Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26.09.2012, Az. 8 C 26/11

8. Senat | REWIS RS 2012, 2854

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Gegenstand

Keine Ausnahmegenehmigung für Inkassotätigkeit einer Steuerberatungsgesellschaft


Leitsatz

1. Aus § 64 Abs. 2 Satz 1 StBerG ergibt sich nicht, dass das gewerbliche Inkasso von Honorarforderungen anderer Steuerberater für einen Steuerberater erlaubnisfrei zulässig ist.

2. § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 StBerG enthält ein grundsätzliches Verbot einer gewerblichen Tätigkeit für Steuerberater. Eine Ausnahme kommt nur dann in Betracht, wenn die vom Gesetz vermutete abstrakte Gefahr der Verletzung von Berufspflichten im konkreten Fall widerlegt wird.

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine Steuerberatungsgesellschaft, möchte Honorarforderungen anderer Steuerberater im Wege des Inkasso eintreiben. Sie begehrt die Feststellung, dass sie hierfür keiner Erlaubnis bedürfe, und hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung.

2

Die Klägerin wurde im Frühjahr 2008 von ihrer Geschäftsführerin und deren [X.] gegründet. Beide gehören dem Vorstand der [X.] an, die unter anderem den Ankauf und den Einzug von [X.] als [X.]Unternehmen in Zusammenarbeit mit der Klägerin betrieb.

3

Der Unternehmensgegenstand der Klägerin umfasste gemäß § 2 Abs. 1 der Gesellschaftssatzung zunächst die "geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen sowie die damit zu vereinbarenden Tätigkeiten im Sinne des [X.]es". Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 15. Mai 2009 wurde der Unternehmensgegenstand dahin erweitert, dass auch mit der geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen zu vereinbarende Tätigkeiten im Sinne des Steuerberatungsgesetzes, insbesondere nach § 64 Abs. 2 StBerG, verfolgt würden.

4

Daraufhin widerrief die Beklagte die Zulassung der Klägerin als Steuerberatungsgesellschaft mit Bescheid vom 7. August 2009, weil die Aufnahme einer gewerblichen Inkassotätigkeit mit dem [X.] unvereinbar sei. Die hiergegen erhobene Klage wurde vom Finanzgericht mit Urteil vom 24. Februar 2010 abgewiesen. Das anhängige Revisionsverfahren setzte der [X.] mit Beschluss vom 4. März 2010 bis zum Abschluss des Verfahrens vor dem [X.] aus.

5

Am 16. Oktober 2009 beantragte die Klägerin eine Ausnahmegenehmigung für die Inkassotätigkeit. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 2. Juni 2010 ab. Da einem Steuerberater bei Wahrnehmung von Mandanteninteressen ein umfassender Einblick in die wirtschaftliche und in der Regel auch höchstpersönliche Situation des Mandanten gewährt werde, stehe das geschäftsmäßige (gewerbliche) Inkasso gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 StBerG unter dem Einwilligungsvorbehalt der Mandanten. Hiervon könne der Klägerin keine Ausnahme erteilt werden. Ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG sei nicht erkennbar. Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 15. September 2010 zurück.

6

Im Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht machte die Klägerin geltend, die grundsätzliche Vereinbarkeit von Inkassotätigkeiten mit dem Beruf des Steuerberaters folge bereits aus § 64 Abs. 2 Satz 1 StBerG. Ihre Inkassotätigkeit sei deshalb ohne Erlaubnis zulässig. Unabhängig davon bestehe ein Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung, weil eine Verletzung von Berufspflichten durch die gewerbliche Übernahme von [X.] nicht zu erwarten sei. Für die Zweitberufsfreiheit der Steuerberater könne nichts anderes gelten als bei Rechtsanwälten, die nach der Rechtsprechung des [X.] grundsätzlich uneingeschränkt zu gewerblichen [X.] berechtigt seien. Es komme mithin allein darauf an, ob durch die gewerbliche Tätigkeit eine konkrete Gefahr für die unabhängige Ausübung der freiberuflichen Tätigkeit bestehe. Dies sei hier zu verneinen. Schließlich sei ein Forderungsmanagement durch die [X.] nicht mehr geplant, die Forderungseintreibung erfolge nur noch durch die Klägerin selbst, die [X.] sei nur noch für die Anwerbung der Kunden zuständig.

