Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.04.2015, Az. IX ZB 29/13

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 12179

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 29/13
vom

23. April 2015

in dem [X.]

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 8 Abs. 1 Satz 2, § 15 Abs. 1 Satz 2; [X.] § 59 Abs. 1 Satz 2, § 75 Abs.
1 Nr. 1
Der Verwalter ist nicht befugt, die Einberufung einer Gläubigerversammlung zu bean-tragen, in welcher über die Abberufung eines [X.]s und die Aufhebung der Sonderverwaltung beschlossen werden soll.

[X.], Beschluss vom 23. April 2015 -
IX ZB 29/13 -
LG [X.]

[X.]

-

2

-

Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.], den Richter [X.], die Richterin [X.], die Richter
Dr. [X.] und Dr. Pape

am
23. April 2015
beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss
der 8. Zivilkammer des [X.] vom 12. April 2013 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.

festgesetzt.

Gründe:

I.

Der weitere Beteiligte zu 1 (fortan: Verwalter) ist Verwalter in dem am 1.
November 1994 eröffneten [X.] über das Vermö-gen der E.

AG. Im November 1999 zahlte er 1.483.164

überstieg ein Drittel des zu verteilenden Erlöses (vgl. § 17 Abs. 3 Nr. 1c [X.]). Mit Beschluss vom 7. Januar 2011 wurde der weitere Beteiligte zu 2 (fortan: [X.]) zum [X.] bestellt und beauftragt, aus der Zahlung 1
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folgende Schadensersatzansprüche der Masse gegen den Verwalter zu prüfen und gegebenenfalls durchzusetzen.

Der Verwalter holte ein Rechtsgutachten eines Hochschullehrers zu den Fragen ein, welche Kompetenzen der Gläubigerversammlung hinsichtlich der Sonderverwaltung zustünden, ob und unter welchen Voraussetzungen der [X.] der Masse schadensersatzpflichtig werden könne und ob auch das [X.] zu Schadensersatz verpflichtet sei. Mit Schriftsatz vom 8. Februar 2012 hat er die Einberufung einer Gläubigerver-sammlung beantragt, die über folgende Tagesordnungspunkte beschließen soll:

1.
Verweigerung der Zustimmung
der Klageerhebung des [X.] gegen den [X.] wegen [X.] mit einem vorläufigen e-entwurf vom 27. September 2011.

2.
Beendigung der Sonderverwaltung und Entlassung des [X.] Rechtsanwalt Dr. S.

.

Der Gläubigerausschuss, welcher der Auszahlung im Jahre 1999 zuge-stimmt hatte, hat
einen
gleichlautenden Antrag gestellt. Das Gesamtvollstre-ckungsgericht hat auf den Antrag des Gläubigerausschusses eine Gläubiger-versammlung mit dem einzigen Tagesordnungspunkt "Erhebung einer Scha-densersatzklage durch den [X.]"
anberaumt, den Antrag des [X.] jedoch wegen fehlender Antragsbefugnis abgelehnt. Die sofortige Be-schwerde des Verwalters, mit welcher dieser die Einberufung einer Gläubiger-versammlung zum Thema "Beendigung der Sonderverwaltung und Entlassung des [X.]s"
erreichen wollte,
ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom 2
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-

Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der
Verwalter diesen Antrag weiter.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO
statt-haft, weil die Entscheidungen des [X.]s nach §
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[X.] mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sind und das [X.] zugelassen hat (vgl. [X.], Beschluss vom 15.
Januar 2004 -
IX ZB 62/03, [X.], 490 f; vom 10. März 2005 -
IX ZB 269/03, [X.], 1610, 1611), und auch im Übrigen zulässig. Sie bleibt jedoch ohne Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt
(vgl. [X.], 1782): Das Recht des [X.]s, die Einberufung einer Gläubiger-versammlung zu beantragen, sei auf seine Aufgaben im Verfahren beschränkt und diene nicht der Wahrnehmung der Interessen Dritter. Diejenigen Aufgaben, die dem [X.] übertragen worden seien, gehörten nicht zu den [X.]. Überdies liege die angestrebte Beschlussfassung au-ßerhalb der Kompetenz der Gläubigerversammlung. Die [X.] räume dieser nicht das Recht ein, die Abberufung des [X.] zu beantragen.

