Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.11.2022, Az. 6 StR 68/22

6. Strafsenat | REWIS RS 2022, 7051

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Gegenstand

Schwerer Bandendiebstahl: Tatbegehung zweiter Bandemitglieder aus eigennützigen Motiven


Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten [X.]wird das Urteil des [X.] vom 30. Juli 2021,

a) soweit es den Angeklagten [X.]     und den nichtrevidierenden Mitangeklagten [X.]betrifft, im Schuldspruch in den [X.], 9 bis 17 und 27 der Urteilsgründe mit denjenigen Feststellungen aufgehoben, die der Annahme von Bandentaten zugrunde liegen,

b) soweit es die Angeklagten [X.]     und B.    sowie den nichtrevidierenden Mitangeklagten [X.]betrifft, im Einziehungsausspruch zu den Fällen [X.], 20 und 21 dahin geändert, dass die gesamtschuldnerische Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 156.523,95 Euro angeordnet wird.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision des Angeklagten [X.]    , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

3. [X.]hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]     wegen „schweren Bandendiebstahls in 21 Fällen, davon in zwei Fällen des Versuchs“, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Den Angeklagten [X.]hat es wegen „schweren Bandendiebstahls in 15 Fällen, davon in zwei Fällen des Versuchs“, sowie wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten und den nichtrevidierenden Mitangeklagten [X.]    wegen „schweren Bandendiebstahls in 20 Fällen, davon in drei Fällen des Versuchs“, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es [X.] getroffen. Hiergegen wenden sich die Angeklagten [X.]     und [X.] mit ihren jeweils auf die [X.] der Verletzung materiellen und formellen Rechts gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Verurteilung des Angeklagten [X.]     und des nichtrevidierenden Mitangeklagten [X.]    wegen schweren Bandendiebstahls (§ 244a Abs. 1 StGB) in den Fällen [X.], 9 bis 17 und 27 der Urteilsgründe hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

3

a) Das [X.] hat – soweit hier von Belang – folgende Feststellungen getroffen:

4

Im Frühjahr 2019 schlossen sich die Angeklagten [X.] , [X.]     und [X.]    mit dem Ziel zusammen, fortan nachts in zuvor durch den Angeklagten [X.]„ausbaldowerte“ Restaurants, insbesondere „Burger King“-Filialen, einzudringen, um dort den Inhalt von Tresoren oder Kassen sowie gegebenenfalls andere werthaltige Gegenstände zu entwenden. [X.] hatte sich geeignete Spezialwerkzeuge, darunter mehrere hydraulische Spreizer, besorgt, die das Eindringen in die Gebäude und das Öffnen der Tresore ermöglichen sollten. Bevor die drei Angeklagten zu ihren Einbruchstaten aufbrachen, instruierte [X.] jeweils die beiden anderen über den von ihm ausgewählten Tatort. Dort angekommen, gingen sie regelmäßig arbeitsteilig derart vor, dass zumeist entweder [X.]     oder [X.]unter Einsatz der von diesem verwahrten Werkzeuge in das Gebäude einbrachen und einer der weiteren Beteiligten davor „Schmiere“ stand. Von der [X.] erhielt [X.] wegen seiner Vorarbeiten jeweils einen größeren Anteil.

5

In den Fällen [X.], 9 bis 17 und 27 der Urteilsgründe begingen [X.]    und [X.]    die Taten demgegenüber ohne Beteiligung des Angeklagten [X.]und teilten die Beute hälftig unter sich auf. Die [X.] hat nicht festzustellen vermocht, dass [X.] von diesen Taten wusste.

6

b) Die Annahme des [X.]s, dass es sich auch in den Fällen [X.], 9 bis 17 und 27 um [X.]en handelte, entbehrt einer tragfähigen Beweiswürdigung. Zwar kann nach vorheriger – hier rechtsfehlerfrei festgestellter – [X.] eine von nur zwei Mitgliedern verübte Tat als [X.] zu qualifizieren sein; denn das für das Vorliegen einer Bande erforderliche dritte Mitglied muss nicht in die konkrete Tatbegehung eingebunden sein. Voraussetzung für die Annahme einer bandenmäßigen Begehungsweise ist neben der Mitwirkung eines weiteren Bandenmitglieds jedoch, dass die [X.] der [X.] ist und nicht losgelöst davon ausschließlich im eigenen Interesse der jeweils unmittelbar Beteiligten ausgeführt wird (vgl. [X.], Beschlüsse vom 17. Januar 2006 – 4 [X.], [X.], 342; vom 1. Februar 2010 – 3 StR 432/10, [X.], 410, 411; vom 1. März 2011 – 4 StR 30/11, [X.], 245; vom 1. September 2020 – 2 [X.] Rn. 21). Dies wird durch die Urteilsgründe nicht belegt.

7

(aa) Das [X.] hat zwar zutreffend ausgeführt, dass die ohne Mitwirkung [X.]s begangenen Taten – nahezu ausschließlich nächtliche Einbrüche in „Burger King“-Filialen – „geradezu prototypisch“ dem „von der [X.] vorgesehenen Tatbild“ entsprachen. Zudem hat es erwogen, ob die initial getroffene [X.] durch die ohne [X.] begangenen Taten aufgekündigt wurde, und dies unter Hinweis auf die auch nach den „Alleingängen“ [X.]    s und [X.]   s unter Einbindung aller drei Bandenmitglieder begangenen Taten rechtsfehlerfrei verneint (vgl. [X.], Urteil vom 16. Juni 2005 – 3 [X.], [X.]St 50, 160, 162 f.).

