Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 09.08.2011, Az. 9 AZR 475/10

9. Senat | REWIS RS 2011, 4131

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Urlaubsabgeltungsanspruch - Verfall nach § 45 Abs 2 der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche in Deutschland


Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 5. Mai 2010 - 7 Sa 1571/09 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von dem [X.]n, Erholungsurlaub aus den Jahren 2002 bis 2007 abzugelten.

2

Die Parteien verband im Zeitraum vom 21. April 1989 bis zum 31. März 2007 ein Arbeitsverhältnis. Der [X.], ein gemeinnütziger Verein in kirchlicher Trägerschaft, beschäftigte den Kläger als Altenpfleger in Teilzeit. Der jährliche Urlaubsanspruch des [X.] betrug 34 Arbeitstage.

3

Gemäß § 2 des die Parteien verbindenden [X.] fanden auf das Arbeitsverhältnis die Arbeitsvertragsrichtlinien des [X.] ([X.]) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung. Diese sehen auszugsweise ua. folgende Bestimmungen vor:

        

„§ 35 

Beendigung des Dienstverhältnisses wegen verminderter Erwerbsfähigkeit

        

(1) Die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter hat … den Dienstgeber unverzüglich von der Zustellung des [X.] zu unterrichten.

        

Das Dienstverhältnis endet, wenn der [X.] eines Rentenversicherungsträgers die volle Erwerbsminderung feststellt.

        

Setzt der [X.] eine befristete Rente fest, ruht das Dienstverhältnis solange wie ... der Mitarbeiter die befristete Rente bezieht, längstens jedoch bis zum Ablauf des Tages, an dem das Dienstverhältnis endet.

        

...     

        

§ 45   

Ausschlussfristen

        

(1) ... die allmonatlich entstehenden Ansprüche auf Entgelt (§§ 14 bis 19a) müssen innerhalb einer Ausschlussfrist von zwölf Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht werden.

        

(2) Andere Ansprüche aus dem Dienstverhältnis müssen innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden, soweit die [X.] nichts anderes bestimmen.

        

(3) Für den gleichen Tatbestand reicht die einmalige Geltendmachung der Ansprüche aus, um die Ausschlussfrist auch für später fällig werdende Ansprüche unwirksam zu machen.“

4

Ab dem 20. Juni 2003 bezog der Kläger eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung.

5

In einem im Jahr 2004 vor dem [X.] geführten Rechtsstreit (- 2 Ca 1828/04 -) schlossen die Parteien unter dem 16. September 2004 einen Vergleich. Ziffer 1 dieses Vergleichs lautet wie folgt:

        

„Es besteht Einigkeit zwischen den Parteien, dass dem Kläger zum 01.06.2005 noch 43 Urlaubstage aus dem [X.] und anteilig aus dem [X.] zustehen.“

6

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass sie nicht das Datum „01.06.2005“, sondern den 1. Juni 2004 meinten.

7

Mit Bescheid vom 22. März 2007, der dem Kläger im Laufe desselben Monats zugestellt wurde, erkannte die [X.] dem Kläger eine unbefristete Rente wegen Erwerbsminderung zu.

8

Mit Schreiben vom 5. Februar 2009 begehrte der Kläger ohne Erfolg von dem [X.]n, seinen Urlaub abzugelten.

9

Der Kläger hat die Rechtsauffassung vertreten, der [X.] sei zur Urlaubsabgeltung verpflichtet. Er hat behauptet, während des Zeitraums, in dem er eine Rente wegen Erwerbsminderung bezogen habe, sei er durchgehend arbeitsunfähig krank gewesen. Die Ausschlussfrist des § 45 [X.] stehe dem erhobenen Anspruch nicht entgegen, da die [X.] nicht die Qualität eines Tarifvertrags hätten. Durch die einmalige Geltendmachung von Urlaubsansprüchen in dem Verfahren vor dem [X.] (- 2 Ca 1828/04 -) habe er den Anforderungen des § 45 Abs. 3 [X.] genügt.

Der Kläger hat beantragt,

        

den [X.]n zu verurteilen, an ihn 11.015,82 Euro brutto nebst fünf „Prozent“ Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 9. März 2009 zu zahlen.

