Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.03.2016, Az. XII ZB 203/14

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 14441

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[X.]:[X.]:BGH:2016:160316BXII[X.]203.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.]

vom

16. März 2016

in der Betreuungssache

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
FamFG § 276 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2, Abs. 2
Die Bestellung eines Verfahrenspflegers für den Betroffenen ist nach §
276 Abs.
1 Satz
2 Nr.
2 FamFG regelmäßig schon dann geboten, wenn der [X.] die Anordnung einer Betreuung in allen Angelegenheiten als möglich erscheinen lässt (im [X.] an Senatsbeschlüsse vom 15.
Januar 2014 -
XII
[X.] 289/13
-
FamRZ 2014, 648; vom 7.
August 2013 -
XII
[X.] 223/13
-
FamRZ 2013, 1648; vom 28.
September 2011 -
XII
[X.] 16/11
-
FamRZ 2011, 1866 und vom 4.
August 2010 -
XII
[X.] 167/10
-
FamRZ 2010, 1648).
BGH, Beschluss vom 16. März 2016 -
XII [X.] -
LG [X.]

[X.]
-
2
-

Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am
16. März 2016 durch den
Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin [X.] und [X.]
Klinkhammer, [X.] und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde
der weiteren Beteiligten zu 3
wird der Beschluss der 13. Zivilkammer des [X.] vom 14. März 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Land-gericht zurückverwiesen.
Beschwerdewe

Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat für die inzwischen 84-jährige Betroffene
eine [X.]
für die Aufgabenkreise Widerruf
der Vollmacht, Gesundheitsfürsorge, [X.], Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten-
und Sozialleistungsträgern, Wohnungsangelegenhei-ten, Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung eines [X.] sowie Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post und der Entscheidung über den Fernmeldeverkehr eingerichtet. Für den Bereich der Vermögenssorge hat es einen
Einwilligungsvorbehalt angeordnet.

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-
3
-
Anlass für die Einrichtung der
Betreuung war die Überlassung eines Geldbetrages in Höhe von 11.3

Betroffenen
an einen ihr nur flüchtig bekannten jungen Mann.
Zur Betreuerin ist eine ihrer
Töchter, die [X.] zu 3, bestellt
worden.
Die Betroffene, die die Betreuung ablehnt, hatte [X.] weiteren Tochter, der Beteiligten zu 1, am 16.
Oktober 2011 eine Vorsorge-vollmacht für Gesundheits-
und Aufenthaltsangelegenheiten erteilt.

Das [X.] hat die
Beschwerde der Betreuerin gegen die erstin-stanzliche Entscheidung
zurückgewiesen.
Mit ihrer Rechtsbeschwerde erstrebt die Betreuerin weiterhin die Aufhebung der Betreuung.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des ange-fochtenen Beschlusses
und zur Zurückverweisung der Sache an das Landge-richt.
1. Das [X.] hat zur Begründung seiner
Entscheidung ausgeführt: Nach dem Gutachten des
Sachverständigen
Z.

