Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.05.2014, Az. XII ZB 630/12

12. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 5808

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Gegenstand

Kostenfestsetzung nach Kindesunterhaltsklage eines Jobcenters aus übergegangenem Recht: Entschädigungsansprüche gegen den Unterhaltsschuldner wegen der Terminsteilnahme eines Mitarbeiters


Leitsatz

Macht eine gemeinsame Einrichtung nach § 44b SGB II (Jobcenter) nach § 33 Abs. 1 SGB II übergegangene Unterhaltsansprüche gerichtlich geltend, kann sie vom Unterhaltsschuldner wegen der Terminsteilnahme eines ihrer Mitarbeiter weder eine Entschädigung für Verdienstausfall nach § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO i.V.m. § 22 JVEG noch eine Entschädigung für Zeitversäumnis nach § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO i.V.m. § 20 JVEG verlangen.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Senats für Familiensachen des [X.] vom 22. Oktober 2012 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

Wert: 1.232 €

Gründe

I.

1

Der Antragsteller (ein Jobcenter) nahm den Antragsgegner aus übergegangenem Recht auf Kindesunterhalt in Anspruch. Im Beschwerdeverfahren wurden die Verfahrenskosten erster Instanz dem Antragsteller zu 17 % und dem Antragsgegner zu 83 % und die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Antragsteller zu 11 % und dem Antragsgegner zu 89 % auferlegt.

2

Im Kostenfestsetzungsverfahren hat der Antragsteller unter anderem den [X.]-, Arbeits- und Personalaufwand für die Erstellung der Antragsschrift und eines Online-Mahnbescheids (8 Stunden) geltend gemacht sowie Ersatz für die [X.], die durch die Teilnahme eines ihres Mitarbeiters an den [X.] vor dem Amts- und [X.] (13 Stunden) und für eine Informationsreise zur Beauftragung eines Rechtsanwalts (7 Stunden) entstanden ist, verlangt. Dabei hat der Antragsteller einen Stundensatz von 44 € zugrunde gelegt.

3

Das Amtsgericht hat die vom Antragsgegner an den Antragsteller zu erstattenden Kosten und Auslagen auf insgesamt 660,79 € nebst Zinsen festgesetzt. Im Übrigen hat es den Antrag zurückgewiesen, weil dem Antragsteller kein Anspruch auf Erstattung des [X.]-, Arbeits- und Personalaufwands für die Erstellung der Antragsschrift und des Mahnbescheids sowie für die [X.] aufgrund der [X.] vor dem Amtsgericht und dem [X.] sowie der Fahrt zur Beauftragung eines Rechtsanwalts zustehe. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers blieb ohne Erfolg. Mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller seinen Kostenfestsetzungsantrag in vollem Umfang weiter.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg.

5

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die vom Antragsteller geltend gemachten Kosten für die Erstellung der Antragsschrift und für die Wahrnehmung der Verhandlungstermine durch einen Terminsvertreter seien nicht erstattungsfähig. Die Kosten der eigenen Mühewaltung für die Vorbereitung der Führung eines Verfahrens seien grundsätzlich nicht zu erstatten, weil sie zum eigenen Pflichtenkreis eines Verfahrensbeteiligten rechneten. Dies gelte in gleicher Weise sowohl für Rechtsabteilungen von Unternehmen als auch für Vertreter der öffentlichen Verwaltung. Seinen allgemeinen Verwaltungsaufwand könne der Antragsteller auch nicht mit der Begründung erstattet verlangen, dieser sei wegen der Vorhaltung entsprechender abgrenzbarer [X.] als auf einen konkreten Rechtsstreit bezogen zu beurteilen.

6

Auf der Grundlage der Rechtsprechung des [X.] sei die durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene [X.] zwar grundsätzlich von den Regelungen des früheren Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen erfasst. Einer Behörde entstünden durch einen Rechtsstreit jedoch keine zusätzlichen Kosten und damit auch keine Aufwendungen, die erstattungsfähig seien. Diese Rechtsprechung des [X.] sei in gleicher Weise für [X.] maßgebend, in denen eine Behörde auf sie übergegangene Unterhaltsansprüche gerichtlich geltend mache. Anders als bei einer juristischen Person des Privatrechts stehe hier die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben im Vordergrund und nicht eine Gewinnerzielungsabsicht. Es könne daher nicht darauf abgestellt werden, dass der Behörde durch die Wahrnehmung der Gerichtstermine beziehungsweise durch die Fertigung einer Antragsschrift wirtschaftliche Nachteile entstünden, die vom [X.] auszugleichen seien. Darin liege zugleich der wesentliche Unterschied zwischen der juristischen Person des öffentlichen Rechts und des Privatrechts, der für Art. 3 GG keinen Raum lasse.

