LG Frankfurt a.M., Urteil vom 02.03.2023, Az. 2-17 O 64/22

17. Zivilkammer | REWIS RS 2023, 1534

WOHNEIGENTUM MAKLER

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Redaktioneller Leitsatz

  1. Nach Art. 229 § 53 EGBGB findet das alte Recht nur auf solche Konstellationen Anwendung, bei denen beide Vertragsverhältnisse vor dem 23.12.2020 geschlossen wurden.
  2. Der zeitlich spätere Maklervertrag ist wegen eines Verstoßes gegen § 656d Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 134 BGB nichtig, wenn laut erstem Maklervertrag (vor dem 23. Dezember 2020) den Verkäufer keine Provisionspflicht traf.
  3. Ob ein "Einfamilienhauses" i.S.d. § 656c BGB vorliegt, richtet sich nach dem von dem Käufer verfolgten und bei Vertragsschluss offengelegten Erwerbszweck.
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Gegenstand

Maßgeblichkeit des Erwerbszweckes für die Anwendbarkeit des Halbteilungsgrundsatzes im Rahmen des § 656c BGB


Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte zu 1) einen Betrag in Höhe von 29.660,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 15.02.2022 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung einer restlichen Maklercourtage im Zusammenhang mit dem Erwerb des Anwesens […] in […] sowie widerklagend um die Rückzahlung des bereits gezahlten Betra[X.].

Bei der Klägerin und Wiederbeklagten (Klägerin) handelt es sich um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Dienstleistungen im Immobilienmanagement erbringt. Bei der [X.] zu 1) und [X.] (die Beklagte), sowie dem [X.] zu 2) (der Beklagte) handelt es sich um ein Ehepaar.

Seit 2019 verwaltete die Klägerin die streitgegenständliche Immobilie, in der sich damals drei vermietete Wohnungen befanden. Ein erstes Verkaufsinserat der Verkäufer selbst – die an diesem Verfahren nicht beteiligt sind - blieb erfolglos. In diesem Inserat war das Objekt als Einfamilienhaus beschrieben.

In der Folge bot die Klägerin den [X.] an, die Immobilie [X.]chäftsmäßig anzubieten. Die Verkäufer schlossen daraufhin am 07.12.2020 mit der Klägerin einen Vertrag zur Vermittlung des Verkaufes der streitgegenständlichen Immobilie, wobei sie vereinbarten, dass die Maklerprovision allein von dem Käufer getragen werden sollte.

Die Klägerin inserierte die Immobilie im Dezember 2020 im [X.].

In dem Inserat, welches das Objekt nunmehr als Doppelhaushälfte kategorisierte, hieß es:

Solides Dreifamilienhaus mit viel Charme und Potential […] Bei dem Mehrfamilienhaus handelt es sich um eine Doppelhaushälfte. […] Ideal als Anlageobjekt für einen begabten Handwerker oder für eine Großfamilie zur Selbstnutzung. […]

Bezüglich der weiteren Details wird auf den Screenshot des Inserats ([X.]. 49 d.A.) Bezug genommen.

Am 23.02.2021 wurde die Beklagte zu 1) auf das Inserat aufmerksam und kontaktierte die Klägerin daraufhin. Dabei gab sie an, dass sie das Gebäude „zur Selbstnutzung“ erwerben wolle ([X.]. 51 d.A.).

Die Beklagte erhielt daraufhin noch am gleichen Tage eine Antwort von der Klägerin, mit der diese eine „Vertraulichkeitsvereinbarung“ und eine „[X.]“ übermittelte. Die Rücksendung dieser Unterlagen war notwendig, um einen Besichtigungstermin zu erhalten.

Die Dokumente sendete die Beklagte zu 1) an die Klägerin zurück, wobei sie in die vor[X.]ehenen Felder allein ihren Namen, nicht jedoch den des [X.] zu 2) eintrug.

