Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.10.2010, Az. IX ZR 37/10

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 2142

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 21. Oktober 2010 [X.] Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] § 675 Abs. 1 Zur Herabsetzung eines [X.]honorars für einen Strafverteidiger. [X.], Urteil vom 21. Oktober 2010 - [X.] - [X.] LG Wuppertal - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. Oktober 2010 durch den Vorsitzenden [X.] [X.], die [X.] Prof. Dr. Gehrlein und [X.], die [X.]in [X.] und den [X.] Dr. [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird unter Zurückweisung im Übri-gen das Urteil des 24. Zivilsenats des [X.] vom 18. Februar 2010 im Kostenpunkt und insoweit aufgeho-ben, als die Klage auf Zahlung eines [X.]s in Höhe von 13.923,85 • nebst Zinsen abgewiesen wurde. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Nichtzulassungsbe-schwerde und der beiden Revisionsverfahren, an das Berufungs-gericht zurückverwiesen. [X.] des Beklagten wird zurückgewiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Der Kläger verteidigte den Beklagten in einem Strafverfahren vor dem Schöffengericht. Der Beklagte wurde beschuldigt, in seiner Eigenschaft als Ge-schäftsführer einer GmbH in der [X.] von Februar 1991 bis November 1994 in 46 Fällen Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite 1 - 3 - in Höhe von mindestens 550.000 DM nicht abgeführt und tateinheitlich Betrug begangen sowie Gewerbe- und Körperschaftsteuer von etwa 400.000 DM ver-kürzt zu haben. Der Beklagte wurde mit Urteil des Schöffengerichts vom 17. Dezember 2002 wegen Beitragsvorenthaltung in Tateinheit mit Betrug in 22 Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von neun Mona-ten verurteilt; das Verfahren wegen der Steuerhinterziehung wurde gemäß § 154 StPO eingestellt. Hiergegen legten die Staatsanwaltschaft sowie der - zunächst wiederum durch den Kläger vertretene - Beklagte Berufung ein. Am 26. Juni 2007 legte der Kläger das Mandat nieder. Später wurde das Verfahren gegen den Beklagten, der nunmehr von seinen jetzigen Instanzanwälten vertei-digt wurde, gegen Zahlung einer Geldbuße von 20.000 • gemäß § 153a StPO eingestellt. Diesem Strafverfahren war ein im Jahre 1994 eingeleitetes Ermittlungs- und Strafverfahren mit gleichem Tatvorwurf vorausgegangen, das nach durch-geführter Hauptverhandlung wegen eines Verfahrenshindernisses am 10. No-vember 1999 eingestellt worden war. Auch in diesem Verfahren war der [X.] durch den Kläger verteidigt worden. Das hierfür berechnete Honorar in Höhe von 11.554,07 • hat der Kläger erhalten. 2 Unmittelbar nach Zustellung der zweiten Anklage unterzeichnete der [X.] am 7. Dezember 1999 eine als Honorarvereinbarung bezeichnete, vom Kläger vorformulierte Erklärung, in der es u.a. heißt: 3 "1. Wegen des Umfangs und der besonderen Bedeutung der Sa-che wird vereinbart, daß ich statt der gesetzlichen Gebühren ein Honorar in Höhe von 450.- DM (in [X.]) je Stunde zahle. Ein Viertel des vereinbarten Stundensatzes wird für jede angefangene 15 Minuten berechnet. Bei Tätigkeiten außerhalb des Büros des Verteidigers beginnt die - 4 - [X.] mit dem Verlassen des Büros und endet mit der Rückkehr im Büro. Es sind mindestens die gesetzlichen Gebühren vereinbart. Diese Vereinbarung gilt auch im Falle der Hauptverhandlung." Auf der Grundlage der dem Beklagten unter dem 29. November 2004 er-teilten Kostennote fordert der Kläger unter Berücksichtigung einer Teilzahlung von 2.000.