Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.12.2005, Az. IX ZB 38/05

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 389

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.][X.]/05 vom 8. Dezember 2005 in dem Insolvenzeröffnungsverfahren Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 14 Abs. 1 Die Anforderungen, die an die Darlegung und Glaubhaftmachung von Forderungen eines Sozialversicherungsträgers zu stellen sind, gelten auch für Steuerforderungen des einen Insolvenzeröffnungsantrag stellenden Finanzamts (im [X.] an [X.], 587 f). [X.], [X.]uss vom 8. Dezember 2005 - [X.]/05 - [X.] [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.] und [X.] Ganter, [X.], [X.] und [X.] am 8. Dezember 2005 beschlossen: Die Rechtsbeschwerde gegen den [X.]uss der 23. Zivilkammer des [X.] [X.] vom 4. Januar 2005 wird auf Kosten des Gläubigers als unzulässig verworfen. Der Antrag der Schuldnerin auf Bewilligung von [X.] wird abgelehnt. Gründe: [X.] Der Gläubiger hat am 4. November 2004 wegen offener Steuerschulden beantragt, das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin zu [X.]. Mit [X.]uss vom 8. November 2004 hat das Amtsgericht einen vorläu-figen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt und eine [X.] verhängt. In Abänderung dieses [X.]usses hat es am 11. November 2004 ein allgemeines Verfügungsverbot angeordnet. Die gegen diese [X.]üsse gerich-teten sofortigen Beschwerden der Schuldnerin hatten Erfolg; nach Auffassung des [X.] hat der antragstellende Gläubiger seine Forderungen 1 - 3 - nicht glaubhaft gemacht. Hiergegen wendet sich der Gläubiger mit seiner Rechtsbeschwerde. I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6, 99 Abs. 3 Satz 1, § 21 Abs. 1 Satz 2 [X.] statthaft. Sie ist jedoch unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fort-bildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordern (§ 574 Abs. 2 ZPO). 2 1. Erfolglos macht die Rechtsbeschwerde geltend, die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordere eine Entscheidung des [X.]. Mit Recht wendet sich der Rechtsmittelführer allerdings ge-gen die Auffassung des [X.], öffentlich-rechtliche Gläubiger seien ge-genüber privaten Gläubigern hinsichtlich der an die Glaubhaftmachung der In-solvenzforderung zu stellenden Anforderungen nicht "privilegiert". Wie der [X.] in seinem [X.]uss vom 5. Februar 2004 ([X.] ZB 29/03, [X.], 587 f) bereits für einen antragstellenden Sozialversicherungsträger entschieden hat, sind öffentlich-rechtliche Hoheitsträger bei der Ausübung ihrer Tätigkeit an [X.] und Recht gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG). An die Glaubhaftmachung ihrer Forderungen sind daher keine nach dem Zweck des Gesetzes nicht veranlass-ten formalen Anforderungen zu stellen. Diese Rechtsprechung erfasst auch den hier vorliegenden Fall, dass ein Finanzamt den Insolvenzantrag stellt. Denn auch insoweit handelt ein öffentlich-rechtlicher Hoheitsträger. 3 - 4 - Zwar hat das Beschwerdegericht diese Frage im Ausgangspunkt rechts-fehlerhaft beurteilt. Gleichwohl liegt der geltend gemachte [X.] nicht vor. Wie der [X.] weiter entschieden hat (aaO S. 588), müssen Sozial-versicherungsträger zur Glaubhaftmachung Leistungsbescheide oder [X.] der Arbeitgeber vorlegen. Übertragen auf den hier vorliegenden Fall eines Eröffnungsantrags der Finanzverwaltung bedeutet dies, dass das Land-gericht im Ergebnis mit Recht für die Glaubhaftmachung die Vorlage der [X.] der Schuldnerin im Sinne der § 150 Abs. 1 Satz 2, § 167 Abs. 1 Satz 1, § 254 Abs. 1 Satz 4 AO und der Steuerbescheide nach § 254 Abs. 1 Satz 2, § [X.] verlangt hat. Davon hat der antragstellende Gläubiger trotz Hinweises des [X.] abgesehen. Das [X.] hat daher im Ergebnis in Übereinstimmung mit der [X.]sentscheidung vom 5. Februar 2004 (aaO) eine Glaubhaftmachung nach § 14 Abs. 1 [X.] verneint. 