Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.12.2013, Az. V ZB 139/13

V. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 58

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB
139/13
vom

19. Dezember 2013

in der Abschiebungshaftsache

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2
-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Dezember 2013 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, [X.] Lemke und Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch und die Richterinnen Dr. [X.] und Weinland

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss des [X.] vom 30. August 2013 und der Beschluss der 3. Zivilkammer des [X.] vom 6.
September 2013 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben.
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der [X.] auferlegt.
Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 3.000

Gründe:
I.
Der Betroffene, ein [X.] Staatsangehöriger, reiste am 28.
August 2013 von [X.], wo er erfolglos einen Asylantrag gestellt hatte, ohne Ausweisdokumente und Aufenthaltstitel in die [X.] ein. Am nächsten Tag wurde er in [X.] von Beamten der beteiligten [X.] festgenommen.
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Diese beantragte am 29.
August 2013 bei dem Amtsgericht schriftlich die vorläufige Freiheitsentziehung im Wege der einstweiligen Anordnung für die [X.] vom 30.
August 2013 bis zum 11.
Oktober 2013. Der Antrag wurde dem Betroffenen übersetzt und ausgehändigt. In dem Termin zur Anhörung des Be-troffenen vor dem Amtsgericht stellte die beteiligte Behörde den Antrag mit der Maßgabe, dass keine einstweilige Anordnung, sondern die Anordnung von [X.] beantragt wird.
Mit Beschluss vom 30.
August 2013 hat das Amtsgericht gegen den Be-troffenen mit sofortiger Wirkung Haft zur Sicherung der Zurückschiebung bis zum 11.
Oktober 2013 angeordnet. Die dagegen gerichtete Beschwerde und den Antrag des Betroffenen, festzustellen, dass er durch den Beschluss des Amtsgerichts in seinen Rechten verletzt worden sei, hat das [X.] zu-rückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde will der
Betroffene die Feststellung erreichen, durch die Haftanordnung und durch den Beschluss des Beschwer-degerichts in seinen Rechten verletzt worden zu sein.
Der Senat hat mit Beschluss vom 1. Oktober 2013 die Vollziehung der Haft einstweilen ausgesetzt.

II.
Das Beschwerdegericht hat die in §
62 Abs.
3 Nr.
1 und Nr.
5 [X.] genannten Haftgründe für gegeben
gehalten. Die mündliche Abänderung des [X.] in dem Anhörungstermin sei zulässig gewesen, weil es sich um einen einfachen und überschaubaren Sachverhalt gehandelt habe. Einer Anhö-rung des Betroffenen im Beschwerdeverfahren habe
es nicht
bedurft. Zwar ha-be der Betroffene in der Beschwerdebegründung vorgetragen, dass er sich [X.] nicht entziehen werde. Selbst wenn man die Glaubwür-2
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digkeit dieser Äußerung unterstelle, habe
jedoch aufgrund der Gesamtumstän-de nicht von der Tragfähigkeit einer solchen Erklärung bis zur Zurückschiebung ausgegangen werden
können.

III.
Die gemäß §
70 Abs.
3 Satz
1 Nr.
3, Satz
2 FamFG statthafte (siehe nur Beschluss vom 25. Februar 2010

V
ZB 172/09, FGPrax
2010, 150, 151) und auch im Übrigen zulässige (§
71 FamFG)
Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Die Haftanordnung des Amtsgerichts
hat den Betroffenen bereits [X.] in seinen Rechten verletzt, weil es an einem zulässigen Haftantrag fehlte.
a) Das Vorliegen eines zulässigen [X.] ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforde-rungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zu der notwendigen Haftdauer (§
417 Abs.
2 Satz
2 Nr.
3 bis
5 FamFG). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des [X.] knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falls wesentlichen Umstände ansprechen. Fehlt es daran, darf die beantragte [X.] nicht angeord-net werden (st. Rspr.; siehe nur Senat, Beschluss vom 10.
Mai 2012

