Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.04.2004, Az. I ZB 26/03

I. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 3761

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[X.] vom 1. April 2004 in der [X.]

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

ZPO § 233 Fd

Es stellt kein Organisationsverschulden des Rechtsanwalts dar, wenn er für den Fall einer plötzlichen nicht vorhersehbaren Erkrankung einer allein im Büro ver-bleibenden Mitarbeiterin am späten Nachmittag des letzten Tages einer zu wahrenden Frist keine besondere Vertretungsregelung aufgestellt hat.
[X.], Beschluß vom 1. April 2004 - [X.] - OLG München

LG Memmingen

- 2 -

Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat am 1. April 2004 durch [X.] Dr. Ullmann und [X.] v. Ungern-Sternberg, Prof. [X.], Pokrant und Dr. Schaffert beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des [X.] wird der Beschluß des 24. Zivilsenats des [X.] - Zivilsenate in [X.] - vom 15. September 2003 aufgehoben.

Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 27.359,22 •.

Gründe:

[X.] Der Kläger ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des [X.] S. Er nimmt die Beklagte auf Zahlung von Frachtvergütung in Anspruch.
Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das Urteil ist dem Prozeß-bevollmächtigten des [X.] am 22. April 2003 zugestellt worden. Dagegen - 3 -

hat der Kläger mit einem am 22. Mai 2003 beim Berufungsgericht eingegange-nen Schriftsatz Berufung eingelegt. Mit Verfügung vom 23. Juni 2003 ist die Berufungsbegründungsfrist bis zum 23. Juli 2003 verlängert worden. Innerhalb dieser Frist hat der Kläger die Berufung nicht begründet.
Am 6. August 2003 hat der Kläger unter Beifügung einer [X.] mit Datum vom 23. Juli 2003 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur [X.] hat er vorgetragen, sein Prozeßbevollmächtigter habe die [X.] am 23. Juli 2003 verfaßt und unterschrieben. Bevor er seine Kanzlei gegen 16.30 Uhr verlassen habe, habe ihm die seit zehn Jahren zuverlässig und sorgfältig arbeitende [X.] versichert, sie werde die [X.] noch vor Feierabend per Telefax an das Berufungsgericht senden. Die [X.] habe das Büro jedoch kurzfristig verlassen und wegen extremer Kreislaufbeschwerden und Schwindelanfälle einen Arzt aufsu-chen müssen. Entgegen ihrer Absicht, nach dem Arztbesuch in die Kanzlei zur Erledigung dringender Angelegenheiten zurückzukehren, sei sie dazu [X.] nicht mehr in der Lage gewesen. Zu diesem Zeitpunkt sei kein weiteres Personal mehr in der Kanzlei gewesen. Am 24. und 25. Juli 2003 habe sich die [X.] krank gemeldet. Nach ihrer Rückkehr am 28. Juli 2003 habe sich die Akte nicht mehr auf ihrem Schreibtisch befunden; vermutlich habe [X.] die Akte in den Aktenschrank zurückgelegt. Zur Glaub-haftmachung dieses Vorganges hat der Kläger eine eidesstattliche Versiche-rung der [X.] vorgelegt.
Das Berufungsgericht hat die begehrte Wiedereinsetzung mit dem [X.] versagt und die Berufung des [X.] als unzulässig [X.]. Es hat angenommen, den Kläger treffe ein ihm zurechenbares Organi-- 4 -

