Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.08.2002, Az. 2 StR 274/02

2. Strafsenat | REWIS RS 2002, 1771

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[X.]/02vom30. August 2002in der Strafsachegegenwegen Vergewaltigung u.a.- 2 -Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 30. August 2002 gemäß § 349Abs. 2 und 4 StPO [X.] Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil [X.] vom 12. März 2002 mit den [X.]) im Schuldspruch mit Ausnahme der Fälle des Anal-und des ersten [X.] ([X.]: [X.]/Anfang September 1998),b) im Rechtsfolgenausspruch mit Ausnahme der Ein-zelstrafen für die vorbenannten Fälle.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten [X.], an eine andere [X.] des Landge-richts zurückverwiesen.2. Die weitergehende Revision wird verworfen.Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in143 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen, da-von in 47 Fällen in Tateinheit mit schwerem sexuellen Mißbrauch von Kindern,zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt und die [X.] Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die auf die allge-- 3 -meine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg.1. Die Nachprüfung des Urteils hat zu den Fällen des - einzigen - Anal-und des ersten [X.], die jeweils nach dem 13. Geburtstag der [X.] Ende August/Anfang September 1998 gewaltsam und gegen [X.] der Geschädigten durchgeführt wurden, weder im Schuld- noch im [X.] einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben(§ 349 Abs. 2 StPO).Zwar hat die Kammer noch eine weitere Tat, nämlich den ersten Oral-verkehr, hinreichend konkret im Hinblick auf die [X.] § 177 Abs. 1 Nr. 2 StGB festgestellt ([X.]. Noch am Wohnsitz [X.]nach dem 14. Geburtstag des Opfers, dem 4. August 1999, und vordem Umzug im April 2000 wurde dieser Oralverkehr nach den Feststellungendurch Androhen von Schlägen erzwungen. Die Kammer hat diese Tat jedochdem Schuldspruch offensichtlich nicht zugrundegelegt, weil sie nur den Anal-und Vaginalverkehr ausurteilen wollte ([X.], 31). Damit ist der von der zu-gelassenen Anklage erfaßte erste Oralverkehr nicht mit abgeurteilt. Der neueTatrichter hat Gelegenheit, dies nachzuholen.2. Im übrigen kann die Verurteilung wegen weiterer Vergewaltigungenkeinen Bestand haben. Denn in 141 Fällen ist weder eine finale Gewaltanwen-dung noch eine Drohung im Sinne des § 177 Abs. 1 Nr. 2 StGB ausreichendkonkretisiert. Soweit die Kammer annimmt, der Angeklagte habe bis [X.] Geburtstag des Opfers in mindestens weiteren 45 Fällen und nach [X.] Geburtstag in mindestens 96 Fällen durch Gewalt oder Drohung mit ge-- 4 -genwärtiger Gefahr für Leib oder Leben vaginalen Geschlechtsverkehr er-zwungen ([X.]), tragen die rudimentären Feststellungen die Annahme [X.] nicht.Die [X.] hat für die Fälle bis zum 14. Geburtstag im [X.] den ersten, mit Gewalt erzwungenen Vaginalverkehr von August/[X.] lediglich zusammenfassend festgestellt, daß solche Übergriffe sich dannimmer öfter ereigneten. Es sei etwa fünf- bis siebenmal monatlich zum [X.] gekommen, wenn der Angeklagte Lust auf Sex mit der13jährigen S. , der Tochter seiner Lebensgefährtin, gehabt habe. Das seigewöhnlich im Kinderzimmer geschehen, wenn keiner da gewesen sei ([X.]. 