Der [X.] hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er ist der Ansicht, der Kläger habe während des Zeitraums, in dem das Arbeitsverhältnis geruht habe, keinen Urlaubsanspruch erworben. Der vom 16. September 2004 datierende Vergleich gewähre dem Kläger lediglich Rechte in Bezug auf Urlaub, nicht jedoch Ansprüche auf die Abgeltung von Urlaub. Die in § 45 [X.] geregelten Ausschlussfristen seien auf die von dem Kläger erhobenen Urlaubsansprüche anzuwenden, da kirchenrechtliche Regelungen Tarifverträgen gleichständen. Spätestens seit Bekanntwerden des Vorabentscheidungsersuchens des [X.] vom 2. August 2006 habe es dem Kläger oblegen, Urlaubsansprüche zur Wahrung der Ausschlussfrist geltend zu machen.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

I. Die Revision ist nicht begründet. Das [X.] hat die Berufung des [X.] gegen das klageabweisende Urteil des [X.]s zu Recht zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der [X.] ist nicht verpflichtet, an den Kläger einen Bruttobetrag iHv. 11.015,82 Euro nebst Zinsen seit dem 9. März 2009 zu zahlen. Der von dem Kläger erhobene Anspruch auf Urlaubsabgeltung ist verfallen. Dem Kläger steht deshalb auch kein Zinsanspruch zu.

1. Gemäß § 7 Abs. 4 [X.] hat der Arbeitgeber Urlaub abzugelten, wenn dieser wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann.

2. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete am 31. März 2007, da die [X.] dem Kläger mit Bescheid vom 22. März 2007, der dem Kläger im Monat März 2007 zugestellt wurde, eine Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährte (§ 35 Abs. 1 Unterabs. 2, Abs. 3 Unterabs. 1 Satz 1 [X.]). § 35 Abs. 1 Unterabs. 2 [X.] enthält eine den Arbeitsvertrag beendende auflösende Bedingung. Der Kläger hat etwaige [X.] nicht binnen der in §§ 21, 17 Satz 1 [X.] bestimmten Frist geltend gemacht.

3. Der [X.] braucht nicht darüber zu befinden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang dem Kläger zum Beendigungszeitpunkt Urlaubsansprüche zustanden. Insbesondere kann dahinstehen, ob der Kläger für den Zeitraum zwischen dem 20. Juni 2003 und dem 31. März 2007, in dem das Arbeitsverhältnis der Parteien wegen der seitens des [X.] bezogenen befristeten Rente wegen Erwerbsminderung ruhte (§ 35 Abs. 1 Unterabs. 3 [X.]), Urlaubsansprüche erworben hat. Denn selbst wenn der [X.] zugunsten des [X.] unterstellt, dass er zum Zeitpunkt der Beendigung Inhaber von Urlaubsansprüchen war, ist der Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs gemäß § 45 Abs. 2 [X.] verfallen.

a) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden [X.] die Regelungen der [X.] Anwendung (§ 2 des Arbeitsvertrags).

aa) Die Vertragsklausel des § 2 des Arbeitsvertrags, die auf die [X.] in der jeweils gültigen Fassung Bezug nimmt, ist Bestandteil der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen der Parteien. Es handelt sich nicht um eine überraschende Klausel iSd. § 305c Abs. 1 [X.].

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil ( § 305c Abs. 1 [X.] ).

(2) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 305c Abs. 1 [X.] liegen nicht vor. Ein Überraschungsmoment ergibt sich weder aus der äußeren Form und Positionierung der in einem gesonderten Paragrafen vereinbarten Klausel noch aus ihrer inhaltlichen Gestaltung. Ein Arbeitnehmer, der einen Arbeitsvertrag mit einer Einrichtung eines [X.] schließt, hat davon auszugehen, dass sein Arbeitgeber das spezifisch kirchliche Vertragsrecht in seiner jeweiligen Fassung zum Gegenstand des Arbeitsverhältnisses machen will, zumal er kirchenrechtlich dazu verpflichtet ist (vgl. [X.] 10. Dezember 2008 - 4 [X.] - Rn. 42, [X.]E 129, 1 ).

[X.]) Die [X.], die mit den [X.] ein anderes Regelwerk in seiner jeweils gültigen Fassung in Bezug nimmt, verstößt nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 [X.].