4 2. Dahinstehen kann, ob das [X.] von der zitierten [X.]sent-scheidung insoweit abgewichen ist, als es dem antragstellenden Gläubiger den vollen Beweis des Bestehens seiner Forderung auferlegt hat, wenn der Schuld-ner deren tatsächlichen Bestand bestreitet. Darauf kommt es nach dem vorste-hend Gesagten nicht an. 5 3. Vergeblich verweist die Rechtsbeschwerde darauf, dass hier - anders als in dem der [X.]sentscheidung vom 5. Februar 2004 zugrunde liegenden Fall - eine Pfändung fruchtlos versucht worden ist. Denn dies betrifft nur die Glaubhaftmachung des [X.]; auf deren Fehlen hat das [X.] die angefochtene Entscheidung indes nicht gestützt. 6 4. Das [X.] ist auch nicht insoweit von der Entscheidung vom 5. Februar 1994 abgewichen, als der [X.] dort die Glaubhaftmachung eines 7 - 5 - Teilbetrages für ausreichend erachtet hat. Denn die Rechtsbeschwerde legt nicht dar, dass der Gläubiger hinsichtlich eines Teils der von ihm geltend ge-machten Steuerrückstände die vom [X.] zu Recht erforderten Belege vorgelegt hat. 5. Ohne Erfolg meint die Rechtsbeschwerde, die Rechtssache werfe rechtsgrundsätzliche Fragen auf. 8 a) Das gilt zunächst für die Frage, ob eine Bestätigung des Finanzamts die Vorlage von [X.] und Steuerbescheiden als Mittel der Glaubhaftmachung ersetzen kann. Aus den Ausführungen der [X.] ergibt sich jedoch nicht, dass die Anforderungen an die [X.] der Forderung durch Hoheitsträger auch nach dem [X.]sbeschluss vom 5. Februar 2004 in einer eine erneute Sachentscheidung des [X.]s [X.] Weise umstritten sind. 9 b) Die Zulässigkeit des Rechtsmittels folgt auch nicht aus der Frage, ob die Vorlage der genannten Unterlagen erforderlich ist, wenn der Schuldner die dargelegte [X.] nicht substantiiert bestreitet. Die [X.] genügt auch insoweit nicht dem sich aus § 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO er-gebenden [X.]. Jedenfalls ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (§ 14 Abs. 1 und 2 [X.]), dass der Schuldner zu dem Insolvenzantrag erst dann zu hören ist, wenn der Gläubiger unter anderem seine Forderung glaubhaft gemacht hat. Zuvor kann ihm daher keineswegs ein substantiiertes Bestreiten abverlangt werden. 10 - 6 - II[X.] Der Antrag der Schuldnerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist abzulehnen. 11 1. Die Schuldnerin hat, wie sie selbst nicht verkannt hat, eine Erklärung über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse nicht abgegeben und auch keine ent-sprechenden Belege vorgelegt. Dies verstößt gegen § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Zwar mag das Gebot des § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO einzuschränken sein, wenn es dazu führen würde, der hilfsbedürftigen Partei von vornherein jede Aussicht auf sachliche Prüfung ihres Prozesskostenhilfegesuchs abzuschneiden (so [X.]/[X.], ZPO 25. Aufl. § 117 Rn. 14). Um eine solche Prüfung geht es hier jedoch nicht, denn es liegt ein Fall notwendiger Prozesskostenhilfe gemäß § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO vor. Außerdem hat die Schuldnerin nicht substantiiert dargelegt, dass ihr eine Erklärung über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse nicht möglich ist. Auch wenn ihr "sämtliche Unterlagen" vorenthalten werden, spricht nichts dafür, dass der vorläufige Insolvenzverwalter oder die Staatsanwaltschaft nicht wenigstens bereit wären, der Schuldnerin die Anfertigung der für den [X.] benötigten Fotokopien zu