7

Mit Urteil vom 24. Februar 2011 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die beabsichtigte [X.] bzw. Inkassotätigkeit stelle eine gewerbliche Tätigkeit dar, die nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG verboten sei. Aus § 64 Abs. 2 Satz 1 StBerG folge keine allgemeine Aufhebung dieses Verbots. Diese Norm lasse allein die Abtretung von Honorarforderungen eines Steuerberaters unter Wahrung seiner Schweigepflicht zu. Die Voraussetzungen für die begehrte Ausnahmegenehmigung lägen nicht vor, weil eine Verletzung von Berufspflichten nicht ausgeschlossen werden könne.

8

Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 22. Juni 2011 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Das Feststellungsbegehren sei unzulässig, weil die Klägerin ihre Rechte mit dem gestellten [X.] verfolgen könne. Dieser aber sei unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine Ausnahmegenehmigung. Die von ihr angestrebte Inkassotätigkeit sei unstreitig gewerblich und gehöre nicht zu den sogenannten [X.] nach § 33 StBerG. Die Erforderlichkeit der beantragten Genehmigung werde auch nicht durch die Neufassung des § 64 Abs. 2 Satz 1 StBerG in Frage gestellt. Der Regelung sei nicht zu entnehmen, dass eine gewerbliche Inkassotätigkeit durch Steuerberater von den Beschränkungen des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG hätte befreit werden sollen. Das von der Klägerin beabsichtigte gewerbliche Inkasso lasse eine Verletzung von Berufspflichten bereits deshalb erwarten, weil ihre Gesellschafter zugleich der [X.] angehörten. Sie könnten unter deren Einfluss versucht sein, deren Interesse an einer möglichst umfangreichen, effektiven und kostengünstigen Inkassotätigkeit Vorrang gegenüber ihren allgemeinen Berufspflichten als Steuerberater einzuräumen. Dies gelte selbst dann, wenn die [X.] nur werbend für die Klägerin tätig werde und von ihr auch keine Vergütung für ihre Leistungen erhalte; selbst dann habe die [X.] ein erhebliches Interesse daran, ihren Mitgliedern das von der Klägerin beabsichtigte Inkasso anbieten zu können, um so neue Mitglieder zu akquirieren. Schließlich rechtfertigten die unterschiedlichen Berufsbilder der Rechtsanwälte und der Steuerberater deren unterschiedliche Behandlung bei der Frage, wann und in welchem Umfang gewerbliche Tätigkeiten zulässig seien.

9

Im Revisionsverfahren beantragt die Klägerin,

das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Juni 2011 ergangene Urteil des [X.] und das Urteil des [X.] vom 24. Februar 2011 zu ändern

und festzustellen, dass sie für die von ihr beabsichtigte gewerbliche Inkassotätigkeit für Angehörige steuerberatender Berufe keiner Ausnahmegenehmigung nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 StBerG bedarf,

hilfsweise, die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 2. Juni 2010 und ihres Widerspruchsbescheides vom 15. September 2010 zu verpflichten, ihr die beantragte Ausnahmegenehmigung für eine zusätzliche gewerbliche Inkassotätigkeit für Angehörige steuerberatender Berufe zu erteilen.

Sie führt zur Begründung aus, dass sie für die beabsichtigte Inkassotätigkeit keiner Genehmigung bedürfe, weil ihre Tätigkeit durch § 64 Abs. 2 Satz 1 StBerG ausdrücklich erlaubt sei. Jedenfalls habe sie einen Anspruch auf Erteilung der Ausnahmegenehmigung. Die Gewerblichkeit der Tätigkeit als solche könne nicht die Erteilung hindern, weil dann in keinem Fall ein Anspruch auf Genehmigung bestehe. Nach Sinn und Zweck des § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 StBerG könne nur die Verletzung anderer Berufspflichten als des Verbotes, gewerblich tätig zu werden, zur Versagung der Ausnahmegenehmigung führen. [X.], die zu einer Versagung der Ausnahmegenehmigung führen könnten, seien nicht ersichtlich. Ihr Geschäftsmodell sei in jeder Hinsicht gesetzeskonform.

[X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen. Sie verteidigt das Urteil des [X.] und weist darauf hin, dass die Unabhängigkeit der Berufsausübung als Steuerberater gefährdet sei, wenn die gewerbliche Inkassotätigkeit demgegenüber nicht in den Hintergrund trete. Wer wie die Klägerin in erheblichem Umfang der gewerblichen Inkassotätigkeit nachgehen wolle, sei auf die Abtretung von Honorarforderungen in einem entsprechenden Umfang angewiesen.

