Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.11.2010, Az. 8 AZR 169/09

8. Senat | REWIS RS 2010, 1436

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Gegenstand

Betriebsübergang - fehlerhafte Unterrichtung - Schadensersatz - Abfindung


Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 11. Februar 2009 - 11 [X.] wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis des [X.] mit der [X.]eklagten fortbesteht und hilfsweise über einen Schadensersatz- und einen [X.] des [X.].

2

Der [X.]läger war seit dem Jahre 2000 bei der [X.]eklagten als „Senior Consultant Customer Care“ in [X.] im [X.]ereich „Com [X.]D ([X.]obile Devices)“ beschäftigt. Aufgrund eines Vertrages vom 6. Juni 2005 mit der [X.] (Sitz in [X.]) übertrug die [X.]eklagte mit Wirkung vom 30. September 2005 die Vermögensgegenstände dieses Geschäftsbereiches in [X.] im Wege der Einzelrechtsübertragung („Asset Deal“) auf die [X.] [X.]obile GmbH & Co. OHG (im Folgenden: [X.] [X.]obile). Diese Gesellschaft wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 12. September 2005 gegründet. Gesellschafter waren die [X.] [X.]obile [X.]anagement GmbH und die [X.] Am 16. September 2005 wurde die [X.] [X.]obile in das Handelsregister beim Amtsgericht [X.]ünchen eingetragen. Die beiden Gesellschafter der [X.] [X.]obile verfügten über ein Stammkapital von jeweils 25.000,00 Euro. Im Zusammenhang mit der Übertragung der Vermögensgegenstände von der [X.]eklagten auf die [X.] [X.]obile zahlte die [X.]eklagte an die [X.] einen dreistelligen [X.]illionenbetrag.

3

Die [X.]eklagte informierte mit Schreiben vom 29. August 2005 den [X.]läger über die „Übertragung der Aktivitäten“ dieses „[X.]“. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:

        

„Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses

        

Sehr geehrter Herr …

        

wie Ihnen bereits durch verschiedene [X.]itarbeiterinformationen bekannt ist, werden unsere Aktivitäten des Geschäftsgebietes Com [X.]D ([X.]obile Devices) zum 01.10.2005 in die [X.] [X.]obile GmbH & Co. OHG (im Folgenden: [X.] [X.]obile) übertragen.

        

[X.] ist ein weltweit führender Anbieter von [X.], wie beispielsweise [X.], [X.], [X.]ameras und Scannern. [X.]nd im Handygeschäft wird [X.] [X.]obile in den nächsten Jahren zu einem führenden globalen Anbieter.

        

In seinem asiatischen Heimatmarkt zählt [X.] schon heute zu den am schnellsten wachsenden Anbietern im [X.]. Durch den Zusammenschluss mit [X.] kann [X.] seine ehrgeizigen internationalen Expansionspläne umsetzen. [X.] bietet [X.] eine globale Organisation mit führenden [X.]arktpositionen in West- und Osteuropa sowie im Wachstumsmarkt Lateinamerika. Zudem erhält [X.] durch den [X.]auf einen starken, weltweit bekannten [X.]arkennamen, [X.]obiltelefontechnologie und Softwarekompetenz sowie globalen Zugang zu der breiten [X.]undenbasis von [X.]. Daneben bekommt [X.] einen auf drei [X.]ontinenten hervorragend etablierten Fertigungsverbund von [X.].

        

Die Übertragung des Geschäftsgebietes erfolgt auf Grund eines [X.]aufvertrags im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf [X.] [X.]obile. [X.]it diesem [X.]etriebsübergang wird gem. § 613a [X.]G[X.] [X.] [X.]obile Ihr neuer Arbeitgeber, der in alle Rechte und Pflichten Ihres Arbeitsverhältnisses mit der [X.] AG eintritt. Es wird also anlässlich des [X.]etriebsübergangs - sofern nicht in der Überleitungsvereinbarung andere Regelungen getroffen sind - unverändert mit [X.] [X.]obile fortgeführt (insbesondere keine Veränderungen bei dem jeweiligen Einkommenssystem, Altersversorgung, Jubiläumsregelung, Dienstzeitregelung). Ebenso gelten die jeweiligen Tarifverträge (einschließlich des Ergänzungstarifvertrags [X.]/[X.]) gem. § 613a [X.]G[X.] weiter.

