Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.02.2012, Az. V ZR 137/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 9235

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

VERSÄUMNISURTEIL
V [X.]
Verkündet am:

10. Februar 2012

Lesniak,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 906 Abs. 2 Satz
2
Im Verhältnis von [X.], die sich jeweils eine Teilfläche des ge-meinschaftlichen Grundstücks zur alleinigen Nutzung zugewiesen haben, finden die Grundsätze zum verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen [X.] analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf Beeinträchtigungen, die von einem [X.]sbereich auf einen anderen Nutzungsbereich einwirken, keine Anwendung.

[X.], Versäumnisurteil vom 10. Februar 2012 -
V [X.] -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der V. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Februar 2012 durch [X.]
Dr.
[X.], die Richterin Dr.
[X.], den Richter Dr.
Czub und die Richterinnen Dr.
[X.] und Weinland

für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.]n wird das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 20. Mai 2011 unter [X.] des weitergehenden Rechtsmittels als unzulässig im Kos-tenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des [X.] erkannt worden ist, mit Ausnahme des Ausspruchs zu Nr. 4 (Auskunft).
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Parteien sind -
neben weiteren Personen
-
Miteigentümer nach Bruchteilen eines Hausgrundstücks. Das Haus besteht aus drei Wohnungen, die jeweils bestimmten Miteigentümern zur alleinigen und ausschließlichen [X.] zugewiesen sind. Die Kläger sind Nutzungsberechtigte
einer der beiden 1
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-
Erdgeschoßwohnungen, der [X.] und seine Ehefrau sowie ein weiteres Ehepaar sind Nutzungsberechtigte zu jeweils 50% der darüber liegenden Dachgeschoßwohnung. Anfang 2010 trat in dieser Wohnung ein Riss am Durchlauferhitzer auf; es drang Wasser in die darunterliegende, von den [X.] genutzte Wohnung ein. Die Kläger verlangen von dem [X.]n [X.] für die beschädigten Hausratsgegenstände. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat den [X.]n zur Zahlung von [X.] über den Fußbodenaufbau der Dachgeschoßwohnung verurteilt. Mit der Revision möchte
der [X.] eine Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen.

Entscheidungsgründe:
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht den Klägern in entspre-chender Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ein verschuldensunabhän-giger nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch gegen den [X.]n zu. Die hierzu entwickelten Grundsätze seien auch auf das Verhältnis von [X.]n anzuwenden, denen einzelne Wohnungen zur ausschließlichen Nutzung zugewiesen sind. Die Interessen der jeweils nutzungsberechtigten [X.] seien mit denen von benachbarten Grundstückseigentümern vergleichbar. Daher könne dahinstehen, ob daneben auch ein Schadensersatzanspruch der Kläger wegen schuldhafter Pflichtverletzung oder wegen fahrlässiger Eigen-tumsbeschädigung bestehe. Allerdings könnten die Kläger nur einen Teil der 2
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-
geltend gemachten Schadenspositionen verlangen, da ihre Forderung übersetzt sei. Der Auskunftsanspruch sei nach § 8 der Gemeinschaftsordnung begründet.