Mit dem als „[X.]“ überschriebenen Dokument bestätigte die Beklagte zu 1), dass ihr das streitgegenständliche Objekt zum Kaufpreis von 598.000 Euro allein von der Klägerin nachgewiesen wurde. Auch bestätigte den Erhalt des Exposés.

Weiter hieß es:

Ich / Wir verpflichte [X.], bei Abschluss eines Kauf- / Mietvertra[X.] mit dem Eigentümer des oben genannten Objekts an […] eine Nachweis- bzw. Vermittlungsprovision von ins[X.]amt einmalig 5 % [X.] 19 % der [X.]. MwSt. des Kaufpreises zu zahlen. […]

Der Provisionsanspruch entsteht auch, wenn der Ehepartner des Auftraggebers oder ein Verwandter in gerader Linie das Objekt erwirbt. […]

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage [X.] ([X.]. 21 d.A.) Bezug genommen.

Gleichzeitig gab die Beklagte wiederum an, dass sie das Objekt zur Selbstnutzung erwerben wolle.

Die Verkäufer beendeten den Mietvertrag mit dem Bewohner des Ober[X.]chosses zum 31.01.2021.

Am 27.02.2021 besichtigten die [X.] das Gebäude erstmals. Dabei konnte nur die Wohnung im ersten Stock besichtigt werden, da die anderen Wohnungen noch vermietet waren. Bei der Besichtigung äußerten neben anderen Interessenten auch die [X.] Interesse an einem Umbau. Die Klägerin empfahl den [X.] durch die Fenster des [X.] zu sehen, um sich ein Bild von dem geänderten Grundriss zu machen. Nach der Sanierung in dem Nachbarhaus verblieb dort eine eigenständige Wohnung im Dach[X.]choss.

Der Mietvertrag der Wohnung im Dach[X.]choss endete zum 31.03.2021, das Erd[X.]choss war bis zur Übergabe des Hauses an die [X.] vermietet. Die Verkäufer beendeten die Mietverträge, um den Erwerbern die intensive Sanierung des Hauses zu ermöglichen.

Am 09.03.2021 fand ein zweiter Besichtigungstermin statt, bei dem der Sachverständige […] anwesend war und mit den [X.] die Möglichkeit eines Umbaus zu einem Einfamilienhaus besprach.

Einen Tag später signalisierte die Klägerin, dass die [X.] in die engere Auswahl aufgenommen worden und favorisiert seien.

Am 11.03.2021 teilten die [X.] der Klägerin per Mail mit, dass sie es bevorzugen würden, alle drei Geschosse zu einer Einheit zusammenzufügen und zu nutzen. Aufgrund des Umstandes, dass die Wohnung im Erd[X.]choss noch vermietet sei, überlege man jedoch auch, einen Umbau auf Etappen vorzunehmen, was aber aufgrund der höheren Kosten nicht gewollt sei ([X.]. 52 d.A.).

Am 18.03.2021 forderte die Klägerin Unterlagen bei den [X.] an.

Am 24.03.2021 sendeten die [X.] eine Kurzvorstellung nebst Finanzierungsbestätigung, in der sie angaben, das Haus sanieren und in ein Einfamilienhaus umbauen zu wollen.

Bezüglich der Wohnfläche stellte sich heraus, dass diese geringer war, als zunächst im Exposé angegeben. Auch der Energieausweis musste nach unten korrigiert werden. Daraufhin kam es zu Problemen der [X.] bei der Finanzierung des Hauses.

Vor diesem Hintergrund beabsichtigten die [X.], mit den [X.] den Kaufpreis nachzuverhandeln, wobei die Kommunikation über die Klägerin lief.

Unter dem [X.] schrieb Herr […] für die Klägerin an die [X.], dass der letzte Preis 582.000 Euro betrage ([X.]. 57 d.A.). Weiter hieß es:

Ich hoffe Sie können und möchten sich hierauf einlassen, damit wir die nächsten Schritte einleiten können. Andernfalls wurde ich dazu angehalten, die anderen Interessenten zu kontaktieren und hier einen Abschluss herbeizuführen.