(1) Verweist eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf Vorschriften eines anderen Regelwerks, führt dies für sich genommen nicht zur Intransparenz (vgl. [X.] 24. März 2009 - 9 [X.] - Rn. 96, [X.]E 130, 119). Sinn des [X.] ist es, der Gefahr vorzubeugen, dass der Arbeitnehmer von der Durchsetzung bestehender Rechte abgehalten wird. Erst in der Gefahr, dass der Arbeitnehmer wegen unklar abgefasster Allgemeiner Geschäftsbedingungen seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 [X.] ([X.] 15. April 2008 - 9 [X.] - Rn. 77, [X.] § 1 Altersteilzeit Nr. 38 = [X.] § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 21). Umstände, die auf eine solche Gefahr hindeuten, hat der Kläger nicht vorgetragen; im Übrigen sind sie nicht ersichtlich.

(2) Der Umstand, dass § 2 des Arbeitsvertrags die [X.] nicht statisch, sondern in ihrer jeweils gültigen Fassung in Bezug nimmt, begegnet unter dem Gesichtspunkt der Transparenz keinen durchgreifenden Bedenken. Arbeitsvertragliche Bezugnahmen auf andere Regelwerke entsprechen einer im Arbeitsrecht gebräuchlichen Regelungstechnik. Die Dynamisierung dient wegen des [X.] des Arbeitsverhältnisses als Dauerschuldverhältnis den Interessen beider Seiten. Die im Zeitpunkt der jeweiligen Anwendung einbezogenen Regelungen sind hinreichend bestimmbar (vgl. zu einer dynamischen Verweisung auf die Arbeitsvertragsordnung für Angestellte im kirchlich-diakonischen Dienst des [X.] in [X.] und [X.]: [X.] 10. Dezember 2008 - 4 [X.]  - Rn. 48 ff., [X.]E 129, 1).

cc) [X.] wie in § 2 des Arbeitsvertrags verstoßen schließlich nicht gegen das Klauselverbot des § 308 Nr. 4 [X.] (vgl. [X.] 22. Juli 2010 - 6 [X.] - Rn. 20, [X.] § 611 Kirchendienst Nr. 55 = EzA [X.] 2002 § 611 Kirchliche Arbeitnehmer Nr. 15).

b) Die Ausschlussbestimmung des § 45 Abs. 2 [X.] ist rechtswirksam.

aa) Nimmt ein Arbeitsvertrag auf kirchlich-diakonische Arbeitsvertragsrichtlinien Bezug, sind auch diese am Maßstab des § 305 ff. [X.] zu messen (vgl. [X.] 22. Juli 2010 -  6 [X.]  - Rn. 24, aaO).

[X.]) Die Regelung in § 45 Abs. 2 [X.] benachteiligt Arbeitnehmer nicht unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 [X.].

(1) Der Sechste [X.] des [X.] geht davon aus, für kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien gelte ein gegenüber üblichen [X.] eingeschränkter Prüfungsmaßstab ([X.] 22. Juli 2010 - 6 [X.] - Rn. 31, aaO). Regelungen, die auf dem [X.] entstünden, hätten die Gerichte für Arbeitssachen lediglich daraufhin zu prüfen, ob sie gegen die Verfassung, gegen anderes höherrangiges zwingendes Recht oder die guten Sitten verstießen. Der [X.] kann die Frage des [X.] offenlassen, da § 45 Abs. 2 [X.] auch einer uneingeschränkten Überprüfung am Maßstab des § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 [X.] standhält.

(2) § 307 Abs. 1 [X.] steht der Klausel nicht entgegen. Die Frist ist ausreichend lang bemessen; der Inhalt der Bestimmung ist hinreichend klar und verständlich.

(a) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine einzelvertragliche Verfallfrist, die wie § 45 Abs. 2 [X.] eine Geltendmachung innerhalb eines Zeitraums von mehr als drei Monaten verlangt, begegnet in [X.]-rechtlicher Hinsicht keinen durchgreifenden Bedenken (vgl. [X.] 28. September 2005 - 5 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 116, 66).