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
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a) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts ist die Gläubigerver-sammlung zwar auch im Geltungsbereich der Gesamtvollstreckungsordnung befugt,
die Abberufung eines gerichtlich bestellten [X.]s zu bean-tragen oder wenigstens anzuregen.
Die
für die Abberufung des [X.] geltende, auf den [X.] entsprechend anzuwen-dende
(vgl. [X.], Beschluss
vom 25. Januar 2007 -
IX [X.], [X.], 607 Rn. 21 ff;
vom 5. Februar 2009 -
IX ZB 187/08, [X.], 565 Rn.
4
f zur
entsprechenden Anwendung des § 59 [X.] auf den Sonderinsolvenzverwalter)
Vorschrift des § 8 Abs. 3 Satz 2 [X.] steht nicht entgegen.

Nach
§ 8 Abs. 3 Satz 2 [X.] kann der Verwalter bei Vorliegen eines wichtigen Grundes vom Gericht abberufen werden.
Anders als nach §
84 Abs.
1 Satz
2 KO ist
die Entlassung des Verwalters nicht von einem Antrag der Gläu-bigerversammlung oder des Gläubigerausschusses abhängig. Schon ihrem Wortlaut nach verbietet die Vorschrift der Gläubigerversammlung nicht, sich mit der Frage zu befassen, ob die Abberufung des Verwalters oder des Sonderver-walters beantragt oder angeregt werden soll. Dass sie -
anders als nunmehr §
59 Abs. 1 Satz 2 [X.]
-
die Abberufung auf Antrag der Gläubigerversamm-lung, des Gläubigerausschusses oder des Verwalters selbst nicht einmal [X.], lässt den Schluss darauf, dass solche Anträge unzulässig seien, [X.] nicht zu. Der [X.] hat wiederholt den fragmentarischen Charakter der Gesamtvollstreckungsordnung hervorgehoben. Bei ihrer Auslegung ist beson-ders zu beachten, dass der Gesetzgeber, um den knappen Formulierungsstil der Gesamtvollstreckungsverordnung der ehemaligen [X.] beizubehalten, bei umfangreichen Regelungen des übernommenen [X.] in der Regel nur die Grundnorm übernommen hat. Gleiches gilt, soweit bei der Änderung und Ergänzung der Gesamtvollstreckungsverordnung wichtige Grundgedanken der Insolvenzrechtsreform, die zu jenem Zeitpunkt bereits in einem Referenten-7
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entwurf niedergelegt waren, in das für die neuen Bundesländer geschaffene Übergangsrecht übernommen
worden sind
(vgl. [X.], Urteil vom 15. Juli 1999
-
IX ZR 239/98, [X.]Z 142, 208, 210). Der
im Jahre 1989 vom Bundesministe-rium der Justiz als Sonderdruck veröffentlichte
Referentenentwurf sah in §
66 Abs.
1 Satz 2 eine dem heutigen § 59 Abs. 1 Satz 2 [X.] entsprechende Rege-lung vor.