Zu diesem Zeitpunkt gab es keine anderen Interessenten mehr. [X.] Interessenten wurde bereits eine Absage erteilt.

Am 07.07.2021 erwarben die [X.] das Objekt durch notariellen Kaufvertrag zu einem Preis von 582.400 Euro. Noch am gleichen Tage stellte die Klägerin die Maklerprovision in Höhe von 34.658,75 Euro in Rechnung und verschickte diese Rechnung per Post. Die [X.] bestätigten den Eingang am [X.], kündigten jedoch einen Einbehalt an, den sie damit begründeten, dass Unterlagen nicht rechtzeitig vorgelegt worden seien.

Unter dem 02.09.2021 zahlten die Beklagte einen Betrag in Höhe von 29.660 Euro an die Klägerin. Weitere Zahlungen erfolgten nicht.

Die Klägerin behauptet,

die [X.] hätten von Beginn an davon gewusst, dass auch mit den [X.] der Immobilie ein Maklervertrag bestand.

Die Klägerin ist der Ansicht,

die Regelung des § 656c BGB finde vorliegend keine Anwendung, da der zweite Vertrag, nämlich der mit den [X.], zeitlich nach dem [X.] [X.]chlossen wurde. Es komme überdies nicht auf den Erwerbszweck an, sondern allein darauf, ob es sich bei der Immobilie objektiv um ein Einfamilienhaus handele. Auch der Beklagte zu 2) sei hier mitverpflichtet worden. Soweit die [X.] beabsichtigt hätten, das Gebäude zu einem Einfamilienhaus umzubauen, sei dies als geheimer Vorbehalt unbeachtlich.

Die Klägerin hat einen Mahnbescheid über eine Hauptforderung von 4.998,75 Euro gegen die [X.] beantragt. Der Mahnbescheid wurde den [X.] am 10.09.2021 zu[X.]tellt. Hiergegen haben die [X.] Widerspruch eingelegt.

Die Klägerin beantragt,

die [X.] als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 4.998,75 [X.] nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die [X.] beantragen,

die Klage abzuweisen.

Mit Schriftsatz vom 07.02.2022, zu[X.]tellt an die Klägerin am 14.02.2022, haben die [X.] (Hilfs-) Widerklage unter der Bedingung des Unterliegens der Klägerseite im Hauptantrag erhoben.

[X.] beantragen die [X.],

die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte zu 1) einen Betrag in Höhe von 29.660,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die ([X.] abzuweisen.

Die [X.] behaupten,

sie hätten bereits bei der ersten Besichtigung mit dem Zeugen […] über einen Umbau des Hauses zu einem Einfamilienhaus [X.]prochen, wobei dieser kundgetan habe, dass das Haus ohnehin nur als Einfamilienhaus nutzbar sei. Die Klägerin sei allein als Anwältin der Verkäufer aufgetreten und habe allein auf deren Anweisungen gehandelt.

Die [X.] sind der Ansicht,

die Provisionsvereinbarung sei unwirksam, da sie gegen § 656c BGB verstoße. Die Norm sei zeitlich und sachlich anwendbar. Jedenfalls habe die Klägerin ihren Makleranspruch jedoch durch ihre einseitige Parteinahme nach § 654 BGB verwirkt.

Mit Beschluss vom 14.03.2022 hat das [X.] die Sache an das [X.] verwiesen.

Entscheidungsgründe

1

[X.] ist zulässig, jedoch nicht begründet (A). Über die [X.] war daher zu entscheiden; sie ist zulässig und überwiegend begründet ([X.]).

A.

2

[X.] ist zulässig.

3

Das [X.] ist örtlich nach § 12, 13 ZPO und sachlich nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO zuständig.

4

[X.] ist jedoch nicht begründet.

5

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung von 4.998,75 Euro gegen die [X.]eklagten nicht zu.

