Bundesfinanzhof, Urteil vom 01.12.2011, Az. V R 1/11

5. Senat | REWIS RS 2011, 883

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Gegenstand

Umsatzsteuerpflicht bei der Überlassung von PKW-Tiefgaragenstellplätzen durch eine Gemeinde - Unbeachtlichkeit der straßenrechtlichen und wegerechtlichen Beurteilung - Bestimmung des Begriffs der "größeren Wettbewerbsverzerrungen"


Leitsatz

1. Eine Gemeinde, die nicht auf privatrechtlicher, sondern auf hoheitlicher Grundlage Stellplätze für PKW in einer Tiefgarage gegen Entgelt überlässt, handelt als Unternehmer und erbringt steuerpflichtige Leistungen, wenn ihre Behandlung als Nichtsteuerpflichtige zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde (richtlinienkonforme Auslegung des § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG i.V.m. § 4 KStG) .

2. Eine derartige Wettbewerbsverzerrung liegt auch vor, wenn eine Gemeinde Stellplätze zwar nach §§ 45, 13 StVO öffentlich-rechtlich auf einer öffentlich-rechtlich gewidmeten "Straße" überlässt, es sich hierbei jedoch um Flächen einer Tiefgarage handelt (Änderung der Rechtsprechung) .

3. Zur Bestimmung des Begriffs der "größeren Wettbewerbsverzerrungen" .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine [X.]. Sie hatte auf Grund einer Widmungsverfügung vom 12. Juli 2000 in der Tiefgarage [X.] "die Stellplätze 4 bis 39" ... "als [X.]straße gewidmet". Im Übrigen galt eine Widmung vom 7. Juni 1982 fort, nach der die Tiefgarage als "öffentlich-rechtliche Sache" gewidmet worden war. Dabei wurde der Gemeingebrauch dahingehend beschränkt, dass die "Tiefgarage" --mit Ausnahme einzelner Stellplätze, die erst im [X.] gewidmet wurden-- als "öffentliche Parkfläche" genutzt werden konnte, wobei die "abzweigende Ein- und Ausfahrtrampe als öffentliche Zufahrt für die [X.]enutzer der Parkfläche" dienen sollte.

2

In der Tiefgarage galt ein Parkverbot. Nach §§ 45, 13 der Straßenverkehrs-Ordnung ([X.]) in Verbindung mit einer öffentlich-rechtlichen Gebührenordnung für Parkuhren gestattete die Klägerin die Nutzung der Tiefgarage zum Parken von PKW, wofür sie im Streitjahr 2001 Parkgebühren über Parkautomaten erhob. Dabei war die Nutzung in den ersten 15 Minuten kostenfrei und danach entsprechend der Parkdauer und ohne zeitliche [X.]eschränkung kostenpflichtig. Die Gebührenpflicht bestand Montag bis Freitag von 9:00 Uhr bis 17:00 Uhr und an Samstagen von 10:00 Uhr bis 13:00 Uhr; im Übrigen war die unentgeltliche Nutzung gestattet.

3

Im [X.] an eine Außenprüfung ging der [X.]eklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) davon aus, dass die Klägerin mit dem [X.]etrieb der Tiefgarage einen [X.]etrieb gewerblicher Art unterhalten und dabei umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbracht habe und erließ einen entsprechenden [X.] für das Streitjahr (2001). Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

4

In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht ([X.]) beantragte das [X.], den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid im Hinblick auf einen anderen Streitpunkt mit der Maßgabe zu ändern, dass die Umsatzsteuer um 6.769,64 DM herabgesetzt wird.

5

Demgegenüber gab das [X.] der Klage im vollen Umfang statt, da die Klägerin hoheitlich tätig gewesen sei. Sie habe den [X.] als [X.]straße öffentlich-rechtlich gewidmet, für diesen [X.]ereich ein zeitlich befristetes Parkverbot erlassen und das Parken nur an bestimmten Stellen gegen Gebühr gestattet. Dies habe dem Verkehrsfluss gedient und sei dem hoheitlichen [X.]ereich der Klägerin zuzuordnen. Die Nichtbesteuerung der Gebühren aus der Parkraumbewirtschaftung führe nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen, da die Klägerin das Parken in diesem [X.]ereich die meiste Zeit über unentgeltlich erlaubt habe. Damit werde deutlich, dass sie sich mit der Parkraumbewirtschaftung nicht in Wettbewerb zu privaten Anbietern begeben habe. Es könne daher offen bleiben, ob für die Zurverfügungstellung von [X.] überhaupt ein wettbewerbsrelevanter Markt bestehe.

