Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.10.2010, Az. 10 AZR 354/09

10. Senat | REWIS RS 2010, 1984

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Gegenstand

Jahressonderzahlung - Rückzahlungsverpflichtung - Tarifauslegung


Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 8. April 2009 - 8 [X.]/08 - aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Klägerin zur Rückzahlung einer Zuwendung/Jahressonderzahlung.

2

Die Klägerin war aufgrund Arbeitsvertrags vom 28. Juli 2006 ab dem 1. August 2006 als Krankenschwester bei der [X.] beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthält in § 2 folgende Regelung:

        

„Auf das Arbeitsverhältnis finden der Bundes-Angestelltentarifvertrag ([X.]) vom 23. Februar 1961 und die zur Änderung und Ergänzung abgeschlossenen Tarifverträge Anwendung einschließlich der Sonderregelungen. Die gekündigten Tarifverträge über eine Zuwendung für Angestellte vom 12.10.1973 und über ein Urlaubsgeld für Angestellte vom 16.03.1977 werden bis zum [X.]punkt einer neuen Vereinbarung mit der Maßgabe angewendet, dass für die Höhe der Zuwendung der tarifliche Bemessungssatz, höchstens aber derjenige Bemessungssatz zugrunde gelegt wird, der für vergleichbare Beamte des Arbeitgebers jeweils maßgebend ist, und ein Urlaubsgeld nur gezahlt wird, wenn und soweit vergleichbare Beamte des Arbeitgebers ebenfalls ein Urlaubsgeld erhalten.“

3

Die Klägerin wurde zuletzt nach [X.] 9 Stufe 3 vergütet. Mit dem Entgelt für den Monat November 2007 erhielt sie eine als Zuwendung bezeichnete Zahlung in Höhe von 2.238,85 Euro brutto. In der Gehaltsabrechnung heißt es weiter: „Anstatt des bisherigen Urlaubsgeldes und der Zuwendung ([X.]) wird ab 2007 im Monat November eine Jahressonderzahlung gezahlt“.

4

Mit Schreiben vom 1. Februar 2008 kündigte die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis „zum 01.04.2008 aus beruflichen Gründen“. Mit Schreiben vom 8. Februar 2008 teilte die Beklagte mit, dass mit der Kündigung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. März 2008 bewirkt werde. Die Klägerin widersprach dem nicht. Das Arbeitsverhältnis wurde sodann bis zum 31. März 2008 abgerechnet und abgewickelt.

5

Mit der Abrechnung Februar 2008 zog die Beklagte einen Betrag von 2.287,34 Euro als Bruttobetrag ab („Sonstige Zahlung/Einbehaltung, Gegenbuchung“). Pfändungsfreigrenzen berücksichtigte sie nicht.

6

Der Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte vom 12. Oktober 1973, zuletzt geändert durch Änderungstarifvertrag vom 31. Januar 2003 (TV Zuwendung), lautet auszugsweise:

        

„§ 1        

        

Anspruchsvoraussetzungen           

        

(1)     

Der Angestellte erhält in jedem Kalenderjahr eine Zuwendung, wenn er …

                 

…       

                 

3.    

nicht in der [X.] bis einschließlich 31. März des folgenden Kalenderjahres aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch ausscheidet.

        

…       

        
        

(5)     

Hat der Angestellte in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 3 oder des Absatzes 3 Satz 1 letzter Halbsatz die Zuwendung erhalten, so hat er sie in voller Höhe zurückzuzahlen, wenn nicht eine der Voraussetzungen des Absatzes 4 vorliegt.“

7

§ 20 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder ([X.]) hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

        

„Jahressonderzahlung           

        

(1)     

Beschäftigte, die am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis stehen, haben Anspruch auf eine Jahressonderzahlung.

        

(2)     

Die Jahressonderzahlung beträgt bei Beschäftigen in den [X.]n

                          

Tarifgebiet West

Tarifgebiet Ost

                 

…       

…       

…       

                 

E 9 bis E 11

80 v. H.

…       

                 

…       

                 
                 

…       

                 
                 

der Bemessungsgrundlage nach Abs. 3. …

        

…       

                 
        

Protokollerklärungen zu § 20:

        

...     

        
        

2.    