Die [X.] weicht bewusst von § 84 Abs. 1 Satz 2 KO ab, indem sie in § 59
Abs. 1 Satz 2 [X.] vorsieht,
dass die Entlassung des [X.]
(auch)
von Amts wegen erfolgen kann.
Nach der amtlichen Begründung des [X.] (BT-Drucks. 12/2443, [X.] zu § 70) hatte die Rege-lung des § 84 Abs. 1 Satz 2 KO den Nachteil, dass ein Verwalter auch bei schweren Pflichtverletzungen oder offensichtlicher Amtsunfähigkeit nicht sofort abberufen werden konnte, sondern insbesondere dann, wenn ein Gläubiger-ausschuss nicht bestellt worden war, noch längere Zeit im Amt blieb. Zudem bestand die Gefahr, dass ein Verwalter, der in unredlicher Absicht bestimmte Gläubiger begünstigte, deshalb nicht aus seinem Amt entfernt werden konnte, weil wegen des Widerstandes des begünstigten Gläubigers ein Entlassungsan-trag nicht zustande kam. Die [X.] räumt dem Insolvenzgericht daher die Möglichkeit ein, den Verwalter während des gesamten Verfahrens von Amts wegen zu entlassen. Die Regelung des § 8 Abs. 3 Satz 2 [X.], die im Vorgriff auf die zu erwartende bundesweit geltende Vorschrift des § 59 Abs. 1 Satz
2 [X.] und in Anlehnung an diese geschaffen wurde,
wird
in der amtli-chen Begründung des [X.]
als Muster einer derartigen Befugnis bezeichnet. Dass sie -
anders als § 59 Abs. 1 Satz 2 [X.]
-
die Möglichkeit ei-nes
Antrags
des Verwalters, des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerver-sammlung
nicht erwähnt, heißt nicht, dass derartige Anträge unzulässig
sind.

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Die Sonderverwaltung dient oft -
wie auch im vorliegenden Fall
-
dazu, einen Schadensersatzanspruch der Masse gegen den Verwalter geltend zu machen, was dem einzelnen Gläubiger verwehrt ist (vgl. [X.], Urteil vom 22.
April 2004 -
IX ZR 128/03, [X.]Z 159, 25, 26; vom 17. Juli 2014 -
IX ZR 301/12, [X.], 2009 Rn. 11). Die Gläubiger müssen die Bestellung eines [X.]s beantragen oder jedenfalls anregen dürfen; da sie nur als Gläubigerversammlung handlungsfähig sind, setzt dies eine Gläubigerver-sammlung voraus, bei welcher die Frage der Sonderverwaltung auf der Tages-ordnung steht. Ebenso ist die Gläubigerversammlung befugt, Stellung zu der Frage zu nehmen, ob ein vom [X.]
ermittelter Schadensersatzan-spruch gegen den Verwalter
durchgesetzt werden soll.
Im Urteil vom 17. Juli 2014
(aaO Rn. 15)
hat der [X.]
dies als selbstverständlich
vorausgesetzt.
Ebenso selbstverständlich kann die Gläubigerversammlung Beschlüsse dazu fassen, ob die Entlassung
des Verwalters oder des [X.]s
-
oder
etwa aus Kostengründen
-
die Aufhebung der Sonderverwaltung beantragt oder jedenfalls angeregt werden soll.
Darüber, ob, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang das Gericht und der [X.] an Beschlussfas-sungen der Gläubigerversammlung gebunden sind, ist hier nicht zu [X.], weil
es lediglich um die Frage einer zulässigen Tagesordnung geht.

b) Im Ergebnis kommt es auf diese Frage nicht an. Der Verwalter ist nicht befugt, die Einberufung einer Gläubigerversammlung mit dem Ziel zu [X.], über die Amtsführung des [X.]s, über die Entlassung des [X.]s aus dem Amt oder über die Beendigung der Sonderverwal-tung beschließen zu lassen.

aa) Nach § 15 [X.] wird die Gläubigerversammlung durch
das Gericht einberufen. Sie muss einberufen werden, wenn das vom Verwalter beantragt 10
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8

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wird (§ 15 Abs. 1 Satz 2 [X.]). Die Vorschrift ist derjenigen des § 93 Abs.
1 Satz
2 KO nachgebildet. Der Antrag des Verwalters ist bindend; ein Ermes-sensspielraum steht dem Gericht nicht zu.
Auch Ausnahmen sind nicht vorge-sehen.
Eine entsprechende Regelung enthält § 75 Abs. 1 Nr. 1 [X.].