ermöglichen oder ihr die erfor-derlichen Auskünfte zu erteilen. Zudem haben sich im [X.] erhebliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Vermögensgegenstände oder - gerade aus jüngerer Zeit - Buchhaltungsunterlagen beiseite geschafft worden sind. Insoweit ergibt der pauschale Hinweis auf die [X.]agnahme von Geschäftsunterlagen der Schuldnerin noch nicht einmal, dass diese nicht doch zur Darlegung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse und zur Vorlage entsprechen-der Belege in der Lage ist. Nicht ausgeschlossen werden kann auch, dass die zur Vertretung der Schuldnerin berechtigten [X.] auch ohne entspre-chende Unterlagen aufgrund ihres Wissensstandes in der Lage sind, dem [X.] - 7 - legungsgebot des § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO wenigstens teilweise zu genügen. Der Vortrag der Schuldnerin rechtfertigt es jedenfalls nicht, von dem Darle-gungserfordernis des § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO abzusehen. Das angerufene Gericht ist nicht verpflichtet, eine in wesentlichen Punk-ten unvollständige Erklärung über die wirtschaftlichen Verhältnisse von sich aus durch Befragung des Antragstellers oder durch andere Ermittlungen zu vervoll-ständigen ([X.] 1991, 836; [X.] 1993, 548). 13 2. Die Schuldnerin hat auch nicht die Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 Nr. 2 ZPO dargelegt. 14 a) Danach erhält eine juristische Person oder eine parteifähige Vereini-gung Prozesskostenhilfe nur, wenn die Kosten von den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht aufgebracht werden können (vgl. [X.]/[X.], aaO § 116 Rn. 13; Musielak/[X.], ZPO 4. Aufl. § 116 Rn. 13 ff). Hierzu hat die Schuldnerin Näheres nicht vorgetragen. 15 b) Die Schuldnerin hat auch nicht - wie erforderlich (vgl. [X.] 1982, 1536) - in der Antragsbegründung dargelegt, dass die Unterlassung der Rechtsverteidigung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde (§ 116 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Das allgemeine Interesse fordert die Verfahrensführung durch die [X.] nur dann, wenn die Entscheidung größere Kreise der Bevölkerung oder des Wirtschaftslebens ansprechen und [X.] Auswirkungen nach sich ziehen würde (vgl. zuletzt [X.], [X.]. v. 27. Juli 2004 - [X.], [X.] 2005, 165). Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist nach dem von der Schuldnerin in ihrer Antragsschrift unterbreiteten Sachverhalt nichts ersichtlich. 16 - 8 - [X.] Mit der vorliegenden Entscheidung des [X.]s hat sich der - ersichtlich nicht an den [X.] gerichtete - Antrag der Schuldnerin, dem Insol-venzverwalter (gemeint offensichtlich: dem vorläufigen Insolvenzverwalter) auf-zugeben, ihr einen Betrag von 10.000 • für die Rechtsverfolgung (gemeint of-fensichtlich: Rechtsverteidigung) in dieser Rechtsbeschwerdesache zur Verfü-gung zu stellen, erledigt. 17 - 9 - V. Mit Blick auf die Anweisung des Amtsgerichts in Ziffer 4 des Tenors der angegriffenen Entscheidung weist der [X.] vorsorglich darauf hin, dass eine Bindung des Untergerichts entfällt, wenn der Gläubiger die zur [X.] erforderlichen Unterlagen vor Erlass einer den Antrag zurückweisenden Entscheidung vorlegen sollte (vgl. [X.] 51, 131, 136 f; Musielak/Ball, aaO § 572 Rn. 18). 18 [X.] Ganter [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: AG [X.], Entscheidung vom [X.] - 9 IN 1134/04 - LG [X.], Entscheidung vom 04.01.2005 - 23 T 245/04 -

Meta

IX ZB 38/05

08.12.2005

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.12.2005, Az. IX ZB 38/05 (REWIS RS 2005, 389)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 389

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.