Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.05.2017, Az. XII ZB 546/16

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 10780

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:170517BXIIZB546.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 546/16
vom
17. Mai 2017
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
FamFG § 276
a)
Die Bestellung eines Verfahrenspflegers für den Betroffenen ist nach §
276 Abs.
1 Satz
2 Nr.
2 FamFG regelmäßig schon dann geboten, wenn der Verfahrensgegenstand
die Anordnung einer Betreuung in allen Angelegen-heiten als möglich erscheinen lässt (im [X.] an Senatsbeschluss vom 16.
März 2016
XII
ZB
203/14
W 2016, 1828).
b)
Begründet der Tatrichter nicht, warum er trotz Vorliegens eines Regelfalls für die Bestellung eines Verfahrenspflegers von dieser absieht, kann das Rechtsbeschwerdegericht weder prüfen, ob er von seinem Ermessen über-haupt Gebrauch gemacht hat, noch ob die Entscheidung ermessensfehlerfrei ergangen ist.
[X.], Beschluss vom 17. Mai 2017 -
XII ZB 546/16 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-

Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 17.
Mai 2017 durch
den Vorsitzenden Richter Dose und [X.]
Klinkhammer, Schilling, Dr.
Nedden-Boeger und
Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 3.
Zivilkammer des [X.]s
[X.] vom 19.
Oktober 2016 aufge-hoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zu-rückverwiesen.
Wert: 5.000

Gründe:
I.
Die Betroffene wendet sich gegen die Einrichtung ihrer Betreuung.
Sie leidet ausweislich des vom Amtsgericht eingeholten Sachverständi-gengutachtens
an einer paranoiden Schizophrenie mit Residuum und einem Messiesyndrom. Das Amtsgericht hat ihr für folgenden
Aufgabenkreis einen Betreuer bestellt:

1
2
-
3
-

Vermögenssorge,

Gesundheitssorge,

Aufenthaltsbestimmung,

Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post und Entscheidung

über Fernmeldeverkehr,

Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten-
und Sozial-

leistungsträgern,

Wohnungsangelegenheiten und

Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung eines HeimPflege-

vertrages.
Das [X.] hat die von einer Bekannten der Betroffenen
in Vertretung für diese
eingelegte Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Betroffene mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
Sie rügt mit Erfolg, dass für die Be-troffene
ein Verfahrenspfleger
hätte bestellt werden müssen.
1. Gemäß §
276 Abs.
1 Satz
1 FamFG hat das Gericht dem Betroffenen einen Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung seiner Inte-ressen erforderlich ist. Nach §
276 Abs.
1 Satz
2 Nr.
2 FamFG ist die Bestellung in der Regel erforderlich, wenn Gegenstand des Verfahrens die Bestellung ei-nes Betreuers zur Besorgung aller Angelegenheiten des Betroffenen oder die Erweiterung des [X.] hierauf ist. Gemäß §
276 Abs.
2 Satz
1 FamFG
kann von der Bestellung in den Fällen des Absatzes
1 Satz
2 abgese-hen werden, wenn ein Interesse des Betroffenen an der Bestellung des [X.] offensichtlich nicht besteht. Nach §
276 Abs.
2 Satz
2 FamFG ist die Nichtbestellung zu begründen. Dabei unterfällt es der Überprüfung durch 3
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-
4
-

das Rechtsbeschwerdegericht, ob die den Tatsacheninstanzen obliegende Ent-scheidung ermessensfehlerfrei getroffen worden ist (Senatsbeschluss vom 16.
März 2016 -
XII
ZB
203/14
-
NJW 2016, 1828 Rn.
8 mwN).
Nach diesen Maßgaben ist die Bestellung eines Verfahrenspflegers für den Betroffenen regelmäßig schon dann geboten, wenn der [X.] die Anordnung einer Betreuung in allen Angelegenheiten als möglich er-scheinen lässt. Für einen in diesem Sinne umfassenden Verfahrensgegenstand spricht
es, wenn die Betreuung auf einen Aufgabenkreis erstreckt wird, der in seiner Gesamtheit alle wesentlichen Bereiche der Lebensgestaltung des Be-troffenen umfasst. Selbst wenn dem Betroffenen nach der Entscheidung letzt-lich einzelne restliche Bereiche zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung ver-blieben sind, entbindet dies jedenfalls dann nicht von der Bestellung eines [X.], wenn die verbliebenen Befugnisse dem Betroffenen in seiner konkreten Lebensgestaltung keinen nennenswerten eigenen Handlungsspiel-raum belassen (Senatsbeschluss vom 16.
März 2016