6

A)

7

Ansprüche der Klägerin auf Zahlung des begehrten [X.]etrages stehen ihr gegen die [X.]eklagte zu 1) nicht zu.

8

Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 652 Abs. 1 S. 1 [X.]G[X.] i.V.m. der zwischen den [X.]en getroffenen Provisionsvereinbarung („[X.]“).

9

Denn der zwischen den [X.]en geschlossene Maklervertrag ist nach §§ 656c Abs. 1 S. 2, Abs. 2, 134 [X.]G[X.] unwirksam ([X.]); jedenfalls jedoch hat die Klägerin einen bestehenden Lohnanspruch nach § 654 [X.]G[X.] verwirkt (I[X.]).

10

[X.]

11

Nach § 656c Abs. 1 S. 2 [X.]G[X.] kann sich ein Makler, der für beide [X.]en eines Kaufvertrages über eine Wohnung oder ein Einfamilienhaus tätig wird, von der einen [X.] keinen Maklerlohn versprechen lassen, wenn er mit der anderen [X.] des Vertrages vereinbart, für diese unentgeltlich tätig zu werden. Ein hiervon abweichender Maklervertrag ist unwirksam, § 656c Abs. 2 S. 1 [X.]G[X.].

12

Die Vorschrift ist sowohl zeitlich als auch sachlich und persönlich anwendbar.

13

1.

14

Die Norm ist zeitlich anwendbar. Denn der zweite Maklervertrag wurde erst im Frühjahr 2021 geschlossen.

15

Nach Art. 229 § 53 EG[X.]G[X.] (Übergangsvorschrift zum Gesetz über die Maklerkosten bei der Vermittlung von Kaufverträgen über Wohnungen und Einfamilienhäuser) sind auf „Rechtsverhältnisse“, die vor dem 23.12.2020 entstanden sind, die Vorschriften des [X.]ürgerlichen Gesetzbuches in der bis zu diesem Tage geltenden Fassung weiter anzuwenden.

16

Eine ausdrückliche Regelung dahingehend, ob bereits der Abschluss des ersten Maklervertrages vor dem Stichtag ausreichend für die Anwendung des alten Rechts ist oder aber ob für die Anwendung des neuen Rechts ausreichend ist, dass zumindest ein Vertrag nach dem Stichtag abgeschlossen wurde, findet sich in den [X.] nicht.

17

Dass es auf den Zeitpunkt des Abschlusses des [X.] ankommen muss, ergibt sich indes bereits daraus, dass die zwischen den [X.]eteiligten geschlossenen Verträge streng zu trennen sind. Die den sachlichen Anwendungsbereich der Norm überhaupt erst eröffnende dreipolige Konstellation ergibt sich nämlich erst mit dem Abschluss des [X.]. Ein „Rechtsverhältnis“ i.S.d. Art. 229 § 53 EG[X.]G[X.] liegt daher erst mit dem Abschluss des [X.] vor, so dass es nicht vor dem Stichtag entstanden sein kann, wenn ein es begründender Vertragsteil zeitlich danach konstituiert wurde.

18

Dem entspricht es, dass der Gesetzgeber bewusst eine halbjährige Übergangsfrist geschaffen hat, um insbesondere Maklern die Möglichkeit zu geben, ihre Geschäftspraktiken der neuen Rechtslage anzupassen ([X.]T-Drs. 19/15827, [X.] – „Zu Artikel 4 (Inkrafttreten)“; vgl. auch [X.], Urteil vom 07.07.2022, [X.]. [X.], Rn. 33 nach [X.] = [X.] RS 2022, 8868).

19

2.

20

Die Norm ist persönlich anwendbar.

21

Nach § 656b [X.]G[X.] findet § 656c [X.]G[X.] nur dann Anwendung, wenn der Käufer ein Verbraucher ist. Zwischen den [X.]en ist unstreitig, dass es sich bei den [X.]eklagten um Verbraucher handelt.

22

3.

23

Die Norm ist auch sachlich anwendbar.