Für Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis bis zum 31. Oktober 2006 hinsichtlich der Zuwendung der tariflichen Nachwirkung nicht unterlegen hat, sowie für nach dem 31. Oktober 2006 neu eingestellte Beschäftigte gelten in den Jahren 2006 und 2007 die Regelungen des § 21 TVÜ-Länder.“

                          

8

Der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den [X.] und zur Regelung des Übergangsrechts vom 12. Oktober 2006 ([X.]) lautet auszugsweise:

        

„§ 1        

        

Geltungsbereich           

        

…       

        
        

(4)     

Die Bestimmungen des [X.] gelten, soweit dieser Tarifvertrag keine abweichenden Regelungen trifft.

        

…       

        

§ 21        

        

Jahressonderzahlung in den Jahren 2006 und 2007           

        

(1)     

Für Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis bereits am 30. Juni 2003 bestanden hat und die bis zum 31. Oktober 2006 für die Zuwendung der tariflichen Nachwirkung unterliegen, richtet sich die Jahressonderzahlung nach § 20 [X.].

        

(2)     

Für die Beschäftigten, mit denen arbeitsvertraglich vor dem 31. Oktober 2006 abweichende Vereinbarungen zur Zuwendung und zum Urlaubsgeld getroffen worden sind, gilt:

                 

a)    

[X.] richtet sich der Anspruch auf Zuwendung und Urlaubsgeld nach den am 19. Mai 2006 geltenden [X.].

                 

b)    

[X.] wird die nach den jeweiligen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen zustehende Summe aus Zuwendung und Urlaubsgeld um 50 v. H. des Differenzbetrages zu der Jahressonderzahlung nach § 20 [X.] erhöht, sofern die Jahressonderzahlung nach § 20 [X.] höher wäre.

                 

c)    

Ab dem [X.] gilt § 20 [X.].

                 

Der Arbeitgeber kann die [X.] hinsichtlich des Umfangs und/oder der [X.]folge schneller vollziehen.

        

(3)     

Nach dem 31. Oktober 2006 neu eingestellte Beschäftigte erhalten die Jahressonderzahlung in den Jahren 2006 und 2007 in Höhe des Betrages, der ihnen nach Absatz 2 zustehen würde, wenn das Arbeitsverhältnis am 31. Oktober 2006 bestanden hätte.“

9

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie falle nicht unter den Anwendungsbereich des § 21 Abs. 2 [X.], sondern § 20 [X.] gelte unmittelbar. Jedenfalls sei die vertragliche Regelung durch § 21 [X.] abgelöst worden, der § 20 [X.] für das [X.] lediglich der Höhe nach modifiziere. Eine Weitergeltung der [X.] könne der Regelung nicht entnommen werden. Die Anwendung einer stichtagsbezogenen [X.] für einen Teil der Beschäftigten würde im Übrigen dem Angleichungsgedanken der Tarifregelung zuwiderlaufen und zu einer Ungleichbehandlung führen, die weit über die unterschiedliche Bemessungshöhe hinausginge. Hierfür gebe es keine sachliche Rechtfertigung. Bei der Aufrechnung habe die Beklagte die Pfändungsfreigrenzen missachtet.

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie von 2.287,43 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2008 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

        

die Klage abzuweisen,

        

hilfsweise für den Fall des Unterliegens die Klägerin im Wege der Widerklage zu verurteilen, an sie 612,34 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Sie hat die Auffassung vertreten, § 21 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b [X.] enthalte keine eigenständige Anspruchsgrundlage. Damit sei Anspruchsgrundlage für die streitgegenständliche Zuwendung weiterhin § 2 Satz 2 des [X.]. dem TV Zuwendung. Die anspruchsbegründende Regelung nach § 1 TV Zuwendung sei mit der sich aus derselben Vorschrift ergebenden Rückzahlungsverpflichtung inhaltlich verzahnt. Mangels Bestehen eines Anspruchs folge der Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB. Ergänzend sehe § 1 Abs. 5 TV Zuwendung eine Rückzahlungsverpflichtung vor. Soweit die Beklagte möglicherweise ein Aufrechnungsverbot bezüglich des nicht pfändbaren Teils des Arbeitseinkommens missachtet habe, müsse der Hilfsantrag Erfolg haben, der der Höhe des unpfändbaren Teils der Arbeitsvergütung entspreche.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihre Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist begründet. Mit der vom [X.] gegebenen Begründung kann die Berufung der [X.]n nicht zurückgewiesen werden. Der [X.] kann in der Sache mangels Feststellungen zur Höhe des [X.] für das [X.] und zu den Pfändungsfreigrenzen gemäß §§ 850 ff. ZPO nicht abschließend entscheiden. Es steht nicht fest, in welchem Umfang der Vergütungsanspruch der Klägerin für den Monat Februar 2008 durch Aufrechnung erloschen ist (§ 389 BGB). Die Revision führt daher zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