XII
ZB
203/14

NJW 2016, 1828 Rn.
9 mwN).
2. Gemessen hieran kann die Entscheidung des [X.]s keinen Bestand haben. Das Amtsgericht hat die Betreuung auf einen Aufgabenkreis erstreckt, der in seiner Gesamtheit alle wesentlichen Bereiche der Lebensge-staltung der
Betroffenen umfasst, so dass die Bestellung eines Verfahrenspfle-gers
gemäß §
276 Abs.
1 Satz
2 Nr.
2 FamFG grundsätzlich erforderlich war. Weil das [X.] entgegen §
276 Abs.
2 Satz
2 FamFG nicht begründet hat, warum es keinen Verfahrenspfleger
bestellt hat, kann der Senat weder prü-fen, ob es von seinem Ermessen überhaupt Gebrauch gemacht hat, noch ob die Entscheidung ermessensfehlerfrei ergangen ist.
6
7
-
5
-

3. Zutreffend ist schließlich die Auffassung der Rechtsbeschwerde, dass kein Fall des §
276 Abs.
4 FamFG vorliegt.
a) Danach soll die Bestellung eines Verfahrenspflegers unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn die Interessen des Betroffenen von einem Rechts-anwalt oder einem anderen geeigneten [X.]n vertreten werden.
Die vorrangige Aufgabe des Verfahrenspflegers besteht darin, gegen-über dem Gericht den Willen des Betroffenen kundzutun und dessen aus Art.
103 Abs.
1 GG folgenden Anspruch auf rechtliches Gehör zu verwirklichen (Senatsbeschluss vom 29.
Juni 2011

XII
ZB
19/11

FamRZ 2011, 1577 Rn.
8; vgl. auch Senatsbeschluss vom 28.
Mai 2014

XII
ZB
705/13

FamRZ 2014, 1446
Rn.
5 mwN). Hieraus und aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber die Formulierung "Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbe-vollmächtigten"
gewählt
hat,
folgt, dass der [X.] zwar nicht zwingend Jurist sein, aber über Fähigkeiten verfügen muss, die ihn [X.] wie einen Rechtsanwalt als geeignet erscheinen lassen, die
Interessen des Betroffenen im Verfahren zu
vertreten.
b) Allein der Umstand, dass eine
Bekannte der
Betroffenen
für sie Be-schwerde eingelegt und diese begründet hat, lässt sie noch nicht als andere geeignete [X.] erscheinen, zumal sie nach ihren eigenen Worten
"was gerichtliche Belange
angeht, nicht so bewandert"
ist.
[X.] zu der Frage, ob die Bekannte danach die Interessen der Betroffenen
ver-gleichbar einem Rechtsanwalt wahrnehmen würde, hat das [X.] nicht getroffen.
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10
11
-
6
-

4. Gemäß §
74 Abs.
5 und Abs.
6 Satz
2 FamFG ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeu-tung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Recht-sprechung beizutragen (§
74 Abs.
7 FamFG).

Dose

Klinkhammer

Schilling

Nedden-Boeger

Guhling
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 27.07.2016 -
407 [X.] 40/16 -

LG [X.], Entscheidung vom 19.10.2016 -
34 [X.] -

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Meta

XII ZB 546/16

17.05.2017

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.05.2017, Az. XII ZB 546/16 (REWIS RS 2017, 10780)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 10780

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Bestellung eines Verfahrenspflegers bei möglicher Anordnung einer Betreuung in allen Angelegenheiten


Referenzen
Wird zitiert von

V R 34/19

Zitiert

XII ZB 546/16

407 XVII 40/16

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