Der Vertreter des [X.] beteiligt sich am Verfahren. Er verteidigt ebenfalls das Berufungsurteil.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.

1. Gemäß § 17a Abs. 5 [X.] steht für das Revisionsgericht bindend fest, dass der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Nach dieser Vorschrift prüft das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht, ob der zu ihm beschrittene Rechtsweg zulässig ist (vgl. [X.]eschluss vom 22. November 1997 - [X.]VerwG 2 [X.] 104.97 - [X.]ayV[X.]l 1998, 603). Das gilt auch für den nunmehr als Hauptantrag gestellten Feststellungsantrag; auch insoweit hat das Oberverwaltungsgericht den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten - wenngleich stillschweigend - bejaht.

Unabhängig davon ist durch den Gesetzgeber der Verwaltungsrechtsweg für Streitigkeiten vorgegeben, die die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 St[X.]erG zum Gegenstand haben. Zwar ist für Streitigkeiten über den berufsrechtlichen Status des Steuerberaters grundsätzlich das Finanzgericht zuständig. § 33 Abs. 1 Nr. 3 FGO verweist insoweit auf den [X.], den [X.] und Sechsten Abschnitt des [X.] Teils und den Ersten Abschnitt des [X.]. Davon ist § 57 Abs. 4 Nr. 1 St[X.]erG jedoch nicht erfasst. Er befindet sich im Dritten Abschnitt des [X.] Teils des Steuerberatergesetzes. Damit verbleibt es insoweit bei der allgemeinen Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das müsste auch dann gelten, wenn der Gesetzgeber mit der Neuregelung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 St[X.]erG durch das [X.] 2008 vom 11. April 2008 ([X.]G[X.]l I S. 666) übersehen haben sollte, § 33 Abs. 1 Nr. 3 FGO insoweit anzupassen. Zwar führt dies zu einer wenig zuträglichen Rechtswegspaltung, deren [X.]eseitigung dringend wünschenswert wäre. Ob dies aber zugunsten der Finanzgerichte oder zugunsten der allgemeinen Verwaltungsgerichte geschieht, die auch sonst für das Recht der Freien [X.]erufe ganz überwiegend zuständig sind, kann nur der Gesetzgeber entscheiden.

Dem lässt sich nicht dadurch entgehen, dass die Voraussetzungen für eine Ausnahme im Rahmen des [X.]estellungs- oder eines Widerrufsverfahren nach § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4, Abs. 3 Nr. 2, § 46 Abs. 2 Nr. 1 St[X.]erG inzident geprüft werden (so aber offenbar [X.]FH, Urteil vom 17. Mai 2011 - [X.]/10 - [X.]FHE 234, 379 ; [X.]eschluss vom 29. November 2011 - VII [X.] 110/09 - [X.]FH/NV 2012, 797 = juris ). § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 St[X.]erG setzt ein Handeln der zuständigen Steuerberaterkammer mittels Verwaltungsakt voraus. Sinn und Zweck der Neuregelung in § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 St[X.]erG bestehen gerade darin, dem Steuerberater unabhängig von der schwerwiegenden Entscheidung des Widerrufs der [X.]estellung die Möglichkeit einer zweitberuflichen [X.]etätigung zu eröffnen und deren berufsrechtliche Unbedenklichkeit in einem hierauf gerichteten besonderen Verfahren vorab zu klären.

2. Das Oberverwaltungsgericht hält die Feststellungsklage der Klägerin für unzulässig, weil sie ihr Klageziel auch mit einer Verpflichtungsklage hätte erreichen können, die gemäß § 43 Abs. 2 VwGO vorrangig sei. Das verstößt gegen [X.]undesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Seine Entscheidung stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Feststellungsklage ist unbegründet.

a) Die Frage, ob die Klägerin für die von ihr beabsichtigte Inkassotätigkeit einer Genehmigung bedarf oder diese Tätigkeit genehmigungsfrei ist, stellt ein hinreichend konkretes Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO dar. An der begehrten Feststellung hat die Klägerin auch ein berechtigtes Interesse, weil die [X.]eklagte die Zulässigkeit dieser Tätigkeit bestreitet und deshalb bereits sogar ihre Zulassung als Steuerberatungsgesellschaft widerrufen hat.

