Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.01.2011, Az. 1 AZR 375/09

1. Senat | REWIS RS 2011, 10628

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Gegenstand

Betriebsvereinbarung - Vereinbarung zu Lasten Dritter - Sozialplanabfindung


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 22. April 2009 - 11 [X.] wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über eine Sozialplanabfindung und eine Bleibeprämie.

2

Der Kläger war seit dem 1. [X.]ärz 1996 bei der [X.] beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis ging zum 1. Oktober 2005 auf die [X.] über. Dort belief sich sein Jahreszieleinkommen zuletzt auf 94.200,00 Euro.

3

Am 31. [X.]ai 2006 vereinbarte die [X.] mit dem bei ihr bestehenden Gesamtbetriebsrat eine „Protokollnotiz zur Überleitung der Beschäftigungsbedingungen der von der [X.], [X.], zur [X.] übergehenden [X.]itarbeiter“ (Protokollnotiz). Darin ist ua. Folgendes bestimmt:

        

„…    

        

2. Nachteilsausgleich bei betriebsbedingter Kündigung

        

Aus heutiger Sicht sind keine betriebsbedingten Kündigungen vorgesehen.

        

…       

        

Sollte es jedoch in [X.] dennoch vor dem 30.09.2008 zu betriebsbedingten Kündigungen/Aufhebungsverträgen zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung bei [X.] kommen, erhalten [X.]itarbeiter, die aus [X.] ausscheiden, ohne gleichzeitig in den Ruhestand zu gehen, von [X.] eine Abfindung auf Basis des [X.] im Übertrittszeitpunkt nach der am jeweiligen Standort derzeit (Stand: 30.05.2006) bestehenden/letztgültigen S/B-Sozialplanregelung.…“

4

Die Protokollnotiz ist arbeitgeberseitig unterzeichnet mit dem Zusatz „[X.]“.

5

Zum 1. Juli 2006 übertrug die [X.] die Aktivitäten der Abteilung „[X.]“, in welcher der Kläger beschäftigt war, auf die [X.]. Diese ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der [X.]. Die rechtlichen Grundlagen dieser Übertragung sind vom [X.] nicht festgestellt und von den Parteien auch nicht vorgetragen worden. Das Arbeitsverhältnis des [X.] ging zum 1. Juli 2006 auf die [X.] über.

6

[X.]n einem in [X.] verfassten Schreiben vom 26. Juni 2006 hat die [X.] dem Kläger nach zwei Jahren durchgehender Beschäftigung eine Bleibeprämie in [X.]öhe von 60 % des Jahreszieleinkommens angeboten. Dieses Angebot hat der Kläger angenommen.

7

Das Amtsgericht [X.]ünchen ordnete mit Beschluss vom 29. September 2006 die vorläufige [X.]nsolvenzverwaltung über das Vermögen der [X.] an und bestellte den Beklagten zum vorläufigen [X.]nsolvenzverwalter. Am 1. Januar 2007 wurde das [X.]nsolvenzverfahren eröffnet. Der Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger ab dem 1. Oktober 2006 fortgeführt. Es endete durch einen Aufhebungsvertrag zum 28. Februar 2007.

8

Der Kläger hat geltend gemacht, ihm stehe aufgrund der zwischen dem Gesamtbetriebsrat und der [X.] vereinbarten Protokollnotiz ein Abfindungsanspruch in rechnerisch unstreitiger [X.]öhe von 44.722,47 Euro zu, der zur [X.]nsolvenztabelle festzustellen sei. Des Weiteren habe er einen zumindest zeitanteiligen Anspruch auf den [X.] in [X.]öhe von 18.840,00 Euro aus der Zusage vom 26. Juni 2006. Dem Zahlungsanspruch stehe nicht entgegen, dass das Arbeitsverhältnis vor Ablauf des [X.] geendet habe, weil der Aufhebungsvertrag betrieblich veranlasst gewesen sei.

