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Zulässigkeit der Auslieferung eines US-amerikanischen Staatsangehörigen an die USA bei drohender Verurteilung zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit einer Strafaussetzung
[X.]
- 2 BvR 2259/04 -
des [X.] Staatsangehörigen
M...,
alias B...,
alias K...,
gegen a) | den Beschluss des [X.]s Köln vom 18. November 2004 – [X.]189/04 – 28 –, |
b) | den Beschluss des [X.]s Köln vom 5. November 2004 – [X.]189/04 – 28 – |
und | Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung |
hat das [X.] - Zweiter Senat - unter Mitwirkung der [X.]innen und [X.]
Vizepräsident [X.],
Jentsch,
Broß,
Osterloh,
[X.],
Mellinghoff,
Lübbe-Wolff,
Gerhardt
am 6. Juli 2005 beschlossen:
Die [X.]beschwerde wird zurückgewiesen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene [X.]beschwerde betrifft die Zulässigkeit der Auslieferung zum Zwecke der Strafverfolgung in die [X.], und zwar wegen "schweren Mordes" bei drohender Verurteilung zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit einer Strafaussetzung.
1. Der Beschwerdeführer, ein [X.] Staatsangehöriger, wurde am 7. Juli 2004 festgenommen. Der Festnahme lag ein Haftbefehl des Superior Court für den Justizbezirk Marin County/[X.] vom 13. November 1998 in Verbindung mit einer Anklageschrift der [X.]vom selben Tag zu Grunde. Hierin wird dem Beschwerdeführer schwerer Mord, Einbruch, Freiheitsberaubung durch Gewalt und Drohung, Angriff mit einer tödlichen Waffe, Angriff mit einer Schusswaffe sowie Grausamkeit gegen ein Kind zur Last gelegt.
Er soll am 9. Januar 1997 kurz nach Mitternacht mit mindestens drei weiteren Personen auf Grund eines gemeinsamen Tatplanes in eine Wohnung in [X.]/[X.] gestürmt sein, in der gerade eine [X.]stattfand und in der sich mindestens 17 Personen befanden. Der Beschwerdeführer und die anderen Eindringlinge sollen Schusswaffen bei sich geführt und allen Gästen befohlen haben, sich auf den Boden zu legen und nicht mehr zu bewegen. Der Beschwerdeführer soll sodann den Wohnungsinhaber, mit dem er wegen Drogengeschäften im Streit gelegen habe, mit sieben Schüssen getötet haben.
2. Mit [X.] vom 27. August 2004 ersuchten die [X.] unter Vorlage der Auslieferungsunterlagen um Auslieferung des Beschwerdeführers. Neben dem Haftbefehl und der Anklageschrift der Grand Jury wurden schriftliche eidliche Erklärungen einer Staatsanwältin und eines Detective-Sergeant vorgelegt. Danach droht dem Beschwerdeführer im Falle der Verurteilung wegen schweren Mordes eine Verurteilung zu lebenslanger Haft ohne Möglichkeit der vorzeitigen Entlassung. Unter dem 20. September 2004 hat die Regierung der [X.] zugesichert, dass die Todesstrafe bei der Strafverfolgung des Beschwerdeführers nicht beantragt und nicht verhängt werde.
3. Der Beschwerdeführer erhob Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Auslieferung. Er trug unter anderem vor, die den Auslieferungsunterlagen beigefügten eidlichen schriftlichen Erklärungen seien unvollständig; diese gäben die Zeugenaussagen bezüglich des Tatgeschehens unvollständig oder sinnentstellend wieder. Vor diesem Hintergrund stehe zu befürchten, dass dem Beschwerdeführer bei seiner Strafverfolgung in den [X.] unfaire Verfahrensweisen drohten. Die Auslieferung sei ferner unzulässig, weil die drohende Bestrafung im Verhältnis zur begangenen Tat unverhältnismäßig hart sei. Die Zulässigkeit der Auslieferung sei nach den Maßstäben des [X.] Rechts zu prüfen. Nach [X.] [X.]recht müsse ein Verfolgter jedenfalls die Perspektive haben, irgendwann wieder auf freien Fuß gelangen zu können. Dies gebiete nach der Rechtsprechung des [X.]s der Schutz der Menschenwürde. Das [X.] Bestrafungssystem werde im Hinblick auf die hier im Raum stehende lebenslange Freiheitsstrafe ohne Möglichkeit der vorzeitigen Entlassung diesen Anforderungen nicht gerecht.