V
ZB 246/11, InfAuslR
2012, 328 Rn.
10; Beschluss vom 6.
Dezember 2012

V
ZB 118/12, juris Rn.
4 -
jeweils mwN).
b) Die in §
417 Abs.
2 Satz
2 Nr.
4 FamFG vorgeschriebene Begründung der erforderlichen Dauer der Freiheitsentziehung ist vor dem Hintergrund der 6
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-
5
-
Vorschrift des §
62 Abs.
1 Satz
2 [X.], nach der die Inhaftnahme des [X.] auf die kürzest mögliche
Dauer zu beschränken ist, unverzichtbarer Bestandteil eines zulässigen [X.]. Nach dieser Bestimmung darf die Haft von
vornherein nur für den [X.]raum angeordnet werden, der für die [X.] der zur Zurück-
oder Abschiebung notwendigen Maßnahmen
unver-zichtbar ist. Einer dies darlegenden Begründung bedarf es auch dann, wenn die Behörde -
wie hier -
eine Haftdauer von weniger als drei Monaten beantragt
(Senat, Beschluss vom 31. Januar 2013

V
ZB 20/12, FGPrax
2013, 130, 131 Rn.
15).
c) Auch bei [X.] zur Sicherung der Zurückschiebung
in einen Mitgliedstaat der [X.] auf der Grundlage eines Aufnahme-
oder Wiederaufnahmeersuchens nach Art.
16
ff. der -
hier noch anwendbaren
-
Dub-lin-II-Verordnung bedarf es konkreter Angaben dazu, in welchem Verfahren die Zurückschiebung erfolgt und innerhalb welchen [X.]raums Überstellungen in den betreffenden Mitgliedstaat üblicherweise möglich sind. Pauschale Angaben zu den Fristen für die Beantwortung des Ersuchens und für die Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat reichen nicht aus (Senat, Beschluss vom 31.
Januar 2013

V
ZB 20/12, FGPrax
2013, 130, 131 Rn.
19
ff.).
d) Den sich aus dem Vorstehenden ergebenden [X.] entsprach der Haftantrag der beteiligten Behörde nicht. Zu der notwen-digen Haftdauer heißt es [X.], die der Mitgliedsstaat [X.] für die Beantwortung des Übernah-meersuchens hat, aus den [X.]en, die aus der eigentlichen Überstellung an den Mitgliedsstaat (Ankündigung/Flugbuchung)
entstehen. Es folgt der Hinweis, dass der Mitgliedstaat automatisch zuständig werde und eine Überstellung er-folgen könne, falls er nicht innerhalb der [X.] antworte. Diese Ausführungen sind -
abgesehen davon, dass es eine Frist für die Beantwortung 10
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des Übernahmeersuchens von vier Wochen in der zitierten [X.] nicht gibt -
ohne Bezug zu dem konkreten Fall. Bei ihnen handelt es sich um universell einsetzbare Leerformeln, die über die Dauer der Zurück-schiebung im konkreten Fall nichts aussagen.
Das wird eindrucksvoll durch den in den [X.] dokumentierten Umstand bestätigt, dass das österreichi-sche Bundesasylamt bereits am 3.
September 2013, also vier Tage nach dem Erlass der Haftanordnung, der Übernahme des Betroffenen zugestimmt hat.
2. Auch die Entscheidung des Berufungsgerichts hat den Betroffenen in seinen Rechten verletzt. Denn der Mangel der Begründung des [X.] ist nicht durch Nachholung der fehlenden Angaben für die Zukunft geheilt worden (vgl. Senat, Beschluss vom 15.
September 2011

V
ZB 123/11, FGPrax
2011, 317, 318 Rn.
15). Bereits aus diesem Grund durfte das Beschwerdegericht die Haftanordnung nicht aufrechterhalten.
3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

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7
-
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
81 Abs.
1, §
83 Abs. 2, §
430
FamFG, § 128c Abs.
3 Satz
2 KostO, Art.
5 EMRK. Die Festsetzung des [X.] beruht auf §
128c Abs.
3 Satz
2, §
30 Abs.
2 KostO.
Stresemann
Lemke
Schmidt-Räntsch

[X.]
Weinland

Vorinstanzen:
AG [X.], Entscheidung vom 30.08.2013 -
43 [X.] 318 B -

LG [X.], Entscheidung vom 06.09.2013 -
3 [X.]/13 -

14

Meta

V ZB 139/13

19.12.2013

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.12.2013, Az. V ZB 139/13 (REWIS RS 2013, 58)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 58

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