II.
Die Kläger waren trotz rechtzeitiger Bekanntmachung im [X.] nicht vertreten. Deshalb ist über den Revisionsantrag des [X.]n durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil beruht jedoch inhaltlich nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. Senat, Urteil vom 4. April 1962 -
V
ZR 110/60, [X.]Z 37, 79, 82).
Die Revision ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Verurteilung des [X.]n zur Auskunft über den Fußbodenaufbau im Dachgeschoß
wendet. Das Berufungsgericht hat bezüglich dieses abtrennbaren Teils des [X.] nicht zugelassen (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Darüber [X.] fehlt es dem Rechtsmittel insoweit an der vorgeschriebenen Begründung (§
551 Abs.
3 Nr.
2, §
552 ZPO). Im Übrigen ist die Revision zulässig und [X.].
Den
Klägern steht gegen den [X.]n ein verschuldensunabhängi-ger nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch analog §
906 Abs.
2 Satz
2 BGB nicht zu.
1. Allerdings hat das Berufungsgericht mit der Zuerkennung eines nach-barrechtlichen Ausgleichsanspruchs den Klägern nicht, wie der [X.] meint, etwas zugesprochen, was sie nicht beantragt haben (§
308 ZPO).
Auch wenn der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch und der verschul-densabhängige Schadensersatzanspruch prozessual verschiedene Ansprüche sind
(Senat, Urteil vom 21. Mai 2010 -
V
ZR 10/10, [X.]Z 185, 371, 374), so wurden doch beide von dem auf Ersatz aller aufgrund des Defekts des Durch-3
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lauferhitzers entstandenen und noch entstehenden Schäden gerichteten Klage-begehren erfasst, sind also Streitgegenstände geworden. Dem steht die [X.], dass die Klage nicht ausdrücklich auch auf den nachbarrechtlichen [X.] gestützt worden ist, nicht entgegen. Da der vorgetragene Sachverhalt einen solchen Anspruch von vornherein mit erfasst, liefe eine
das Rechtsschutzziel auf die Pflichtverletzung oder unerlaubte Handlung beschrän-kende Auslegung des Klagebegehrens dem erkennbaren Rechtsschutzwillen der Klägers deutlich zuwider (Senat, Urteil vom 4. Juli 1997 -
V
ZR 48/96, NJW-RR
1997, 1374). Das Berufungsgericht hat daher rechtsfehlerfrei das Klagebe-gehren auch unter dem Gesichtspunkt des verschuldensunabhängigen nach-barrechtlichen Ausgleichs geprüft.
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts finden die Grundsät-ze zum nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog §
906 Abs.
2 Satz
2 BGB im Verhältnis von [X.] eines Hausgrundstücks, die sich jeweils eine Wohnung zur alleinigen Nutzung zugewiesen haben, keine Anwen-dung.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.], insbe-sondere des Senats, ist ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach §
906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen seiner privatwirtschaftlichen Benutzung Einwirkungen auf ein anderes Grund-stück ausgehen, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzuneh-menden Beeinträchtigung überschreiten, sofern der davon betroffene Eigentü-mer aus besonderen Gründen gehindert war, diese Einwirkungen nach §
1004 Abs.
1 BGB rechtzeitig zu unterbinden (Senat, Urteil vom 11. Juni 1999 -
V
ZR 377/98, [X.]Z 142, 66, 67 f.; Urteil vom 12. Dezember 2003 -
V
ZR 180/03, [X.]Z 157, 188, 189 f.; jeweils mwN). Wie das Berufungsgericht zutreffend [X.], ist dieser Anspruch über den Wortlaut des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB 7
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hinaus nicht auf die Folgen der Zuführung unwägbarer Stoffe beschränkt, son-dern erfasst u.a. auch die Störung durch sogenannte Grobimmissionen, wie etwa Wasser (Senat, Urteil vom 12. Dezember 2003 -
V
ZR 180/03, [X.]Z 157, 188, 190).
b) Nach seinem unmittelbaren Anwendungsbereich setzt §
906
Abs.
2 Satz 2 BGB voraus, dass die Störung von einem anderen Grundstück herrührt (Senat, Urteil vom 12. Dezember 2003 -
V
ZR 180/03, [X.]Z 157, 188, 190), es sich also um einen Eingriff von außen handelt. Hier ist das Wasser aber nicht von einem anderen Grundstück in den befriedeten Bereich der Kläger einge-drungen, sondern lediglich von einem anderen Teil desselben Grundstücks. [X.] ist das Rechtsinstitut des verschuldensunabhängigen nachbar-rechtlichen Ausgleichs nur bei struktureller Vergleichbarkeit und nicht anders zu befriedigender Schutzbedürftigkeit (Senat, Urteil vom 12. Dezember 2003 -