4. Mit Beschluss vom 5. November 2004 erklärte das [X.] die Auslieferung des Beschwerdeführers in die [X.] zur Verfolgung der in dem Haftbefehl des [X.] vom 13. November 1998 aufgeführten Straftaten für zulässig. Die Auslieferungsunterlagen entsprächen den Anforderungen aus dem [X.]. Die beiderseitige Strafbarkeit der Taten sei gegeben. Eine Tatverdachtsprüfung finde regelmäßig nicht statt. Den behaupteten Unstimmigkeiten in den eidesstattlichen Versicherungen messe der Senat keine Bedeutung zu, selbst wenn diese die erhobenen Beweise nicht vollständig wiedergeben würden. Maßgeblich für die Verfolgung sei die Anklageerhebung gemäß der Entscheidung der Grand Jury, die auf der Würdigung aller bis dahin erhobenen Beweise, also auch der in den eidesstattlichen Versicherungen angeblich unzutreffend oder gar nicht dargestellten Beweise beruhe.
Eine Auslieferung widerspreche auch nicht wesentlichen Grundsätzen der [X.] Rechtsordnung (§ 73 [X.]). Die [X.] hätten zugesichert, dass die Todesstrafe nicht beantragt und nicht verhängt werde. Die Möglichkeit, dass gegen den Beschwerdeführer eine lebenslange Freiheitsstrafe ohne Möglichkeit der Strafaussetzung ("imprisonment in [X.]") verhängt werden könne, mache die Auslieferung nicht unzulässig. Sie verstoße weder gegen völkerrechtliche Mindeststandards noch gegen unabdingbare verfassungsrechtliche Grundsätze der [X.] [X.]. Nach einer Grundsatzentscheidung des [X.]s verstoße eine lebenslange Freiheitsstrafe selbst dann nicht gegen das Gebot zur Achtung der Menschenwürde, wenn diese tatsächlich im Einzelfall bis zum Tod vollzogen werde. Der Verurteilte müsse allerdings zumindest die Chance haben, wieder in die Freiheit gelangen zu können.
Diese Chance bestehe auch in [X.] im Falle einer Verurteilung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung. Section 4801 Penal Code schließe eine Begnadigung ("pardon") oder Umwandlung der Strafe ("commutation") auch für diesen Fall nicht aus. Die Aussicht, die Freiheit nur im Wege der Begnadigung zurück erlangen zu können, würde allerdings gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoßen.
Diese durch die Erfahrungen der Willkürherrschaft des Nationalsozialismus geprägte, sehr strenge Anwendung des Rechtsstaatsprinzips entspreche aber nicht dem Verständnis vieler anderer [X.] und gehöre auch nicht zu den unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätzen unserer öffentlichen Ordnung. Es genüge, dass das Recht des ersuchenden Staates die Möglichkeit der Strafaussetzung oder Begnadigung oder Strafvollzugslockerung mit [X.] kenne und hiervon in der Rechtspraxis Gebrauch mache. In den [X.] werde von der Möglichkeit der rechtlich bestehenden Begnadigung oder Umwandlung der Strafe in der Praxis Gebrauch gemacht. Anhaltspunkte dafür, dass dem Beschwerdeführer in den [X.] ein rechtsstaatswidriges Verfahren drohe, seien nicht gegeben. Konkrete Umstände, die eine solche Annahme rechtfertigen könnten, seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
5. Der Beschwerdeführer erhob daraufhin eine Gegenvorstellung. Er habe mit den dargelegten Unstimmigkeiten in den den Auslieferungsunterlagen beigefügten eidesstattlichen Versicherungen konkrete Anhaltspunkte dafür geliefert, dass ein Einsatz rechtsstaatswidriger Mittel im vorliegenden Verfahren zu befürchten sei. Es bestünden damit auch besondere Umstände, die eine Tatverdachtsprüfung geböten. Im Hinblick auf die [X.]mäßigkeit einer lebenslangen Freiheitsstrafe habe das [X.] die Möglichkeit des Verurteilten, unter rechtlich geregelten Bedingungen jedenfalls die Chance zu haben, die Freiheit wiederzuerlangen, als Bestandteil der Menschenwürde angesehen. Die "[X.]" sei das Regelprinzip; lediglich im Ausnahmefall sei eine Vollstreckung bis zum Lebensende zulässig. Das [X.] Strafrecht kehre dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis um. Die lebenslange Freiheitsstrafe ohne vorzeitige Entlassung sei die Regel, die vorzeitige Entlassung, die nur im Wege der Begnadigung möglich sei, die Ausnahme.