6

Das Urteil des [X.] ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 676 veröffentlicht.

7

Mit seiner Revision rügt das [X.] Verletzung materiellen Rechts. Entgegen dem [X.]-Urteil sei unerheblich, ob ein Wettbewerber zu bestimmten [X.] auf ein Entgelt verzichte. Der wesentliche Teil der gebührenfreien Parkzeit sei auf Abend- und Nachtstunden mit geringer Auslastung entfallen. Auch einzelne private Anbieter würden bei geringer Auslastung auf ein Parkentgelt verzichten. In unmittelbarer Nachbarschaft zur Tiefgarage seien auch privat geführte Parkhäuser vorhanden gewesen. Sie sei nicht nur von den Anwohnern einer nahe gelegenen Straße, sondern allgemein von [X.]esuchern der [X.] genutzt worden. In der [X.] habe es auch private Parkplatzanbieter gegeben. Auf die von der [X.] mit der [X.] verfolgten Zwecke, wie z.[X.]. Daseinsvorsorge und Sicherheit des Straßenverkehrs, komme es nicht an. Für die [X.]ejahung eines zur Steuerpflicht führenden Wettbewerbsverhältnisses reiche bereits ein potenzieller wie auch ein von der [X.] ungewollter Wettbewerb aus; auf die Verhältnisse am jeweils lokalen Markt komme es nicht an. Durch eine Nichtbesteuerung der Klägerin würden private Anbieter benachteiligt.

8

Das [X.] beantragt,

das Urteil des [X.] aufzuheben und den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid 2001 vom 17. November 2009 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Umsatzsteuer um 6.769,64 DM ermäßigt und im Übrigen die Klage abgewiesen wird.

9

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Auch in den Abend- und Nachtstunden sei die Tiefgarage frequentiert gewesen, da die Gebührenpflicht vor dem Geschäftsschluss geendet habe und [X.]esucher von Gaststätten und von kulturellen Veranstaltungen die Tiefgarage benutzt hätten. Sie habe die Gebührenpflicht nur aus Gründen der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs festgelegt und dabei den jeweiligen [X.] berücksichtigt und zu steuern versucht. Anders als bei [X.] privater Wettbewerber seien ihre Parkplätze "rund um die Uhr befahr- und benutzbar ... nicht bewacht und nicht mit einer Ein- und Ausfahrkontrolle versehen". Lediglich aus "topographischen Gründen" befinde sich die Parkfläche unterhalb der Erdoberfläche. Es entstünden keine größeren Wettbewerbsverzerrungen. Im konkreten Fall gebe es keine nahe gelegenen privat betriebenen Parkhäuser. Sie sei nach § 45 [X.] nicht berechtigt, die [X.]enutzung von [X.] beliebig zu beschränken. Die Tiefgarage werde auch als Durchfahrt zur Umgehung einer Ampelanlage genutzt. Diese Tätigkeit habe sich aus ihrer Gesamttätigkeit nicht herausgehoben, was sich auch daran zeige, dass Private weit größere Parkangebote unterhalten hätten.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des [X.] ist begründet. Das Urteil des [X.] ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Entgegen dem Urteil des [X.] war die Klägerin mit Überlassung von Stellplätzen als Unternehmer tätig und erbrachte umsatzsteuerpflichtige Leistungen.

1. Die Umsatzbesteuerung juristischer Personen des öffentlichen Rechts richtet sich nach § 2 Abs. 3 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) i.V.m. § 4 des [X.] ([X.]) unter Berücksichtigung von Art. 4 Abs. 5 der [X.] zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/[X.] ([X.]/[X.]).

a) Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind nach § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art unternehmerisch und damit wirtschaftlich tätig. Bei diesen Betrieben handelt es sich nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 4 [X.] um alle Einrichtungen, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen dienen und die sich innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person wirtschaftlich herausheben. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, und eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sind nicht erforderlich (§ 4 Abs. 1 [X.]). Betriebe, die überwiegend der Ausübung der öffentlichen Gewalt dienen (Hoheitsbetriebe), gehören nach § 4 Abs. 5 [X.] nicht hierzu.

b) Diese Vorschriften sind unter Berücksichtigung von Art. 4 Abs. 5 der [X.]/[X.] richtlinienkonform auszulegen. Danach gelten [X.], Länder, Gemeinden und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts nicht als Steuerpflichtige, soweit sie die Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten oder Leistungen Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben. Falls sie jedoch solche Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, gelten sie hierfür als Steuerpflichtige, sofern eine Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige zu größeren [X.]verzerrungen führen würde.

