, [X.]O [X.]). Zur Durchsetzung dieses [X.] 14 - tes ist die Festlegung einer allgemein verbindlichen [X.] angezeigt. Hierbei müssen die gesetzlichen Gebühren Ausgangspunkt sein (vgl. [X.] 144, 343, 346; OLG Düsseldorf [X.]O [X.]). Mit ihnen bemißt der Gesetzgeber den ökonomischen Wert der anwaltlichen Arbeit. Durch die Einführung von Rahmengebühren (§ 12 [X.]) und die Angabe von konkreten Bestimmungs-faktoren hat er Raum für einzelfallbezogene Überlegungen gegeben, anderer-seits auch Grenzen gesetzt. An die diesen Grenzen zugrunde liegenden Wert-vorstellungen haben die Erwägungen zur Unangemessenheit im Sinne des § 3 Abs. 3 [X.] anzuknüpfen. Vor diesem Hintergrund wäre es verfehlt, die Maßstäbe des Marktes als Bezugspunkt zu wählen, indem der Betrag zugrunde gelegt wird, der sich dort durchsetzen läßt. Mit einer solchen Sichtweise wäre der gewollten normativen Begrenzung von Honoraransprüchen, die auf Mäßi-gung abzielt, praktisch der Boden entzogen. Ein fester und einfach zu berech-nender Maßstab kann nicht nur die Instanzgerichte bei der häufig sehr schwie-rigen und aufwendigen Einzelfallprüfung im Rahmen dieser Vorschrift entla-sten, sondern gleichzeitig eine einheitliche Rechtsanwendung gewährleisten. Außerdem kann er eine vorbeugende Wirkung gegen unangemessen hohe Vergütungsvereinbarungen herbeiführen und den durch § 3 Abs. 3 [X.] erstrebten Schutz des Mandanten, der ihn bei vertraglichen Vergütungsrege-lungen vor Auswüchsen bewahren soll, verstärken.

(3) Vereinbart ein Rechtsanwalt bei [X.] eine Vergütung, die mehr als das Fünffache über den gesetzlichen Höchstgebühren liegt, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, daß sie unangemessen hoch ist und das Mäßigungsgebot des § 3 Abs. 3 [X.] verletzt. Diese Vermutung kann jedoch durch den Rechtsanwalt entkräftet werden, wenn er ganz [X.], geradezu extreme einzelfallbezogene Umstände darlegt, die es möglich - 15 - erscheinen lassen, die Vergütung bei Abwägung aller für § 3 Abs. 3 [X.] maßgeblichen Gesichtspunkte nicht als unangemessen hoch anzusehen. [X.] bei [X.] mag im Einzelfall unter ganz außergewöhnlichen Umständen auch das Fünffache der gesetzlichen Höchstgebühren nicht aus-kömmlich sein. Der Gesetzgeber hat dort die [X.]e als zen-tralen Bemessungsfaktor für die Vergütung gewählt und durch die [X.] einen ausreichenden Spielraum geschaffen, um einzelfallbezogenen Umständen Rechnung tragen zu können. Es kann davon ausgegangen werden, daß grundsätzlich innerhalb dieses Rahmens eine angemessene Vergütung erzielt werden kann, und die Anzahl der Verhandlungstage eine tendenziell taugliche Bemessungsgrundlage darstellt. Es gibt jedoch Fälle, in denen diese Vermutungswirkung ersichtlich entkräftet wird. Insbesondere bei aufwendigen Strafverfahren, die durch Absprachen zwischen Gericht, St[X.]tsanwaltschaft und Verteidigung wesentlich vereinfacht werden, findet die eigentliche Arbeit außerhalb der Hauptverhandlung statt. Diese dient später lediglich dazu, das außerhalb der Hauptverhandlung gewonnene und verabredete [X.] zu bestätigen. Dafür reichen meist ein oder zwei Verhandlungstage aus, so daß der indizielle Zusammenhang zwischen Arbeitsaufwand und [X.] in solchen Fällen aufgelöst ist. Es liegt auf der Hand, daß ein Rechtsanwalt, der in die Vorbereitungen für den Abschluß einer solchen Ab-sprache ungewöhnlich viele Stunden Arbeit investiert hat, bei lediglich einem Verhandlungstag auch mit dem Fünffachen der gesetzlichen Höchstgebühr gemäß § 3 [X.] nicht angemessen vergütet wird. In solchen und anderen Extremfällen kann die Vermutungswirkung widerlegt werden.