Nach der Rechtsprechung des [X.]s sei es gerade nicht ausreichend, wenn die Möglichkeit der vorzeitigen Entlassung lediglich – wie in den [X.] - in einem ungeregelten und unbestimmten Begnadigungssystem bestehe. Die Begnadigungspraxis in den [X.] liege weitgehend im freien Ermessen der zuständigen Behörden. Schließlich sei die Chance einer Begnadigung bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit der vorzeitigen Entlassung gerade dann sehr gering, wenn diese Bestrafung - wie hier - als Substitut für die ansonsten zu verhängende Todesstrafe ausgesprochen werde.
6. Das [X.] wies die Gegenvorstellung mit Beschluss vom 18. November 2004 unter Bezugnahme auf seinen vorangegangenen Beschluss zurück. Nach der Überzeugung des Senats gehöre das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete verfassungsrechtliche Gebot eines justizförmigen Überprüfungsverfahrens der weiteren Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe nicht zu den tragenden Grundsätzen unserer [X.]ordnung, an denen im Auslieferungsverkehr deshalb auch die Rechtsordnung anderer [X.] zu messen sei.
1. Mit seiner [X.]beschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 19 Abs. 4 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.
Ihm drohe die Gefahr unfairer Verfahrensweisen. Diese Gefahr ergebe sich daraus, dass die den Auslieferungsunterlagen beigefügten eidesstattlichen Versicherungen die Angaben der Zeugen teilweise unvollständig und teilweise unrichtig wiedergegeben hätten, somit ein Delikt der eidlichen Falschaussage im Raum stehe.
Wesentliches Zulässigkeitshindernis sei jedoch die drohende Verurteilung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit der Strafaussetzung. Die Regel bei solchen Bestrafungen sei in den Vereinigten [X.], dass der Verurteilte in der Haftanstalt sterbe. Lediglich in Ausnahmefällen bestehe die Möglichkeit einer Begnadigung, die allerdings dem freien Ermessen der Strafvollstreckungsbehörde unterliege. Der Grundsatz, dass eine lebenslange Freiheitsstrafe nur dann verfassungsgemäß ist, wenn eine realistische Chance bestehe, zu irgend einem [X.]punkt wieder die Freiheit zu erlangen, gelte auch im Auslieferungsverfahren. Dieser Bereich der Menschenwürde gehöre zum Kernbereich unserer heutigen Grundrechtsvorstellungen und sei nicht nach Art. 19 GG einschränkbar. Seine Auslieferung begründe die Gefahr, dass die Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit der Begnadigung oder einer anderen konkreten Chance, die Freiheit wieder zu erlangen, eben dieses Konstitutionsprinzip des Grundgesetzes verletze.
2. Das [X.] hat namens der Bundesregierung ausgeführt, die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung führe nicht zur [X.]widrigkeit der Auslieferung des Beschwerdeführers an die [X.]. Die nach [X.] Recht gebotene Perspektive, die Freiheit nicht nur im Wege der Begnadigung, sondern auch im Wege eines gerichtlichen Verfahrens wiederzuerlangen, gehöre nicht zu den unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätzen. Das kalifornische Strafrecht sehe die Möglichkeit der Begnadigung vor. Art. V, Section 8 (a) der Verfassung des Staates [X.] bestimme, dass der Gouverneur eine Aussetzung der Strafvollstreckung, eine Begnadigung oder eine Strafherabsetzung aussprechen könne. Dabei handele es sich keineswegs um eine bloß theoretische Möglichkeit; vielmehr werde – wie die vom [X.] zitierte Statistik belege – von ihr regelmäßig Gebrauch gemacht.