9

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 18.840,00 Euro nebst Zinsen in [X.]öhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. [X.]ärz 2007 zu zahlen;

        

2.    

zur [X.]nsolvenztabelle festzustellen, dass dem Kläger in dem [X.]nsolvenzverfahren über das Vermögen der [X.], [X.], [X.], [X.]nsolvenzforderungen in [X.]öhe von insgesamt 44.722,47 Euro zustehen.

Der Beklagte hat zur Begründung seines Abweisungsantrags ausgeführt, dem Kläger stehe keine Sozialplanabfindung zu. Die Protokollnotiz begründe keine Zahlungspflichten der Schuldnerin. Dem Bonusanspruch stehe entgegen, dass der Kläger bereits zum 28. Februar 2007 auf eigenen Wunsch ausgeschieden sei.

Das Arbeitsgericht hat den Beklagten durch Teilanerkenntnisurteil vom 28. [X.]ai 2008 verurteilt, eine - weitergehende - Forderung in [X.]öhe von 17.825,00 Euro zur [X.]nsolvenztabelle festzustellen. Durch Endurteil hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, für den Kläger 44.722,47 Euro zur [X.]nsolvenztabelle zu nehmen, und den Beklagten verurteilt, an den Kläger 18.840,00 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen. [X.]m Übrigen hat es die Klage abgewiesen, die erstinstanzlich noch auf den vollen Bonus gerichtet war. Das [X.] hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist unbegründet. Das [X.] hat die Klage zu Recht insgesamt abgewiesen.

I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Sozialplanabfindung. Die zwischen der Rechtsvorgängerin der Schuldnerin und ihrem Gesamtbetriebsrat vereinbarte Protokollnotiz konnte keine normativen Zahlungspflichten der Schuldnerin begründen.

1. Nach § 112 Abs. 1 Satz 2 [X.] ist der Sozialplan die Einigung zwischen dem Unternehmer und dem jeweils zuständigen [X.]etriebsrat über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge einer geplanten [X.]etriebsänderung entstehen. Ein solcher Sozialplan hat gemäß § 112 Abs. 1 Satz 3 [X.] die Wirkung einer [X.]etriebsvereinbarung und kommt durch eine Einigung der [X.]etriebsparteien oder einen diese ersetzenden Spruch der Einigungsstelle zustande. In beiden Fällen sind Vertragsparteien des Sozialplans die jeweiligen [X.]etriebsparteien. Sie können Rechte und Pflichten nur im Verhältnis zueinander, nicht jedoch normative Ansprüche gegenüber und zu Lasten Dritter begründen. Hierzu fehlt ihnen die durch das [X.] vermittelte Regelungsbefugnis.

2. Nach diesen Grundsätzen kann der Kläger vom [X.]n nicht die Feststellung der beanspruchten Sozialplanabfindung zur Insolvenztabelle verlangen.

a) Nach den nicht mit begründeten [X.] angegriffenen Feststellungen des [X.]s wurde die Protokollnotiz zwischen der [X.] und dem dort gebildeten Gesamtbetriebsrat abgeschlossen. Allein diese sind [X.]en der Vereinbarung. Zur Normierung von Zahlungspflichten zu Lasten Dritter fehlte ihnen die Regelungskompetenz. Dies gilt auch, soweit dem Gesamtbetriebsrat kraft Übergangsmandat (§ 21a [X.]) eine Regelungsbefugnis zugestanden haben könnte. In diesem Fall hätte er eine Vereinbarung mit der Schuldnerin, nicht hingegen mit der Rechtsvorgängerin treffen müssen. Aus dem Umstand, dass die Schuldnerin eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der [X.] ist, ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision nicht, dass diese bei Abschluss der Protokollnotiz für die Schuldnerin gehandelt und für diese Verbindlichkeiten begründet hat. Dies ist in der Vereinbarung nicht zum Ausdruck gekommen. Als [X.] auf Arbeitgeberseite ist durchgehend, insbesondere bei der [X.]ezeichnung der die Vereinbarung abschließenden [X.]en und vor der Unterschrift die [X.] genannt. Das macht deutlich, dass die Protokollnotiz nur zwischen ihr und dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat vereinbart wurde. Durch sie konnten keine Verpflichtungen der Schuldnerin begründet werden. Ob die [X.]etriebsparteien für den Fall des Arbeitsplatzverlustes bei der Schuldnerin [X.] der übergegangenen Arbeitnehmer gegen die [X.] begründen konnten, bedarf keiner Entscheidung, weil dies in der Protokollnotiz nicht erfolgt ist und der Kläger solche Ansprüche auch nicht verfolgt.