[X.]) Die danach gebotene umfassende Würdigung der gemäß § 3 Abs. 3 [X.] maßgeblichen Umstände hat das Berufungsgericht unterlassen. Bei - 16 - deren Nachholung wird es insbesondere die folgenden, von der Revision mit Recht genannten Gesichtspunkte berücksichtigen müssen:

(1) Die Vermögensverhältnisse des [X.]n (vgl. dazu oben zu [X.]) hat das Berufungsgericht nicht in seine Erwägungen einbezogen. Der [X.] hat dazu unter Beweisantritt vorgetragen, er habe im Jahre 1993 die eidesstatt-liche Versicherung abgegeben und sich den ersten Teil der Pauschale von ei-nem Bekannten leihen müssen. Beides habe er [X.]mitgeteilt. Dieser hat unstreitig darauf bestanden, daß die zweite Hälfte der Pauschalzahlung ding-lich zu sichern sei über eine Grundschuld auf einem Grundstück, welches im Eigentum der Tochter des [X.]n stand, weil er offenbar fürchtete, er könne die Erfüllung des vereinbarten Honorars ansonsten möglicherweise nicht durchsetzen.

(2) Auch zu der Schwierigkeit und dem Umfang des Mandats hat das Berufungsgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Statt dessen hat es sich auf die floskelhafte Wendung beschränkt, daß Rechtsanwalt [X.] "in einem äußerst umfangreichen Wirtschaftsstrafverfahren" tätig ge-worden sei, und darauf verwiesen, er habe in kurzer [X.] sechs bis acht Leitz-ordner durchzuarbeiten gehabt. Damit hat das Berufungsgericht nicht einmal im Ansatz den Sachvortrag der Parteien ausgeschöpft. So hat es sich nicht mit den eingereichten Unterlagen (Anklageschrift; Strafanzeige; Schutzschrift; Factoringvertrag und Beweisanträge) auseinandergesetzt und den [X.] Sachvortrag hierzu nicht gewichtet und bewertet. Auf der Grundlage dieser Schriftstücke und des Sachvortrags des [X.]n ist die Wertung eines "äußerst umfangreichen Wirtschaftsstrafverfahrens" nicht gerechtfertigt. Auch trifft das Berufungsgericht keine Aussage über den Schwierigkeitsgrad des - 17 - Verfahrens. Weiter fehlen Feststellungen zu dem "Erfolg" der Tätigkeit von Rechtsanwalt [X.]. Der [X.] hat vorgetragen, daß das Verfahren am 19. Oktober 1998 unterbrochen wurde, weil weitere Ermittlungen durch die St[X.]tsanwaltschaft vorgenommen werden sollten. Die Klägerin hat dies mit Nichtwissen bestritten, gleichzeitig jedoch die Vermutung geäußert, daß dies ihrem Verteidigungsverhalten zuzuschreiben gewesen sei.

Schließlich fehlen Feststellungen zu den Versprechungen der Klägerin über den Umfang und den Inhalt des von ihr beabsichtigten Verteidigungsver-haltens und der Einhaltung dieser Zusagen. So hat der [X.] unter [X.] vorgetragen, daß die Klägerin zugesagt habe, "buchartige Schriftstücke" zu fertigen, mit denen das Gericht "zugeschüttet" werden sollte. Die Verteidi-gung werde die Themen der Verhandlungstage letztlich bestimmen oder aber zumindest nachhaltig beeinflussen. Die Länge und die Fülle der Schriftsätze sollten das Gericht dazu bringen, allein wegen der Unüberschaubarkeit der maßgeblichen Sachverhalte "die Akte zu schließen". Diese Versprechen seien nicht eingehalten worden. Im Gegenteil: Rechtsanwalt [X.] sei unvorberei-tet in die Hauptverhandlung gegangen. So habe er andere Verteidiger gebeten, die Verhandlungsführung zu übernehmen, da er nach eigenen Angaben nicht genügend mit dem Stoff vertraut sei.