I. Der Klägerin stand wegen ihres Ausscheidens gemäß § 2 Satz 2 des [X.]. § 21 Abs. 2 Satz 1 Buchst. [X.], § 1 Abs. 5, Abs. 1 Nr. 3 [X.] Zuwendung kein Anspruch auf eine Zuwendung für das [X.] zu. Allerdings hatte sie einen Anspruch auf eine Jahressonderzahlung gemäß § 2 Satz 2 des [X.]. § 21 Abs. 2 Satz 1 Buchst. [X.] und [X.]. § 20 [X.] Diese Jahressonderzahlung unterlag auch keiner Rückzahlungsverpflichtung. Ein aufrechenbarer Rückzahlungsanspruch der [X.]n bestand daher im Februar 2008 nur in Höhe der Differenz zwischen beiden Leistungen.

1. Die Klägerin hatte für das [X.] keinen Anspruch unmittelbar aus § 20 [X.]

a) Grundsätzlich sind die Regelungen des zum 30. Juni 2003 gekündigten [X.] Zuwendung gemäß § 2 [X.]Ü-Länder [X.]. Anlage 1 [X.]Ü-Länder Teil B Nr. 18 mit Wirkung vom 1. November 2006 durch die Regelungen des [X.]-L (hier: § 20 [X.]-L Jahressonderzahlung) ersetzt worden. Die Ersetzung erfolgte aber nur, soweit nicht im [X.]-L selbst, im [X.]Ü-Länder oder in dessen Anlagen etwas anderes bestimmt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 [X.]Ü-Länder). Für bestimmte Beschäftigtengruppen hat der [X.]Ü-Länder abweichende Regelungen zur Geltung und zum Inkrafttreten des § 20 [X.]-L getroffen (§ 1 Abs. 4 [X.]Ü-Länder). Dies ergibt sich auch aus der Protokollerklärung Nr. 2 zu § 20 [X.]

§ 21 [X.]Ü-Länder unterscheidet hinsichtlich der Jahressonderzahlung in den Jahren 2006 und 2007 zwischen drei Beschäftigtengruppen: Für die Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis bereits am 30. Juni 2003 bestanden hatte und die bis zum 31. Oktober 2006 der tariflichen Nachwirkung unterlagen, wird mit Inkrafttreten des [X.]-L unmittelbar die Anwendung des § 20 [X.]-L angeordnet. Die zweite Gruppe sind die Beschäftigten, mit denen arbeitsvertraglich vor dem 31. Oktober 2006 abweichende Vereinbarungen zur Zuwendung und zum Urlaubsgeld getroffen worden waren. Für diese trifft § 21 Abs. 2 [X.]Ü-Länder differenzierte Regelungen für die [X.] und 2007 und ordnet erst ab 2008 die Geltung des § 20 [X.]-L an. Die dritte Gruppe sind schließlich die nach dem 31. Oktober 2006 neu eingestellten Beschäftigten, die § 21 Abs. 3 [X.]Ü-Länder inhaltlich mit der zweiten Gruppe gleichstellt.

b) Mit der Klägerin ist arbeitsvertraglich vor dem 31. Oktober 2006 eine abweichende Vereinbarung zur Zuwendung und zum Urlaubsgeld iSd. § 21 Abs. 2 [X.]Ü-Länder getroffen worden.

Eine abweichende Vereinbarung iSd. [X.] liegt immer dann vor, wenn die Arbeitsvertragsparteien den [X.] Zuwendung und/oder die entsprechenden Tarifregelungen zum Urlaubsgeld nicht vollständig in ihre [X.] übernommen, sondern inhaltlich andere Verabredungen getroffen haben (vgl. [X.] 5. August 2009 - 10 [X.] - Rn. 20, AP [X.]G § 4 Nr. 32). Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt eine derartige abweichende Vereinbarung bezüglich beider Regelungskomplexe vor. Die Arbeitsvertragsparteien haben die gekündigten Tarifverträge über eine Zuwendung und über ein Urlaubsgeld nicht in vollem Umfang für anwendbar erklärt. Vielmehr wurde die Höhe eines Anspruchs - entgegen den früheren tariflichen Regelungen - in beiden Fällen an die Höhe eines eventuellen Anspruchs vergleichbarer Beamter geknüpft. Damit unterfällt die Klägerin dem Regelungsbereich des § 21 Abs. 2 [X.]Ü-Länder.

