Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.09.2004, Az. X ZR 25/03

X. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 1771

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 7. September 2004 Wes[X.]nfelder Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

- 2 - [X.] hat auf die mündli[X.] [X.] vom 7. September 2004 durch [X.] [X.], [X.] und [X.] und die Richterinnen [X.] und Mühlens

für Recht erkannt:

Auf die Revision der [X.] wird das Urteil des 16. Zivilsenats des [X.] vom 23. Januar 2003 aufgehoben.

Die Sa[X.] wird zur neuen Verhandlung und Ents[X.]idung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

- 3 - Die [X.] begehren Schmerzensgeld, Minderung des Reiseprei-ses und Schadensersatz wegen eines Reiseunfalls.
Die Klägerin zu 2 - die Mutter der Klägerin zu 1 - buchte bei der [X.] für ihre aus den Eltern und drei Kindern bestehende Familie eine Pauschal-reise in eine Clubanlage auf [X.]. Die Beklagte bestätigte die Buchung mit Schreiben vom 26. März 1999, worin sie auf ihre beigefügten Reise- und Zah-lungsbedingungen hinwies, in denen es unter Nr. 10.7 hieß:
"Sämtli[X.] in Betracht kommende Ansprü[X.] müssen Sie innerhalb eines Monats nach dem vertraglich vereinbarten Reiseende mög-lichst schriftlich uns gegenüber geltend ma[X.]n. Nach dem Ablauf der Frist können Sie Ansprü[X.] nur dann noch geltend ma[X.]n, wenn Sie an der Einhaltung der Frist ohne Ihr Verschulden gehin-dert waren."

Am 27. Juli 1999 stürzte die damals sieben Jahre alte Klägerin zu 1, die sich zuvor in den Räumen des von der [X.] unterhaltenen Kinderclubs aufgehalten hatte, von einer auf dem Vorplatz des Kinderclubs befindli[X.]n etwa 1 m hohen, hinten aber 2 m tief abfallenden Mauer nach hinten ab. Ob vor dieser Mauer damals Stühle standen, ob das Kind, dem die Eltern die Erlaubnis gegeben hatten, den Kinderclub unbeaufsichtigt zu verlassen, auf diesem [X.] noch von den Betreuern des Kinderclubs zu beaufsichtigen war und ob die Betreuer den Sturz gegebenenfalls hätten verhindern können, ist streitig und ungeklärt. Das Kind erlitt einen komplizierten Bruch des rechten Ellenbo-gens, der am Urlaubsort eine Operation und einen mehrtägigen [X.] 4 - aufenthalt erforderlich machte, während dessen auch die Mutter im [X.] blieb. Noch am Urlaubsort zeigte die Klägerin zu 2 den Unfall der dortigen Reiseleitung der [X.] an, die am 2. August 1999 einen vorgedruckten Fragebogen mit der Überschrift "Personen- und Sachschäden" ausfüllte, in dem unter der Rubrik "Unfall" nach dem Unfallhergang und der Art der Verlet-zung gefragt wurde und dessen Fußzeile lautete: "Diese Meldung stellt kein Anerkenntnis einer Haftung seitens der Veranstalter dar." Die Klägerin zu 2 unterschrieb. Die Reise endete vertragsgemäß am 5. August 1999. Mit [X.] vom 6. September 1999, das der [X.] am 7. September 1999 zuging, meldete der damalige anwaltli[X.] Vertreter der [X.] Ansprü[X.] bei der [X.] an, die diese mit Schreiben vom 14. September 1999 zurückwies. Am 27. Dezember 2001 haben die [X.] Klage erhoben mit den Anträ-gen, an die Klägerin zu 1 ein angemessenes Schmerzensgeld in der Größen-ordnung von 10.000,-- DM zu zahlen und der Klägerin zu 2 30 % des gesamten Reisepreises sowie Taxifahrten und den Zeitwert des von dem Kind bei seinem Sturz getragenen, im Krankenhaus bei der Behandlung zerschnittenen T-Shirts zu ersetzen. Insgesamt begehrt die Klägerin zu 2 2.498,-- DM.
Das [X.] und das [X.] haben die Klage mit der Begründung abgewiesen, etwaige Ansprü[X.] seien wegen verspäteter Gel-tendmachung nach Nr. 10.7 der Reise- und Zahlungsbedingungen der [X.] ausgeschlossen. Das Berufungsgericht hat jedoch wegen der damals noch umstrittenen Frage, ob eine Bedingungsklausel wirksam ist, wel[X.] die in § 651 g Abs. 1 Satz 1 BGB für vertragli[X.] Reisegewährleistungsansprü[X.] geregelte einmonatige Anmeldungsfrist auf deliktis[X.] Schadensersatzansprü-- 5 - [X.] ausdehnt, die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgen die [X.] ihre Klage weiter.