sationsverschulden seines Prozeßbevollmächtigten. Ein Rechtsanwalt müsse geeignete Maßnahmen treffen, um [X.] wegen Erkrankung des [X.] zu verhindern. Dementsprechend müsse er für den Fall der Ver-hinderung eines mit wichtigen Aufgaben betrauten Mitarbeiters Vertreter bestimmen und deren Einsatz organisatorisch sicherstellen. Die organisatori-schen Maßnahmen zur Vermeidung von [X.]n habe der Rechts-anwalt in seinem Wiedereinsetzungsgesuch mit größtmöglicher Sorgfalt [X.]. Im vorliegenden Fall habe der Kläger die organisatorischen Regelungen der [X.] seines Prozeßbevollmächtigten gerade für plötzlich auftretende krankheitsbedingte [X.] im Wiedereinsetzungsgesuch nicht dargetan und glaubhaft gemacht. Daher sei das dem Kläger zurechenbare Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten nicht ausgeräumt (§ 85 Abs. 2 ZPO).
I[X.] 1. Die Rechtsbeschwerde des [X.] ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch im übrigen zulässig, weil die Si-cherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2, Altern. 2 ZPO) eine Entscheidung des [X.] erfordert.
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Das Berufungsgericht hat dem Kläger die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu Unrecht verweigert.
a) Die Begründung des Berufungsgerichts, es sei im Wiedereinsetzungs-antrag des [X.] zur Ausräumung des Verschuldens seines [X.] (§ 85 Abs. 2 ZPO) nicht hinreichend dargelegt, wie er die Vertretung seines [X.] gerade für die Fälle plötzlich auftretender, krankheitsbe-- 5 -

dingter [X.] organisiere, ist ein für den Kläger überraschender - auch in der Erwiderung der Beklagten nicht angesprochener - Gesichtspunkt, der zudem die Entscheidung nicht trägt. Ausreichende organisatorische Anwei-sungen, wie das Büro in einem solchen Fall zu organisieren ist, hätten die [X.] der Berufungsbegründungsfrist nicht verhindert. Die Frist lief am 23. Juli 2003 ab. Als die [X.] am Spätnachmittag dieses Tages wegen ihrer Kreislaufbeschwerden die Kanzlei verließ, um einen Arzt aufzusu-chen, war niemand mehr im Büro anwesend. Mit der Anweisung, die vorgelegte [X.] noch am selben Tag per Telefax abzusenden, hatte der Prozeßbevollmächtigte des [X.] eine hinreichende organisatori-sche Maßnahme getroffen, die auch einschloß, das Büro nicht vor Ausführung der konkreten Weisung zu verlassen. Die [X.] hat diese Aufgabe wegen eines krankheitsbedingten Ausfalls nicht befolgen können. Damit wurde die Frist versäumt. Es kann in einem solchen Fall nicht angenommen werden, daß organisatorische Maßnahmen für den Krankheitsfall dieses Versäumnis verhindert hätten, da niemand mehr im Büro war, der den Vertretungsfall "Krankheit" am Tag des Ablaufs der Frist hätte erkennen können. Es muß viel-mehr davon ausgegangen werden, daß die [X.], welche wegen eines Kreislaufkollapses nicht in der Lage war, die Berufungsbegründungs-schrift abzusenden, oder diese Maßnahme schlicht vergessen hatte, sich nicht anders verhalten hätte, wenn konkrete organisatorische Hinweise für den Fall ihrer Krankheit vorgelegen hätten. Daher kann das Wiedereinsetzungsgesuch nicht daran scheitern, daß der Kläger nichts zu den "Regelungen der Vertre-tungsorganisation des [X.] für plötzlich auftretende krankheitsbeding-te [X.]" vorgetragen hat.
b) Sollten die Ausführungen des Berufungsgerichts (BU 4 unten/5 oben) dahingehend zu verstehen sein, daß der Prozeßbevollmächtigte auch für den - 6 -

konkreten Fall einer plötzlichen nicht vorhersehbaren Erkrankung einer Mitar-beiterin am späten Nachmittag des letzten Tages einer zu wahrenden Frist eine Vertretungsregelung hätte aufstellen müssen, wären damit die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts erheblich überzogen.
[X.] Bornkamm

Pokrant Schaffert

Meta

I ZB 26/03

01.04.2004

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.04.2004, Az. I ZB 26/03 (REWIS RS 2004, 3761)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 3761

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