7).Für die Fälle nach dem 14. Geburtstag bis zum Haftantritt des Ange-klagten am 9. April 2001 hat die Kammer nur festgestellt, der Angeklagte habesein Treiben fortgesetzt und sich zu zwei- bis dreimal in der Woche gesteigert.Phasenweise habe es täglich Geschlechtsverkehr gegeben; manchmal sei S. die ganze Nacht über mißbraucht worden ([X.], 8).Ergänzend hat die Kammer noch ausgeführt, der Angeklagte habe [X.] zu den Handlungen gebracht, indem er ihr [X.] angedroht [X.] auch verprügelt habe ([X.]). Bei den "Vaginalverkehren" lasse sichdas jeweils wirkende Maß der Gewalt sowie die Dauer der Taten nicht mehrzuordnen ([X.] 34).3. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Auch bei [X.] müssen die Tatbestandsmerkmale des § 177 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] 5 -der finalen Gewaltanwendung oder der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr fürLeib oder Leben für jede Tat konkret und individualisiert festgestellt werden(BGHSt 42, 107, 111; [X.], 450). Wegen der erfahrungsgemäß nichtgleichen Handlungsabläufe beim Einsatz des [X.] bedarf es dazunäherer Feststellungen. Allerdings dürfen bei einer Vielzahl von sexuellen Ü-bergriffen an die Individualisierbarkeit der einzelnen Taten im Urteil keine ü-berspannten Anforderungen gestellt werden. Aber eine unzureichende Konkre-tisierung darf auch nicht dazu führen, daß der Angeklagte in seinen Verteidi-gungsmöglichkeiten beschränkt wird (BGHR StGB § 176 Serienstraftaten 7, 8).Die Bezugnahme auf den ersten mit Gewalt erzwungenen Vaginalver-kehr und die allgemeine Feststellung, der Angeklagte habe [X.] angedrohtoder auch verprügelt, reicht bei dem Gewalt und Drohung bestreitenden Ange-klagten nicht aus, um in weiteren nur mathematisch aufgelisteten Fällen [X.] des Verbrechens der Vergewaltigung zu bele-gen, zumal der Angeklagte nach den Urteilsgründen Schläge und andere Ge-waltformen auch zu anderen Zwecken einsetzte. Danach wurde [X.] den ersten sexuellen Kontakten etwa einmal im Monat vom [X.], später auch aus Eifersucht (vgl. [X.]). Ferner werden Fesse-lungen ans Ehebett festgestellt, die ausschließlich der Züchtigung dienten undin keiner erkennbaren finalen Verknüpfung zu sexuellen Handlungen standen([X.] 11). Andererseits versuchte der Angeklagte, [X.]auch durch Ge-schenke zu Wohlverhalten zu bringen.Soweit das [X.] als eine aus seiner Sicht aus der Serie [X.] einen Vorfall nach der Jugendweihe festgestellt hat, bei dem [X.] auf dem betrunkenen Opfer "rumpollte", hat der Angeklagte [X.] 6 -falls keinen Widerstand der Geschädigten überwunden. Ebenso stellt das[X.] weder Gewalt noch Drohung mit Gewalt fest, wenn es zum letztensexuellen Übergriff am Wochenende vor der Inhaftierung des [X.], die Zeugin habe sich im Bett auf den Bauch legen müssen, währendder Angeklagte sich selbst befriedigt und "auf sie gespritzt" habe. Auch beimletzten Oralverkehr, der allerdings nicht Grundlage des Schuldspruchs ist,setzte der Angeklagte nach den Feststellungen kein Nötigungsmittel im Sinnedes § 177 Abs. 1 StGB ein. Er zwang das Mädchen dazu, indem er ihr an-drohte, daß sie sonst nicht mit auf eine Klassenfahrt gedurft hätte. Bei [X.] kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Angeklagte in einzelnenoder sogar der Mehrzahl der Fälle das Mädchen zwar sexuell mißbraucht, hier-zu aber keine Gewalt oder zumindest eine konkludente Drohung mit Gewalt [X.] eingesetzt hat.Diese Mängel führen zur Aufhebung des Urteils im Schuld- und [X.] in 141 Fällen und im Ausspruch über die Gesamtstrafe sowiedie Anordnung der Sicherungsverwahrung.[X.] Detter [X.]Rothfuß Elf

Meta

2 StR 274/02

30.08.2002

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.08.2002, Az. 2 StR 274/02 (REWIS RS 2002, 1771)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 1771

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