- • ein [X.]honorar von weiteren 23.094,79 •. 4 Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Honorarvereinbarung zunächst für unwirksam erachtet und die Klage abge-wiesen. Nach Aufhebung dieser Entscheidung durch den Senat (Urt. v. 19. Mai 2009 - [X.] ZR 174/06, [X.], 3301) hat das Berufungsgericht das geltend gemachte [X.] in Höhe von 9.170, 94 • für begründet erach-tet und die weitergehende Klage abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen bislang nicht zuerkannten Honoraranspruch weiter. Der Beklagte wendet sich im Wege der [X.] gegen die vom Berufungsgericht zugesprochene Vergütung. 5 Entscheidungsgründe: Die Revision des [X.] hat überwiegend Erfolg. [X.] des Beklagten ist unbegründet. 6 - 5 - [X.] Das Berufungsgericht, dessen Urteil in [X.]. 2010, 90 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, die nach Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 der Honorarvereinbarung ver-einbarte [X.]taktklausel sei nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirk-sam. Der vereinbarte fünfzehnminütige [X.]takt führe zu einer evidenten Be-nachteiligung des Mandanten. Die Klausel entfalte strukturell zu Lasten des Mandanten in erheblicher Weise sich kumulierende Rundungseffekte. Infolge der Unwirksamkeit der [X.]taktklausel könnten die vom Kläger abgerechneten 23 [X.]intervalle, was einem Aufwand von 322 Minuten (5,37 Stunden) entspre-che, keine Berücksichtigung finden. Der abzuziehende Honoraranteil betrage 1.235,53 • (5,37 Stunden x 230,08 •). 7 Ein weiterer Honorarabzug von insgesamt 9,58 Stunden ergebe sich daraus, dass der Kläger wiederholt [X.]aufwand abgerechnet habe, der ersicht-lich nicht angefallen oder objektiv nicht erforderlich gewesen sei. So könne der Kläger für die am 7. Dezember 1999 erbrachten Leistungen nur einen Stunden-aufwand von vier anstelle der berechneten acht Stunden beanspruchen. Das geltend gemachte Aktenstudium für "4 [X.] 4-Ordner" sei nicht berücksichti-gungsfähig, weil nicht festgestellt werden könne, dass dem Kläger, der im [X.] erst im November 2002 Akteneinsicht genommen habe, diese Ordner bereits am 7. Dezember 1999 vorgelegen hätten. Für die beiden Hauptverhand-lungstage im Dezember 2002 könne der abgerechnete [X.]aufwand von jeweils sieben Stunden angesichts der tatsächlichen Dauer der Sitzungen (2,75 und 2,67 Stunden) und des hinzuzurechnenden [X.]bedarfs für An- und Abreise nicht in voller Höhe anerkannt werden. Es verbleibe ein unaufgeklärter [X.]auf-wand von 2,75 und 2,83 Stunden, den der hierzu in der mündlichen Verhand-lung befragte Kläger nicht habe verlässlich erläutern können. 8 - 6 - Die danach verbleibende [X.]vergütung belaufe sich unter Berücksichti-gung der vorstehenden Abzüge auf 17.900,22 •. Im Sinne des hier noch an-wendbaren § 3 Abs. 3 Satz 1 [X.] sei diese Vergütung unangemessen hoch und müsse auf ein angemessenes Honorar in Höhe von 9.336,60 • herabge-setzt werden. Das vereinbarte Honorar in der vorgenannten Höhe übersteige die gesetzliche Nettovergütung um etwa das 16-fache. Es handele sich um eine allenfalls durchschnittliche Angelegenheit. Maßgeblich sei, dass es keine [X.] gewesen sei, keine erhebliche Freiheitsstrafe gedroht habe, die [X.] 46 [X.] völlig gleichförmig gewesen seien und eine lückenhafte Anklageschrift vorgelegen habe, so dass eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung nicht