Die Feststellungsklage ist auch nicht gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO gegenüber der Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Genehmigung nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 St[X.]erG subsidiär. Die Klägerin kann ihr Ziel mit einer Verpflichtungsklage nicht erreichen. Entgegen der Auffassung des [X.] ist das Feststellungsbegehren kein [X.]estandteil des auf die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gerichteten Verpflichtungsbegehrens. Die Klägerin will in erster Linie keine Ausnahmegenehmigung, sondern eine Klarstellung, dass ihre Tätigkeit ohne eine solche zulässig ist. Mit dieser Feststellung würde sich die Verpflichtungsklage erübrigen.

b) Die Feststellungsklage ist aber unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die beabsichtigte gewerbliche Tätigkeit nicht aufgrund § 64 Abs. 2 Satz 1 St[X.]erG generell zulässig und damit genehmigungsfrei ist.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des [X.] möchte die Klägerin anderen Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten sowie Wirtschaftsprüfern, vereidigten [X.]uchprüfern und Rechtsanwälten in Kooperation mit der D. ein vollständiges Factoring und Forderungsmanagement für Honorare aus Steuerberatung anbieten. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es sich dabei um eine gewerbliche Tätigkeit handelt. Nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 St[X.]erG sind dem Steuerberater aber gewerbliche Tätigkeiten untersagt und nur bei Zulassung einer Ausnahme erlaubt. Das gilt auch für das gewerbliche Inkasso von Honorarforderungen, die dem Steuerberater von anderen Steuerberatern abgetreten oder sonst zur Einziehung überlassen werden ("von Steuerberatern für Steuerberater").

Aus § 64 Abs. 2 St[X.]erG ergibt sich nichts anderes. Die Vorschrift erlaubt die Abtretung von Gebührenforderungen der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten oder die Übertragung ihrer Einziehung an Personen und Vereinigungen im Sinne von § 3 Nr. 1 bis 3 St[X.]erG und an von diesen gebildete [X.]erufsausübungsgemeinschaften (§ 56 St[X.]erG) auch ohne Zustimmung des Mandanten (Satz 1). Im Übrigen ist die Abtretung oder Übertragung nur zulässig, wenn eine ausdrückliche schriftliche Einwilligung des Mandanten vorliegt oder die Forderung rechtskräftig festgestellt ist (Satz 2). Vor der Einwilligung ist der Mandant über die Informationspflicht des Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten gegenüber dem neuen Gläubiger oder [X.] aufzuklären (Satz 3). Der neue Gläubiger oder Einziehungsermächtigte ist in gleicher Weise zur Verschwiegenheit verpflichtet wie der beauftragte Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte (Satz 4).

Entgegen der Auffassung der Revision beinhaltet § 64 Abs. 2 Satz 1 St[X.]erG keinen spezialgesetzlichen Erlaubnistatbestand, der § 57 Abs. 4 Nr. 1 St[X.]erG einschränkt und zur Zulässigkeit des gewerblichen Inkasso ohne Erteilung einer Ausnahmegenehmigung führen würde. § 64 Abs. 2 St[X.]erG regelt den [X.] des Zedenten, nicht des Zessionars; für seine Anwendung ist unerheblich, ob die Inkassotätigkeit für den Zessionar eine gewerbliche oder nicht gewerbliche Tätigkeit darstellt. Das folgt schon aus dem Wortlaut von § 64 Abs. 2 Satz 1 St[X.]erG, der nur auf die "Abtretung von Gebührenforderungen oder die Übertragung ihrer Einziehung" abstellt, und dem Regelungsgegenstand des gesamten Absatzes, der allein die Verschwiegenheitspflicht des Zedenten betrifft. Daran sollte die Neufassung von § 64 Abs. 2 St[X.]erG durch das [X.] nichts ändern. Damit sollte die Abtretung von Honorarforderungen erleichtert, der Schutzzweck der Vorschrift aber gewahrt werden ([X.]TDrucks 16/7250 S. 26 f.; 16/7077 S. 33 f.). Demzufolge schützt auch § 64 Abs. 2 Satz 1 St[X.]erG das Interesse des Mandanten an der Verschwiegenheit des Steuerberaters. Da die neuen Gläubiger oder [X.] selbst Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte sind und daher selbst den strengen Regelungen zur Verschwiegenheit unterliegen, ist die Abtretung von Gebührenforderungen oder die Übertragung ihrer Einziehung an diesen Personenkreis auch ohne Einwilligung des Mandanten möglich ([X.]TDrucks 16/7077 S. 33). [X.] wurden die Voraussetzungen für die Abtretung von Honorarforderungen an andere Personen. Hierfür genügt nunmehr die ausdrückliche, schriftliche Einwilligung des Mandanten, ([X.]TDrucks 16/7077 S. 34), während nach der alten Rechtslage zusätzlich die rechtskräftige Feststellung der Forderung und ein erster fruchtloser Vollstreckungsversuch vorausgesetzt wurden.