(b) Die Klausel ist auch nicht intransparent iSd. § 307 Abs. 1 Satz 2 [X.]. Zwar heißt es nicht ausdrücklich, dass Ansprüche verfallen, wenn sie nicht rechtzeitig geltend gemacht werden. Dies ist jedoch auch nicht erforderlich. Die Überschrift von § 45 [X.] „Ausschlussfristen“ lässt hinreichend deutlich erkennen, dass der Arbeitnehmer mit seinen Ansprüchen ausgeschlossen ist, wenn er diese nicht binnen der in der Klausel bezeichneten Frist geltend macht (vgl. [X.] 25. Mai 2005 - 5 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 115, 19).

c) Ansprüche auf Urlaubsabgeltung unterfallen als „Ansprüche aus dem Dienstverhältnis“ der Ausschlussfrist des § 45 Abs. 2 [X.]. Der dort angeordnete Verfall ist unabhängig davon wirksam, ob der Anspruch auf die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs oder auf die Abgeltung des übergesetzlichen Urlaubs gerichtet ist. Dem steht weder der unabdingbare Schutz des gesetzlichen Mindesturlaubs nach §§ 1, 3 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 [X.] noch die vom [X.] vorgenommene und für den [X.] nach Art. 267 A[X.]V verbindliche Auslegung der Richtlinie 2003/88/[X.] und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (sog. Arbeitszeitrichtlinie; [X.]. [X.] L 299 vom 18. November 2003 S. 9) entgegen.

aa) Nach der früheren [X.]srechtsprechung ließen tarifliche Ausschlussfristen den Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Urlaubs unberührt. Dies galt selbst in den Fällen, in denen die [X.] alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis befristete (vgl. zuletzt [X.] 20. Januar 2009 - 9 [X.]/07 - Rn. 21; 20. Mai 2008 - 9 [X.] - Rn. 48, [X.]E 126, 352; vgl. für die [X.]Rspr. auch [X.] 23. April 1996 - 9 [X.] - zu II 4 der Gründe, [X.]E 83, 29; 24. November 1992 - 9 [X.] - zu 3 der Gründe, [X.] [X.] § 1 Nr. 23 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 102 ).

[X.]) Das mit der [X.] begründete Merkmal der Erfüllbarkeit des [X.] im fiktiv fortbestehenden Arbeitsverhältnis (sog. Surrogatstheorie; vgl. [X.] 5. Dezember 1995 - 9 AZR 871/94 - [X.]E 81, 339) hat der [X.] in Umsetzung der Vorabentscheidung des [X.] in der Rechtssache [X.] aufgegeben (vgl. [X.] 24. März 2009 - 9 [X.] - Rn. 44 ff., [X.]E 130, 119; fortgeführt von [X.] 4. Mai 2010 - 9 [X.]/09 - Rn. 17, EzA [X.] § 7 Abgeltung Nr. 17; 23. März 2010 - 9 [X.] - Rn. 70, [X.] SG[X.]X § 125 Nr. 3 = EzA [X.] § 7 Abgeltung Nr. 16 ). Danach ist der Urlaubsabgeltungsanspruch nach der reformierten Rechtsprechung nur noch ein reiner Geldanspruch. Deshalb unterfällt er auch allen Bedingungen, die nach den [X.] für die Geltendmachung von Geldansprüchen vorgeschrieben sind. Dies gilt auch insoweit, als ein Arbeitnehmer den in § 1 Abs. 1 [X.] verbürgten Anspruch auf gesetzlichen Mindesturlaub abgegolten verlangt. Wie der [X.] in der Leitentscheidung vom 9. August 2011 (- 9 [X.] - Rn. 22 ff.) zu tariflichen Ausschlussfristen ausführlich begründet hat, verstößt die Anwendung von Ausschlussfristen weder gegen den in § 13 Abs. 1 [X.] geregelten Grundsatz der Unabdingbarkeit gesetzlichen Mindesturlaubs noch gegen Art. 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie und die hierzu vom [X.] aufgestellten Grundsätze.

cc) Die Erwägungen, die der [X.] in der Entscheidung vom 9. August 2011 (- 9 [X.] -) für tarifliche Ausschlussfristen näher dargelegt hat, gelten für Ausschlussfristen in kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien gleichermaßen. Denn die Rechtsnatur der Ausschlussregelung ist für ihre Anwendbarkeit auf Urlaubsabgeltungsansprüche unerheblich. Entscheidend ist allein, dass der [X.] einen reinen Geldanspruch darstellt, der nach seiner Entstehung, dh. nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, denselben Regelungen unterfällt und daher auch in derselben Weise wie andere Zahlungsansprüche befristet ist. Sofern es sich nicht um [X.] handelt, fallen Zahlungsansprüche als „andere Ansprüche aus dem Dienstverhältnis“ unter § 45 Abs. 2 [X.].