bb) Der [X.] wird jedoch in Fällen bestellt, in welchen der Verwalter seine Aufgaben aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht wahrnehmen kann (so die amtliche Begründung des [X.] zu §
77 [X.]-E, BT-Drucks. 12/2443, S. 131; vgl. auch [X.], Beschluss vom 1.
Februar 2007 -
IX ZB 45/05, [X.], 609 Rn. 9). Die Verwaltungstätigkeit des Verwalters wird hierdurch nicht eingeschränkt, weil der
[X.]
in einem Bereich tätig wird, der nicht zu den Aufgaben des Verwalters gehört.
Das gilt insbesondere in dem hier gegebenen Fall, in welchem der [X.]
Ersatzansprüche der Gläubigergesamtheit gegen den Verwalter geltend ma-chen soll. Der Verwalter
ist insoweit nicht "Verwalter"
im Sinne der einschlägi-gen Bestimmungen der Konkursordnung, der Gesamtvollstreckungsordnung oder der [X.], hier also des § 15 Abs. 1 Satz 2 [X.]. Er hat in dem Bereich, für welchen die Sonderverwaltung eingerichtet worden ist, [X.].
Damit ist er nicht nach § 15 Abs. 1 Satz 2 [X.] befugt, die Einberufung einer Gläubigerversammlung zu beantragen.

Der Ausschluss jeglicher Befugnisse des Verwalters im Hinblick auf die Sonderverwaltung führt zu sachgerechten, die Interessen aller Beteiligten be-rücksichtigenden Ergebnissen.
Die Sonderverwaltung wird
im Interesse der Gläubigergesamtheit angeordnet, welcher an der ungestörten und zügigen Er-ledigung der
dem [X.]
gestellten Aufgaben, insbesondere der Klä-rung der etwa gegen den Verwalter erhobenen Vorwürfe
gelegen sein muss.
Dem
Verwalter
steht
mangels Betroffenheit in eigenen [X.] und 13
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im Interesse einer zügigen Abwicklung des Insolvenzverfahrens
kein Rechtsmit-tel gegen die Einsetzung eines [X.]s zu (vgl. [X.], Beschluss vom 1. Februar 2007 -
IX ZB 45/05, [X.], 609 Rn.
6
ff, 10; vom 5.
Februar 2009 -
IX ZB 187/08, [X.], 565 Rn. 7). Er ist nicht berechtigt, entsprechend § 59 Abs.1 [X.] die Abberufung des [X.]s zu beantragen ([X.], [X.] vom 25. Januar 2007 -
IX [X.], [X.], 607 Rn.
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f). Anträge auf Einberufung einer Gläubigerversammlung, in welcher über die Aufhebung der Sonderverwaltung oder die Entlassung des [X.]s beschlossen werden soll, können die Arbeit des [X.]s ebenfalls
verzögern, er-schweren oder
-
wenn so die Verjährung des
geltend zu machenden
Anspruchs eintritt
-
vollends
unmöglich machen.
Es ist nur folgerichtig, dem Verwalter die-ses verfahrensrechtliche Instrument nicht in die Hand zu geben.
Die Rechte des Verwalters, sich gegen unberechtigte Vorwürfe zu verteidigen, werden hier-durch nicht unbillig eingeschränkt.
Die Berechtigung der

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gegen den Verwalter erhobenen Vorwürfe kann
dann, wenn hierzu unterschied-liche Ansichten bestehen, in einem Rechtsstreit vor den ordentlichen Gerichten
eingehend geprüft
werden.

Kayser
[X.]
[X.]

[X.]
Pape

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.04.2012 -
91 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 12.04.2013 -
8 [X.] -

Meta

IX ZB 29/13

23.04.2015

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.04.2015, Az. IX ZB 29/13 (REWIS RS 2015, 12179)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 12179

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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