Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 30.11.2023, Az. 1 BvR 1509/23

1. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2023, 9394

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Unzulässige Verfassungsbeschwerde bzgl § 256a Abs 4 SGB VI (RIS: SGB 6; rentenrechtliche Bewertung von Grundwehrdienst in der ehemaligen DDR) - insb Verstoß gegen Art 3 Abs 1, Abs 3 S 1 GG durch unterschiedliche Bewertung von Grundwehrdienstzeiten in NVA einerseits und Bundeswehr andererseits nicht substantiiert dargelegt


Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Entscheidungsgründe

I.

1

Der 1955 geborene Beschwerdeführer leistete vom 1. November 1973 bis 30. April 1975 seinen Grundwehrdienst in der [X.]. Diese Zeiten wurden bei der Berechnung seiner Altersrente nach dem [X.] ([X.]) gemäß der mittelbar angegriffenen Regelung des § 256a Abs. 4 [X.] mit 0,75 Entgeltpunkten (Ost) für das volle Kalenderjahr bewertet. Ein Grundwehrdienst in der [X.] wäre in dem entsprechenden Zeitraum mit 1,0 Entgeltpunkten für das volle Kalenderjahr berücksichtigt worden. Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde der Sache nach gegen diese Ungleichbehandlung.

II.

2

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil kein zwingender Annahmegrund nach § 93a [X.] vorliegt und auch sonst kein Grund für ihre Annahme ersichtlich ist. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist insbesondere nicht nach § 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.] zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt, weil sie bereits unzulässig ist und daher keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. [X.] 90, 22 <25 f.>).

3

1. Die Verfassungsbeschwerde ist insbesondere auch deswegen unzulässig, weil der Beschwerdeführer die Möglichkeit eines Verstoßes der angegriffenen Entscheidungen des [X.] und des [X.] sowie des hierdurch bestätigten, ebenfalls angegriffenen Bescheides und des Widerspruchsbescheids und der mittelbar angegriffenen Vorschrift des § 256a Abs. 4 [X.] gegen Art. 3 Abs. 1 oder Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nicht entsprechend den aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 [X.] folgenden Anforderungen dargelegt hat.

4

a) Die Begründung der Verfassungsbeschwerde muss sich danach mit dem zugrundeliegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts auseinandersetzen und hinreichend substantiiert darlegen, dass eine Grundrechtsverletzung möglich erscheint (vgl. [X.] 89, 155 <171>). Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit ihr und ihrer Begründung. Dabei ist auch darzulegen, inwieweit das jeweils bezeichnete Grundrecht verletzt sein und mit welchen verfassungsrechtlichen Anforderungen die angegriffene Maßnahme kollidieren soll (vgl. [X.] 99, 84 <87>; 108, 370 <386 f.>). Soweit das [X.] für bestimmte Fragen bereits verfassungsrechtliche Maßstäbe entwickelt hat, muss anhand dieser Maßstäbe dargelegt werden, inwieweit Grundrechte durch die angegriffenen Maßnahmen verletzt werden (vgl. [X.] 99, 84 <87>; 140, 229 <232 Rn. 9>).

5

b) In Bezug auf den angegriffenen Beschluss des [X.] legt der Beschwerdeführer nicht dar, dass das Gericht den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung in einer die Grundrechte des Beschwerdeführers verletzenden Weise ausgelegt und angewendet haben dürfte.

6

c) Der Beschwerdeführer legt auch die Möglichkeit eines Verstoßes der mittelbar angegriffenen Vorschrift des § 256a Abs. 4 [X.] und der darauf beruhenden angegriffenen Entscheidung des [X.] und der mit ihr angegriffenen Entscheidungen im Verwaltungs- und Vorverfahren gegen Art. 3 Abs. 1 oder Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nicht substantiiert dar.

7

aa) Aus der Begründung der Verfassungsbeschwerde ergibt sich kein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot in Bezug auf das Merkmal der Heimat nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG. Es ist nicht ersichtlich, dass die hier mittelbar angegriffene Regelung an dieses Kriterium anknüpfen würde (vgl. [X.] 107, 257 <269>; 116, 96 <130>).