8

([X.]) Die [X.] hat aber nicht hinreichend in den Blick genommen, dass die [X.] von [X.]     und [X.]    allein aus eigennützigen Motiven begangen wurden und sich deshalb nicht mehr ohne weiteres als Ausfluss der [X.] erweisen (vgl. [X.], Urteile vom 18. Oktober 2012 – 2 StR 529/11, [X.]R StGB § 244 Abs. 1 Nr. 2 Bande 8; vom 28. September 2011 – 2 [X.], [X.], 172; Beschluss vom 1. September 2020 – 2 [X.] Rn. 21). Zu einer näheren Auseinandersetzung hiermit drängten – neben der nicht festgestellten Kenntnis [X.] s – insbesondere die in den Urteilsgründen wiedergegebenen Einlassungen [X.]    s und [X.]   s. Danach hielten diese ihre „Alleingänge“ bewusst vor [X.] „geheim“, weil dieser „ein solches eigenmächtige Vorgehen nicht gebilligt“ hätte. Auch wenn die Unkenntnis eines „Bandenchefs“ der Annahme einer [X.] nicht grundsätzlich entgegenstehen muss (vgl. [X.], Beschluss vom 17. Januar 2006 – 4 [X.], [X.], 342, 343), erweist sich der gleichwohl vom [X.] angenommene konkrete Bandenbezug der [X.] durch das [X.] jedenfalls vor dem Hintergrund der angeblichen Täuschung als nicht hinreichend tatsachenfundiert.

9

c) Da nicht auszuschließen ist, dass sich noch Feststellungen treffen lassen, welche die Annahme von [X.]en tragen, bedarf die Sache insoweit – auch soweit es den Mitangeklagten [X.]    betrifft (§ 357 Satz 1 StPO) – neuer Verhandlung und Entscheidung. Die nicht der Annahme von [X.]en zugrundeliegenden Feststellungen können bestehen bleiben (vgl. § 353 Abs. 2 StPO). Sie können um solche ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen.

2. Die Einziehungsentscheidung ist auf die Revisionen beider Angeklagter abzuändern, soweit diese in den Fällen III.[X.]1, 20 und 21 der Urteilsgründe die Beschwerdeführer sowie den Mitangeklagten [X.]    als Gesamtschuldner betrifft (§ 357 Satz 1 StPO). Das [X.] hat insoweit den Einziehungsbetrag in der Urteilsformel mit 165.607,95 Euro festgesetzt. Hierbei ist der [X.] zunächst ein offenkundiges Schreibversehen unterlaufen, wie die in den Urteilsgründen mitgeteilte Summe der [X.] dieser Fälle in Höhe von 156.607,95 Euro ausweist (vgl. [X.]). Dieser Betrag enthält allerdings einen Rechenfehler zum Nachteil der Angeklagten. Denn die [X.] hat von der Gesamtsumme der [X.] (159.465,91 Euro) neben dem anderweitig sichergestellten Bargeld (2.857,96 Euro) – entgegen ihrer erklärten Absicht (vgl. [X.]) – nicht auch die im Tatfahrzeug aufgefundenen 84 Euro ([X.]) abgezogen.

Die – vom [X.] angeregte – Korrektur einer weiteren getroffenen Einziehungsentscheidung ist dem Senat versagt (§ 358 Abs. 1 StPO).

3. Lediglich ergänzend bemerkt der Senat, dass das Tatgericht entlastende Angaben eines Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine Beweise gibt, nicht ohne weiteres als unwiderlegt hinnehmen darf. Es muss sich vielmehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses entscheiden, ob diese Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (vgl. [X.], Urteil vom 24. Oktober 2002 – 5 [X.], [X.]St 48, 52, 71; Beschluss vom 25. April 2007 – 1 [X.], [X.]St 51, 324, 325; Urteil vom 16. Dezember 2015 – 1 [X.]). [X.] dessen wird das neue Tatgericht – sollten die Angeklagten [X.]     und [X.]    erneut vorbringen, ihre Taten vor [X.] verheimlicht zu haben – auch näher als bislang geschehen in den Blick zu nehmen haben, ob die beiden bei ihren „Alleingängen“ die von [X.] beschafften und von diesem verwahrten hochwertigen Tatwerkzeuge eingesetzt haben und wie dies mit einer Geheimhaltung vereinbar ist.

4. Angesichts des geringen Erfolgs seiner Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten [X.] mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

[X.] am
Bundesgerichtshof Prof. Dr. Sander
befindet sich im Urlaub und ist
deshalb an der Unterschrift
verhindert.

  

Tiemann     

  

Wenske

Tiemann

  

  

  

  

  

      Fritsche     

  

von Schmettau      

  

Meta

6 StR 68/22

15.11.2022

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Potsdam, 30. Juli 2021, Az: 24 KLs 11/20

§ 244 Abs 1 Nr 2 StGB, § 244a Abs 1 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.11.2022, Az. 6 StR 68/22 (REWIS RS 2022, 7051)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7051

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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