        

Die Höhe und Zusammensetzung des bisherigen Einkommens bleibt ebenso wie eine bestehende freiwillige, widerrufliche Sonderzulage anlässlich des [X.]etriebsübergangs unverändert.

        

Im Einzelnen gilt für Sie die beiliegende, mit dem Gesamtbetriebsrat der [X.] AG vereinbarte Regelung zur Überleitung der [X.]eschäftigungsbedingungen (Überleitungsvereinbarung), die [X.]estandteil dieses Schreibens ist.

        

Die bestehenden [X.] und örtlichen [X.]etriebsvereinbarungen gelten bis zu einer eventuellen Neuregelung weiter, sofern in der Überleitungsvereinbarung nichts Abweichendes geregelt ist.

        

[X.] [X.]obile haftet ab dem Zeitpunkt des [X.]etriebsübergangs unbeschränkt für alle, auch die rückständigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis.

        

Zusätzlich haftet die [X.] AG für solche Verpflichtungen, die vor dem [X.]etriebsübergang entstanden sind und spätestens ein Jahr danach fällig werden; soweit sie nach dem 1.10.2005 fällig werden, haftet sie nur zeitanteilig.

        

Eine [X.]ündigung wegen des [X.]etriebsübergangs ist gesetzlich gem. § 613a Abs. 4 [X.]G[X.] ausgeschlossen; das Recht zu [X.]ündigungen aus anderen Gründen bleibt unberührt.

        

Sie werden auch nach dem 1.10.2005 durch Ihren bisherigen [X.]etriebsrat weiter betreut; an den Standorten in [X.], [X.] und [X.] / G Strasse gilt dies solange, bis durch Neuwahlen eigene [X.]etriebsratsgremien gewählt sind, längstens bis zum 31.1.2006.

        

Für den Standort [X.] wurde der örtliche [X.]etriebsrat informiert, dass an diesem Standort aufgrund von Produktivitätssteigerungen in der Fertigung der Abbau von ca. 340 [X.]itarbeitern im [X.]ereich der Lohngruppen 2 bis 7 geplant ist.

        

Dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses auf [X.] [X.]obile können Sie nach § 613 a Abs. 6 [X.]G[X.] schriftlich widersprechen. Ihr Widerspruch hätte zur Folge, dass Ihr Arbeitsverhältnis nicht auf [X.] [X.]obile übergeht. Wir möchten Sie jedoch bitten, von diesem Recht nur nach sorgfältiger Abwägung Gebrauch zu machen, denn Ihr Widerspruch sichert Ihnen keinen Arbeitsplatz bei der [X.] AG, da die Com [X.]D - Aktivitäten vollständig auf [X.] [X.]obile übertragen werden und damit diese Arbeitsplätze bei der [X.] AG entfallen, so dass es letztlich zu betriebsbedingten [X.]eendigungen des Arbeitsverhältnisses kommen kann.

        

Sollten Sie trotz dieser Überlegungen dennoch widersprechen wollen, bitten wir darum, Ihren etwaigen Widerspruch unverzüglich, jedoch spätestens innerhalb von 1 [X.]onat nach Zugang dieses Schreibens schriftlich an

        

Herrn R [X.], Com HR CG, [X.]

        

oder an

        

Herrn Dr. V E, [X.]

        

zu richten.

        

Für Fragen steht Ihnen Ihre Personalorganisation gerne zur Verfügung.

        

Wir würden uns freuen, wenn Sie mit gleichem Arbeitseinsatz und hoher [X.]otivation Ihre Arbeit bei [X.] [X.]obile weiterführen und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg.

        

...     

        

Anlage

        

Überleitungsvereinbarung [X.]

4

Am 17. August 2005 hatten die [X.]eklagte und der Gesamtbetriebsrat ua. folgende „Protokollnotiz zur Überleitung der [X.]eschäftigungsbedingungen der von der [X.] AG, Com [X.]D zur [X.] [X.]obile GmbH & Co. OHG übergehenden [X.]itarbeiter ([X.]/Vertragsgruppe [X.] und F[X.])“ vereinbart:

        

…       

        
        

4.    