ernsthaft in Betracht gekommen sei. Ferner sei zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits mit der Angelegenheit durch eine aus-führliche Vorbefassung vertraut gewesen, und die Sache vor dem Schöffenge-richt in nur zwei Hauptverhandlungstagen von kurzer Dauer verhandelt worden sei. Von überdurchschnittlicher Bedeutung seien lediglich die [X.] in der Anklageschrift und die ihr zugrunde liegenden Modellrechnungen der gesetzlichen Krankenkasse und des Finanzamts gewesen sowie die [X.] und Vermögensverhältnisse des Beklagten. Im konkreten Fall sei es zwar angemessen gewesen, die Vergütung nach [X.]aufwand zu bestimmen, weil in Wirtschaftsstrafsachen, zu denen auch Strafverfahren wegen Hinterzie-hung von Steuern und unterlassener Abführung von [X.] gehörten, sich die Dauer des Verfahrens ebenso wenig abschätzen lasse wie der konkrete Ablauf. Der ausgehandelte Stundensatz von 450 DM [230,08 •] sei jedoch nicht angemessen. Er müsse auf 180 • herabgesetzt wer-den. Ein höherer Stundensatz sei nicht gerechtfertigt, weil die Angelegenheit nicht höher als durchschnittlich eingestuft werden könne. Üblicherweise verein-barten Rechtsanwälte [X.]honorare, deren durchschnittlicher Stundensatz bei 9 - 7 - 180 • liege, wie aus der Erhebung des [X.] im Frühjahr 2005 her-vorgehe. Die gegenteiligen Ausführungen in dem vom Vorstand der [X.]erstellten Gutachten stünden dieser Beurteilung nicht ent-gegen, weil sich dieses nur gänzlich unzureichend mit den fallbezogenen Um-ständen befasst habe. Auch der in Rechnung gestellte sonstige [X.]aufwand erweise sich als unangemessen. Die abgerechneten 77,8 Stunden seien nur im Umfang von 51,87 Stunden erforderlich gewesen. 10 Zinsen könne der Kläger nicht ab Rechtshängigkeit beanspruchen. Der geltend gemachte Honoraranspruch sei in feststellbarer Weise erst am Tage der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] einforderbar geworden, als die Parteien über den zuvor eingereichten Schriftsatz verhandelt hätten. Erst in diesem Schriftsatz habe der Kläger den abgerechneten [X.]aufwand nach Tä-tigkeitsmerkmalen hinreichend aufgeschlüsselt dargestellt. 11 I[X.] Diese Ausführungen halten, bezogen auf die Revision des [X.], rechtlicher Prüfung nur in geringem Umfang stand. 12 1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger seine Tätigkeit als Strafverteidiger auf der Grundlage eines [X.] abrechnen konnte. Eine derartige Vergütung ist nach der [X.] Rechtsprechung nicht als unangemessen zu beanstanden, wenn diese Honorarform unter Würdigung der Besonderheiten des Einzelfalls sachgerecht 13 - 8 - erscheint ([X.], NJW-RR 2010, 259, 260; [X.], Urt. v. 3. April 2003 - [X.] ZR 113/02, NJW 2003, 2386, 2387; v. 4. Februar 2010 - [X.] ZR 18/09, NJW 2010, 1364 Rn. 73 z.[X.]. in [X.] 184, 209). Dies hat das Berufungsgericht im [X.] auf den Umstand, dass bei Wirtschaftsstrafsachen der hier vorliegenden Art weder die Dauer des Verfahrens noch dessen konkreter Ablauf im Voraus abgeschätzt werden kann, mit sachgerechten Erwägungen bejaht. 2. Demgegenüber erweist sich die Beurteilung des Berufungsgerichts, der von den Parteien vereinbarte Stundensatz von 450 DM [230,08 •] sei [X.] und müsse gemäß § 3 Abs. 3 [X.] auf 180 • herabgesetzt wer-den, als rechtsfehlerhaft. 