- 6 - Ents[X.]idungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Ur-teils und zur Zurückverweisung der Sa[X.] an das Berufungsgericht. [X.] Das Berufungsgericht hat etwaige reisevertragli[X.] Gewährleistungs-ansprü[X.] wegen Versäumung der einmonatigen Ausschlußfrist für die Gel-tendmachung (§ 651 g Abs. 1 Satz 1 BGB) abgelehnt. Die Schadensmeldung der Klägerin zu 2 am 2. August 1999 sei keine Geltendmachung von Ansprü-[X.]n, sondern lediglich eine Mängelanzeige im Sinne des § 651 c Abs. 2 Satz 1 BGB gewesen. Denn zum einen habe die Klägerin zu 2 diese Scha-densanzeige der örtli[X.]n Reiseleitung und nicht dem Reiseveranstalter ge-genüber abgegeben, und zum anderen sei weder aus dem schriftli[X.]n Text dieser Anzeige noch aus dem Vortrag der [X.] erkennbar, daß die Klä-gerin zu 2 damals bereits Ansprü[X.] geltend gemacht hätte. Dies sei vielmehr erst mit dem 7. September 1999 bei der [X.] eingegangenen Anwalts-schreiben vom 6. September 1999 ges[X.]hen. Damit hätten die [X.] die Ausschlußfrist, die am 6. September 1999 abgelaufen sei, versäumt. Im übrigen seien die vertragli[X.]n Ansprü[X.] auch verjährt, da die sechsmonatige Verjährungsfrist (§ 651 g Abs. 2 BGB) mit dem [X.] der [X.] vom 14. September 1999 zu laufen begonnen habe, die Klage aber erst am 27. Dezember 2001 erhoben worden sei.
Auch etwaige deliktis[X.] Schadensersatzansprü[X.] hat das Berufungs-gericht für ausgeschlossen gehalten. Der Ausschluß ergebe sich zwar nicht aus § 651 g Abs. 1 Satz 1 BGB, da sich diese Bestimmung nur auf die vertrag-- 7 - li[X.]n Ansprü[X.] der §§ 651 c bis 651 f BGB beziehe, wohl aber aus Nr. 10.7 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der [X.], wonach sämtli[X.], also auch deliktis[X.] Ansprü[X.] innerhalb eines Monats seit Reiseende geltend gemacht werden müßten. Die Klausel halte der Inhaltskontrolle nach § 9 [X.] stand.
I[X.] Diese Ausführungen halten der rechtli[X.]n Überprüfung zum Teil nicht stand. Den [X.] stehen zwar keine durchsetzbaren vertragli[X.]n, mögli[X.]rweise aber deliktis[X.] Schadensersatzansprü[X.] zu.
1. Reisevertragli[X.] Schadensersatzansprü[X.] hat das Berufungsge-richt im Ergebnis zu Recht verneint.
a) Es kann offenbleiben, ob die Feststellung des Berufungsgerichts, daß die [X.] die Ausschlußfrist des § 651 g Abs. 1 Satz 1 BGB versäumt hätten, und insbesondere seine Auslegung, die Schadensmeldung der Klägerin zu 2 am Urlaubsort sei eine bloße Mängelanzeige und keine Anspruchsanmel-dung gewesen, frei von [X.] zustandegekommen sind. Bedenken be-stehen insoweit, als das Berufungsgericht nicht hinrei[X.]nd bedacht haben könnte, daß dann, wenn der Reisende einen erhebli[X.]n Schaden anzeigt, insbesondere einen Gesundheitsschaden, den er infolge eines Reisemangels erlitten hat, darin die Geltendmachung eines Ersatzanspruchs liegen kann, auch wenn der Reisende nicht ausdrücklich Schadensersatz begehrt. Auch könnte das Berufungsgericht im vorliegenden besonderen Fall den Ausle-gungsstoff nicht ausgeschöpft haben, indem es die textli[X.] Ausgestaltung des von der Klägerin zu 2 unterschriebenen Fragebogens als Schadensanzeige - 8 - nicht berücksichtigte. Falls die Erklärung der Klägerin zu 2 inhaltlich auf [X.] abzielte, so spricht auch der Umstand, daß die Klägerin sie gegen-über der örtli[X.]n Reiseleitung, nicht gegenüber der Niederlassung des [X.] im Heimatland abgab, nicht dagegen, die Erklärung als Geltend-machung von Schadensersatzansprü[X.]n anzusehen. Denn die Klägerin zu 2 durfte darauf vertrauen, daß die Reiseleitung ihre [X.] an den Reiseveranstalter weiterleiten werde.
Der [X.] braucht indessen über die Versäumung der Ausschlußfrist im vorliegenden Fall nicht abschließend zu ents[X.]iden.
b) Denn etwaige vertragli[X.] Ansprü[X.] der [X.] sind auch, falls sie rechtzeitig angemeldet wurden, jedenfalls nicht durchsetzbar, weil sich die Beklagte insoweit zu Recht auf Verjährung berufen hat.
(1) Die im vorliegenden Rechtsstreit maßgebende Verjährungsfrist von sechs Monaten, die mit dem - unstreitigen - [X.] der [X.] vom 14. September 1999 zu laufen begann (§ 651 g Abs. 2 BGB in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung; künftig: a.[X.]), war abgelaufen, als die [X.] am 27. Dezember 2001 mit der Klageerhebung die erste Handlung vornahmen, die nach § 209 Abs. 1 BGB a.[X.] zur Unterbrechung der Verjährung führen konnte.