2. Die Klägerin hatte wegen ihres Ausscheidens keinen Anspruch auf eine Zuwendung für das [X.] aus ihrem Arbeitsvertrag [X.]. dem [X.] Zuwendung. Hingegen bestand ein Anspruch auf eine Jahressonderzahlung gemäß § 2 Satz 2 des [X.]. § 21 Abs. 2 Satz 1 Buchst. [X.] und [X.]. § 20 [X.]

a) Die Klägerin ist trotz ihrer zunächst zum 1. April 2008 erfolgten Kündigung mit dem 31. März 2008 ausgeschieden. Die [X.] hat die Kündigung der Klägerin als fristgemäße Kündigung zum 31. März 2008 ausgelegt (vgl. dazu [X.] 25. September 2002 - 10 [X.] - zu II 2 der Gründe, [X.], 1) und dies der Klägerin mit Schreiben vom 8. Februar 2008 mitgeteilt. Dem hat die Klägerin nicht widersprochen. Dementsprechend haben die Vertragsparteien das Arbeitsverhältnis bis zum Quartalsende abgewickelt und abgerechnet.

b) Mit dem Ausscheiden aufgrund eigener Kündigung ist nachträglich die Rechtsgrundlage für die im November 2007 gemäß § 2 Satz 2 des [X.]. § 1 Abs. 1 [X.] Zuwendung geleistete Zahlung entfallen und die Klägerin war zur Rückzahlung verpflichtet (§ 1 Abs. 5, Abs. 1 Nr. 3 [X.] Zuwendung). § 21 Abs. 2 Satz 1 Buchst. [X.] verändert insoweit weder die vertraglichen Regelungen noch die Bestimmungen des [X.] Zuwendung.

aa) Gemäß § 2 Satz 2 des Arbeitsvertrags sollen die Regelungen des [X.] Zuwendung „bis zum Zeitpunkt einer neuen Vereinbarung“ mit bestimmten Maßgaben angewendet werden. Eine solche neue Vereinbarung sind die Regelungen des [X.]-L und [X.]Ü-Länder, die allerdings selbst wiederum die Art und den Zeitpunkt ihrer Anwendung differenziert festlegen.

§ 21 Abs. 2 [X.]Ü-Länder sieht für die Beschäftigtengruppe, der die Klägerin angehört, eine zeitlich gestaffelte Regelung bis zur Vollgeltung des § 20 [X.]-L vor. Für das [X.] richtet sich der Anspruch nach den am 19. Mai 2006 (Zeitpunkt der Tarifeinigung) geltenden [X.] (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a [X.]Ü-Länder). Für das [X.] soll die nach den jeweiligen vertraglichen Regelungen zustehende Summe aus Zuwendung und Urlaubsgeld um 50 % einer eventuellen Differenz zu dem Anspruch nach § 20 [X.]-L erhöht werden (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Buchst. [X.]). Für [X.] ab dem [X.] gilt dann § 20 [X.] § 21 Abs. 2 Satz 2 [X.]Ü-Länder gab darüber hinaus dem Arbeitgeber die Möglichkeit, die [X.] hinsichtlich des Umfangs und/oder der Zeitfolge schneller zu vollziehen.

bb) Entgegen der Auffassung des [X.]s ordnet § 21 Abs. 2 Satz 1 Buchst. [X.] keine modifizierte Anwendung des [X.] Zuwendung dahingehend an, dass § 1 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 5 [X.] Zuwendung nicht weitergelten sollen. Hingegen gibt die Vorschrift einen [X.] in Höhe der Hälfte des regulären tariflichen Anspruchs nach § 20 [X.] Dies ergibt eine Auslegung der [X.].