In diesem Zusammenhang ist das Berufungsgericht auch nicht der Be-hauptung des [X.]n nachgegangen, Rechtsanwalt [X.]

habe Rechtsanwalt [X.] als einen auf dem Gebiet des Strafrechts ausgewiese-nen Spezialisten bezeichnet, obwohl er zum damaligen [X.]punkt nur als Fach-anwalt für Steuerrecht im Briefkopf aufgeführt gewesen ist. Als ausgewiesenen Spezialisten im Strafrecht sieht selbst die Revisionserwiderung Rechtsanwalt - 18 - [X.]nicht an; denn sie verweist darauf, es habe für den [X.]n von [X.] an offensichtlich sein müssen, daß keiner der Rechtsanwälte der Klägerin Fachanwalt für Strafrecht war. Da nach der Anklageschrift nicht erkennbar ist, daß auch steuerrechtliche Fragen für die strafrechtliche Bewertung des [X.] bedeutsam sein konnten, konnten sich spezielle [X.] Erfahrungen des Rechtsanwalts [X.]nur insoweit zugunsten des [X.] auswirken, als dieser im Rahmen von Steuerstrafverfahren zwangsläu-fig auch allgemeine strafrechtliche Erfahrungen gesammelt hat. Auch hierzu hätte das Berufungsgericht Feststellungen treffen müssen, weil die [X.]/Reputation des Rechtsanwalts nach der Rechtsprechung ([X.] [X.] 2002, 268) gerade bei (Pauschal-)Honorarvereinbarungen in Strafsachen ein gewichtiges Abwägungsmerkmal darstellt.

(3) Schließlich ist zwischen den Parteien streitig, ob der [X.] von der Klägerin darauf hingewiesen wurde, daß das vereinbarte Honorar erheblich über den Rahmenbeträgen der §§ 83, 84 [X.] liege. Auch hierzu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.

Bei der Festlegung und Bewertung von Abwägungsfaktoren im Rahmen einer umfassenden Billigkeitsentscheidung gemäß § 3 Abs. 3 [X.] stellt der Hinweis des Rechtsanwalts an den Mandanten auf die Höhe der Überschrei-tung der gesetzlichen Gebühren ein weiteres (wenn auch nicht besonders ge-wichtiges) Abwägungsmerkmal dar, weil es einen Wertungsunterschied macht, ob der Mandant die Honorarvereinbarung in dem Bewußtsein einer Überschrei-tung der gesetzlichen Gebühren unterzeichnet oder ihm das nicht bewußt ist.

- 19 - II[X.]
Das angefochtene [X.]eil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dieses wird bei seiner [X.] die unterlassenen Feststellungen nachzuholen und [X.] auch zu berücksichtigen haben, daß der vereinbarte Stundensatz nicht den Aufwand für Fahrten zwischen Gericht und Kanzlei umfaßt. Die [X.] trifft hierzu keine eindeutige Aussage. Im Hinblick auf die ungewöhnlich hohe Vergütung konnte der [X.] nicht ohne weiteres davon ausgehen, daß diese auch den zeitlichen Aufwand für die Fahrten zwischen der Kanzlei und - 20 - dem Gericht umfassen sollte, zumal es hier nur um Fahrten zum ortsansässi-gen Gericht ging. Jedenfalls wäre es Sache der Klägerin gewesen, die notwen-dige Klarstellung in der Honorarvereinbarung herbeizuführen. Als [X.] hat sie nach der Rechtsprechung des [X.]es dafür Sorge zu tragen, daß jede Abweichung von gesetzlichen Gebühren eindeutig und un-mißverständlich festgelegt wird, so daß der Mandant unschwer erkennen kann, was er zu bezahlen hat ([X.], [X.]. v. 25. Februar 1965 - [X.], NJW 1965, 1023).

[X.] Ganter [X.]

[X.]

[X.]

Meta

IX ZR 273/02

27.01.2005

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.01.2005, Az. IX ZR 273/02 (REWIS RS 2005, 5277)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 5277

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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