(2) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Beklagte habe sich nicht auf die Verjährung der Klageforderungen berufen. Die Beklagte hat in ihrer Klageerwiderung die Einrede der Verjährung erhoben. Nach dem den [X.] 9 - zeß beherrs[X.]nden Grundsatz der Mündlichkeit (§ 128 Abs. 1 ZPO) ist zwar nicht das schriftli[X.], sondern das mündli[X.] Parteivorbringen maßgebend. Die Revision meint, die Verjährungseinrede sei nicht mündlich vorgetragen worden, weil sie im Tatbestand des Berufungsurteils, der Beweis für das münd-li[X.] Parteivorbringen erbringt (§ 314 Satz 1 ZPO), nicht ausdrücklich erwähnt ist. Der [X.] beweist aber nicht nur, daß das, was in ihm als [X.] ausdrücklich wiedergegeben wird, tatsächlich vorgetragen worden ist, sondern auch, daß der gesamte Inhalt der im Tatbestand in Bezug genom-menen Schriftsätze vorgetragen worden ist ([X.], Urt. v. 03.11.1982 - [X.], NJW 1983, 885, 886 unter [X.]; Urt. v. 09.02.1990 - [X.], NJW 1990, 2755 unter 1). Hier nimmt das Berufungsurteil auf sämtli[X.] gewechselten Schriftsätze Bezug.
2. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht indessen auch Schadensersatz-ansprü[X.] der [X.] aus unerlaubter Handlung wegen Körperverletzung zurückgewiesen. Derartige Ansprü[X.] sind weder verjährt noch durch Versäu-mung der Ausschlußfrist verlorengegangen.
a) Etwaige deliktis[X.] Schadensersatzansprü[X.] sind nicht verjährt, weil für sie die Verjährungsfrist drei Jahre betrug (§ 852 Abs. 1 1. Altern. BGB a.[X.]) und diese Frist, die frühestens am Unfalltag, dem 29. Juli 1999, zu laufen [X.], durch die am 27. Dezember 2001 erfolgte Klageerhebung rechtzeitig un-terbro[X.]n wurde. Die kürzere, seinerzeit sechsmonatige Verjährungsfrist des Reisevertragsrechts (§ 651 g Abs. 2 Satz 1 BGB a.[X.]) gilt nicht für eine dem Reisenden auf der Reise zugefügte unerlaubte Handlung ([X.], Urt. v. 25.02.1988 - [X.], NJW 1988, 1380 unter [X.]). - 10 -
b) Deliktis[X.] Schadensersatzansprü[X.] sind aber auch nicht durch Versäumung einer Ausschlußfrist verlorengegangen. Unbeschadet der Frage, ob die [X.] eine etwaige einmonatige Ausschlußfrist durch die rechtzei-tige [X.] bei der örtli[X.]n Reiseleitung gewahrt hätten, gilt für die deliktis[X.]n Ansprü[X.] der [X.] die Ausschlußfrist des § 651 g Abs. 1 Satz 1 BGB nicht. Weder ist die ihrem Wortlaut nach nur für die reise-vertragli[X.]n Gewährleistungsansprü[X.] geltende Regelung des § 651 g Abs. 1 Satz 1 BGB unmittelbar oder analog auf konkurrierende Ersatzansprü-[X.] aus unerlaubter Handlung anwendbar, noch haben die Parteien eine [X.] auch für Schadensersatzansprü[X.] aus unerlaubter Handlung wirk-sam vertraglich vereinbart. Wie der [X.] inzwis[X.]n entschieden hat (Urt. v. 03.06.2004 - [X.], zur [X.] vorgesehen), benachtei-ligt eine AGB-Klausel, wel[X.] die Ausschlußfrist ganz allgemein auch auf An-sprü[X.] aus unerlaubter Handlung ausdehnt, den Reisekunden unangemessen und ist daher unwirksam (§ 9 Abs. 1 [X.]; jetzt: § 307 BGB).
II[X.] Das angefochtene Urteil kann demnach mit der gegebenen [X.] keinen Bestand haben. Es war aufzuheben. Der erkennende [X.] kann nicht selbst abschließend ents[X.]iden, weil das Berufungsgericht, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, noch keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob - 11 - der [X.] eine unerlaubte Handlung - etwa wegen Verletzung ihrer Ver-kehrssi[X.]rungspflicht oder pflichtwidrig vernachlässigter Aufsicht über das Kind - zur Last fällt und ob gegebenenfalls den [X.] ein Schaden in wel[X.]r Höhe entstanden ist. Der Rechtsstreit ist daher zur weiteren Sachauf-klärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

[X.] Scharen [X.]

[X.] Mühlens

Meta

X ZR 25/03

07.09.2004

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.09.2004, Az. X ZR 25/03 (REWIS RS 2004, 1771)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 1771

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