Der Wortlaut des § 21 Abs. 2 Satz 1 Buchst. [X.], von dem vorrangig auszugehen ist (vgl. zu den Auslegungsgrundsätzen zuletzt [X.] 24. Februar 2010 - 10 [X.] 1035/08 - Rn. 15 ff. [X.], [X.], 361), ist nicht eindeutig. § 21 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a [X.]Ü-Länder verweist für das [X.] ohne Einschränkung oder Veränderung auf die [X.] zu einem Stichtag im [X.] und damit auf die unterschiedlichen Vertragsgestaltungen. Demgegenüber wird für 2007 zwar auch Bezug auf die jeweiligen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen genommen, aber nur im Zusammenhang mit der Höhe eines daraus resultierenden Anspruchs („zustehende Summe“). Dieser soll dann bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen „erhöht“ werden, wobei zur Feststellung der Voraussetzungen einer eventuellen Erhöhung eine Vergleichsberechnung zwischen einem arbeitsvertraglichen Anspruch und einem Anspruch aus § 20 [X.]-L erforderlich ist. Damit ist nicht eindeutig erkennbar, ob es sich um einen lediglich in der Höhe veränderten arbeitsvertraglichen Anspruch, um einen insgesamt der Höhe nach bestimmten eigenen Anspruch oder um das Nebeneinander zweier Anspruchsgrundlagen handeln soll, die zusammen einen [X.] normieren. Die Systematik der Regelung, insbesondere der Dreischritt 2006/2007/2008, kann ebenso für einen eigenständigen Anspruch wie für die Addition von zwei Ansprüchen sprechen.

Entscheidend sind deshalb Sinn und Zweck der Regelung: Es handelt sich um eine Übergangsvorschrift, die eine schrittweise Heranführung der im [X.] eingestellten und in den Ländern unterschiedlich behandelten Beschäftigten an die einheitliche Regelung des [X.]-L bewirken soll ([X.]/[X.]/Kiefer/Thivessen [X.]-L Stand August 2010 § 21 [X.]Ü-Länder Rn. 11; [X.]/[X.]/[X.]/Wiese [X.]-L Stand September 2010 [X.]Ü-Länder Rn. 656). Im [X.] verblieb es bei den [X.]. Dies bedeutete, dass in den Ländern, in denen im [X.] keine vertraglichen Ansprüche auf Zuwendung und Urlaubsgeld vereinbart wurden, für 2006 keine Jahressonderzahlung beansprucht werden konnte ([X.]/[X.]/[X.]/Wiese [X.]Ü-Länder Rn. 653: [X.] und [X.]; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.] [X.]-L Stand April 2010 § 21 [X.]Ü-Länder Rn. 10 nennt nur [X.]). Im Jahre 2007 ist demgegenüber eine Vergleichsberechnung zwischen den vertraglichen Ansprüchen auf Zuwendung und Urlaubsgeld und dem Anspruch nach § 20 [X.]-L vorzunehmen ([X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.] § 21 [X.]Ü-Länder Rn. 11) und der vertragliche Anspruch um die Hälfte der Differenz zu erhöhen. Dem Ziel der schrittweisen Heranführung wird dabei nur dann Genüge getan, wenn auch den Arbeitnehmern, die vertraglich für das [X.] keinen Anspruch auf Zuwendung und Urlaubsgeld hatten, jedenfalls der „Erhöhungsbetrag“ von 50 % der Leistung nach § 20 [X.]-L zusteht, sofern dessen Voraussetzungen gegeben sind. Erhöht wird dann bezogen auf den vertraglichen Anspruch Null. Andernfalls gäbe es für bestimmte Arbeitnehmer keine schrittweise Heranführung, sondern nur die hinausgeschobene Anwendung des § 20 [X.]

Warum ein Arbeitnehmer keinen vertraglichen Anspruch hat, ist dabei unerheblich. Der [X.] für 2007 besteht sowohl, wenn der Vertrag überhaupt keinen Anspruch vorsieht, als auch dann, wenn die vertraglichen Anspruchsvoraussetzungen (zB wegen Ausscheidens) nicht vorliegen. § 21 Abs. 2 Satz 1 Buchst. [X.] löst sich insoweit von den vertraglichen Regelungen. Hingegen bedarf es des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 [X.]-L, da keine Besserstellung gegenüber denjenigen Arbeitnehmern beabsichtigt war, die unmittelbar dem Anwendungsbereich des § 20 [X.]-L unterlagen.