Da nicht jede Einziehung von Honorarforderungen zwangsläufig gewerblicher Natur ist, ist auch nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber nur das gewerbliche Inkasso im [X.]lick hatte. Das folgt insbesondere nicht aus dem Teil der Gesetzesbegründung zu § 64 Abs. 2 Satz 2 St[X.]erG, wonach es die neue Regelung Steuerberatern ermöglichen soll, das Inkasso ihrer Honorare auf Verrechnungsstellen zu übertragen. Zur generellen Zulässigkeit des gewerblichen [X.] verhält sich die [X.]egründung nicht.

3. Die Revision ist auch mit ihrem Hilfsantrag unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung hat, weil durch die von ihr angestrebte gewerbliche Inkassotätigkeit die Verletzung von [X.]erufspflichten zu erwarten ist (§ 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 St[X.]erG).

a) Gemäß § 57 Abs. 1 St[X.]erG haben Steuerberater und Steuerbevollmächtigte ihren [X.]eruf unabhängig, eigenverantwortlich, gewissenhaft, verschwiegen und unter Verzicht auf berufswidrige Werbung auszuüben. Gleiches gilt für Steuerberatungsgesellschaften (§ 72 St[X.]erG). Steuerberater und Steuerbevollmächtigte haben sich jeder Tätigkeit zu enthalten, die mit ihrem [X.]eruf oder mit dem Ansehen des [X.]erufs nicht vereinbar ist. Sie haben sich auch außerhalb der [X.]erufstätigkeit des Vertrauens und der Achtung würdig zu erweisen, die ihr [X.]eruf erfordert (§ 57 Abs. 2 St[X.]erG). Als Tätigkeit, die mit dem [X.]eruf des Steuerberaters und des Steuerbevollmächtigten nicht vereinbar ist, gilt insbesondere eine gewerbliche Tätigkeit; die zuständige Steuerberaterkammer kann von diesem Verbot Ausnahmen zulassen, soweit durch die Tätigkeit eine Verletzung von [X.]erufspflichten nicht zu erwarten ist (§ 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 St[X.]erG).

Nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 St[X.]erG ist der Freie [X.]eruf des Steuerberaters mit einer gewerblichen Tätigkeit demnach grundsätzlich unvereinbar. Dem liegt die Annahme des Gesetzgebers zugrunde, dass eine gewerbliche Zweit- oder Nebentätigkeit im typischen Regelfall die verlässliche Einhaltung der allgemeinen [X.]erufspflichten des Steuerberaters (§ 57 Abs. 1 und 2 St[X.]erG) im Sinne einer abstrakten Gefahr zu beeinträchtigen droht. Die Neuregelung durch das [X.] hat an diesem Grundsatz nichts geändert. Zwar wurde das zuvor ausnahmslose Verbot einer gewerblichen Tätigkeit durch die Neufassung des § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 St[X.]erG zu einem nur grundsätzlichen Verbot abgeschwächt, das Ausnahmen zugänglich ist. Jedoch wurde der Katalog der mit dem [X.]eruf des Steuerberaters vereinbaren Tätigkeiten (§ 57 Abs. 3 St[X.]erG) nicht erweitert ([X.]TDrucks 16/7077 S. 1). Namentlich sind diese Tätigkeiten unverändert nur dann zulässig, wenn sie nicht gewerblich ausgeübt werden; der Absicht des Gesetzgebers widerspräche es, den Katalog des § 57 Abs. 3 St[X.]erG durch Auslegung dahin zu erweitern, dass auch die gewerbliche [X.]etätigung der gesetzlich vereinbaren Tätigkeiten darunter fällt (vereinbare Tätigkeit "im gewerblichen Kleid", vgl. [X.], [X.], 1500 f.). Auch insofern verbleibt es vielmehr bei § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 St[X.]erG.