24

Zunächst ist die [X.] der Klägerin zwanglos zu bejahen. Sie ist sowohl für die [X.] als auch für die Käuferseite als Maklerin tätig geworden. Ebenfalls nicht im Streit steht zwischen den [X.]en der Umstand, dass die Klägerin mit den Verkäufern der Immobilie die Unentgeltlichkeit ihrer Tätigkeit vereinbart hat.

25

Der Kaufvertrag wurde auch „über ein Einfamilienhaus“ i.S.d. § 656c Abs. 1 S. 1 [X.]G[X.] geschlossen.

26

Dabei ist zunächst klarzustellen, dass der Kaufvertrag freilich nicht über das Haus, sondern über das bebaute Grundstück geschlossen wird, der Vertrag gleichwohl ganz offensichtlich nach der gesetzgeberischen Intention von der Vorschrift erfasst werden soll.

27

Unter einem Einfamilienhaus ist nach Auffassung des Gesetzgebers ein Gebäude, „das in erster Linie zu Wohnzwecken der Mitglieder eines einzelnen Haushalts dient“ zu verstehen ([X.]T-Drucks. 19/15827, 18). [X.] ist jedoch eine weitere Wohnung von untergeordneter [X.]edeutung (zum [X.]eispiel eine Einliegerwohnung). Auf die rechtliche Ausgestaltung kommt es nicht an (a.a.[X.]).

28

[X.]ei der streitgegenständlichen Immobilie handelte es sich zum Zeitpunkt sowohl des Abschlusses der Maklerverträge, als auch bei Abschluss des Hauptvertrages objektiv nicht um ein Einfamilienhaus in diesem Sinne, da das Haus in drei eigenständige Wohnungen aufgeteilt war.

29

Hierauf kommt es jedoch nicht an. Denn maßgeblich für die Einordnung als Einfamilienhaus ist der von dem Käufer verfolgte und offengelegte Erwerbszweck [X.] in NJW 2020, 3553 Rn. 6; [X.] in [X.], 289; anders [X.] in [X.], 905).

30

Die §§ 656a ff. [X.]G[X.] enthalten keine Regelungen darüber, ob auf den Erwerbszweck oder aber den Ist-Zustand der zu erwerbenden Immobilie abzustellen ist. Der Gesetzeber hat die Auslegung bewusst der Rechtsprechung überlassen ([X.]T-Drs. 19/15827 S. 25 ff.)

31

Zur Überzeugung der Kammer macht das Ziel des Gesetzes ein Abstellen auf den Erwerbszweck notwendig.

32

Aus den Gesetzgebungsunterlagen ergibt sich eindeutig, dass der Gesetzgeber sowohl in der Identifizierung des Problems, als auch in der durch die Reform verwirklichten Lösungsidee durchgehend auf den Erwerbszweck abstellt. Die Erwägungen sind geprägt von dem Gedanken, dass schutzbedürftige Käufer von hohen Erwerbsnebenkosten entlastet werden sollen ([X.]T-Drs. 19/15827 S.11). Als schutzbedürftig werden Käufer herausgestellt, die eine Wohnung oder ein Einfamilienhaus erwerben. Eine solche Eigentumsbildung wird insbesondere für Familien mit Kindern als wichtig angesehen.

33

Hieraus folgt, dass diejenigen Käufer schutzbedürftig sind, die sich ein Eigenheim schaffen wollen. Denn auch die von dem Gesetzeber festgestellte Zwangslage knüpft an die Situation der Käufer, aus der sich der Erwerbszweck ableitet, nicht aber an den Ist-Zustand des ins Auge gefassten Objekts an.

34

Für die Schutzbedürftigkeit der Käufer kann es dann aber nicht darauf ankommen, ob der dringend benötigte Wohnraum in einem Einfamilienhaus erst durch einen Umbau der Immobilie in der beabsichtigten Gestalt hergestellt werden muss oder sich die Immobilie bereits in einem derartigen Zustand befindet.