7

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

8

a) Nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG bestimmt sich in [X.], zu denen nach §§ 112 Nr. 1, 231 Abs. 1 FamFG das vorliegende Unterhaltsverfahren zählt, der Umfang der Kostentragungspflicht nach § 91 ZPO. Danach hat die unterliegende Partei die dem Gegner entstandenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Kostenerstattungsanspruch erstreckt sich auch auf die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene [X.], die nach Maßgabe der für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften zu berechnen ist (§ 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Seit dem 1. Juli 2004 verweist die Vorschrift auf das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz ([X.]), das in § 20 [X.] eine Entschädigung für [X.] in Höhe von 3 € je Stunde und in § 22 [X.] eine Entschädigung für Verdienstausfall in Höhe von höchstens 17 € je Stunde vorsieht (vgl. [X.] Beschluss vom 2. Dezember 2008 - [X.]/07 - NJW 2009, 1001 Rn. 8).

9

b) Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass dem Antragsteller kein Anspruch auf Entschädigung für den mit der Erstellung der Antragsschrift und des Mahnbescheids entstandenen [X.]-, Arbeits- und Personalaufwand zusteht.

Zwar zählen zu den Verfahrenskosten nicht nur die durch Einleitung und Führung eines Rechtsstreits ausgelösten Kosten, sondern auch solche, die durch rechtmäßige Maßnahmen zur Vorbereitung eines konkret bevorstehenden Verfahrens ausgelöst werden. Diese werden aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit den Verfahrenskosten zugerechnet und können im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden (Senatsbeschluss vom 15. Mai 2013 - [X.]/08 - FamRZ 2013, 1387 Rn. 9 mwN). Der allgemeine Verfahrensaufwand, insbesondere der jeder Partei mit der Vorbereitung oder der Durchführung eines Rechtsstreits entstehende [X.]aufwand zählt jedoch nicht zu den Parteikosten, die im Rahmen des § 91 Abs. 1 ZPO erstattungsfähig sind (Musielak/[X.] ZPO 10. Aufl. § 91 Rn. 10; [X.]/[X.]/[X.] ZPO 34. Aufl. § 91 Rn. 54; vgl. auch [X.]Z 66, 112, 114 = NJW 1976, 1256, 1257). Deshalb kann eine Partei den [X.]aufwand, der ihr für die Anfertigung von Schriftsätzen entstanden ist, nicht ersetzt verlangen ([X.]/[X.] ZPO 30. Aufl. § 91 Rn. 13 Stichwort: "Allgemeiner Prozessaufwand"; [X.], 430, 432). Dies gilt auch für eine Behörde oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts ([X.], 1323; Musielak/[X.] ZPO 10. Aufl. § 91 Rn. 43).

Danach kann der Antragsteller den geltend gemachten Personal- und [X.]aufwand für die Erstellung der Antragsschrift und des Mahnbescheids nicht nach § 91 Abs. 1 ZPO erstattet verlangen. Es handelt sich hierbei um Kosten des allgemeinen Verfahrensaufwands zur Vorbereitung der gerichtlichen Durchsetzung der nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II auf den Antragsteller übergegangenen Unterhaltsansprüche, die als Kosten der eigenen Mühewaltung nicht zu den von § 91 Abs. 1 ZPO erfassten Verfahrenskosten zählen.

c) Ebenfalls zutreffend hat das Beschwerdegericht angenommen, dass der Antragsteller keine Entschädigung für Verdienstausfall nach § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO i.V.m. § 22 [X.] verlangen kann. Dem Antragsteller steht auch keine [X.]entschädigung gemäß § 91 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 20 [X.] zu.

aa) Die Frage, ob eine Behörde oder juristische Person des öffentlichen Rechts im Rahmen der Kostenerstattung nach § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO Entschädigung für den [X.]aufwand verlangen kann, der ihr durch die Teilnahme eines Mitarbeiters an einem gerichtlichen Termin entstanden ist, ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten.

Teilweise wird dies mit der Begründung abgelehnt, bei einer juristischen Person des öffentlichen Rechts handele es sich insoweit um steuerfinanzierte Vorhaltekosten, die nicht auf den Prozessgegner abgewälzt werden könnten (BVerwG NVwZ 2005, 466, 467; [X.] JurBüro 1990, 210; OLG Schleswig JurBüro 1990, 622; [X.] JurBüro 1994, 229; [X.]/[X.] 4. Aufl. § 91 Rn. 203; [X.]/[X.] ZPO 30. Aufl. § 91 Rn. 13 Stichwort: "Behörde"; [X.]/[X.]/[X.] ZPO 34. Aufl. § 91 Rn. 15).