Die Zulassung einer Ausnahme kommt nach § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 St[X.]erG in [X.]etracht, wenn die vom Gesetzgeber unterstellte abstrakte Gefahr der [X.]eeinträchtigung von [X.]erufspflichten im konkreten Fall widerlegt ist (ebenso [X.]FH, Urteil vom 17. Mai 2011 a.a.[X.]; vgl. [X.]/[X.], St[X.]erG, 6. Aufl. 2009, § 57 Rn. 92). Davon ist auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen. Ergibt die vorzunehmende Einzelfallprüfung, dass eine konkrete Gefährdung von [X.]erufspflichten nicht zu erwarten ist, besteht ein Anspruch auf die Zulassung der Ausnahme. Insofern ist der zuständigen Steuerberaterkammer kein Ermessensspielraum eröffnet. Die Formulierung in § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 St[X.]erG ("kann von diesem Verbot Ausnahmen zulassen") beinhaltet eine Handlungsermächtigung, jedoch kein Entscheidungsermessen. Die Ausnahmegenehmigung ist hingegen zu versagen, wenn der Antragsteller die grundsätzlich bestehenden Zweifel, dass durch eine gewerbliche Zweitbetätigung die [X.]erufspflichten als Steuerberater gefährdet werden, in seinem Einzelfall nicht ausgeräumt hat. Ihn trifft die Darlegungs- und [X.]eweislast ([X.]FH, Urteil vom 17. Mai 2011 a.a.[X.]; [X.]eschluss vom 8. Februar 2000 - VII [X.] 245.99 - DStR 2000, 670).

Allerdings hat die [X.]undessteuerberaterkammer in Wahrnehmung ihrer Regelungsautonomie (vgl. § 86 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 6 St[X.]erG) in § 16 der [X.]erufsordnung für Steuerberater ([X.]OSt[X.]) Fallgruppen bestimmt, in denen eine Gefahr für die Verletzung von [X.]erufspflichten im Regelfalle ausgeschlossen ist. Deshalb genügt es, wenn der Steuerberater darlegt, dass seine gewerbliche Zweitbetätigung unter eine der Fallgruppen des § 16 [X.]OSt[X.] einzuordnen ist. Es ist dann an der Steuerberaterkammer, eine etwa gleichwohl bestehende konkrete Gefahr für die Einhaltung der [X.]erufspflichten ihrerseits darzutun und gegebenenfalls zu beweisen. Umgekehrt ist der Anwendungsbereich des § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 St[X.]erG nicht auf diese Fallgruppen beschränkt. Dem Steuerberater ist unbenommen, für eine nicht in § 16 [X.]OSt[X.] angesprochene gewerbliche Tätigkeit gleichwohl eine Ausnahmegenehmigung zu verlangen; nur obliegt ihm dann der volle Nachweis, dass eine konkrete Gefahr für die Einhaltung seiner [X.]erufspflichten als Steuerberater nicht besteht.

b) Der Klägerin ist nicht gelungen darzulegen, dass in ihrem konkreten Einzelfall keine Gefahr der Verletzung von [X.]erufspflichten als Steuerberatungsgesellschaft durch das gewerbliche Inkasso besteht.

Das Oberverwaltungsgericht hat hierfür maßgeblich auf eine personelle Verflechtung zwischen der D. und der Klägerin abgestellt. Tatsächlich besteht die nicht entfernte Gefahr, dass die Gesellschafterin der Klägerin, die zugleich Gesellschafterin der D. und deshalb auch an deren Geschäftserfolg maßgeblich interessiert ist, den gewerblichen Interessen der D. im Konfliktfalle gegenüber den [X.]erufspflichten des Steuerberaters den Vorzug einräumt. Dies gilt ungeachtet der [X.]emühungen um eine Entflechtung der beiden Gesellschaften, die die Klägerin - teilweise erst während des Revisionsverfahrens - vorgetragen hat.