35

Dem entspricht es, dass der Gesetzeber von einer vergleichbaren Zwangslage nicht ausgeht, wenn eine Gewerbeimmobilie oder ein an eine Vielzahl von [X.]en vermietetes Wohnhaus Gegenstand des Kaufvertrages ist ([X.]T-Drs. 19/15827 S. 18). Derartige Immobilien werden gerade regelmäßig zu gewerblichen Zwecken erworben.

36

Für ein Abstellen auf den Erwerbszweck spricht überdies, dass der Gesetzeber die Erweiterung der Handlungsoptionen am Markt für Familien mit Kindern intendierte ([X.]T-Drs. 19/15827 S. 11, Ziff. 2 Abs. 3). Diesem Ziel wird man nur dann vollständig zum Durchbruch verhelfen können, wenn man die Marktoptionen nicht wiederum dahingehend einschränkt, dass nur bereits als Einfamilienhäuser bestehende Objekte für Käufer in [X.]etracht kommen, die sich nicht dem Schutz des § 656c [X.]G[X.] benehmen wollen.

37

Letztlich bringt der Gesetzgeber durch die – von der sachenrechtlichen [X.]eurteilung abweichende – [X.]ezugnahme auf Kaufverträge über Einfamilienhäuser, ein auf die Nutzung fokussiertes Verständnis der Immobilie zum Ausdruck („dient“). Dann aber kann es nur auf die Nutzung des Erwerbers ankommen.

38

b.

39

Anders als die Klägerseite meint, ist dieses Ergebnis auch nicht mit unüberwindbaren praktischen Schwierigkeiten verbunden, da hiermit ein für den Makler nicht kontrollierbares subjektives Element der Käuferseite über seinen Lohnanspruch entscheide.

40

In der beschriebenen Konstellation muss es vielmehr maßgeblich auf die bei Vertragsschluss offengelegte Kaufintention des Käufers ankommen (so auch [X.]/[X.] (2021) [X.]G[X.] § 656a, Rn. 4). Dabei fällt es dem Makler zu, sich über die Kaufintention Klarheit zu verschaffen.

41

Es ist die Obliegenheit des Maklers, Sorge dafür zu tragen, dass er im Falle einer [X.] einen wirksamen Maklervertrag abschließt. Hat er – wie hier – bereits einen Vertrag mit der Verkäuferseite abgeschlossen, weiß er allein um die konkreten Umstände dieses Vertrages und des sich anbahnenden [X.]. Es liegt daher auch in seiner Verantwortung, einen potentiellen Käufer im Rahmen vorvertraglicher Sondierungen dahingehend zu befragen, welchen Erwerbszweck dieser verfolgt. An einer dahingehenden Äußerung wird sich der Käufer festhalten lassen müssen. Der Makler ist vor dem Hintergrund des Ergebnisses frei, von der weiteren Vertragsanbahnung Abstand zu nehmen oder etwa auch für diesen Fall vertragliche Regelungen mit dem Verkäufer zu treffen. Für die Absicherung eben dieser Konstellationen hat der Gesetzgeber eine Übergangszeit vorgesehen (s.o.).

42

c.

43

Die [X.]eklagten haben den von ihnen verfolgten Erwerbszweck hinreichend offengelegt.

44

Hierzu haben sie bereits bei der ersten Kontaktaufnahme angegeben, dass sie das Objekt „zur Selbstnutzung“ erwerben möchten. Das ergibt sich bereits unzweifelhaft aus dem von der [X.]eklagtenseite vorgelegten Ausdruck ([X.]l. 51 d.A.).