c) Danach ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts Unternehmer, wenn sie eine wirtschaftliche und damit eine nachhaltige Tätigkeit zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (wirtschaftliche Tätigkeit) ausübt, die sich innerhalb ihrer Gesamtbetätigung heraushebt. Handelt sie dabei auf privatrechtlicher Grundlage durch Vertrag, kommt es auf weitere Voraussetzungen nicht an. Erfolgt ihre Tätigkeit auf öffentlich-rechtlicher Grundlage, z.B. durch Verwaltungsakt, ist sie demgegenüber nur Unternehmer, wenn eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren [X.]verzerrungen führen würde (Urteile des [X.] --BFH-- vom 15. April 2010 [X.], [X.], 416, [X.], 1574, unter [X.] bis 5., m.w.N. zur Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] --EuGH--, und vom 3. März 2011 [X.], [X.], 274, BFH/NV 2011, 1261, unter II.2.a aa).

2. Im Streitfall hat die Klägerin gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG i.V.m. § 4 Abs. 1 [X.] mit der Parkraumüberlassung in der zur öffentlichen Gemeindestraße gewidmeten Tiefgarage eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt, die sich aus ihrer Gesamtbetätigung heraushob.

Die wirtschaftliche Tätigkeit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts hebt sich aus ihrer Gesamttätigkeit heraus, wenn sie zu anderen Unternehmen unmittelbar in Wettbewerb tritt und sich die wirtschaftliche Tätigkeit von ihrer übrigen Betätigung deutlich abgrenzt (vgl. Senatsurteil vom 25. Oktober 1989 [X.], [X.] 1990, 868). Bestimmte Gewinn- und [X.], wie sie Abschn. 23 Abs. 4 der [X.] 1999 unter Bezugnahme auf [X.] der [X.] vorsehen, lassen sich dagegen nicht mit den umsatzsteuerrechtlichen Erfordernissen (BFH-Urteil vom 17. März 2010 [X.], [X.], 466; in [X.] 1990, 868, und Senatsurteil vom 11. Januar 1979 [X.], [X.], 83, [X.] 1979, 746), insbesondere auch nicht mit dem notwendigen Ausschluss von [X.]verzerrungen (Senatsurteil in [X.], 416, [X.], 1574, unter [X.]e) vereinbaren. Dementsprechend hat der Senat bereits im Urteil vom 28. November 1991 [X.] ([X.], 207, [X.] 1992, 569) entschieden, dass die Vermietung einer kommunalen Mehrzweckhalle, die im Übrigen für hoheitliche [X.] genutzt wurde, sich aus der Gesamttätigkeit der juristischen Person des öffentlichen Rechts heraushebt. Für die Überlassung von PKW-Stellplätzen in einer eigens dafür vorgesehenen Tiefgarage, wie sie auch von privaten Anbietern von Stellplätzen in Großgaragen mit einer Vielzahl von Stellplätzen angeboten werden, gilt nichts anderes.

3. Im Streitfall war die Klägerin bei ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit als Unternehmer tätig. Zwar hat sie bei der Parkraumüberlassung in der Tiefgarage nach §§ 45, 13 [X.] auf hoheitlicher Grundlage gehandelt, ihre Behandlung als Nichtunternehmer würde jedoch zu größeren [X.]verzerrungen führen, wie das [X.] zu Recht geltend macht.

a) Nach dem EuGH-Urteil vom 16. September 2008 [X.]/07, [X.] ([X.]. 2008, [X.]. 76), das das [X.] bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt hat, sind "größere" [X.]verzerrungen nur dann zu verneinen, wenn "die Behandlung öffentlicher Einrichtungen als Nichtsteuerpflichtige ... lediglich zu unbedeutenden [X.]verzerrungen führen würde". Es ist daher für die Behandlung einer auf öffentlich-rechtlicher Grundlage tätigen juristischen Person des öffentlichen Rechts nicht erforderlich, dass "erhebliche" oder "außergewöhnliche" [X.]verzerrungen vorliegen (EuGH-Urteil [X.] in [X.]. 2008, [X.]. 74). Weiter ist für die [X.]beurteilung nicht nur der gegenwärtige, sondern auch der potenzielle Wettbewerb zu berücksichtigen. Im Übrigen kommt es für die [X.]beurteilung nicht auf die Verhältnisse auf dem jeweiligen "lokalen Markt" an. Denn die Frage der [X.]verzerrungen ist "in Bezug auf die fragliche Tätigkeit als solche zu beurteilen ..., ohne dass sich diese Beurteilung auf einen lokalen Markt im Besonderen bezieht" (EuGH-Urteil [X.] in [X.]. 2008, [X.]. 53), so dass die Art der Tätigkeit maßgeblich ist. Jedoch kann die rein theoretische, durch keine Tatsache, kein objektives Indiz und keine Marktanalyse untermauerte Möglichkeit für einen privaten Wirtschaftsteilnehmer, in den relevanten Markt einzutreten, nicht mit dem Vorliegen eines potenziellen [X.] gleichgesetzt werden. Eine solche Gleichsetzung setzt vielmehr voraus, dass sie real und nicht rein hypothetisch ist (EuGH-Urteil [X.] in [X.]. 2008, [X.], Leitsatz 2).