Nachteilsausgleich bei betriebsbedingter [X.]ündigung

                 

Aus heutiger Sicht sind keine betriebsbedingten [X.]ündigungen vorgesehen.

                 

Sollte es jedoch dennoch vor dem 30.09.2008 zu betriebsbedingten [X.]ündigungen / Aufhebungsverträge zur Vermeidung einer betriebsbedingten [X.]ündigung bei [X.] [X.]obile kommen, erhalten [X.]itarbeiter, die aus [X.] [X.]obile ausscheiden, ohne gleichzeitig in den Ruhestand zu gehen, von [X.] [X.]obile eine Abfindung auf [X.]asis des [X.]ruttomonatseinkommens im Übertrittszeitpunkt nach der am jeweiligen Standort derzeit (Stand: 16.8.2005) bestehenden / letztgültigen [X.]-Sozialplanregelung.

                 

Es gilt folgende Regelung, sofern nichts Abweichendes zwischen [X.] [X.]obile und dem (Gesamt-)[X.]etriebsrat vereinbart wird:

                 

-       

[X.]ei einem Ausscheiden nach bis zu 1 Jahren ab Übergang 100 %

                 

-       

[X.]ei einem Ausscheiden nach bis zu 2 Jahren ab Übergang 80 %

                 

-       

[X.]ei einem Ausscheiden nach bis zu 3 Jahren ab Übergang 60 %

                 

der Abfindungssumme gemäß der am jeweiligen Standort geltenden [X.]-Regelung.

                 

Voraussetzung ist, dass unmittelbar nach dem betriebsbedingten Ausscheiden aus [X.] [X.]obile keine Tätigkeit bei einem verbundenen [X.]nternehmen der [X.] [X.]obile oder der [X.] AG aufgenommen wird.

                 

Wird innerhalb von drei Jahren nach dem Ausscheiden eine [X.]eschäftigung bei [X.] [X.]obile, der [X.] AG oder bei einem verbundenen [X.]nternehmen aufgenommen, besteht eine Rückzahlungsverpflichtung für den zu 3 Jahren fehlenden Zeitraum in Höhe von 1/36 der Abfindungssumme je [X.]onat.

5

Der [X.]läger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die [X.] [X.]obile nicht und erbrachte ab dem 1. Oktober 2005 seine Arbeitsleistung bei dieser. Am 9. August 2006 schloss er mit ihr einen Aufhebungsvertrag zum 31. Oktober 2006. Als Abfindung sollte er 42.500,00 Euro erhalten.

6

Nachdem die [X.] [X.]obile am 29. September 2006 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hatte, wurde dieses zum 1. Januar 2007 eröffnet. Die vereinbarte Abfindung wurde dem [X.]läger nicht ausbezahlt.

7

Der [X.]läger meint, die [X.]nterrichtung über den beabsichtigten [X.]etriebsübergang habe nicht § 613a Abs. 5 [X.]G[X.] entsprochen. Wäre er ordnungsgemäß unterrichtet worden, so hätte er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die [X.] [X.]obile widersprochen, so dass sein Arbeitsverhältnis mit der [X.]eklagten fortbestünde.

8

Für den Fall, dass er mit seiner [X.]lage auf Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses mit der [X.]eklagten nicht obsiegen sollte, macht er hilfsweise gegen die [X.]eklagte einen Anspruch auf Zahlung der mit der [X.] [X.]obile vereinbarten Abfindung (42.500,00 Euro) oder einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung geltend. Dieser Abfindungsanspruch ergebe sich aus der [X.]etriebsvereinbarung vom 17. August 2005 oder aus § 113 [X.]etrVG (Nachteilsausgleich).

9

Der [X.]läger hat beantragt,

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien vom 1. September 2000 fortbesteht,

        

hilfsweise

        

die [X.]eklagte zu verurteilen, an die [X.]lagepartei 42.500,00 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozent über dem [X.]asiszinssatz seit 31. Oktober 2006 zu zahlen,

        

hilfsweise

        

die [X.]eklagte wird verurteilt, an die [X.]lagepartei eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zu bezahlen.

Die [X.]eklagte hat [X.]lageabweisung beantragt.