d) Der Kläger hat den Anspruch nicht binnen der sechsmonatigen Ausschlussfrist des § 45 Abs. 2 [X.] geltend gemacht. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung war mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. März 2007 fällig. Der Kläger hätte den Anspruch deshalb spätestens bis zum 30. September 2007 schriftlich gegenüber dem [X.]n geltend machen müssen. Diese Frist hat er mit dem Geltendmachungsschreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 5. Februar 2009 nicht gewahrt.

aa) Der Anspruch eines Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, nicht genommenen Urlaub abzugelten, ist mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig (vgl. [X.] 11. Oktober 2010 - 9 [X.] - Rn. 20, [X.] 1979 § 72a Nr. 75 = EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 125). Die Fälligkeit des Anspruchs ist nicht erst mit Verkündung der Leitentscheidung des [X.] vom 20. Januar 2009 (- [X.]/06 und [X.]/06 - [[X.]] Slg. 2009, [X.]) eingetreten. Für den Verfall eines Anspruchs kommt es regelmäßig nicht auf die Kenntnis des Gläubigers von dem Anspruch an (vgl. [X.] 13. Dezember 2007 -  6 [X.]  - Rn. 19, [X.]E 125, 216; 26. April 1978 - 5 [X.] - zu II der Gründe, [X.] § 4 Ausschlussfristen Nr. 64 = [X.] § 4 Ausschlussfristen Nr. 35). Ein Auseinanderfallen von Entstehungs- und Fälligkeitszeitpunkt kann nur unter besonderen Umständen angenommen werden. Solche liegen beispielsweise vor, wenn es dem Gläubiger praktisch unmöglich ist, den Anspruch mit seinem Entstehen geltend zu machen. Das ist etwa der Fall, wenn die rechtsbegründenden Tatsachen in der Sphäre des Schuldners liegen und der Gläubiger es nicht durch schuldhaftes Zögern versäumt hat, sich Kenntnis von den Voraussetzungen zu verschaffen, die er für die Geltendmachung benötigt (vgl. [X.] 16. November 1989 - 6 [X.] - zu II 3 b und c der Gründe, [X.]E 63, 246). Solche besonderen Umstände hat der Kläger nicht vorgetragen; im Übrigen sind sie nicht ersichtlich. Dem Kläger war es unabhängig von der Entscheidung des [X.] möglich, den nunmehr erhobenen Anspruch fristgerecht gegenüber dem [X.]n schriftlich geltend zu machen. Die Voraussetzungen, unter denen ein Anspruch auf Abgeltung nicht genommenen Urlaubs besteht, waren dem Kläger zum Fälligkeitszeitpunkt, der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, bekannt.

[X.]) Der Umstand, dass die Parteien im Jahr 2004 einen Rechtsstreit vor dem [X.] führten, befreite den Kläger nicht von der Obliegenheit, den im vorliegenden Rechtsstreit erhobenen [X.] unter Beachtung der in § 45 Abs. 2 [X.] aufgeführten Frist geltend zu machen.

(1) Das [X.] hat zutreffend erkannt, dass der Kläger sich nicht mit Erfolg auf die Vorschrift des § 45 Abs. 3 [X.] berufen kann.

(a) Nach dieser Vorschrift reicht für den gleichen Tatbestand die einmalige Geltendmachung der Ansprüche aus, um die Ausschlussfrist auch für die später fällig werdenden Ansprüche unwirksam zu machen.

(b) Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 3 [X.] liegen nicht vor.

(aa) Die Parteien erzielten im Wege des gerichtlichen Vergleichs Einigkeit darüber, dass dem Kläger zum 1. Juni 2004 43 Urlaubstage aus dem [X.] und anteilig aus dem Jahr 2003 zustanden.