14 a) Die Frage der Unangemessenheit nach § 3 Abs. 3 [X.] ist unter dem allgemeinen Gesichtspunkt des § 242 BGB zu beurteilen, also danach, ob sich das Festhalten an der getroffenen Vereinbarung unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls als unzumutbar und als ein unerträgli-ches Ergebnis darstellt. Nach dem der Vorschrift des § 3 Abs. 3 [X.] in [X.] mit § 242 BGB innewohnenden Rechtsgedanken kommt die Abänderung einer getroffenen Vereinbarung nur dann in Betracht, wenn es gilt, Auswüchse zu beschneiden. Der [X.] ist jedoch nach § 3 Abs. 3 [X.] nicht befugt, die vertraglich ausbedungene Leistung durch die billige oder angemessene zu ersetzen. Folglich ist nicht darauf abzustellen, welches Honorar im gegebenen Fall als angemessen zu erachten ist, sondern darauf, ob die zwischen den [X.] getroffene Honorarvereinbarung nach Sachlage als unangemessen hoch einzustufen ist. Ein vereinbartes Honorar kann nicht mehr "angemessen" sein, ohne den Tatbestand des § 3 Abs. 3 [X.] zu erfüllen ([X.], Urt. v. 4. [X.] 2010, aaO Rn. 87; [X.] NJW 1967, 1571, 1572; [X.] NJW 1998, 1960, 1962; [X.] AGS 2007, 550, 552; [X.], RVG 3. Aufl. § 3a 15 - 9 - Rn. 37). Für eine Herabsetzung ist danach nur Raum, wenn es unter Berück-sichtigung aller Umstände unerträglich und mit den Grundsätzen des § 242 BGB unvereinbar wäre, den Mandanten an seinem [X.] ([X.], Urt. v. 4. Februar 2010 - [X.] ZR 18/09, aaO Rn. 87; [X.] in [X.]/Sußbauer, [X.] 8. Aufl. § 3 Rn. 37; [X.] in [X.], [X.] 15. Aufl. § 3 Rn. 20). Es muss demnach ein krasses, evidentes Miss-verhältnis zwischen der anwaltlichen Leistung und ihrer Vergütung gegeben sein ([X.], Urt. v. 4. Februar 2010, aaO; [X.] in [X.]/[X.]/ Schons, RVG 2. Aufl. § 4 Rn. 107). b) Den danach anzuwendenden Prüfungsmaßstab der [X.] hat das Berufungsgericht verfehlt, indem es ausgehend von einem durch-schnittlichen Stundensatz von 180 • für Rechtsanwälte diesen auch für die hier in Rede stehende Vergütung in Ansatz gebracht hat. Damit hat das Berufungs-gericht einen von ihm als angemessen erachteten Stundensatz gebildet, aber die gebotene Prüfung versäumt, ob der vereinbarte Stundensatz unerträglich im vorbezeichneten Sinne ist. In diesem Zusammenhang kann als Ausgangspunkt nicht auf einen allgemeinen Durchschnittsatz für Rechtsanwälte abgestellt wer-den, sondern es muss hier bereits auf die Art des Mandats, eine Strafverteidi-gung in einer Wirtschaftsstrafsache, eingegangen werden (vgl. [X.], Urt. v. 4. Februar 2010, aaO Rn. 93). 16 c) Zudem hat sich das Berufungsgericht, wie die Revision zu Recht rügt, nicht hinreichend mit den gegenläufigen Ausführungen im Gutachten des [X.] auseinandergesetzt (vgl. [X.], Urt. v. 4. [X.] 2010, aaO Rn. 94). Das Gutachten, wonach Stundensätze in Strafsachen in Höhe von 500 DM als üblich und angemessen anzusehen sind, hat dies ent-gegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht nur zu den Verhältnissen im 17 - 10 - Jahre 2008 vertreten, sondern auch für die [X.] Ende 1999/Anfang 2000. Dies ergibt sich aus der Bezugnahme auf die Entscheidung [X.] AGS 2007, 550, 554, die sich mit einer am 18. Februar 2000, mithin zwei Monate nach dem Zustandekommen der hier maßgeblichen Vergütungsabrede getroffenen [X.], befasst. 3. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zum Arbeitsumfang und dem hierbei dem Kläger zuerkannten [X.] erweisen sich gleichfalls als rechtsfehlerhaft. 