Sie ist der Ansicht, den [X.]läger mit Schreiben vom 29. August 2005 ordnungsgemäß nach § 613a Abs. 5 [X.]G[X.] über den beabsichtigten [X.]etriebsübergang unterrichtet zu haben. Ein Anspruch auf Schadensersatz und auf eine Abfindung stehe dem [X.]läger nicht zu.

Das Arbeitsgericht hat die [X.]lage abgewiesen. Das [X.] hat die [X.]erufung des [X.] zurückgewiesen und die Revision zugelassen.

[X.]it seiner Revision verfolgt der [X.]läger sein [X.]lagebegehren weiter, während die [X.]eklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist nicht begründet. Das zwischen den Parteien ursprünglich bestehende Arbeitsverhältnis ist ab 1. Oktober 2005 gem. § 613a Abs. 1 BGB auf die [X.] übergegangen. Die hilfsweise geltend gemachten Zahlungsansprüche stehen dem Kläger nicht zu.

A. Das [X.] hat seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Berufung des [X.] sei unbegründet, weil das Arbeitsverhältnis des [X.] auf die [X.] übergegangen sei. Selbst wenn man einen Schadensersatz des [X.] auf der Grundlage von § 280 BGB iVm. § 613a BGB wegen fehlerhaften Informationen bejahe, könne sich hieraus nicht die Rechtsfolge eines [X.] des Arbeitsverhältnisses ergeben. Eine Haftung der Beklagten für die Zahlung der zwischen dem Kläger und der [X.] vereinbarten Abfindung scheide ebenso aus wie ein Anspruch des [X.] auf einen Nachteilsausgleich nach § 113 [X.]. Letzterer scheitere bereits daran, dass ein Betriebsübergang keine Betriebsänderung darstelle.

B. Die Entscheidung des [X.]s hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

I. Die Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis des [X.] mit der Beklagten fortbesteht, ist unbegründet.

1. In einer Reihe von gleichgelagerten Fällen hat der [X.] entschieden, dass das Unterrichtungsschreiben der Beklagten vom 29. August 2005 über den beabsichtigten Betriebsteilübergang auf die [X.] den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB nicht genügt (vgl. 25. Februar 2010 - 8 [X.] -; 23. Juli 2009 - 8 [X.] - [X.] § 613a Unterrichtung Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 114 und 23. Juli 2009 - 8 [X.] - [X.] § 613a Widerspruch Nr. 10 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 113).

2. Die unzulängliche Unterrichtung durch die Beklagte hatte die einmonatige Widerspruchsfrist für den Kläger (§ 613a Abs. 6 Satz 1 BGB) nicht in Lauf gesetzt (st. Rspr., vgl. [X.] 22. Januar 2009 - 8 [X.] - mwN, [X.] § 613a Unterrichtung Nr. 4 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 105).

3. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte, so behandelt zu werden, als ob es wegen eines ordnungsgemäßen Widerspruchs iSd. § 613a Abs. 6 BGB nicht zu einer Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten gekommen wäre.

Die fehlerhafte oder unvollständige Unterrichtung durch die Beklagte hat dazu geführt, dass die Frist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB für die Ausübung des Widerspruchsrechts nicht in Gang gesetzt worden ist. Der Gesetzgeber hat dem Arbeitnehmer über § 613a Abs. 6 BGB die Möglichkeit eingeräumt, bei einer Verletzung der Unterrichtungspflicht nach § 613a Abs. 5 BGB einen Widerspruch auch ohne Einhaltung der Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB auszuüben. Damit hat es der Arbeitnehmer in der Hand, durch die nicht fristgebundene Ausübung des Widerspruchsrechts den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebsveräußerer zu erreichen. Nimmt er dieses Recht nicht wahr, liegt es nicht im Schutzzweck der Vorschrift des § 613a Abs. 5 BGB, dem Arbeitnehmer gleichsam eine erneute Widerspruchsmöglichkeit einzuräumen, indem er im Wege einer Schadensersatzklage vom Betriebsveräußerer verlangt, mittels der Naturalrestitution wirtschaftlich so gestellt zu werden, als hätte er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den [X.] ordnungsgemäß widersprochen. Würde ein solcher Schadensersatzanspruch zuerkannt, würden letztlich die Regelungen bzgl. des Widerspruchsrechts des Arbeitnehmers umgangen (vgl. [X.] 2. April 2009 - 8 [X.]/07 - [X.] § 613a Widerspruch Nr. 6).