Doch stehe dies dahin. Auf den positiven Nachweis einer konkreten Gefahr von Interessenkollisionen kommt es nicht an. Entscheidend ist, dass der Klägerin nicht gelungen ist, die bestehende gesetzliche Vermutung einer allgemeinen Gefahr für ihren konkreten Fall auszuräumen. Dagegen spricht bereits, dass das von ihr angestrebte vollständige Factoring und Forderungsmanagement für Honorare steuerberatender [X.]erufe von dem [X.]erufsfeld des Steuerberaters nicht hinreichend abgegrenzt werden kann. Die Klägerin hat keine Umstände benannt, die eine Gefährdungssituation trotz dieser Nähe der beabsichtigten gewerblichen Tätigkeit zu ihrem [X.]eruf als Steuerberater als unwahrscheinlich erscheinen lassen.

c) Den verfassungsrechtlichen Einwänden der Klägerin vermag der Senat nicht zu folgen.

Art. 12 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Zwar stellt das Verbot, neben dem [X.]eruf des Steuerberaters ein Gewerbe auszuüben, eine Einschränkung des Grundrechts der [X.]erufsfreiheit dar. Dieses beruht jedoch auf gesetzlicher Grundlage und ist nach der Rechtsprechung des [X.]undesverfassungsgerichts zur Wahrung allgemeiner [X.]elange des gemeinen Wohls erforderlich und verhältnismäßig ([X.]VerfG, [X.]eschlüsse vom 15. Februar 1967 - 1 [X.]vR 569, 589/62 - [X.]VerfGE 21, 173 <179, 181 f.> und vom 4. November 1992 - 1 [X.]vR 79/85 u.a. - [X.]VerfGE 87, 287 <329>). Anhaltspunkte, dass sich das [X.]erufsbild des Steuerberaters zwischenzeitlich so gravierend gewandelt hat, dass die Versagung einer Ausnahmegenehmigung unter dem [X.]lickwinkel des Art. 12 Abs. 1 GG als nicht mehr verhältnismäßig anzusehen ist, bestehen nicht.

Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG ist ebenfalls nicht gegeben. Ein Vergleich mit den [X.]erufsgruppen der Wirtschaftsprüfer, Notare und Rechtsanwälte zeigt, dass Wirtschaftsprüfer eine gewerbliche Tätigkeit grundsätzlich nicht ausüben dürfen. Eine Ausnahmegenehmigung ist nicht vorgesehen (vgl. § 43a Abs. 3 [X.]). Das notarielle [X.]erufsrecht sieht, wie das [X.]erufsrecht der Steuerberater, lediglich die Möglichkeit einer Ausnahmegenehmigung für eine gewerbliche [X.]etätigung vor (§ 8 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 1 [X.]NotO). Demgegenüber ist der Anwaltsberuf mit kaufmännisch-erwerbswirtschaftlich ausgerichteten Tätigkeiten nicht von vornherein unvereinbar (§ 7 Nr. 8, § 14 Abs. 2 Nr. 8 [X.]RAO). Dass der Gesetzgeber das [X.] in § 57 Abs. 4 Nr. 1 Halbs. 2 St[X.]erG im Unterschied zu den Regelungen in der [X.]undesrechtsanwaltsordnung beibehalten hat, begegnet aus Art. 3 Abs. 1 GG keinen [X.]edenken. Zum einen sind beide [X.]erufsbilder verschieden (vgl. [X.]TDrucks 16/7077 S. 33). Zum anderen ist eine Differenzierung bezüglich der schützenswerten Interessen der jeweiligen Mandanten, denen die [X.]erufspflichten vornehmlich dienen, sachlich gerechtfertigt. Im Gegensatz zur typischen [X.]erufstätigkeit des Rechtsanwalts betreut der Steuerberater seine Mandanten in der Regel konstant über längere Zeiträume hinweg und erhält umfassend Einblick in dessen finanzielle und persönliche Verhältnisse.

Meta

8 C 26/11

26.09.2012

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 22. Juni 2011, Az: 6 A 10427/11, Urteil

§ 33 Abs 1 Nr 3 FGO, Art 3 Abs 1 GG, Art 12 Abs 1 GG, § 17a Abs 5 GVG, § 16 StBerBerufsO, § 57 Abs 4 Nr 1 Halbs 2 StBerG, § 64 Abs 2 StBerG, § 43 Abs 2 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26.09.2012, Az. 8 C 26/11 (REWIS RS 2012, 2854)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2854


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 1 BvR 2884/13

Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 2884/13, 13.01.2014.


Az. 8 C 26/11

Bundesverwaltungsgericht, 8 C 26/11, 26.09.2012.


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