b) Darüber hinaus steht einem Abfindungsanspruch entgegen, dass der Kläger nicht schlüssig dargelegt hat, den Aufhebungsvertrag zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung abgeschlossen zu haben. Er hat lediglich behauptet, der Aufhebungsvertrag sei betrieblich veranlasst gewesen, nachdem der [X.] seine Absicht, den [X.]etrieb fortzuführen und als Ganzes zu veräußern, aufgegeben habe. Das schließt jedoch nicht ein, dass der [X.] auch beabsichtigt hat, den Kläger betriebsbedingt zu kündigen. Hierfür gibt es auch nach dem weiteren Vortrag der [X.]en keine Anhaltspunkte. Nach dem nicht bestrittenen Vortrag des [X.]n ist es zur Jahreswende 2006/2007 zu einer „[X.]etriebsaufspaltung“ in einen sog. Reparaturbetrieb in [X.] und einen sog. Service-Logistikbetrieb in M gekommen. Es ist vom Kläger nicht behauptet worden und auch sonst nicht ersichtlich, dass im [X.] daran für den Kläger in M keine angemessenen Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten mehr bestanden hätten. Der Erwerber des [X.] wäre nach § 613a Abs. 1 [X.]G[X.] an die zwischen dem Kläger und der Schuldnerin getroffene Vereinbarung gebunden gewesen.

II. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den [X.]n auf Zahlung des [X.] als Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO.

1. Zwischen der Schuldnerin und dem Kläger wurde - wie die [X.]en in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat übereinstimmend klargestellt haben - vereinbart, dass die Schuldnerin dem Kläger nach Maßgabe des Schreibens vom 26. Juni 2006 nach zwei Jahren durchgehender [X.]eschäftigung eine [X.]leibeprämie in Höhe von 60 % des Jahreszieleinkommens zahlt.

2. Der Kläger erfüllt nicht die Anspruchsvoraussetzungen für die [X.]onuszahlung, denn er hat nicht durchgehend bis zum 30. Juni 2008 für die Schuldnerin oder deren Rechtsnachfolger gearbeitet. Sein Arbeitsverhältnis hat vielmehr einvernehmlich zum 28. Februar 2007 geendet. Es kann dahinstehen, ob - wie der Kläger meint - die [X.]onusvereinbarung einschränkend dahin auszulegen ist, dass sie eine [X.]eendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund betrieblicher Veranlassung nicht erfasst. Dies unterstellt bestünde gleichwohl kein Anspruch auf die begehrte [X.]onuszahlung. Der Aufhebungsvertrag ist unstreitig auf Wunsch des [X.] zustande gekommen. Nach seinem Vortrag wollte er das Arbeitsverhältnis beenden, nachdem der [X.] den [X.]etrieb nicht mehr fortführen und als Ganzes veräußern wollte. Damit sind schon nach dem eigenen Vorbringen des [X.] die Voraussetzungen der [X.]onuszahlung nicht gegeben. Seine Darlegungen lassen nicht erkennen, dass er mit dem Aufhebungsvertrag einer betriebsbedingten Kündigung durch den [X.]n zuvorgekommen ist.

        

    Schmidt    

        

    Koch    

        

    Linck    

        

        

        

    Münzer    

        

    Hayen    

                 

Meta

1 AZR 375/09

11.01.2011

Bundesarbeitsgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG München, 20. Juni 2008, Az: 19a Ca 16202/07, Urteil

§ 77 BetrVG, § 613a Abs 1 BGB, § 112 Abs 1 S 3 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.01.2011, Az. 1 AZR 375/09 (REWIS RS 2011, 10628)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 10628

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