b) Die Art der Tätigkeit ist auch bei der [X.]beurteilung der Parkraumüberlassung gemäß §§ 45, 13 [X.] zu beachten.

aa) Nach dem im Streitfall zu berücksichtigenden § 2 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b des [X.] gehören zum Straßenkörper "die Fahrbahn, die Trennstreifen, die befestigten Seitenstreifen (Stand-, Park- und Mehrzweckstreifen), die Bankette und die Bushaltestellenbuchten sowie die Rad- und Gehwege, auch wenn sie ohne unmittelbaren räumlichen Zusammenhang im Wesentlichen mit der für den Kraftfahrzeugverkehr bestimmten Fahrbahn gleichlaufen (unselbständige Rad- und Gehwege), sowie Parkplätze, Parkbuchten und Rastplätze, soweit sie mit einer Fahrbahn in Zusammenhang stehen (unselbständige Parkflächen, unselbständige Rastplätze) und die Flächen verkehrsberuhigter Bereiche" zur öffentlichen Straße.

Bei Parkplätzen ist dabei zwischen unselbständigen und selbständigen Parkplatzflächen zu unterscheiden, für die unterschiedliche Baulastträger zuständig sein können. Unselbständige Parkplatzflächen sind "in den Straßenkörper einer Straße derart einbezogen, daß sie mit ihm eine Einheit bilden"; selbständige Parkplatzflächen besitzen "gegenüber der Straße, mit der sie durch eine Zufahrt verbunden sind, selbständige Bedeutung und haben den Charakter einer eigenen öffentlichen Wegeanlage". Parkplätze, die unmittelbar an die Fahrbahn einer Straße anschließen, sind regelmäßig Teil der Straße und somit unselbständige Parkplatzfläche (Herber in [X.], [X.], 7. Aufl. 2010, S. 283 f. Rz 23).

bb) Ohne dass der straßen- und wegerechtlichen Beurteilung eine Bindungswirkung für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung zukommt, ist im Streitfall davon auszugehen, dass eine Tiefgarage --ebenso wie sonstige neben einer Straße liegende [X.] gegenüber den dem allgemeinen Verkehr dienenden Straßenflächen eine eigenständige Bedeutung hat, so dass von einer selbständigen Parkplatzfläche auszugehen ist, die im Übrigen nach der Art der Tätigkeit (EuGH-Urteil [X.] in [X.]. 2008, [X.]. 53) ebenso durch einen privaten Leistungsanbieter zur Nutzung überlassen werden kann. Die Nichtbesteuerung des auf hoheitlicher Grundlage durchgeführten Betriebs einer gebührenpflichtigen Tiefgarage würde zu mehr als nur unbedeutenden [X.]verzerrungen führen, da bei einer nach der Art der Leistung vorzunehmenden [X.]prüfung nicht zwischen Tiefgaragen, Parkhäusern und anderen selbständigen Parkplatzflächen zu differenzieren ist. Dass die in der Tiefgarage vorhandenen Fahrbahnen als Zufahrt zu den dort überlassenen Einzelparkplätzen ebenso wie diese öffentlich-rechtlich als Straße gewidmet waren, ist dabei für die maßgebliche Art der Tätigkeit (Parkraumüberlassung) ohne Belang.

Soweit der Senat demgegenüber in seinem Urteil vom 27. Februar 2003 [X.]/01 ([X.], 554, [X.] 2004, 431, unter [X.]) davon ausgegangen ist, dass allgemein für die nach §§ 45, 13 [X.] erfolgende Parkplatzüberlassung kein wettbewerbsrelevanter Markt bestehe, hält der Senat hieran im Hinblick auf das EuGH-Urteil [X.] in [X.]. 2008, [X.] nicht fest (Änderung der Rechtsprechung). [X.] kann im Streitfall, ob ein [X.]verhältnis zu privaten Anbietern zu bejahen wäre, wenn es sich um unselbständige Parkplatzflächen auf öffentlich-rechtlich gewidmeten Straßen handelt, die dem allgemeinen Verkehr dienen und die Straße nicht nur --wie im Streitfall in einer [X.] als Zufahrt zu einem Parkplatz dient.