Demgegenüber lässt sich aus § 21 Abs. 2 Satz 1 Buchst. [X.] nicht entnehmen, dass die vertraglichen Regelungen modifiziert werden sollten. Der Wortlaut lässt hierfür keine Anhaltspunkte erkennen und macht insbesondere nicht deutlich, in welche Richtung eine Modifikation der vertraglichen Regelungen erfolgen sollte. Es gibt keinen Hinweis dafür, dass gerade die Regelungen in § 1 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 [X.] Zuwendung aufgehoben werden sollten ([X.] 11. Mai 2009 - 2 Sa 18/09 - AE 2010, 49). Mit § 1 Abs. 4 [X.]Ü-Länder kann dies nicht begründet werden, da diese Norm den Vorrang des [X.]-L nur insoweit anordnet, als der [X.]Ü-Länder keine andere Regelung trifft. Auch dass die [X.] nach § 21 Abs. 2 Satz 2 [X.]Ü-Länder schneller vollzogen werden können, verlangt keine Modifikation der [X.]. Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass eine Gruppenbildung innerhalb der Beschäftigten zwischen [X.] und Nichtrückzahlungsverpflichteten problematisch sei, erfordert dies ebenfalls keine Modifikation der [X.]. Zum einen durften die [X.] wegen des Charakters als Übergangsregelung an den unterschiedlichen vertraglichen Ausgangslagen anknüpfen. Zum anderen wird das Ziel der stufenweisen Heranführung im Hinblick auf den [X.] für 2007 erreicht.

cc) Die Klägerin erfüllte die Anspruchsvoraussetzungen für eine Jahressonderzahlung nach § 20 Abs. 1 [X.]-L; insbesondere stand sie am 1. Dezember 2007 in einem Arbeitsverhältnis. Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 [X.]-L beträgt die Jahressonderzahlung bei den Beschäftigten der Entgeltgruppen 9 bis 11 im Tarifgebiet [X.] v. H. der Bemessungsgrundlage nach § 20 Abs. 3 [X.] Hiervon stand der Klägerin für das [X.] gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Buchst. [X.] die Hälfte zu, soweit kein Urlaubsgeld gezahlt wurde. Andernfalls stand ihr nur die Hälfte der Differenz zum geleisteten Urlaubsgeld zu. Den genauen Betrag kann der [X.] mangels entsprechender Feststellungen zum Urlaubsgeld, zur Bemessungsgrundlage und zu möglichen Kürzungstatbeständen nach § 20 Abs. 4 [X.]-L nicht beurteilen.

II. Das [X.] wird nach diesen Grundsätzen festzustellen haben, wie hoch der Jahressonderzahlungsanspruch der Klägerin im Jahre 2007 war und in welcher Höhe die Aufrechnung der [X.]n danach zu Recht erfolgt ist. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die [X.] in der Abrechnung Februar 2008 einen Bruttobetrag abgezogen hat (2.287,34 Euro), der den gezahlten [X.] von 2.238,85 Euro überstieg. Darüber hinaus spricht vieles dafür, dass die [X.] keine Aufrechnung dieses [X.], sondern (konkludent) nur die Aufrechnung mit dem daraus resultierenden Nettobetrag erklärt hat. Zwar ist der Bruttobetrag ins Soll gestellt worden, aber gleichzeitig wurden Steuer- und Sozialversicherungsanteile ins Haben gestellt. [X.]. wird die [X.] klarzustellen haben, wie sich diese Beträge zusammensetzen. Des Weiteren wird zu prüfen sein, ob die [X.] (§ 394 BGB [X.]. §§ 850a ff. ZPO) einer Aufrechnung entgegenstehen.

        

    Mikosch    

        

    Eylert    

        

    [X.]    

        

        

        

    Der ehrenamtliche Richter Staedtler
ist wegen der Beendigung seiner Amtszeit
an einer Unterzeichnung verhindert.
Mikosch    

        

    Stefan Fluri    

                 

Meta

10 AZR 354/09

27.10.2010

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Köln, 24. Juni 2008, Az: 17 Ca 2604/08, Urteil

§ 20 TV-L, § 21 Abs 2 S 1 Buchst b TVÜ-L, § 1 TVÜ-L, § 1 Abs 5 ZuwAngTVtr, § 1 Abs 1 Nr 3 ZuwAngTVtr

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.10.2010, Az. 10 AZR 354/09 (REWIS RS 2010, 1984)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1984

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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