45

Diese Aussage kann vor dem Hintergrund, dass die Immobilie in dem Exposé als geeignet „für eine Großfamilie zur Selbstnutzung“ beschrieben wurde, nicht anders verstanden werden, als dass die [X.]eklagten das gesamte Objekt zur Selbstnutzung erwerben wollten, womit die Wandlung in ein Einfamilienhaus regelmäßig einhergeht. Zwischen den [X.]en steht auch außer Streit, dass es sich um drei eher kleine Wohnungen handelte. Dass die einzelnen Wohnungen für eine Großfamilie in [X.]etracht kamen, ist fernliegend. Nach dem Vortrag der Klägerin sollten die Mietverträge über die Wohnungen überdies gerade deshalb gekündigt werden, um den Käufern freie Arbeiten an der Immobilie zu ermöglichen.

46

Ihre Absicht haben die [X.]eklagten im weiteren Schriftverkehr kontinuierlich und unmissverständlich bestätigt und vertieft. Dies ergibt sich aus den weiteren vorgelegten Schriftstücken ([X.]l. 52, 54 d.A.) ebenfalls unzweifelhaft. Von einem geheimein Vorbehalt der [X.]eklagten kann daher keine Rede sein. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf zurückziehen, dass ihr dieser Umstand bei Vertragsschluss nicht klar gewesen sei, denn sie hätte im Zweifelsfalle auf eine Klärung hinwirken müssen (s.o.).

47

I[X.]

48

Ohne dass es hiernach noch darauf ankäme, hätte die Klägerin einen bestehenden Lohnanspruch nach § 654 [X.]G[X.] verwirkt.

49

Die Verwirkung des [X.] nach § 654 [X.]G[X.] kommt auch in den Fällen des § 656c [X.]G[X.] weiterhin in [X.]etracht, § 656c Abs. 2 S. 2 [X.]G[X.].

50

Nach § 654 [X.]G[X.] wird ein Makler seines Provisionsanspruches verlustig, wenn er sich seiner durch Verletzung einer Treupflicht als unwürdig erwiesen hat (vgl. [X.]GH, [X.]eschluss vom 22. 10. 2009 - V Z[X.] 77/09).

51

Auch wenn die [X.] bei Immobiliengeschäften nach dem Inhalt des Vertrages generell zulässig ist, wenn der Makler für die Verkäuferseite als Vermittlungs- und für die Käuferseite als Nachweismakler tätig wird, obliegen ihm besondere und strikte [X.].

52

Der Makler ist zunächst zur [X.] seiner doppelten [X.]indung verpflichtet ([X.]GH, Urteil vom 8. 6. 2000 - [X.]). Der Doppelmakler ist weiter zu strikter Unparteilichkeit verpflichtet, er hat beiden Seiten in gleicher Weise fair zu dienen. [X.]ei Pflichtenkollisionen geht die Aufklärungspflicht gegenüber der einen Seite der Verschwiegenheitspflicht gegenüber der anderen vor ([X.]/[X.] (2021) [X.]G[X.] § 654, Rn. 8). Er darf also bei einem [X.] nicht einen Auftraggeber dadurch bevorzugen, dass er etwa den Vorteil des anderen "schlecht" oder "gewissenlos" wahrnimmt oder gar Mittel anwendet, die gegen die guten Sitten verstoßen ([X.], Urteil vom 8. Oktober 1999 – 7 U 68/98 –, Rn. 4, juris).

53

Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin gegen die ihr obliegenden [X.] verstoßen.

54

Die Klägerin hat durch die Ankündigung der Aufnahme von Verhandlungen mit anderen Interessenten unter der Ankündigung eines dortigen Vertragsabschlusses dahingehend Druck auf die Käuferseite ausgeübt, von den weiteren Preisverhandlungen Abstand zu nehmen und schnell zu einem Vertragsschluss zu kommen. Den [X.]eklagten wurde durch diese Information der Eindruck einer deutlich schlechteren Verhandlungsposition vermittelt, als dies tatsächlich der Fall war. Das Verhalten stellt sich als besonders treuwidriges dar, denn - anders als die [X.]eklagten – wusste die Klägerin, dass anderen Interessenten zu diesem Zeitpunkt bereits eine Absage erteilt worden war und die Herbeiführung eines Vertragsabschlusses dort gerade nicht mehr ohne weiteres möglich war. Über diesen Umstand hätte die Klägerin als ehrliche Maklerin indes informieren; jedenfalls jedoch von der Weitergabe einer solchen falschen Information absehen müssen.

