Bundessozialgericht, Beschluss vom 24.10.2013, Az. B 13 R 253/13 B

13. Senat | REWIS RS 2013, 1648

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Gegenstand

rechtliches Gehör vor Erlass einer ohne mündliche Verhandlung ergehenden Endentscheidung - Nachweis über den Zugang des Anhörungsschreibens


Tenor

Dem Kläger wird für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des [X.] vom 27. Mai 2013 vor dem [X.] Prozesskostenhilfe ohne Zahlung von Monatsraten bewilligt und Rechtsanwältin B. beigeordnet.

Auf die Beschwerde des [X.] wird der vorgenannte Beschluss des [X.] aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten in der Hauptsache um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Das [X.] hat die entsprechende Klage mit Urteil vom 13.11.2012 abgewiesen.

2

Gegen das seiner Prozessbevollmächtigen am 20.12.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19.1.2013 Berufung erhoben und mitgeteilt, Antragstellung und Begründung blieben einem gesonderten [X.] vorbehalten. Unter dem 11.4.2013 hat die Berichterstatterin verfügt, der Prozessbevollmächtigten des [X.] und der Beklagten ein Schreiben mit Empfangsbekenntnis ([X.]) zuzustellen, in dem sie darauf hingewiesen hat, dass der Senat "nach dem derzeitigen Verfahrensstand" in Erwägung ziehe, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 153 Abs 4 [X.]G zurückzuweisen. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit, hierzu bis zum 10.5.2013 Stellung zu nehmen. Die Beklagte hat mit [X.] vom 12.4.2013 den Erhalt des [X.]s vom 11.4.2013 bestätigt und mit [X.] vom 26.4.2013 mitgeteilt, dass sie mit der Übertragung auf den Einzelrichter und einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden sei.

3

Das L[X.] hat mit Beschluss vom [X.] die Berufung zurückgewiesen. Der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert (§ 43 Abs 2 [X.]B VI). Auch die Voraussetzungen einer teilweisen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 [X.]B VI seien nicht gegeben.

4

Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger die Verletzung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 [X.], § 62 [X.]G). Seine Prozessbevollmächtigte sei vom L[X.] nicht gemäß § 153 Abs 4 [X.] [X.]G angehört worden. Ihr liege kein entsprechendes [X.] des L[X.] vor. Er habe somit keine Möglichkeit gehabt, die wesentliche Verschlimmerung seiner gesundheitlichen Verhältnisse zu belegen. Auch hätte er dargetan, dass er aufgrund der Vielzahl seiner Krankenhausaufenthalte und Fehlzeiten einen seinem Leistungsvermögen angepassten Arbeitsplatz nicht mehr finden könne.

5

II. Auf die Beschwerde des [X.] ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das L[X.] zurückzuverweisen.

6

Der Kläger hat formgerecht (vgl § 160a Abs 2 S 3 [X.]G) und auch in der Sache zutreffend die Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 [X.], § 62 [X.]G iVm § 153 Abs 4 [X.] [X.]G) gerügt (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G). Dem Verfahrensausgang entsprechend war dem Kläger antragsgemäß für das [X.] Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwältin B. zu bewilligen (§ 73a [X.] [X.]G iVm § 114 ZPO).

7

Das L[X.] hat § 153 Abs 4 [X.] [X.]G verletzt, wonach die Beteiligten vor Erlass eines Beschlusses nach § 153 Abs 4 S 1 [X.]G zu hören sind. Mit diesem Anhörungserfordernis soll sichergestellt werden, dass durch den Wegfall der mündlichen Verhandlung das rechtliche Gehör nicht verkürzt wird (B[X.] vom [X.] - [X.] 3-1500 § 153 Nr 11 S 32).

8

Das Schreiben des L[X.] vom 11.4.2013 kann diese Funktion schon deshalb nicht erfüllen, weil sich nicht feststellen lässt, dass es dem Kläger bzw seiner Prozessbevollmächtigten zugegangen ist.