V
ZR 180/03, [X.]Z 157, 188, 195; Urteil vom 21. Mai 2010 -
V
ZR 10/10, [X.]Z 185, 371, 376 Rn. 18).
Eine analoge Anwendung des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB hat der Senat verneint im Verhältnis von Mietern bei Beeinträchtigungen, die von einer Mietwohnung innerhalb desselben Grundstückseigentums auf ei-ne andere Mietwohnung einwirken
(Senat, Urteil vom 12. Dezember 2003 -
V
ZR 180/03, [X.]Z 157, 188),
sowie im Verhältnis von [X.], wenn die Nutzung des Sondereigentums durch einen Mangel am Ge-meinschaftseigentum beeinträchtigt wird (Senat, Urteil vom 21. Mai 2010 -
V
ZR 10/10, [X.]Z 185, 371).
Offen gelassen hat der Senat, ob ein [X.] besteht, wenn die Beeinträchtigungen von einem anderen Sondereigen-tum ausgehen
(Senat, aaO).
c) Hier geht es nicht um das Verhältnis von Mietern oder Wohnungsei-gentümern, sondern um das von [X.] eines Hausgrund-stücks, die sich jeweils eine Wohnung zur alleinigen Nutzung zugewiesen ha-9
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-
ben. In diesem Verhältnis ist eine entsprechende Anwendung des §
906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht gerechtfertigt, da es an der erforderlichen strukturellen Ver-gleichbarkeit des in dieser Norm geregelten Sachverhalts mit dem
hier vorlie-genden fehlt.
aa) Es kann offen bleiben, ob dies schon daraus folgt, dass zwischen den [X.] aufgrund der getroffenen Nutzungsvereinbarung -
anders als bei Grundstückseigentümern
-
eine rechtsgeschäftliche Sonderver-bindung besteht, die es ihnen ermöglicht, ihre Rechtsbeziehungen bei der [X.] der zugewiesenen Wohnungen untereinander zu regeln.
bb) Jedenfalls fehlt es im Verhältnis von [X.] eines Hausgrundstücks
bei
Immissionen, die von einem Nutzungsbereich auf einen anderen einwirken, schon an der in § 906
Abs. 2 Satz 2
BGB
vorausgesetzten Grenzüberschreitung.
Zwar geben Miteigentümer, die sich
im
Wege einer [X.]sregelung (§
745 Abs. 2 BGB) die Wohnungen untereinander zur jeweils alleinigen Nutzung zugewiesen haben und diesem schuldrechtlichen Alleinnut-zungsrecht durch Eintragung in das Grundbuch (§ 1010 BGB) dingliche Wir-kung haben Wohnung tatsächlich wie Alleineigentümer der Wohnung angesehen werden sollen (vgl. Senat, Urteil vom 28.
September 2007 -
V
ZR
276/06, [X.]Z 174, 20, 22). Eine solche Regelung ändert aber nichts daran, dass es sich lediglich um eine
schuldrechtliche Nutzungsvereinbarung handelt, die das gemeinschaft-liche Eigentum aller Bruchteilseigentümer an den Wohnungen unberührt lässt. Es besteht somit Identität zwischen dem Grundstückseigentum, von dem die Störung ausgeht, und dem Grundstückseigentum, das beeinträchtigt ist, mit der Folge, dass dieselben Miteigentümer gleichzeitig sowohl auf der Störerseite
als auch auf Seiten des beeinträchtigten Grundeigentums stehen. Dies kann einem grenzüberschreitenden Eingriff im Sinne des §
906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht 11
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gleichgesetzt werden.
Vielmehr handelt es sich um einen Konflikt im Innenver-hältnis zwischen den Eigentümern desselben Grundstücks, der eine entspre-chende Anwendung der Grundsätze über den verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nicht rechtfertigt.

III.
Der Rechtsstreit ist nicht zur Entscheidung reif (§
563 Abs.
3 ZPO). In Betracht kommt eine Haftung des [X.]n nach §
280 Abs.
1 BGB oder nach §
823 Abs.
1 BGB. Insoweit bedarf die Sache weiterer Aufklärung. [X.] wird das Berufungsgericht zu klären haben, ob der Schaden am Durchlaufer-hitzer auf ein Einfrieren wegen mangelnder Beheizung der Wohnung zurückzu-führen ist.
[X.]
[X.]
Czub

[X.]
Weinland
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 06.01.2011 -
2 O 179/10 -

OLG [X.], Entscheidung vom 20.05.2011 -
6 U 18/11 -

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Meta

V ZR 137/11

10.02.2012

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.02.2012, Az. V ZR 137/11 (REWIS RS 2012, 9235)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9235

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V ZR 137/11

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