4. Bei Anwendung dieser Grundsätze war das Urteil des [X.] im Umfang des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

a) Entgegen dem [X.]-Urteil hat die Klägerin unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeit vergleichbar einem privaten Wettbewerber auf einer in sich geschlossenen und --gegenüber den dem eigentlichen Straßenverkehr dienenden [X.] selbständigen Fläche (Tiefgarage) Parkplätze angeboten. Die Annahme des [X.], die Behandlung der Klägerin als Nichtunternehmer führe im Streitfall nicht zu größeren [X.]verzerrungen, ist mit der EuGH-Rechtsprechung nicht zu vereinbaren. Dass die Klägerin das [X.] im streitigen Bereich die "meiste Zeit" über unentgeltlich erlaubte, rechtfertigt nicht die Annahme, dass bei der "Parkraumbewirtschaftung" kein Wettbewerb zu privaten Anbietern bestand. Denn für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung der entgeltlichen Leistungstätigkeit ist unerheblich, wie eine juristische Person des öffentlichen Rechts sich bei der Erbringung unentgeltlicher Leistungen verhalten hat. Maßgeblich ist vielmehr, ob ihre Behandlung als Nichtunternehmer im Hinblick auf die Art der entgeltlichen Leistungstätigkeit zu mehr als unbedeutenden [X.]verzerrungen führen würde. Dies ist im Streitfall zu bejahen.

b) Für die Beurteilung als [X.]verzerrung ist unerheblich, dass die Klägerin ihre Leistungen --nach ihren [X.] zum gleichen Preis wie steuerpflichtige private Wettbewerber angeboten hat. Denn nach dem EuGH-Urteil vom 4. Juni 2009 [X.]/08 Salix ([X.]. 2009, [X.], Leitsatz 2) ist Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der [X.]/[X.] dahin auszulegen, "dass die Einrichtungen des öffentlichen Rechts, soweit sie Tätigkeiten ausüben oder Leistungen erbringen, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, ... als Steuerpflichtige gelten, wenn ihre Behandlung als Nichtsteuerpflichtige aufgrund des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 oder 4 zu größeren [X.]verzerrungen zulasten ihrer privaten Wettbewerber führen würde ...". Bleiben die Leistungen der Klägerin unbesteuert, ergibt sich auch bei gleicher Preishöhe eine [X.]verzerrung zulasten ihrer privaten Wettbewerber.

c) Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, der Steuerpflicht stehe entgegen, dass die Parkraumüberlassung nur "kurzfristig" erfolgte und sie nach eigenen Angaben mit der entgeltlichen Parkraumbewirtschaftung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung tätig wurde. "Kurzfristiges" [X.] ist der Art nach auch in privaten Parkhäusern möglich. Dass in privaten Parkhäusern auch über einen längeren Zeitraum geparkt werden kann, wenn dies der Kunde wünscht, spricht nicht gegen das Vorliegen eines insoweit bestehenden [X.]verhältnisses, da im privaten Parkhaus und der öffentlich-rechtlich betriebenen Tiefgarage gleichermaßen "kurzfristig" geparkt werden kann und wird. Darüber hinaus sind für die Umsatzbesteuerung einer hoheitlich ausgeübten Tätigkeit die mit dieser Tätigkeit verfolgten Ziele wie z.B. [X.] nicht maßgeblich. Weiter war es im Hinblick auf die in der Widmung enthaltene Nutzungsbeschränkung als Zufahrt für die Nutzer der [X.] unerheblich, dass die "Tiefgarage" auch als Durchfahrt zur Umgehung einer Ampelanlage genutzt werden konnte. Auf die Verhältnisse auf dem lokalen Markt für Parkplätze kommt es im Übrigen nicht an.

d) Die Parkraumüberlassung war schließlich gemäß § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG auch steuerpflichtig, sofern die Steuerfreiheit nach Satz 1 dieser Vorschrift auf eine auf hoheitlicher Grundlage erfolgende Nutzungsüberlassung überhaupt anzuwenden ist.

Meta

V R 1/11

01.12.2011

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 16. Dezember 2010, Az: 10 K 4108/09, Urteil

§ 2 Abs 3 UStG 1999, § 4 KStG 1999, § 45 StVO, § 13 StVO, Art 4 Abs 5 EWGRL 388/77

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 01.12.2011, Az. V R 1/11 (REWIS RS 2011, 883)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 883

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