55

Sie hat damit gegen die Pflichten eines Doppelmaklers zu strikter Neutralität in so schwerwiegendem Maße verstoßen, dass es gerechtfertigt ist, in entsprechender Anwendung des § 654 [X.]G[X.] den Anspruch auf Zahlung einer Provision abzuerkennen.

56

[X.])

57

Ansprüche gegen den [X.]eklagten zu 2) bestehen ebenfalls nicht.

58

Die Klägerin hat mit dem [X.]eklagten zu 2) keinen Vertrag geschlossen. Der Vertrag wurde lediglich von der [X.]eklagten zu 1) ausgefüllt und unterschrieben. Ein konkludenter Vertragsschluss scheitert bereits an dem [X.] nach § 656a [X.]G[X.].

59

Auch eine Mitverpflichtung nach § 1357 Abs. 1 S.1 [X.]G[X.] kommt nicht in [X.]etracht. Es handelt sich bereits nicht um ein Geschäft zur Deckung des Lebensbedarfes der Familie.

60

Dass der Provisionsanspruch auch beim Erwerb des Kaufgegenstandes durch den Ehepartner anfällt, begründet für diesen freilich ebenfalls keine eigene Verbindlichkeit.

61

[X.].

Die Widerklage ist demgegenüber zulässig und weitgehend begründet.

62

Die Widerklage ist zulässig. Der geltend gemachte Anspruch steht mit dem mit der Klage verfolgen Anspruch in unmittelbarem Zusammenhang.

63

Die Widerklage ist auch überwiegend begründet.

64

Die [X.]eklagte zu 1) hat einen Anspruch auf Rückzahlung der von ihr geleisteten 29.660,00 Euro aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 [X.]G[X.].

65

Die Leistung dieses [X.]etrages erfolgte an die Klägerin ohne rechtlichen Grund, denn der Maklervertrag war tatsächlich unwirksam. Hiervon haben die [X.]eklagten unstreitig auch erst im Nachhinein erfahren, sodass eine Sperre nach § 814 [X.]G[X.] nicht in [X.]etracht kommt.

66

Die Widerklage ist jedoch unbegründet, soweit die [X.]eklagten Zinsen in Höhe von über fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen [X.]asiszinssatz begehren.

67

Der Zinssatz für Prozesszinsen beträgt nach §§ 291, 288 Abs. 1 S. 1 [X.]G[X.] fünf Prozentpunkte über dem jeweiligen [X.]asiszinssatz. Die Voraussetzungen des § 288 Abs. 2 [X.]G[X.] liegen nicht vor, denn bei den [X.]eklagten handelt es sich unstreitig um Verbraucher. Überdies handelt es sich bei einem Kondiktionsanspruch nicht um eine Entgeltforderung.

68

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

69

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 2 ZPO.

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Meta

Redaktioneller Hinweis

Siehe zur gegenteiligen Ansicht: LG Frankfurt a. M. Urt. v. 22.3.2023 – 2/15 O 26/22, BeckRS 2023, 14795 | Zustimmend: LG Kiel Urt. v. 02.03.2023 – 6 O 249/22, BeckRS 2023, 14796

2-17 O 64/22

02.03.2023

LG Frankfurt a.M. 17. Zivilkammer

Urteil

Sachgebiet: O

nachegehend: OLG Frankfurt a.M. 19 U 63/23 | Das Berufungsverfahren wurde ohne Entscheidung beendet.

§ 656c BGB, § 134 BGB, Art. 229 § 53 EGBGB

Zitier­vorschlag: LG Frankfurt a.M., Urteil vom 02.03.2023, Az. 2-17 O 64/22 (REWIS RS 2023, 1534)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 1534

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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