3. Auf die Stellungnahme des [X.] hat der Beschwerdeführer ergänzend ausgeführt, nach seiner Auffassung gehe es vorliegend nicht um die mögliche Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit der Aussetzung der Strafe zur Bewährung, sondern vielmehr um die in der Rechtsfolge darüber hinausgehende lebenslange Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit der vorzeitigen Entlassung. Die Angabe des [X.], dass von der Möglichkeit der Begnadigung regelmäßig Gebrauch gemacht werde, sei nach seinen Informationen unzutreffend. Die Frage der tatsächlichen Rechtsanwendung bzw. der "nicht geregelten" Anwendung der Begnadigungsmöglichkeiten sei indessen vorliegend nicht von Bedeutung, da Prüfungsmaßstab nicht die Empirie, sondern die im ersuchenden Staat vorgefundene Rechtslage sei. Anhand dieses Prüfungsmaßstabs sei die Auslieferung im Hinblick auf die fehlende Möglichkeit, eine vorzeitige Entlassung in einem rechtlich ausgestalteten Verfahren überprüfen zu lassen, unzulässig.
Die zulässige [X.]beschwerde ist unbegründet.
Das [X.] hat in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise von einer Tatverdachtsprüfung gemäß § 10 Abs. 2 [X.] abgesehen. Die Rüge des Beschwerdeführers, das [X.] habe zu einer Tatverdachtsprüfung Anlass gehabt, weil Unstimmigkeiten in den den Auslieferungsunterlagen beigefügten eidesstattlichen Versicherungen bestünden, vermag einen [X.]verstoß nicht zu begründen. Das [X.] hat insofern ausgeführt, dass sich der Tatverdacht jedenfalls hinreichend aus der Anklageschrift der Grand Jury ergebe, die nicht auf den eidesstattlichen Versicherungen, sondern auf den im Rahmen des Ermittlungsverfahrens erhobenen Beweisen basiere. Eines Rückgriffs auf die vom Beschwerdeführer beanstandeten eidesstattlichen Versicherungen bedürfe es mithin nicht. Gegen diese nachvollziehbaren Ausführungen hat der Beschwerdeführer im Rahmen der [X.]beschwerde nichts vorgetragen, was einen [X.]verstoß belegen könnte.
Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, aus den von ihm genannten Unstimmigkeiten in den eidesstattlichen Versicherungen, die den Verdacht der eidlichen Falschaussage hervorriefen, ergebe sich die Befürchtung, die Vereinigten [X.] würden bei seiner Strafverfolgung unfaire Verfahrensweisen anwenden, sind hierfür hinreichende Anhaltspunkte weder dargetan noch ersichtlich. Es fehlt bereits an einer überprüfbaren Darlegung der Unstimmigkeiten. Unabhängig davon legt der Beschwerdeführer nicht dar, inwieweit unvollständige eidesstattliche Versicherungen den [X.] Justizbehörden zuzurechnen wären und mithin Einfluss auf die Strafverfolgung haben könnten. Sollte es sich tatsächlich um "fehlerhafte" eidesstattliche Versicherungen handeln, so wären zunächst einmal die Staatsanwältin und der Sergeant hierfür - auch strafrechtlich - verantwortlich; dass sich hieraus ein Hinweis darauf herleiten ließe, dem Beschwerdeführer drohe in den [X.] ein unfaires Verfahren, ist eine nicht belegte Behauptung des Beschwerdeführers.
Die Auslieferung bei drohender Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung ("[X.] without the possibility of parole") verstößt nicht gegen unabdingbare Grundsätze der [X.] verfassungsrechtlichen Ordnung.
1. Die [X.] Gerichte sind von [X.] wegen gehalten, im Auslieferungsverfahren zu prüfen, ob die Auslieferung und die ihr zu Grunde liegenden Akte mit dem nach Art. 25 GG in der [X.] verbindlichen völkerrechtlichen Mindeststandard und den unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätzen ihrer öffentlichen Ordnung vereinbar sind (vgl. [X.] 63, 332 <337 f.>; 75, 1 <19>; 108, 129 <136>).