([X.]) Der von dem Kläger in dem Rechtsstreit vor dem [X.] erhobene Urlaubsanspruch beruht nicht auf dem gleichen Tatbestand wie der hier streitgegenständliche Urlaubsabgeltungsanspruch. Das Merkmal des „gleichen Tatbestands“ setzt voraus, dass bei unveränderter rechtlicher und tatsächlicher Lage Ansprüche aus einem bestimmten Tatbestand herzuleiten sind (vgl. [X.] 10. Juli 2003 - 6 [X.] - zu 4 der Gründe, [X.] § 4 Ausschlussfristen Nr. 168). Daran fehlt es im Streitfall. Der Urlaubsanspruch einerseits und der Urlaubsabgeltungsanspruch andererseits hängen von verschiedenen rechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen ab. Der [X.] ist damit nicht, wie von § 45 Abs. 3 [X.] gefordert, der gleiche. Während es für den Urlaubsanspruch genügt, dass der Arbeitnehmer am 1. Januar eines Urlaubsjahres in einem Arbeitsverhältnis steht, setzt der Urlaubsabgeltungsanspruch mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal voraus. Dieses lag zu dem Zeitpunkt, zu dem die Parteien den Vergleich vor dem [X.] schlossen, nicht vor.

(2) Mit Abschluss des Vergleichs vom 16. September 2004 hat der [X.] nicht auf die Geltung von Ausschlussfristen verzichtet. Dies ergibt eine Auslegung des Vergleichs.

(a) Die Vorinstanzen haben den Vergleich nicht ausgelegt. Die Auslegung von atypischen Willenserklärungen ist zwar grundsätzlich Sache der Tatsachengerichte. Der [X.] kann aber die gebotene Auslegung selbst vornehmen, weil das Berufungsgericht die erforderlichen Feststellungen getroffen hat und weiterer Sachvortrag nicht zu erwarten ist ([X.] 15. Juni 2004 - 9 [X.] - zu II 2 b dd 1 der Gründe, [X.] 2005, 295).

(b) Ausweislich ihres Wortlauts hat die vergleichsweise Einigung einen zeitlichen Bezugspunkt, nämlich - wie später klargestellt - den 1. Juni 2004. Als die Parteien den Vergleich am 16. September 2004 schlossen, lag dieser Zeitpunkt in der Vergangenheit. Der [X.] belegt, dass die Parteien die Urlaubsansprüche des [X.] zu einem bestimmten Zeitpunkt saldieren wollten. Dies lässt indes nicht den Schluss zu, die saldierten Ansprüche sollten in der Zukunft dem Regime der [X.] entzogen sein. Es ist nicht so, dass der Kläger den Urlaub, der Gegenstand der Einigung war, ohne Rücksicht auf Übertragungsgründe oder Übertragungszeiträume hätte ansparen dürfen. Insbesondere enthält die Vereinbarung schon ihrem Wortlaut nach keinen Verzicht des [X.]n auf die in § 45 Abs. 2 [X.] geregelte Ausschlussfrist.

e) Der Kläger nimmt ohne Erfolg Vertrauensschutz für sich in Anspruch.

Der [X.] braucht nicht darüber zu befinden, ob seine langjährige Rechtsprechung, der zufolge Ausschlussfristen den Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs nicht berührten, geeignet war, ein schutzwürdiges Vertrauen der Arbeitnehmer zu begründen. Spätestens nach Bekanntwerden des Vorabentscheidungsersuchens des [X.]s Düsseldorf in der Sache [X.] vom 2. August 2006 (- 12 [X.]/06 - [X.] [X.] § 7 Nr. 43) konnten Arbeitnehmer nicht mehr davon ausgehen, dass die [X.]srechtsprechung zu den Grundsätzen der Unabdingbarkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs im Fall lang andauernder Arbeitsunfähigkeit unverändert fortgeführt würde (so auch [X.] 23. April 2010 - 10 [X.] - Rn. 47, [X.] [X.] § 7 Abgeltung Nr. 27a; zum Wegfall des Vertrauensschutzes für Arbeitgeber zu diesen Zeitpunkt: vgl. [X.] 24. März 2009 - 9 [X.] - Rn. 76, [X.]E 130, 119). Durch das Vorabentscheidungsersuchen wurde nicht nur ein einzelner Aspekt, wie das Erlöschen von Urlaubsabgeltungsansprüchen bei lang andauernder Arbeitsunfähigkeit, sondern die Rechtsprechung zur Erfüllbarkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs nach der Surrogatstheorie infrage gestellt. Davon waren auch die Grundsätze betroffen, die der [X.] unter dem Regime der Surrogatstheorie zum Nichteingreifen von tariflichen Ausschlussfristen entwickelt hatte.

f) Höhere Gewalt stand einer fristgerechten Geltendmachung des erhobenen Anspruchs nicht entgegen. Der in § 206 [X.] normierte [X.] hindert nicht den Verfall des von dem Kläger geltend gemachten Anspruchs.