9

Die Prozessbevollmächtigte des [X.] bestreitet die Anhörung gemäß § 153 Abs 4 [X.] [X.]G. Vorliegend ergibt sich zwar aus dem Akteninhalt, dass die Berichterstatterin unter dem 11.4.2013 verfügt hat, der Prozessbevollmächtigten des [X.] und der Beklagten das [X.] mit [X.] zuzustellen (vgl § 63 Abs 2 [X.]G iVm § 174 ZPO). Zudem befindet sich in der Gerichtsakte die Durchschrift eines unter dem 11.4.2013 datierten [X.]s sowohl an die Prozessbevollmächtigte des [X.] als auch an die Beklagte. Allerdings hat lediglich die Beklagte mit [X.] vom 12.4.2013 den Erhalt des [X.]s bestätigt. Dies spricht dafür, dass die Prozessbevollmächtigte des [X.] kein [X.] erhalten hat. Allein aufgrund des bloßen Absendens des Schreibens kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle Verfahrensbeteiligten auch tatsächlich Gelegenheit zur Stellungnahme hatten.

Wenn aber, wie hier, rechtliches Gehör zu gewähren ist, muss sich das Gericht in jedem Fall vor der Entscheidung davon überzeugen, dass den gesetzlichen Anforderungen des § 153 Abs 4 [X.] [X.]G iVm Art 103 Abs 1 [X.] und § 62 [X.]G genügt wurde (vgl B[X.] vom [X.] - [X.] 3-1500 § 153 [X.]; B[X.] vom 29.11.2012 - [X.] [X.]/12 B - Juris RdNr 5). Da die Prozessbevollmächtigte des [X.] auf das [X.] kein [X.] zurückgesandt und auch sonst nicht erwidert hat, hätte sich das L[X.] vor seiner Entscheidung Gewissheit darüber verschaffen müssen, dass das Schreiben der Prozessbevollmächtigten zugegangen ist. Dies ist unterblieben. Es ist daher davon auszugehen, dass dem Kläger rechtliches Gehör iS von § 153 Abs 4 [X.] [X.]G nicht gewährt worden ist. Denn der "Nachweis", dass rechtliches Gehör vor Erlass einer ohne mündliche Verhandlung ergehenden Endentscheidung gewährt wurde, obliegt dem Gericht. Kann ein derartiger "Nachweis" nicht geführt werden, liegt ein Gehörsverstoß vor (vgl B[X.] vom [X.] aaO).

Der Kläger hat auch (noch) hinreichend aufgezeigt, dass die Entscheidung auf einer Verletzung von § 153 Abs 4 [X.] [X.]G beruhen kann (vgl zu diesem [X.] bei einer Rüge der Verletzung der [X.] nach § 153 Abs 4 [X.] [X.]G Senatsbeschluss vom [X.] - B 13 R 300/11 B - BeckR[X.]013, 67152 RdNr 17 mwN).

Hierzu hat er in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde vorgetragen, dass er in der bis dahin noch nicht erfolgten Berufungsbegründung eine wesentliche Verschlimmerung seiner gesundheitlichen Verhältnisse "belegt" hätte. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das L[X.] sich bei einer entsprechenden Berufungsbegründung zu weiteren sozialmedizinischen Ermittlungen veranlasst gesehen hätte und in deren Folge (dh bei einer tatsächlichen Verschlechterung des Gesundheitszustands oder neuen sozialmedizinisch relevanten Gesundheitsstörungen) zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis gekommen wäre.

Gemäß § 160a Abs 5 [X.]G kann das B[X.] in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde den angefochtenen L[X.]-Beschluss aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G vorliegen. Zur Vermeidung weiterer Verfahrensverzögerungen macht der Senat von dieser ihm eingeräumten Möglichkeit Gebrauch.

Das L[X.] wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 13 R 253/13 B

24.10.2013

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Frankfurt, 13. November 2012, Az: S 4 R 643/10, Urteil

§ 62 SGG, § 63 Abs 2 SGG, § 153 Abs 4 S 1 SGG, § 153 Abs 4 S 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160a Abs 5 SGG, § 174 ZPO, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 24.10.2013, Az. B 13 R 253/13 B (REWIS RS 2013, 1648)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1648

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