Zu den unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätzen zählt der Kernbereich des aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Gebots der Verhältnismäßigkeit. Den zuständigen Organen der [X.] [X.] ist es danach verwehrt, einen Verfolgten auszuliefern, wenn die Strafe, die ihm im ersuchenden Staat droht, unerträglich hart, mithin unter jedem denkbaren Gesichtspunkt unangemessen erscheint. Tatbestand und Rechtsfolge müssen sachgerecht aufeinander abgestimmt sein (vgl. [X.] 50, 205 <214 f.>; 75, 1 <16>; stRspr). Ebenso zählt es wegen Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG zu den unabdingbaren Grundsätzen der [X.] verfassungsrechtlichen Ordnung, dass eine angedrohte oder verhängte Strafe nicht grausam, unmenschlich oder erniedrigend sein darf. Die zuständigen Organe der [X.] [X.] sind deshalb gehindert, an der Auslieferung eines Verfolgten mitzuwirken, wenn dieser eine solche Strafe zu gewärtigen oder zu verbüßen hat (vgl. [X.] 75, 1 <16 f.>; 108, 129 <136 f.>).
Anderes gilt hingegen dann, wenn die zu vollstreckende Strafe lediglich als in hohem Maße hart anzusehen ist und bei einer strengen Beurteilung anhand [X.] [X.]rechts nicht mehr als angemessen erachtet werden könnte. Das Grundgesetz geht nämlich von der Eingliederung des von ihm verfassten Staates in die Völkerrechtsordnung der [X.]gemeinschaft aus (vgl. Präambel, Art. 1 Abs. 2, Art. 9 Abs. 2, Art. 23 bis 26 GG und Beschluss des [X.] des [X.]s vom 14. Oktober 2004 – 2 BvR 1481/04 -, NJW 2004, S. 3407 <3408>). Es gebietet damit zugleich, insbesondere im Rechtshilfeverkehr Strukturen und Inhalte fremder Rechtsordnungen und –anschauungen grundsätzlich zu achten (vgl. [X.] 75, 1 <16 f.>; 108, 129 <137>), auch wenn sie im Einzelnen nicht mit den [X.] innerstaatlichen Auffassungen übereinstimmen. Soll der in gegenseitigem Interesse bestehende zwischenstaatliche Auslieferungsverkehr erhalten und auch die außenpolitische Handlungsfreiheit der Bundesregierung unangetastet bleiben, so dürfen die Gerichte nur die Verletzung der unabdingbaren Grundsätze der [X.] verfassungsrechtlichen Ordnung als unüberwindbares Hindernis für eine Auslieferung zu Grunde legen.
2. Dass die Verhängung und der Vollzug einer lebenslangen Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung zu den völkerrechtlichen Mindeststandards in Widerspruch stünde, wird vom Beschwerdeführer selbst nicht behauptet und bedarf angesichts der Vielgestaltigkeit der Strafrechtsordnungen und ihrer Sanktionensysteme - selbst in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union - keiner näheren Darlegung.
3. Die Auslieferung bei drohender lebenslanger Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit einer Strafaussetzung zur Bewährung verstößt auch nicht ohne weiteres gegen unabdingbare verfassungsrechtliche Grundsätze der öffentlichen Ordnung der [X.] [X.]. Die lebenslange Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit einer Strafaussetzung stellt als solche keine unerträglich harte oder unmenschliche Strafe dar (a). Auch im Hinblick auf die nach der Rechtsprechung des [X.]s bestehenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an den menschenwürdigen Vollzug einer lebenslangen Freiheitsstrafe ist die Auslieferung des Beschwerdeführers trotz der drohenden Strafe zulässig (b).
a) Als unerträglich hart oder unmenschlich kann die dem Beschwerdeführer in den [X.] drohende lebenslange Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit einer Strafaussetzung angesichts der Schwere der ihm zur Last gelegten Straftaten, zu denen unter anderem ein "schwerer Mord" gehört, nicht angesehen werden.
Das [X.] Strafrecht sieht in § 211 Abs. 1 StGB als Strafe für einen Mord die lebenslange Freiheitsstrafe vor. [X.]rechtliche Bedenken gegen die Androhung lebenslanger Freiheitsstrafe für schwerste Tötungsdelikte bestehen nach der Rechtsprechung des [X.]s nicht (vgl. [X.] 45, 187 <254>). Die lebenslange Freiheitsstrafe für solche schwersten Rechtsgutsverletzungen ist mit dem verfassungsrechtlichen Gebot des sinn- und maßvollen Strafens grundsätzlich vereinbar (vgl. [X.] 45, 187 <254 ff.>; 64, 261 <271>; Beschluss der 2. Kammer des [X.] des [X.]s vom 21. Dezember 1994 – 2 BvR 1697/93 -, NJW 1995, S. 3244, 3245 m.w.N.).