II. Die vom Kläger hilfsweise geltend gemachten Zahlungsansprüche bestehen nicht.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung der mit der [X.] vereinbarten Abfindung in Höhe von 42.500,00 Euro.

a) Diese Abfindungszahlung hat der Kläger mit der [X.] ausgehandelt. Es ist keine Anspruchsgrundlage ersichtlich, aus welcher sich eine Haftung der Beklagten für die Ansprüche des [X.] aus der nach dem Betriebsübergang am 1. Oktober 2005 mit der [X.] getroffenen Aufhebungsvereinbarung vom 9. August 2006 ergibt. Insbesondere erfolgt eine solche Haftung nicht aus den Haftungsregelungen des § 613a Abs. 2 BGB (so auch: [X.] 20. Mai 2010 - 8 [X.] 1011/08 -). Außerdem gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Beklagte gegenüber dem Kläger - ausdrücklich oder stillschweigend - verpflichtet hat, im Falle der Insolvenz der [X.] für deren Verbindlichkeiten einzustehen. Ebenso wenig erschließt sich, inwieweit sich eine Haftung der Beklagten aus § 179 BGB ergeben soll.

b) Dieser Anspruch auf Zahlung der mit der [X.] vereinbarten Abfindung steht dem Kläger auch nicht als Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte wegen der Verletzung der Unterrichtungspflicht des § 613a Abs. 5 BGB zu.

Zwar hat die Beklagte ihrer Unterrichtungspflicht gegenüber dem Kläger nicht genügt, weshalb sie diesem grundsätzlich nach § 280 Abs. 1 BGB zum Ersatz des Schadens, den er durch die unzulängliche Unterrichtung erlitten hat, verpflichtet ist. Der Kläger hat jedoch nicht dargelegt, dass die nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Unterrichtung ursächlich dafür war, dass er die mit der [X.] vereinbarte Abfindung nicht erhalten hat. Hätte die Beklagte ihn ordnungsgemäß über den Betriebsübergang unterrichtet, so hätte er - wie er behauptet - dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprochen. Dann wäre er Arbeitnehmer der Beklagten geblieben und es wäre nicht zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages und einer Abfindungsvereinbarung mit der [X.] gekommen.

2. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung gemäß Ziff. 4 der Protokollnotiz vom 17. August 2005 zu.

a) Auch wenn zugunsten des [X.] unterstellt werden kann, dass es sich bei dieser Protokollnotiz um eine die Gesamtbetriebsvereinbarung ([X.]) ergänzende eigenständige normative Regelung handelt (zur Zulässigkeit einer solchen Auslegung einer Protokollnotiz: vgl. [X.] 9. Dezember 1997 - 1 [X.] 330/97 - [X.] [X.] 1972 § 77 Regelungsabrede Nr. 3 = EzA [X.] 1972 § 77 Nr. 62), führt dies nicht zu einem Abfindungsanspruch des [X.] gegen die Beklagte.

b) Mit dieser Protokollnotiz verpflichten die Vertragspartner der [X.], nämlich die Beklagte und der bei ihr gewählte Gesamtbetriebsrat, einen [X.], dh. die [X.], zur Zahlung einer Abfindung auf Basis des [X.] „nach der am jeweiligen Standort derzeit (Stand: 16.8.2005) bestehenden / letztgültigen Siemens-Sozialplanregelung“, wenn es „vor dem 30.09.2008 zu betriebsbedingten Kündigungen / Aufhebungsverträge zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung bei [X.]“ kommt.