Nach anderer Auffassung soll § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO auch auf Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts uneingeschränkt anwendbar sein, weil für eine abweichende Behandlung kein Raum sei. Eine Behörde oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts könne daher für die durch eine [X.] durch einen gesetzlichen Vertreter oder einen sonstigen Beauftragten entstandene [X.] Verdienstausfall nach § 22 [X.] verlangen ([X.] JurBüro 2001, 484; [X.] JurBüro 1992, 242 f.; [X.] OLGR 2003, 17, 18 f.; Musielak/[X.] ZPO 10. Aufl. § 91 Rn. 10 und 43).

Schließlich wird auch vertreten, dass ein öffentlich-rechtlicher Rechtsträger zwar nicht den Verdienstausfall des Mitarbeiters, aber Ersatz für die durch die [X.] entstandene [X.] nach § 20 [X.] beanspruchen könne ([X.] MDR 1990, 635; OLG Karlsruhe OLGR 1993, 329; [X.] NJW-RR 1997, 767; [X.] JurBüro 2000, 535; [X.] ZPO Vorwerk/Wolf/[X.]/Wache [Stand: 1. Januar 2014] § 91 Rn. 159).

bb) Jedenfalls für die vorliegende Konstellation schließt sich der Senat der Rechtsprechung des [X.] an.

Nach § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO i.V.m. § 22 [X.] erhalten Parteien, "denen ein Verdienstausfall entsteht", eine Entschädigung, die sich nach dem regelmäßigen Bruttoverdienst richtet und die für jede Stunde höchstens 17 € beträgt. Der Gesetzeswortlaut setzt damit einen tatsächlich entstandenen Verdienstausfall voraus. Tritt ein solcher nicht ein, kommt lediglich eine [X.]entschädigung nach § 20 [X.] in Betracht ([X.] Beschluss vom 26. Januar 2012 - [X.]/09 - NJW-RR 2012, 761 Rn. 10).

Bei dem Antragsteller handelt es sich um eine gemeinsame Einrichtung nach § 44 b SGB II, die nach § 44 b Abs. 1 Satz 2 SGB II die Aufgaben ihrer Träger im eigenen Namen wahrnimmt (BT-Drucks. 17/1555 S. 24). Zu diesen Aufgaben zählt auch die Geltendmachung der nach § 33 Abs. 1 SGB II auf den Träger der Grundsicherung, der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erbracht hat, übergegangenen Unterhaltsansprüche (Eicher/[X.]. § 33 Rn. 27). Der Antragsteller ist deshalb berechtigt, den übergegangenen Anspruch im eigenen Namen geltend zu machen und Zahlung an sich zu verlangen. Ist zur Durchsetzung von übergeleiteten Ansprüchen ein gerichtliches Verfahren erforderlich, steht dem Antragsteller hierfür die erforderliche Prozessführungsbefugnis zu (Senatsurteil vom 11. Januar 2012 - [X.] - FamRZ 2012, 956 Rn. 13). Um diese Aufgabe erfüllen zu können, hält der Antragsteller, wie er in seinem Kostenfestsetzungsantrag selbst vorträgt, 3,75 [X.] vor, von denen 0,7 [X.] auf die gerichtliche Vertretung des Antragstellers in Gerichtsverfahren entfallen. Gehört die gerichtliche Durchsetzung übergeleiteter Unterhaltsansprüche aber zu den vom Antragsteller zu erfüllenden Aufgaben, die bei der Personalbedarfsplanung berücksichtigt worden sind und für deren [X.] ein Budget zugewiesen ist, entsteht ihm durch die Teilnahme eines Mitarbeiters an [X.] kein Verdienstausfall. Das Gehalt des Mitarbeiters ist im Haushaltsplan des Antragstellers berücksichtigt und muss unabhängig davon bezahlt werden, ob der Mitarbeiter im Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben Tätigkeiten innerhalb des [X.] erledigt oder einen Gerichtstermin wahrnimmt. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, der Verdienstausfall bestehe darin, dass der Mitarbeiter in der [X.] seiner Abwesenheit keine andere Aufgaben habe erfüllen können, da die [X.] durch den sachbearbeitenden Mitarbeiter des Antragstellers gerade zu den ihm übertragenen Aufgaben gehört.

Aus den gleichen Erwägungen steht dem Antragsteller auch keine [X.]entschädigung nach § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO i.V.m. § 20 [X.] zu, weil ihm ersichtlich kein Nachteil entstanden ist (vgl. [X.]/[X.]/[X.]/[X.]. § 20 [X.] Rn. 2).

Dose                     Klinkhammer                        Günter

            Botur                                [X.]

Meta

XII ZB 630/12

07.05.2014

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend Brandenburgisches Oberlandesgericht, 22. Oktober 2012, Az: 10 WF 128/12

§ 113 Abs 1 S 2 FamFG, § 91 Abs 1 S 2 ZPO, § 20 JVEG, § 22 JVEG, § 33 Abs 1 SGB 2, § 44b SGB 2

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.05.2014, Az. XII ZB 630/12 (REWIS RS 2014, 5808)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5808

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