leide die Betroffene an einer psychischen Erkrankung in Form einer leicht-
bis mittelgradigen vaskulären Demenz.
Zu einer freien Willensbestimmung sei sie nicht in der Lage.
Die [X.] stehe einer Betreuung auch für die Bereiche [X.] und [X.] nicht entgegen, denn die Beteiligte zu [X.] eine Tätigkeit als Vorsorgebevollmächtigte ab, falls die Beteiligte zu 3 die Betreuung übernehme. Um widersprechende Handlungen der Bevollmächtigten und der Betreuerin zu vermeiden, sei der Widerruf
der Vorsorgevollmacht erfor-derlich. Demzufolge sei der entsprechende
Aufgabenkreis zu Recht in die [X.] aufgenommen worden.
Von einer erneuten Anhörung der Betroffenen 2
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-
könne abgesehen
werden, da diese von
dem Amtsgericht
durchgeführt worden
sei und aufgrund der Kürze der Zeit sowie
der Erkrankung der Betroffenen neue
Erkenntnisse nicht zu erwarten seien.
2.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass die
Bestellung eines [X.] verfahrensfehlerhaft unterblieben ist.
aa)
Gemäß
§ 276 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat das Gericht dem Betroffenen einen Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung seiner Inte-ressen erforderlich ist. Nach
§ 276 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FamFG ist die Bestellung in der Regel erforderlich, wenn Gegenstand des Verfahrens die Bestellung ei-nes Betreuers zur Besorgung aller Angelegenheiten des Betroffenen oder die Erweiterung des [X.] hierauf ist. Gemäß
§ 276 Abs. 2 Satz
1 FamFG
kann von der Bestellung in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 abgese-hen werden, wenn ein Interesse des Betroffenen an der Bestellung des [X.] offensichtlich nicht besteht. Nach
§ 276 Abs. 2 Satz 2 FamFG ist die Nichtbestellung zu begründen.
Dabei unterfällt
es der Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht, ob die den Tatsacheninstanzen obliegende Ent-scheidung ermessensfehlerfrei getroffen worden ist
(Senatsbeschlüsse vom 15.
Januar 2014 -
XII [X.] 289/13 -
FamRZ 2014, 648 Rn. 6 f.; vom 7.
August 2013 -
XII [X.] 223/13 -
FamRZ 2013, 1648 Rn. 10; vom 28. September 2011
-
XII
[X.] 16/11 -
FamRZ 2011, 1866 Rn. 8
und vom 4. August 2010 -
XII
[X.] 167/10
-
FamRZ 2010, 1648 Rn. 9 f.).
bb) Nach diesen Maßgaben
ist die Bestellung eines Verfahrenspflegers für den Betroffenen
regelmäßig schon dann geboten, wenn der Verfahrensge-genstand die Anordnung einer Betreuung in allen Angelegenheiten als möglich erscheinen lässt. Für einen in diesem Sinne umfassenden Verfahrensgegen-6
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stand spricht, dass die Betreuung auf einen Aufgabenkreis erstreckt
wird, der in seiner Gesamtheit alle wesentlichen Bereiche der Lebensgestaltung des Be-troffenen umfasst.
Selbst wenn dem Betroffenen nach der Entscheidung letzt-lich
einzelne restliche Bereiche zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung ver-blieben sind, entbindet dies jedenfalls dann nicht von der Bestellung eines [X.], wenn die verbliebenen Befugnisse dem Betroffenen in seiner konkreten Lebensgestaltung keinen nennenswerten eigenen Handlungsspiel-raum belassen (Senatsbeschlüsse vom 15. Januar 2014 -
XII [X.] 289/13
-
FamRZ
2014, 648 Rn. 6; vom 7. August 2013 -
XII [X.] 223/13 -
FamRZ 2013, 1648 Rn. 11; vom 28. September 2011 -
XII [X.] 16/11 -
FamRZ 2011, 1866
Rn.
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und vom 4. August 2010 -
XII [X.] 167/10 -
FamRZ 2010, 1648 Rn. 13).
cc) Gemessen hieran
ist im vorliegenden Fall das Regelbeispiel gemäß
§
276 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 FamFG erfüllt, wie bereits der Blick auf den von der Betreuung umfassten Aufgabenkreis verdeutlicht.
Die Betreuerin hat in allen wesentlichen Lebensbereichen maßgeblichen Einfluss auf die [X.].
[X.]) Da die Interessen der Betroffenen im Betreuungsverfahren nicht von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtig-ten gemäß
§ 276 Abs. 4 FamFG vertreten worden sind, hätte nach
§ 276 Abs.
2 Satz 1 FamFG nur unter den bereits genannten Voraussetzungen von der [X.] abgesehen werden können. Eine Verfah-renspflegschaft ist nur dann nicht anzuordnen, wenn sie nach den gegebenen Umständen einen rein formalen Charakter hätte (Senatsbeschlüsse vom 7.
August 2013 -
XII [X.] 223/13 -
FamRZ 2013, 1648 Rn. 13; vom 28. [X.] 2011 -
XII [X.] 16/11 -
FamRZ 2011, 1866 Rn. 13
und vom
4.
August 2010

-
XII [X.] 167/10
-
FamRZ 2010, 1648 Rn. 15). Ob es sich um einen solchen 10
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Ausnahmefall
handelt, ist anhand der gemäß
§ 276 Abs. 2 Satz 2 FamFG vor-geschriebenen Begründung zu beurteilen.
ee) Zu Recht
beanstandet die Rechtsbeschwerde, dass der [X.] des [X.]s -
wie bereits
die Entscheidung des Amtsge-richts
-
eine Begründung für die unterbliebene Bestellung eines Verfahrenspfle-gers nicht enthält.
Deshalb
lässt sich weder
feststellen, aus welchen Erwägun-gen von der Anordnung einer Verfahrenspflegschaft abgesehen worden ist, noch dass diese Entscheidung ermessensfehlerfrei zustande
gekommen wäre.
Der
angefochtene Beschluss ist demzufolge verfahrensfehlerhaft ergangen.
b) Die Entscheidung
des [X.]s beruht auf dem
Verfahrensfehler. Denn es lässt sich nicht ausschließen, dass das Beschwerdegericht
nach Hin-zuziehung eines Verfahrenspflegers aufgrund dessen Stellungnahme zu einem
anderen Ergebnis
gelangt wäre.
3.
Deshalb ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen. Dieses wird einen Verfahrenspfleger zu bestellen und nach dessen Stellungnahme erneut zu entscheiden haben.
4.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, ist die Übertragung des
[X.] Widerruf der Vollmacht auf eine
(Kontroll-)Betreuerin an besondere Voraussetzungen geknüpft, die [X.] dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung tragen (Senatsbeschlüsse vom 23. September 2015 -
XII [X.] 624/14 -
FamRZ 2015, 2163 Rn. 14 ff.
und vom 28. Juli 2015 -
XII [X.] 674/14 -
FamRZ 2015, 1702 Rn. 33 ff.). Mit diesen
Voraussetzungen wird sich das
[X.] ebenfalls auseinanderzusetzen haben.
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-
5.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie
nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Be-deutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§
74 Abs.
7 FamFG).
Dose

[X.]

Klinkhammer

Günter

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 25.11.2013 -
XVII 898/13 -

LG [X.], Entscheidung vom 14.03.2014 -
13 [X.] -

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Meta

XII ZB 203/14

16.03.2016

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.03.2016, Az. XII ZB 203/14 (REWIS RS 2016, 14441)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 14441

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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