8

bb) Der Beschwerdeführer legt daneben auch einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG nicht substantiiert dar.

9

Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit zwar nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt aber das Grundrecht, wenn er eine Gruppe im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl. [X.] 100, 1 <38>; 112, 368 <401>). Der Gestaltungsraum des Gesetzgebers war bei der Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Überführung der im Beitrittsgebiet erworbenen Ansprüche und Anwartschaften besonders weit (vgl. [X.] 100, 1 <38>). Ist eine Regelung am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes zu prüfen, die Bestandteil der gesetzlichen Überleitung von Renten aus einem System der Rentenversicherung in ein anderes System ist, so genügt es den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG, wenn der Überleitung ein sachgerechtes Konzept zu Grunde liegt und sich die zur verfassungsrechtlichen Prüfung gestellte Regelung in dieses Konzept einfügt (vgl. [X.] 112, 368 <401 f.>). Wird ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gerügt, ist in der Verfassungsbeschwerde darzulegen, zwischen welchen konkreten Vergleichsgruppen eine auch individuell nachteilig wirkende Ungleichbehandlung bestehen soll; daneben muss sich die Verfassungsbeschwerde auch mit naheliegenden Gründen für die Differenzierung auseinandersetzen (vgl. [X.] 131, 66 <82 f.>).

cc) Ausgehend hiervon legt der Beschwerdeführer nicht substantiiert dar, dass diejenigen Versicherten, die im Zeitraum vom 1. Mai 1961 bis 31. Dezember 1981 in der [X.] ihren Grundwehrdienst geleistet haben, durch die in § 256a Abs. 4 [X.] geregelte Bewertung auch dieser Zeiten mit 0,75 Entgeltpunkten für jedes volle Kalenderjahr gegenüber Versicherten mit entsprechenden Grundwehrdienstzeiten in der [X.] unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ungleich behandelt werden.

Der Beschwerdeführer legt vor allem nicht substantiiert dar, weshalb die in § 256 Abs. 3 Satz 1 [X.] für die Bewertung von [X.] in der [X.] mit 1,0 Entgeltpunkten pro Kalenderjahr zusätzlich vorausgesetzte Beitragszahlung ausgehend von dem gesetzgeberischen Konzept der [X.] und dem dabei bestehenden weiten Gestaltungsspielraum keinen die Ungleichbehandlung rechtfertigenden sachlichen Grund darstellen kann. Der Gesetzgeber wollte mit der Vereinheitlichung der [X.] eine beitragsfinanzierte Rentenversicherung mit lohnorientierten, dynamischen Leistungen schaffen (vgl. [X.] 100, 1 <6 f.>). Das [X.] hat dargelegt, dass die für die Differenzierung gerade maßgebende Beitragszahlung für Wehrdienstleistende in den alten Bundesländern ungeachtet der Besonderheiten ihrer versicherungstechnischen Durchführung den einzelnen Versicherten zugeordnet werden konnten. Weshalb der Gesetzgeber bei der Regelung der [X.] nicht an diesen zwischen den Vergleichsgruppen tatsächlich bereits bestehenden Unterschied hätte anknüpfen dürfen, trägt der Beschwerdeführer nicht vor. Im Ergebnis fordert der Beschwerdeführer, bei der rentenrechtlichen Bewertung seiner Wehrdienstzeit genauso gestellt zu werden, als hätte er den Wehrdienst in der [X.] geleistet. Hierbei setzt er sich aber nicht mit der von dem [X.] angeführten Rechtsprechung des [X.]s auseinander. Danach war der Gesetzgeber bei der [X.] verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, die Versicherten aus der [X.] so zu behandeln, als hätten sie ihre Erwerbsbiografie in der [X.] zurückgelegt (vgl. [X.] 100, 1 <40>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 30. August 2005 - 1 BvR 616/99 u.a. -, Rn. 48).

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 1509/23

30.11.2023

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 3. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend BSG, 15. Juni 2023, Az: B 5 R 217/22 B, Beschluss

Art 3 Abs 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 256a Abs 4 SGB 6

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 30.11.2023, Az. 1 BvR 1509/23 (REWIS RS 2023, 9394)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9394

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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