b) Die Auslieferung des Beschwerdeführers verstößt auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des [X.]s zur Vollziehung einer lebenslangen Freiheitsstrafe nicht gegen unabdingbare verfassungsrechtliche Grundsätze.
aa) Nach der Rechtsprechung des [X.]s gehört es zu den Voraussetzungen eines menschenwürdigen Strafvollzugs, dass dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten grundsätzlich eine Chance verbleibt, je wieder der Freiheit teilhaftig zu werden ([X.] 45, 187 <229 und Leitsatz 3 Satz 1>). Es wäre mit der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) unvereinbar, wenn der Verurteilte ungeachtet der Entwicklung seiner Persönlichkeit jegliche Hoffnung, seine Freiheit wiederzuerlangen, aufgeben müsste (vgl. [X.] 45, 187 <245>). Dies gilt auch im Falle einer Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe unter Feststellung der besonderen Schwere der Schuld, wobei im Einzelfall – verfassungsrechtlich unbedenklich – die lebenslange Freiheitsstrafe tatsächlich auch bis zum Lebensende vollstreckt werden kann (vgl. [X.] 64, 261 <272>). Fallgestaltungen, die es strikt verwehrten, dem innerlich gewandelten, für die Allgemeinheit ungefährlich gewordenen Gefangenen auch nach sehr langer Strafverbüßung, selbst im hohen Lebensalter, die Wiedergewinnung der Freiheit zu gewähren, und ihn damit auch von vornherein zum Versterben in der Haft verurteilten, sind dem Strafvollzug unter der Herrschaft des Grundgesetzes allerdings grundsätzlich fremd (vgl. [X.], a.a.[X.]).
Um diese Aussicht auf Wiedererlangung der Freiheit in einer Weise abzusichern, die rechtsstaatlichen Anforderungen entspricht, genügt nach der Rechtsprechung des [X.]s für den Strafvollzug im Geltungsbereich des Grundgesetzes das [X.] Begnadigung allein nicht. Vielmehr gebietet das Rechtsstaatsprinzip für die Strafvollstreckung in [X.]eine Entlassungspraxis, die gerichtlicher Kontrolle offen steht. Die Voraussetzungen, unter denen die Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe ausgesetzt werden kann, und das dabei anzuwendende Verfahren sind gesetzlich zu regeln (vgl. [X.] 45, 187 <243 ff. und Leitsatz 3 Satz 2>). Verfahrensrechtliche Einzelheiten, mit denen die praktische Chance auf Wiedererlangung der Freiheit in [X.] verstärkt und gesichert wird, gehören indes nicht zu den unabdingbaren Grundsätzen der [X.] [X.]ordnung, die im Auslieferungsverkehr auch vom ersuchenden Staat erfüllt werden müssen. Hier kommt es nur darauf an, dass in einem anderen Rechtssystem jedenfalls eine praktische Chance auf Wiedererlangung der Freiheit besteht.
bb) Das [X.] hat unter Hinweis auf die Rechtsprechung des [X.]s ausgeführt, dass der zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilte zumindest die Chance haben müsse, wieder die Freiheit erlangen zu können. Dies sei beim Beschwerdeführer der Fall. So liege in [X.] auch für ihn im Falle einer Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit der Strafaussetzung grundsätzlich eine vorzeitige Entlassung im Rahmen des Möglichen; denn Section 4801 Penal Code schließe eine Begnadigung ("pardon") oder eine Umwandlung der lebenslangen Strafe ("commutation") nicht aus. Soweit das Rechtsstaatsprinzip es im Falle einer Verurteilung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe und deren Vollstreckung in [X.] gebiete, eine mögliche Strafaussetzung in einem justizförmigen Verfahren zu überprüfen, handele es sich nicht um einen unabdingbaren [X.]grundsatz, der der Auslieferung des Beschwerdeführers entgegenstehe.
Diese Ausführungen sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
(1) Das [X.] hat die sich aus Art. 1 Abs. 1 GG ergebenden Anforderungen an einen menschenwürdigen Vollzug einer lebenslangen Freiheitsstrafe erkannt und geprüft, ob für den Beschwerdeführer eine praktische Chance auf Wiedererlangung der Freiheit besteht. Es hat dies bejaht, ohne dass der Beschwerdeführer hiergegen durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken aufzuzeigen vermocht hätte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ermittlung des Sachverhalts und die Anwendung des einfachen Rechts Sache der dafür zuständigen Fachgerichte sind. Das [X.] prüft dies auch in Auslieferungsfällen insoweit nur am Willkürmaßstab des Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. [X.] 108, 129 <137>). Für einen [X.]verstoß nach diesen Maßstäben ist nichts ersichtlich.
