Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.08.2023, Az. VII ZB 28/20

7. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 5273

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Gegenstand

Abwicklung einer Kaufpreiszahlung über Notaranderkonto; Pflichten des Notars


Leitsatz

1. Der Verstoß des Notars gegen die lediglich an ihn gerichtete Verbotsnorm des § 57 Abs. 2 Nr. 1 BeurkG gebietet es nicht, die regelmäßig im Grundgeschäft enthaltene öffentlich-rechtliche Verwahrungsanweisung an den Notar und die davon zu unterscheidende zivilrechtliche Verwahrungsvereinbarung zwischen den Vertragsparteien, die ebenfalls regelmäßig Bestandteil des Grundgeschäfts ist, für unwirksam zu erachten.

2a. Bei einer Abwicklung der Kaufpreiszahlung über ein Notaranderkonto erstreckt sich das mit der Pfändung des Kaufpreisanspruchs entstandene Pfandrecht auf den Auszahlungsanspruch des Verkäufers gegen den Notar. Der Auskehrungsanspruch gegen den Notar ist im Verhältnis zur Kaufpreisforderung als ein Nebenrecht im Sinne von § 401 BGB einzuordnen (Anschluss an BGH, Beschluss vom 9. Juni 2016 - V ZB 37/15, DNotZ 2016, 957). Für die Abtretung des Kaufpreisanspruchs - auch wenn sie zur Sicherung erfolgt - gilt nichts anderes.

2b. Soweit die Wirksamkeit der Abtretung des Kaufpreisanspruchs oder sonstige Vorfragen der Empfangsberechtigung im mehrseitigen Verwahrungsverhältnis zu klären sind, ist der Prüfungsmaßstab des Notars im Rahmen einer auf Auszahlung des hinterlegten Geldes gerichteten Beschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO auf eine Evidenzkontrolle beschränkt.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des [X.] - Zivilkammer 84 - vom 25. August 2020 aufgehoben.

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen die Weigerung des Notars, den auf dem [X.] zur Masse          des früheren Notars [X.]bei der [X.] mit der [X.]                           verwahrten Betrag von 82.025 € an den Beteiligten zu 1 auszuzahlen, wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden dem Beteiligten zu 1 auferlegt.

Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 82.025 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Mit notariell beurkundetem [X.] ([X.].           des Notars [X.]     ) veräußerte die [X.] (nachfolgend: Verkäuferin) die von ihr noch zu errichtenden Eigentumswohnungen [X.]. 81 und 88 der [X.].            in B.    nebst den Sondernutzungsrechten an zwei Stellplätzen zu einem Kaufpreis von insgesamt 2.010.000 € an den Beteiligten zu 1.

2

In § 3 Nr. 4 des Vertrages wurde die Zahlung von [X.] nach Baufortschritt gemäß § 3 Abs. 2 der Makler- und Bauträgerverordnung ([X.]) vereinbart. Zahlungen sollten nach § 3 Nr. 5 des Vertrages auf ein Konto der Verkäuferin geleistet werden.

3

§ 7 Nr. 2 enthält folgende Vertragsklausel:

"Verkäufer übergibt Erwerber den Besitz nach Bezugsfertigkeit gegen vollständige Zahlung der geschuldeten Vertragssumme ... Ist der Vertragsgegenstand bei Bezugsfertigkeit noch nicht vollständig fertig gestellt oder sind noch Mängel zu beseitigen, ist Erwerber berechtigt, noch ausstehende Raten, insbesondere die letzte Rate von 3,5 % der geschuldeten Vertragssumme bei dem Notar auf [X.] zu hinterlegen mit der Weisung, diesen Betrag erst an Verkäufer auszuzahlen, wenn Erwerber dem Notar schriftlich bestätigt, dass die Bauleistungen für die ausstehenden Raten jeweils erbracht sind und bezüglich der letzten Rate von 3,5 %, dass der Vertragsgegenstand ohne wesentliche Mängel rechtzeitig fertig gestellt und die im Abnahmeprotokoll festgestellten Mängel beseitigt sind.

