Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.08.2010, Az. XII ZB 167/10

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 4268

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[X.]BESCHLUSS [X.] 167/10 vom 4. August 2010 in der [X.]
Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] § 1896; FamFG § 276 a) Die Bestellung eines [X.] für den Betroffenen ist nach § 276 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FamFG regelmäßig schon dann geboten, wenn der [X.] die Anordnung einer Betreuung in allen Angelegenheiten als möglich erscheinen lässt. Für einen in diesem Sinne umfassenden [X.] spricht, dass die vom Gericht getroffene Maßnahme die Betreuung auf [X.] erstreckt, die in ihrer Gesamtheit alle [X.] Bereiche der Lebensgestaltung des Betroffenen umfassen. b) Zu den Anforderungen an die Begründung für eine Nichtbestellung eines [X.] nach § 276 Abs. 2 Satz 2 FamFG. [X.], Beschluss vom 4. August 2010 - [X.] 167/10 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 4. August 2010 durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.] sowie [X.] Klinkhammer, Schilling und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 23. Zivilkammer des [X.] vom 22. März 2010 aufgehoben. Das Verfahren wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des [X.] - an das [X.] zurückverwiesen. Wert: 3.000 • Gründe: [X.] Für den Betroffenen besteht seit vielen Jahren eine Betreuung. Er leidet u.a. an Schizophrenie und Demenz. 1 Das Amtsgericht bestellte im August 2005 die weitere Beteiligte in den [X.]n Gesundheitsfürsorge und allen Vermögensangelegenheiten bis zum August 2012 zur Betreuerin. Nachdem der Betroffene mehr als 26 Jah-re in stationärer Heimunterbringung gelebt hatte, wurde er 2007 in eine eigene Wohnung in der Nähe des [X.] entlassen. Im Dezember 2009 wurde der Be-troffene in ein Krankenhaus eingeliefert, nachdem er in seiner Wohnung ge-stürzt und in hilfloser Lage aufgefunden worden war. 2 - 3 - Sowohl das Krankenhaus als auch die Betreuerin haben eine Erweite-rung der Betreuung um die [X.] Aufenthaltsbestimmung und [X.] angeregt. Der Betroffene, der sich seit seiner Entlas-sung aus dem Krankenhaus wieder im Heim befindet, will in seine Wohnung zurückkehren. 3 4 Das Amtsgericht hat die Betreuung um die [X.] Aufenthalts-bestimmung und Wohnungsangelegenheiten erweitert und eine Überprüfungs-frist bis zum 8. Februar 2017 festgelegt. Die dagegen vom Betroffenen persön-lich eingelegte Beschwerde hat das [X.] zurückgewiesen. Einen [X.] hat weder das Amtsgericht noch das [X.] bestellt. Mit seiner Rechtsbeschwerde erstrebt der Betroffene die Aufhebung der Betreuung, hilfsweise die Sache zur Bestellung eines [X.] und erneuten Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen. 5 I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist nach Art. 111 Abs. 1 Satz 2 [X.], § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG statthaft und auch sonst zulässig. Sie führt zur Auf-hebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das [X.]. 6 1. Das [X.] hat seine Entscheidung auf ein [X.] aus dem [X.], einen Bericht der Krankenhausärztin vom [X.] sowie einen Bericht der Betreuerin gestützt, nach dem sich der Gesundheitszustand des Betroffenen seit [X.] 2008 stetig verschlechtert hat. Von einer erneuten Anhörung des Betroffenen hat es abgesehen, weil dieser erst einen Monat zuvor vom Amtsgericht ausführlich angehört worden sei. Die 7 - 4 - Bestellung eines [X.] sei nicht erforderlich gewesen, weil der Betroffene seine Rechte selbst wahrgenommen habe und es sich im Übrigen auch nur um eine unwesentliche Erweiterung der [X.] des Betreuers handele. 8 2. Das hält einer Überprüfung nicht stand. Die Nichtbestellung des [X.] ist vom [X.] nicht ausreichend begründet worden und ist demnach [X.]. a) Nach § 276 Abs. 1 FamFG hat das Gericht dem Betroffenen einen Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist. Nach § 276 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FamFG ist die Bestellung in der Regel erforderlich, wenn Gegenstand des Verfahrens die Be-stellung eines Betreuers zur Besorgung aller Angelegenheiten des Betroffenen oder die Erweiterung des [X.]s hierauf ist. Nach § 276 Abs. 2 Satz 1 FamFG kann von der Bestellung in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 abgese-hen werden, wenn ein Interesse des Betroffenen an der Bestellung des [X.]s offensichtlich nicht besteht. Nach § 276 Abs. 2 Satz 2 FamFG ist die Nichtbestellung zu begründen. 9 Der Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht unterliegt es, ob die den Tatsacheninstanzen obliegende Entscheidung ermessensfehlerfrei [X.] worden ist. Dem genügt die angefochtene Entscheidung nicht. 