18 a) Soweit das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf die vom Kläger vorgelegte Stundenberechnung angenommen hat, der Kläger habe 23 [X.]in-tervalle im aufgerundeten [X.]takt von 15 Minuten abgerechnet, fehlt es an den hierfür erforderlichen Feststellungen. Weder aus dem Vortrag der Parteien noch aus den Ausführungen des Berufungsgerichts ergeben sich tragfähige Anhalts-punkte dafür, dass die Berechnung des [X.] tatsächlich auf einer [X.] beruht. Auf die vom Berufungsgericht für entscheidungserheblich angese-hene Frage nach der Wirksamkeit der [X.]taktklausel kommt es mithin nicht an. Soweit der Kläger für den 3. Mai und den 9. Juli 2001 30 Minuten und 15 Minuten berechnet hat, handelt es sich um einen konkreten Minutenauf-wand, dessen grundsätzliche Vergütungsfähigkeit das Berufungsgericht selbst nicht in Abrede gestellt hat. Auch insoweit bedarf es keines Rückgriffs auf die [X.]taktklausel. 19 b) Die Annahme des Berufungsgerichts, für das Studium von vier Akten-ordnern am 7. Dezember 1999 könne der Kläger nichts abrechnen, ist - unab-hängig davon, ob es sich, wie die Revision rügt, insofern um eine unzulässige Überraschungsentscheidung handelt - rechtlich nicht tragfähig. Als Begründung 20 - 11 - hat das Berufungsgericht angegeben, an jenem Tag hätten dem Kläger nur die "nicht mehr aktuellen" Aktenstücke vorliegen können, die aus Anlass des abge-schlossenen [X.] entstanden seien. Dass diese Aktenstücke nicht mehr aktuell gewesen seien, steht im Widerspruch zu der vom Berufungsgericht in anderem Zusammenhang hervorgehobenen "ausführlichen Vorbefassung" des [X.], derentwegen das neue Verfahren für den Kläger "eine allenfalls durchschnittliche Angelegenheit" gewesen sei. c) Die Annahme des Berufungsgerichts, die von ihm festgestellte [X.] von 77,80 Stunden sei für das streitgegenständliche Mandat nicht erforderlich gewesen und müsse um ein Drittel gekürzt werden, erweist sich im Hinblick auf die hierzu angeführte Begründung gleichfalls als unzutreffend. 21 aa) Die Erwägung des Berufungsgerichts, nach seiner Überzeugung ha-be der Kläger 9,58 Stunden in seiner Auflistung zu viel angegeben (vgl. hierzu die vorstehenden Ausführungen unter Ziff. 3 b), so dass auch die objektive Er-forderlichkeit der übrigen nachgewiesenen Stunden in Zweifel zu ziehen sei, trägt nicht. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt, um Vorsorge gegen eine unver-tretbare Aufblähung der Arbeitszeit durch den Rechtsanwalt zu Lasten des Mandanten zu treffen, ist vielmehr die Prüfung, ob die - nachgewiesenen - Stunden in einem angemessenen Verhältnis zu Umfang und Schwierigkeit der Sache stehen. Dabei geht es nicht darum, dem Rechtsanwalt sozusagen eine bindende Bearbeitungszeit vorzugeben, die er zur Vermeidung von [X.] nicht überschreiten darf. Da sich die Arbeitsweise von Rechtsanwäl-ten - wie jeder Mandant weiß - individuell unterschiedlich gestaltet, sind auch [X.]differenzen bei der Dauer der Bearbeitung grundsätzlich hinzunehmen. [X.] kann der von dem Rechtsanwalt nachgewiesene [X.]aufwand nur dann in vollem Umfang berücksichtigt werden, wenn er in einem angemessenen [X.] - 12 - hältnis zu Schwierigkeit, Umfang und Dauer der zu bearbeitenden [X.] steht ([X.], Urt. v. 4. Februar 2010 - [X.] ZR 18/09, aaO Rn. 85). Wird der Rechtsanwalt auf Wunsch des Mandanten, dem etwa an der Vertretung durch seinen Vertrauensanwalt gelegen ist, in einem ihm wenig geläufigen Rechtsge-biet tätig, wird der Mandant eine längere Bearbeitungszeit hinzunehmen haben. Schaltet der Mandant hingegen einen Spezialisten ein, darf er grundsätzlich davon ausgehen, dass der Rechtsanwalt die Sache innerhalb eines üblichen [X.]rahmens, ohne sich in der