Nach § 206 [X.] ist die Verjährung gehemmt, solange der Berechtigte innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist durch höhere Gewalt an der Rechtsverfolgung gehindert ist. Diese Vorschrift wird als allgemeingültiges Rechtsprinzip auch auf Ausschlussfristen angewandt (vgl. [X.] 8. März 1976 - 5 [X.] - zu 4 a der Gründe, [X.] ZPO § 496 Nr. 4 = [X.] § 4 Ausschlussfristen Nr. 26). Der [X.] braucht nicht zu entscheiden, ob § 206 [X.] über seinen Wortlaut hinaus auf die Fälle einer sog. „gefestigten anspruchsfeindlichen Rechtsprechung“ anzuwenden ist (vgl. hierzu [X.] 7. November 2002 -  2 [X.]/01  - zu [X.] 4 b dd der Gründe, [X.]E 103, 290). Denn die Vorschrift des § 45 Abs. 2 [X.] verlangte von dem Kläger nicht die Erhebung einer Klage vor dem [X.], sondern lediglich die fristgerechte schriftliche Geltendmachung gegenüber dem [X.]n. Dies war ihm unabhängig von der damaligen Rechtsprechung möglich und zumutbar. Im Übrigen hätte eine Hemmung der Ausschlussfrist spätestens mit Bekanntwerden des Vorabentscheidungsersuchens des [X.]s Düsseldorf in der Sache [X.] vom 2. August 2006 (- 12 [X.]/06 - [X.] [X.] § 7 Nr. 43) geendet. Ab diesem Zeitpunkt konnte der Kläger nicht davon ausgehen, dass der [X.] seine bisherige Rechtsprechung zur Surrogatstheorie fortführen werde (siehe hierzu unter I 3 e).

II. Der Kläger hat als Revisionsführer die Kosten der ohne Erfolg eingelegten Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Düwell    

        

    Krasshöfer    

        

    Suckow    

        

        

        

    G. Müller    

        

    [X.]    

                 

Meta

9 AZR 475/10

09.08.2011

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Wuppertal, 13. November 2009, Az: 3 Ca 1128/09, Urteil

§ 7 Abs 4 BUrlG, § 3 Abs 1 BUrlG, § 13 Abs 1 BUrlG, § 45 Abs 2 DWArbVtrRL, § 45 Abs 3 DWArbVtrRL, § 7 Abs 2 EGRL 88/2003

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 09.08.2011, Az. 9 AZR 475/10 (REWIS RS 2011, 4131)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4131


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 9 AZR 475/10

Bundesarbeitsgericht, 9 AZR 475/10, 09.08.2011.


Az. 3 Ca 1128/09

Arbeitsgericht Wuppertal, 3 Ca 1128/09, 13.11.2009.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

9 AZR 399/10 (Bundesarbeitsgericht)

(Urlaubsabgeltungsanspruch bei andauernder Arbeitsunfähigkeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses - Abgeltung des Zusatzurlaubs nach § 125 …


9 AZR 352/10 (Bundesarbeitsgericht)

Fälligkeit des Urlaubsabgeltungsanspruchs - Anwendbarkeit tariflicher Ausschlussfristen


9 AZR 365/10 (Bundesarbeitsgericht)

Anwendbarkeit tariflicher Ausschlussfristen auf den Urlaubsabgeltungsanspruch - § 24 MTV Einzelhandel NRW


9 AZR 486/10 (Bundesarbeitsgericht)

Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs - Anwendbarkeit von tariflichen Ausschlussfristen - Schadensersatzanspruch wegen Verstoß des Arbeitgebers …


9 AZR 652/10 (Bundesarbeitsgericht)

Urlaubsabgeltungsanspruch - Aufgabe der Surrogatstheorie


Referenzen
Wird zitiert von

18 Sa 1197/20

8 Sa 405/16

4 Sa 615/15

10 Sa 905/12

18 Sa 683/11

12 Sa 110/11

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.