10 aa) Die Rechtsbeschwerde beruft sich darauf, dass die Betreuung nach der Erweiterung um die [X.] Aufenthaltsbestimmung und [X.] im Ergebnis alle Angelegenheiten im Sinne von § 276 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 FamFG umfasse. Dem ist insoweit zu folgen, als dass [X.] der Verfahrensgegenstand eine umfassende Betreuung in diesem [X.] - 5 - ne als möglich erscheinen lässt und schon von daher die Bestellung eines [X.] in der Regel erforderlich ist. 12 Dass die Anwendung der genannten Bestimmung nicht daran scheitert, dass dem Betroffenen einzelne Befugnisse verbleiben sollen, zeigt sich daran, dass sie auch dann ausdrücklich anwendbar ist, wenn die Gegenstände der Verfahren nach § 1896 Abs. 4 BGB (Fernmeldeverkehr und Post) sowie § 1905 BGB (Sterilisation) nicht von der Betreuung umfasst werden. Auch dass die Be-stellung sich wörtlich auf alle Angelegenheiten bezieht, ist für die Verfahrens-pflegerbestellung nach § 276 FamFG nicht erforderlich (zur anders gelagerten Frage des Wahlrechtsausschlusses - etwa gemäß § 13 [X.] - vgl. [X.] BtPrax 1999, 244; [X.] BtPrax 2009, 254). Das gilt schon deswegen, weil für den verfahrensrechtlichen Schutz des Betroffenen nicht dar-auf abzustellen ist, welche Maßnahme vom Gericht schließlich getroffen wird, sondern auf den Umfang des Verfahrensgegenstands (Prütting/Helms/[X.] FamFG § 276 Rdn. 37 m.w.N.). Des weiteren kann sich eine Betreuung für alle Angelegenheiten aber auch - insbesondere bei einer sukzessiven Erweiterung der [X.] - aus einer Zusammenschau mehrerer gerichtlicher [X.] ergeben. Unter Beachtung des Schutzzwecks des § 276 FamFG ist demnach viel-mehr entscheidend, dass der Verfahrensgegenstand die Anordnung einer um-fassenden Betreuung als möglich erscheinen lässt. Auf die das Verfahren [X.] Anregungen an das Gericht und ihren Umfang kommt es nicht an, weil diese den Verfahrensgegenstand nicht beschränken. Für einen umfassen-den Verfahrensgegenstand spricht vielmehr, dass die schließlich von der Betreuung erfassten [X.] in ihrer Gesamtheit im Einzelfall alle [X.] Bereiche der Lebensgestaltung des Betroffenen umfassen und somit in die Zuständigkeit des Betreuers fallen. Wenn dem Betroffenen nach der [X.] - 6 - scheidung letztlich auch einzelne restliche Bereiche zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung verblieben sind, entbindet dies jedenfalls dann nicht von der [X.], wenn die verbliebenen Befugnisse dem Betrof-fenen in seiner konkreten Lebenssituation keinen nennenswerten eigenverant-wortlichen Handlungsspielraum mehr belassen. 14 Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall das Regelbeispiel des § 276 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 FamFG erfüllt. Die schließlich angeordnete Betreuung umfasst sämtliche Vermögensangelegenheiten, die Gesundheitsfürsorge, die Aufenthaltsbestimmung und die Wohnungsangelegenheiten. Daraus ergibt sich, dass die Betreuerin in allen wesentlichen Bereichen maßgeblichen Einfluss auf die Lebensgestaltung des Betroffenen hat und sich damit jedenfalls der [X.] auf alle Angelegenheiten im Sinne des § 276 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 FamFG bezieht. [X.]) Gleichwohl kann nach § 276 Abs. 2 Satz 1 FamFG unter den oben aufgeführten Voraussetzungen im Einzelfall von der Bestellung eines [X.]s abgesehen werden. Eine Verfahrenspflegschaft ist nach den [X.] des Gesetzgebers, die der mit § 276 Abs. 2 Satz 1 FamFG überein-stimmenden Vorschrift des § 67 Abs. 1 Satz 3 [X.] (a.F.) zugrunde lagen, (nur) dann nicht anzuordnen, wenn die Verfahrenspflegerbestellung —einen rein for-malen Charakter hättefi (BT-Drucks. 13/7158 S. 36; vgl. [X.]/[X.] Gerichtsbarkeit 15. Aufl. § 67 Rdn. 12). 15 Ob es sich hier um einen Ausnahmefall im Sinne dieser Umschreibung handelt, ist aufgrund der nach § 276 Abs. 2 Satz 2 FamFG vorgeschriebenen Begründung zu beurteilen. Die Begründung des angefochtenen Beschlusses ist indessen - wie die Rechtsbeschwerde mit Recht geltend macht - unzureichend. Dass der vor dem [X.] nicht anwaltlich vertretene Betroffene seine Inte-16 - 7 - ressen habe selbständig wahrnehmen können, erscheint aufgrund des bei ihm vorliegenden Krankheitsbilds und seiner mangelnden Krankheitseinsicht fern-liegend. Dass es sich nur um eine unwesentliche Erweiterung der [X.] des Betreuers handele, entbehrt schon in Anbetracht der zentralen Be-deutung des Aufenthaltsbestimmungsrechts der Grundlage. Demnach genügt die Begründung des [X.]s nicht den Anforderungen des § 276 Abs. 2 FamFG und trägt die unterbliebene Bestellung eines [X.] nicht. b) Die Entscheidung des [X.]s beruht auf der Nichtbestellung des [X.] (vgl. § 74 Abs. 2 FamFG). Denn es lässt sich nicht aus-schließen, dass das [X.] nach Hinzuziehung eines [X.] aufgrund dessen Stellungnahme zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre. 17 - 8 - 3. Das [X.] hat nach Zurückverweisung der Sache erneut die Be-stellung eines [X.] zu überprüfen und ggf. nach dessen Stel-lungnahme erneut zu entscheiden. 18 Hahne [X.] Klinkhammer Schilling Günter Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 08.02.2010 - 6 XVII D 39 - [X.], Entscheidung vom 22.03.2010 - 23 T 173/10 -

Meta

XII ZB 167/10

04.08.2010

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.08.2010, Az. XII ZB 167/10 (REWIS RS 2010, 4268)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4268

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