Erörterung rechtlicher Selbstverständlichkeiten oder für den Streitfall von vornherein unerheblicher Rechtsfragen zu verlieren, erledigt. Freilich ist auch bei der Beauftragung eines Spezialisten zu berücksich-tigen, ob es sich um eine "Routineangelegenheit" oder - was hier näher liegt - um einen besonders gelagerten, vielschichtigen Einzelfall handelt, für den, weil er sich einer zeitlichen Eingrenzung entzieht, keine im einzelnen konkretisierba-ren Bearbeitungszeiten gelten können. Die danach erforderliche Prüfung obliegt in erster Linie den Tatgerichten. Das Berufungsgericht wird vor diesem Hinter-grund eine überschlägige Schätzung anzustellen haben, welcher [X.]aufwand für die Durchsicht und Erfassung der Verfahrensakten sowie ihre rechtliche Durchdringung verhältnismäßig erscheint ([X.] AGS 2007, 550, 551). Entsprechendes gilt für zusätzlich geltend gemachten [X.]aufwand. [X.]) Die Revision beanstandet in diesem Zusammenhang zu Recht, dass das Berufungsgericht bei seiner Annahme, es habe sich bei der vorliegenden Strafverteidigung lediglich um eine durchschnittliche Angelegenheit gehandelt, wesentlichen Prozessstoff übergangen hat. 23 Dem vom Berufungsgericht für maßgeblich angesehenen Umstand der Vorbefassung in dem Erstverfahren kann nur untergeordnete Bedeutung zuge-messen werden, nachdem im Zweitverfahren zwischen Anklageerhebung und 24 - 13 - Hauptverhandlung drei Jahre lagen und mithin der Verfahrensstoff wieder neu erschlossen werden musste. Auch der vom Berufungsgericht für bedeutsam erachtete Gesichtspunkt, dass schließlich das Strafverfahren zu einer Einstel-lung nach § 153a StPO geführt hat, ist nicht geeignet, die Durchschnittlichkeit der Angelegenheit zu belegen. Auch hier kommt der vom Berufungsgericht nicht hinlänglich beachteten ungewöhnlichen Verfahrensdauer maßgebliches Gewicht zu. Erst im Jahre 2007 hat die [X.] Termin zur [X.] der Hauptverhandlung anberaumt, so dass die Verfahrenseinstellung auch darauf zurückzuführen sein dürfte, dass das zu ahndende Tatgeschehen bereits mehr als zehn Jahre zurücklag. Die Verfahrenseinstellung hinsichtlich der angeklagten Steuerstraftaten in erster Instanz lässt sich, wie die Revision zu Recht rügt, nicht als Beleg für die Durchschnittlichkeit des Verfahrens heranziehen. Dem Antrag der [X.] auf Verfahrenseinstellung war ein eigener Antrag seitens des [X.] vorausgegangen, so dass die Verfahrenseinstellung auch als (Arbeits-) Erfolg des Anwalts angesehen werden könnte (vgl. [X.], Urt. v. 4. Februar 2010, aaO Rn. 49). 25 Eine abschließende Entscheidung des [X.] ist im Hinblick auf die noch vorzunehmende tatrichterliche Würdigung der vorstehend ange-führten Umstände nicht möglich. 26 4. Im Ergebnis zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Honoraranspruch bei Klageerhebung noch nicht einforderbar gewesen ist und mithin der Kläger nur die zuerkannten Zinsen beanspruchen kann. 27 - 14 - a) Nach § 18 Abs. 1 Satz 1 [X.] (jetzt: § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG) kann der Rechtsanwalt die Vergütung nur aufgrund einer von ihm unterzeichneten und dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung einfordern. Eine Mitteilung der Berechnung in der Vergütungsklageschrift oder einem anderen Prozessschrift-satz reicht aber aus. Der Umstand, dass die Berechnung sachlich unzutreffend ist, nimmt der Berechnung nicht ihre Wirkung nach § 18 Abs. 1 Satz 1 [X.] ([X.], Urt. v. 4. Juli 2002 - [X.] ZR 153/01, [X.], 89, 91, zu § 18 Abs. 1 [X.]; v. 24. Mai 2007 - [X.] ZR 89/06, [X.], 2332, 2333 Rn. 7 zu § 10 Abs. 1 RVG). Für diese kommt es nur darauf an, dass die Berechnung dem Mandanten eine Überprüfung ermöglicht und damit gegebenenfalls Grundlage einer gerichtlichen Auseinandersetzung sein kann. 28 b) Diese Voraussetzungen trafen auf die Kostennote des [X.] vom 29. November 2004 nicht zu, weil den dort angegebenen einzelnen Tagen nicht die jeweilige Stundenanzahl zugeordnet wurde. Der Kläger hat lediglich die Ge-samtzahl aller Stunden vermerkt und die jeweiligen Tage ohne weitere Spezifi-zierung aufgeführt. Unter diesen Umständen konnte der Mandant vorprozessual keine weitere Überprüfung vornehmen. Eine nähere Auflistung nach einzelnen Tätigkeitsfeldern ist aber in der Kostennote entgegen der Ansicht des [X.] nicht geboten. 29 Das Urteil des Berufungsgerichts unterliegt daher - mit Ausnahme des Ausspruchs zum Zinsbeginn - der Aufhebung (§ 562 Abs. 1 ZPO), soweit es zum Nachteil des [X.] erkannt hat, und ist an das Berufungsgericht zurück-zuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). 30 - 15 - II[X.] [X.] des Beklagten, mit der er seinen Klageabwei-sungsantrag weiterverfolgt, ist unbegründet. 31 Entgegen der Ansicht der [X.] ist kein Raum für die [X.], dass das geltend gemachte [X.]honorar, soweit es vom Berufungsge-richt für angemessen erachtet wurde, gleichwohl der Herabsetzung nach § 3 Abs. 3 [X.] unterliegen könnte. 32 Die vom Berufungsgericht festgestellte, mehr als fünffache Überschrei-tung der gesetzlichen Höchstgebühren bildet zwar auch nach der neueren Rechtsprechung des Senats eine tatsächliche Vermutung für die Unangemes-senheit der vereinbarten Vergütung ([X.], Urt. v. 4. Februar 2010, aaO Rn. 48). Der in einer Gebührenvereinbarung zum Ausdruck kommende Vertragswille der Parteien lässt aber auf einen sachgerechten Interessenausgleich schließen, der grundsätzlich zu beachten ist. Deshalb darf die Entkräftung der tatsächlichen Vermutung der Unangemessenheit nicht von überzogenen Anforderungen ab-hängig gemacht werden ([X.], NJW-RR 2010, 259, 261; [X.], Urt. v. 4. Februar 2010, aaO Rn. 49). Die bei einem qualifizierten Überschreiten der gesetzlichen Gebühren eingreifende Vermutung der Unangemessenheit kann nicht nur in Fällen ganz ungewöhnlicher, geradezu extremer einzelfallbezogener Umstände widerlegt werden. Vielmehr kann auch in nicht durch derartige tat-sächliche Verhältnisse geprägten Gestaltungen das Vertrauen in die Integrität der Anwaltschaft im Blick auf die Vergütungshöhe dann nicht beeinträchtigt sein, wenn nachgewiesen ist, dass die vereinbarte Vergütung im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände gleichwohl angemessen ist. Dass die Vergütung in der vom Berufungsgericht zugesprochenen Höhe nicht [X.] - 16 - messen hoch ist, ergibt sich aus den Ausführungen zur Revision des [X.]. Danach kommt der von der [X.] befürwortete Verweis auf die ge-setzlichen Gebühren vorliegend nicht in Betracht. Ri[X.] [X.] ist wegen Erkrankung an der Unterschrift gehindert. [X.] Ganter [X.] [X.]

Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 18.11.2005 - 19 O 21/05 - [X.], Entscheidung vom [X.] - [X.]/05 -

Meta

IX ZR 37/10

21.10.2010

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.10.2010, Az. IX ZR 37/10 (REWIS RS 2010, 2142)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2142

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