Soweit der Beschwerdeführer darauf hinweist, dass in den [X.] eine Begnadigung oder eine Umwandlung der Strafe im Falle eines zu lebenslanger Freiheitsstrafe ohne die Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung Verurteilten die Ausnahme darstellt, der Vollzug der verhängten Strafe bis zum Lebensende demgegenüber die Regel ist, vermag dies keine durchgreifenden Zweifel an der Einschätzung des [X.]s zu begründen. Das [X.] hat darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer trotz der ihm drohenden Strafe gemäß Section 4801 Penal Code die grundsätzliche Möglichkeit habe, die Freiheit wiederzuerlangen. Section 4801 Buchstabe a) Satz 1 des [X.] Code lautet:
[X.], from time to time, [X.] in any state prison who, in its judgment, ought to have a commutation of sentence or be pardoned and set at liberty on account of good conduct, or unusual term of sentence, or any other cause, including evidence of battered woman syndrome.
Damit besteht auch für den Beschwerdeführer die Möglichkeit, dass das "[X.]" ihn im Laufe der [X.], etwa wegen guter Führung, für eine Begnadigung oder eine Strafumwandlung vorschlagen wird, wobei die letztendliche Entscheidung über einen solchen Vorschlag beim Gouverneur liegt. Im Ergebnis hat der Beschwerdeführer also eine – wenn auch gemessen an der [X.] Rechtslage möglicherweise geringere - Chance darauf, eine gegen ihn verhängte lebenslange Freiheitsstrafe tatsächlich nicht bis zum Lebensende verbüßen zu müssen.
(2) Der Zulässigkeit der Auslieferung steht nicht entgegen, dass in [X.] die Begnadigung oder die Umwandlung der Strafe nicht in einem justizförmigen Verfahren geprüft werden. Das Gebot, fremde Rechtsordnungen und -anschauungen grundsätzlich zu achten (oben B. III. 1.), schließt es aus, die in der [X.] Entwicklung des Rechtsstaats liegende Forderung nach gerichtlicher Entscheidung zum unverzichtbaren Bestand der [X.] öffentlichen Ordnung im Auslieferungsverkehr zu rechnen. Es lässt sich nicht allgemein feststellen, unter welchen tatsächlichen und rechtlichen Bedingungen die Hoffnung des Verurteilten, seine Freiheit wiederzuerlangen, in realistischer Weise erhalten bleibt. Kann diese Hoffnung sich etwa - wie hier - auf eine behördliche, in das Rechtssystem eingebettete Gnadenpraxis stützen, besteht kein Anlass, die Auslieferung deshalb zu verweigern, weil es an der nach [X.] [X.]recht gebotenen Justizförmigkeit fehlt.
[X.] | Jentsch | Broß |
Osterloh | Di Fabio | Mellinghoff |
Lübbe-Wolff | Gerhardt |
Meta
06.07.2005
Sachgebiet: BvR
Zitiervorschlag: Bundesverfassungsgericht, Entscheidung vom 06.07.2005, Az. 2 BvR 2259/04 (REWIS RS 2005, 2734)
Papierfundstellen: REWIS RS 2005, 2734 BVerfGE 113, 154-167 REWIS RS 2005, 2734
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
2 BvR 578/02, 2 BvR 796/02 (Bundesverfassungsgericht)
Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe: Vereinbarkeit von § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. …
2 BvR 1506/03 (Bundesverfassungsgericht)
Wie Nr. 2
2 BvR 1243/03 (Bundesverfassungsgericht)
Verneinung einer allgemeinen Regel des Völkerrechts, wonach niemand in den ersuchenden Staat ausgeliefert werden darf, …
2 BvR 685/03 (Bundesverfassungsgericht)
Auslieferung eines vanuatuischen Staatsangehörigen nach Indien zum Zwecke der Strafverfolgung
2 BvR 2236/04 (Bundesverfassungsgericht)
Nichtigkeit des Gesetzes zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen …