Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.05.2012, Az. 5 StR 185/12

5. Strafsenat | REWIS RS 2012, 6195

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Gegenstand

Entziehung der Fahrerlaubnis bei Drogenbeschaffungsfahrt: Urteilsfeststellungen zum Zusammenhang zwischen Anlasstat und Verkehrssicherheit; Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit


Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 15. Dezember 2011 gemäß § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben

a) hinsichtlich des Angeklagten [X.]im gesamten Strafausspruch, im Ausspruch über die Entziehung der Fahrerlaubnis und soweit eine Entscheidung über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist;

b) hinsichtlich des Angeklagten R.   

aa) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit er im Fall II.1 der Urteilsgründe verurteilt worden ist; davon ausgenommen bleiben die Feststellungen zur Bandenabrede;

bb) im Ausspruch über die in den [X.], [X.] und [X.] verhängten Einzelstrafen sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe, im Ausspruch über die Entziehung der Fahrerlaubnis und im Ausspruch über den [X.] der Strafe;

c) hinsichtlich des Angeklagten S.   

aa) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit er im Fall II.1 der Urteilsgründe verurteilt worden ist; davon ausgenommen bleiben die Feststellungen zur Bandenabrede;

bb) im gesamten Strafausspruch und soweit eine Entscheidung über die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.

2. Die weitergehenden Revisionen werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 19 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten, den Angeklagten [X.]wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 25 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und vier Monaten und den Angeklagten [X.]wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt sowie hinsichtlich der Angeklagten [X.]und [X.]jeweils die Fahrerlaubnis entzogen, den Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis verhängt. Zudem hat das [X.] die Unterbringung des Angeklagten [X.]in einer Entziehungsanstalt angeordnet und einen [X.] von zwei Jahren und zwei Monaten der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe vor der Vollstreckung der Unterbringung bestimmt. Die jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten haben den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Verurteilung der Angeklagten [X.]und [X.]im Fall II.1 wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ist rechtsfehlerhaft, weil die Feststellungen ein eigenständiges Betäubungsmittelgeschäft nicht be[X.]n. Gegenstand der zugelassenen Anklage ist ein Treffen der Angeklagten [X.]und [X.]etwa 14 Tage vor dem 10. Juni 2010 mit dem gesondert verfolgten [X.]. Im Rahmen der [X.] soll an diesem Tag ein Kilogramm Haschisch vom anderweitig verfolgten [X.].    übernommen worden sein. Das hat das [X.] aber nicht festgestellt. Es hat lediglich Feststellungen zur [X.], zum Ablauf der „nachfolgend festgestellten [X.]en“ ([X.]) und dazu getroffen, dass die Angeklagten [X.]und [X.]sowie der gesondert verfolgte [X.].    bei diesem Treffen eine erste [X.] vereinbart haben, „die am 10. Juni 2010 durchgeführt wurde“ ([X.]). Diese Absprache erfüllt vorliegend jedenfalls noch nicht den Tatbestand des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Auch für eine Verurteilung wegen Verabredung zu einem Verbrechen gemäß § 30 Abs. 2 StGB ist kein Raum. Die [X.] am 10. Juni 2010 ist Gegenstand der Verurteilung unter II.2. Neben der Haupttat tritt die Verabredung zu einem Verbrechen als subsidiär zurück (vgl. [X.], Urteil vom 4. Dezember 1992 – 2 [X.], [X.]St 39, 88, 89; [X.], Beschluss vom 11. März 1999 – 4 StR 56/99, [X.]R StGB § 30 Abs. 2 Verabredung 4).

3

Die Sache bedarf insoweit neuer tatrichterlicher Prüfung. Der [X.] kann nicht ausschließen, dass Feststellungen zu einer [X.] etwa 14 Tage vor dem 10. Juni 2010 getroffen werden können. Die Feststellungen zur [X.], die den allgemeinen Ablauf der [X.]en und des [X.] einschließen, sind rechtsfehlerfrei; sie können daher bestehen bleiben.

4

2. Der gesamte Strafausspruch hinsichtlich des Angeklagten [X.]hat aufgrund der unzureichenden Prüfung des Vorliegens minder schwerer Fälle nach § 30a Abs. 3 BtMG keinen Bestand.

5

a) Das [X.] ist hinsichtlich sämtlicher Taten des Angeklagten [X.]zunächst vom Regelstrafrahmen des § 30a Abs. 1 BtMG ausgegangen und hat die – durch die Annahme eines minder schweren Falls begründete – Anwendung des Sonderstrafrahmens nach § 30a Abs. 3 BtMG nach alleiniger Würdigung der allgemeinen Strafzumessungskriterien abgelehnt. Dabei hat es zugunsten des Angeklagten [X.]berücksichtigt, dass es sich bei Haschisch um eine „weiche“ Droge handele, der Angeklagte [X.] sei und ein umfassendes Geständnis abgelegt habe. Auch der Umstand, dass die Taten während durchgeführter TKÜ-Maßnahmen und teilweise unter Observation durch die Ermittlungsbehörden stattgefunden hätten, begründet nach Ansicht der [X.] noch keinen minder schweren Fall ([X.], 42). Das [X.] hat die Voraussetzungen des gesetzlich vertypten [X.] des § 31 Nr. 1 BtMG bejaht, weil der Angeklagte [X.]unmittelbar nach seiner Festnahme durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen habe, dass die Tat über seinen Tatbeitrag hinaus aufgedeckt werden konnte ([X.]), und den Regelstrafrahmen nach § 49 Abs. 1 StGB gemildert.

6

b) Indes hätte das [X.] zunächst prüfen müssen, ob ein minder schwerer Fall nach § 30a Abs. 3 BtMG auch unter Heranziehung des vertypten [X.]es neben den allgemeinen Strafzumessungsgesichtspunkten angenommen werden kann. Erst wenn das Tatgericht auch nach dieser erneuten Abwägung weiterhin keinen minder schweren Fall für gerechtfertigt hält, darf es seiner Strafzumessung den (allein) wegen des gegebenen gesetzlich vertypten [X.]es gemilderten Regelstrafrahmen zugrunde [X.]n ([X.], Beschluss vom 26. Oktober 2011 – 2 [X.], [X.], 271).

7

c) Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der jeweils verhängten [X.] von vier Jahren und zur Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs.

8

3. Darüber hinaus halten die [X.] in den [X.] (betreffend die Angeklagten [X.]und [X.]  ), [X.] und [X.] (jeweils den Angeklagten [X.]betreffend) rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das [X.] hat in diesen Fällen bei der Strafzumessung nicht gewürdigt, dass nach der Festnahme des Angeklagten [X.], des gesondert verfolgten [X.]    und der Angeklagten [X.]und [X.]die Betäubungsmittel jeweils vollständig sichergestellt werden konnten und damit nicht mehr in den Verkehr gelangt sind. Damit ist rechtsfehlerhaft ein bestimmender Strafmilderungsgrund sowohl bei der [X.] als auch bei der konkreten Strafzumessung unerwähnt geblieben (vgl. [X.], Beschlüsse vom 7. Februar 2012 – 4 [X.], vom 7. Dezember 2011 – 4 StR 517/11 – und vom 19. Januar 1990 – 2 StR 588/89, [X.]R BtMG § 29 Strafzumessung 10).

9

Dies führt zur Aufhebung der betroffenen Einzelstrafen bezüglich der Angeklagten [X.]und [X.]  sowie zur Aufhebung der [X.]. Die [X.] gegen den Angeklagten [X.]nach § 64 StGB kann bestehen bleiben, weil deren Voraussetzungen rechtsfehlerfrei festgestellt wurden und sie durch die [X.] nicht berührt wird. Die Anordnung des [X.]s eines Teils der Strafe, die der Höhe der Gesamtstrafe folgt (vgl. [X.], Beschluss vom 2. September 2009 – 5 [X.], [X.]R StGB § 67 Abs. 2 [X.], teilweiser 17), ist mitaufzuheben.

4. Das Urteil begegnet ferner durchgreifenden Bedenken, soweit eine Erörterung der Unterbringung der Angeklagten [X.]und [X.]in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB unterblieben ist.

Beide Angeklagte sind nach den Feststellungen der [X.] [X.]en. Der Angeklagte [X.]nimmt seit dem [X.] regelmäßig [X.]. Der Angeklagte [X.]ist ebenfalls langjähriger Drogenkonsument, „insbesondere im Bereich Haschisch und [X.]“ ([X.]). Beide Angeklagte haben in der Vergangenheit unter Alkoholeinfluss Straftaten begangen. Der Angeklagte [X.]wurde bereits im [X.] in einer Entziehungsanstalt untergebracht. Gegen den Angeklagten [X.]  wurde eine im Jahr 1998 angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Bewährung ausgesetzt. Nach dem Widerruf der Bewährung wurde die Maßregel in eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt umgewandelt und erneut zur Bewährung ausgesetzt. Eine neuerliche Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wurde gegen ihn darüber hinaus [X.] verhängt und zur Bewährung ausgesetzt.

Die – wenngleich dürftigen – Feststellungen der Kammer zur Suchtanamnese der Angeklagten, die auch eine Auseinandersetzung mit den in der Vergangenheit angeordneten Maßregeln nach § 64 StGB vermissen lassen, und der Umstand, dass die Taten auch der Finanzierung eigenen Betäubungsmittelkonsums dienen sollten, [X.]n nahe, dass die hier abgeurteilten Taten auf einen Hang der Angeklagten zurückgehen, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Sie hätten das [X.] zu der Prüfung drängen müssen, ob jeweils die Voraussetzungen einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB gegeben sind. Das – denkbare – Fehlen einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht (§ 64 Satz 2 StGB) ist den [X.] nicht zu entnehmen.

Das neue Tatgericht wird über die Unterbringung der Angeklagten [X.]und [X.]  in einer Entziehungsanstalt unter Hinzuziehung eines Sachverständigen nach § 246a StPO zu befinden haben. Das Verbot der Schlechterstellung steht einer möglichen [X.] nach § 64 StGB nicht entgegen (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO).

5. Schließlich hält die gegen die Angeklagten [X.]und [X.]jeweils angeordnete Entziehung der Fahrerlaubnis rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Das [X.] hat dazu lediglich festgestellt, dass die Angeklagten langjährige [X.]en seien, der Angeklagte [X.]sogar betäubungsmittelabhängig sei, und die Vielzahl der Fahrten es nahe [X.], dass „auch die [X.]en unter Betäubungsmitteleinfluss stattgefunden haben, bei denen mit einer Situation gerechnet werden musste, in der es zu einer Gefährdung oder Beeinträchtigung des Verkehrs kommen konnte“ ([X.]). Zudem sei der Angeklagte [X.]bereits wegen Verkehrsstraftaten verurteilt und der Angeklagte [X.]am 6. Oktober 2011 als Fahrer eines Kraftfahrzeugs mit Amphetaminen und Metamphetamin im Urin festgestellt worden. Die [X.] zweifele daher nicht daran, dass die Angeklagten bei den jeweiligen Taten bereit waren, die Sicherheit des Straßenverkehrs den jeweiligen kriminellen Interessen unterzuordnen.

Diese Feststellungen tragen die [X.]en nicht. „Aus der Tat“ kann sich die charakterliche Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nur dann ergeben, wenn die [X.] selbst tragfähige Rückschlüsse auf die Bereitschaft des [X.] zulässt, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Zielen unterzuordnen (vgl. [X.], Beschluss vom 27. April 2005 – [X.], [X.]St 50, 93, 102 f.; [X.] in [X.]/[X.]/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 69 StGB Rn. 13 mwN). Derartiges ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Namentlich fehlen Feststellungen zu einem etwaigen den Fahrten vorausgegangenen Drogenkonsum, zum täglichen Konsumverhalten der Angeklagten, die zumindest einen Schluss hierauf zulassen, oder zur Fahrweise der unter Observation stehenden Angeklagten. Vielmehr stellt das [X.] insoweit nur Vermutungen an. Ferner sind die Belange der Verkehrssicherheit in [X.], in denen der Täter im Fahrzeug Rauschgift transportiert, auch nicht ohne Weiteres beeinträchtigt; es besteht kein allgemeiner Erfahrungssatz, dass [X.] bei Verkehrskontrollen zu besonders riskanter Fahrweise entschlossen sind ([X.], aaO, S. 104; [X.], aaO, § 69 StGB Rn. 14b).

Basdorf                                            [X.]

                             [X.]                                         [X.]

Meta

5 StR 185/12

23.05.2012

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bautzen, 15. Dezember 2011, Az: 350 Js 6716/10 - 1 KLs

§ 69 Abs 1 S 1 Alt 2 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.05.2012, Az. 5 StR 185/12 (REWIS RS 2012, 6195)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6195

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