Unabhängig von der Frage, ob die Parteien der Gesamtbetriebsvereinbarung eine solche für einen [X.], welcher nicht Betriebspartner iSd. § 77 [X.] ist, verbindliche Vereinbarung überhaupt treffen durften, würde auch eine wirksame Protokollnotiz keine Anspruchsgrundlage für einen Abfindungsanspruch des [X.] gegen die Beklagte darstellen. So folgt bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der einschlägigen Regelung kein Anspruch des [X.] gegen die Beklagte. Ein solcher würde ihm allenfalls gegen die [X.] eingeräumt. Auch nach Sinn und Zweck der in der Protokollnotiz getroffenen Regelung sollte dem Kläger ein solcher Anspruch nicht zustehen. Wie sich aus Abs. 3 der Ziff. 4 der Protokollnotiz ergibt, sollte durch die getroffene Regelung eine finanzielle Entlastung der [X.] geschaffen werden. Diese hätte bei einem Ausscheiden des betroffenen Arbeitnehmers nach über einem Jahr nach dem Betriebsübergang nur eine gegenüber den geltenden [X.] verminderte Abfindung zu zahlen (nach über einem Jahr bis zu zwei Jahren: 80 %, nach bis zu drei Jahren 60 %).

Dass über diese Entlastung der [X.] hinaus durch die Protokollnotiz eine ihrem Wortlaut widersprechende Begünstigung der aufgrund eines mit der [X.] geschlossenen Aufhebungsvertrages ausgeschiedenen Arbeitnehmer dergestalt getroffen werden sollte, dass die Beklagte für deren [X.] gegen die [X.] haften sollte, kann der Protokollnotiz nicht entnommen werden (so auch: [X.] 20. Mai 2010 - 8 [X.] 1033/08 -).

3. Soweit der Kläger seine Klage auf Abfindung (auch) auf die Bestimmungen über einen Nachteilsausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes stützt (§ 113 Abs. 3 [X.]), ist sie ebenfalls nicht begründet. Ein Betriebsübergang als solcher stellt keine Betriebsänderung iSd. §§ 111, 113 [X.] dar. Ein Betriebsübergang kann allerdings dann eine Betriebsänderung sein, wenn er sich nicht allein in dem Wechsel des Betriebsinhabers erschöpft, sondern wenn gleichzeitig Maßnahmen ergriffen werden, welche eines oder mehrere der Tatbestandsmerkmale des § 111 [X.] erfüllen ([X.] 31. Januar 2008 - 8 [X.] 1116/06 - [X.] § 613a Unterrichtung Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 85). Ein solcher Fall ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Insbesondere liegt keine Betriebsstilllegung vor.

Betriebsveräußerung und Betriebsstilllegung schließen sich systematisch gegenseitig aus. Die Veräußerung des Betriebs allein - wie bereits die Wertung in § 613a BGB zeigt - stellt keine Stilllegung dar, weil die Identität des Betriebs gewahrt bleibt und lediglich ein Inhaberwechsel stattfindet ([X.] 22. Oktober 2009 - 8 [X.] 766/08 - [X.] SGB X § 115 Nr. 16 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 116; 28. Mai 2009 - 8 [X.] 273/08 - [X.] § 613a Nr. 370 = EzA KSchG § 17 Nr. 20). Entsprechend scheidet ein Betriebsübergang aus, wenn der Betrieb vor dem Erwerb stillgelegt wurde (vgl. [X.] 16. Juli 1998 - 8 [X.] 80/97 -; 16. Mai 2002 - 8 [X.] 319/01 - [X.] § 613a Nr. 237 = EzA BGB § 613a Nr. 210). Die bloße Einstellung der Produktion bedeutet allerdings noch keine Betriebsstilllegung ([X.] 16. Mai 2002 - 8 [X.] 319/01 - aaO). Unter Betriebsstilllegung ist vielmehr die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen. Abgeschlossen ist eine Stilllegung dann, wenn die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer beendet sind ([X.] 26. April 2007 - 8 [X.] 695/05 - [X.] InsO § 125 Nr. 4; 16. Mai 2002 - 8 [X.] 319/01 - aaO).

C. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Döring    

        

    Schuckmann    

                 

Meta

8 AZR 169/09

11.11.2010

Bundesarbeitsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG München, 12. Dezember 2007, Az: 31 Ca 2418/07, Urteil

§ 613a Abs 1 BGB, § 613a Abs 5 BGB, § 613a Abs 6 BGB, § 280 Abs 1 BGB, § 77 BetrVG, § 111 BetrVG, § 113 Abs 3 BetrVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.11.2010, Az. 8 AZR 169/09 (REWIS RS 2010, 1436)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1436

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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