Mit Hinterlegung der ausstehenden Raten einschließlich der letzten Rate von 3,5 % auf [X.] ist der Verkäufer zur [X.] verpflichtet…"

4

Soweit Zahlungen auf ein [X.] des beurkundenden Notars erfolgten, wurde der Notar nach § 3 Nr. 6 des Vertrages unwiderruflich angewiesen, die Auszahlung entsprechend den Voraussetzungen des [X.]s und unter Beachtung etwaiger Zurückbehaltungsrechte des Beteiligten zu 1 vorzunehmen.

5

Der Beteiligte zu 1 zahlte den gesamten Kaufpreis auf das [X.] des Notars B.     ein. Dieser Betrag wurde entsprechend dem vereinbarten [X.] bis auf einen 8,5 % des Gesamtkaufpreises entsprechenden Restbetrag von 170.850 € an die Verkäuferin ausgezahlt. Dieser Restbetrag setzte sich zusammen aus einer vereinbarungsgemäßen Reduzierung der ersten Kaufpreisrate um 5 % als Sicherheitseinbehalt des Beteiligten zu 1 bis zur rechtzeitigen Herstellung des Objekts ohne wesentliche Mängel sowie weiteren 3,5 %, die als letzte Kaufpreisrate gemäß § 3 Nr. 4 Buchst. [X.] erst nach vollständiger Fertigstellung und Beseitigung der im Abnahmeprotokoll aufgeführten Mängel zu zahlen waren.

6

Am 20. September 2017 gab die Verkäuferin gegenüber der Beteiligten zu 2 ein notariell beurkundetes Schuldanerkenntnis über 200.000 € ab. Zur Sicherung dieser Forderung erklärten die Verkäuferin und die Beteiligte zu 2 in derselben Urkunde die Abtretung "fälliger Kaufpreisforderungen" der Verkäuferin an die Beteiligte zu 2, unter anderem aus dem Kaufvertrag zwischen der Verkäuferin und dem Beteiligten zu 1 betreffend die Eigentumswohnung Nr. 81 nebst dem zugehörigen Sondernutzungsrecht an einem der beiden Stellplätze in Höhe von 8,5 % (= 82.025 €). Weiter wies die Verkäuferin den Notar B.     an, auf seinem [X.] eingehende Beträge bis zu dieser Höhe an die Beteiligte zu 2 auszuzahlen, sobald sie nach dem Kaufvertrag zur Auszahlung an die Verkäuferin fällig seien.

7

Am 11. März 2019 wurde über das Vermögen der Verkäuferin das Insolvenzverfahren eröffnet. Nachdem der Insolvenzverwalter am 20. November 2019 den auf dem [X.] befindlichen Restkaufpreis zugunsten des Beteiligten zu 1 freigegeben hatte, überwies Notar K.        (nachfolgend: Notar), dem die Verwahrung der Notariatsakten des zwischenzeitlich aus dem Amt geschiedenen Notars B.    übertragen worden war, das auf dem [X.] vorhandene Guthaben bis auf einen Teilbetrag in Höhe von 82.025 € an den Beteiligten zu 1. Mit Schreiben vom 28. November 2019 teilte der Notar dem Beteiligten zu 1 mit, diesen Betrag nur mit Zustimmung der Beteiligten zu 2 an den Beteiligten zu 1 auszahlen zu können, welche nicht vorliege.

8

Dagegen hat der Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt und die Auszahlung des auf dem [X.] verbliebenen Betrages an sich verlangt. Der Notar hat der Beschwerde mit Schreiben vom 16. Januar 2020 nicht abgeholfen. Auf die Beschwerde hat das [X.] ihn angewiesen, den auf dem [X.] noch befindlichen Restbetrag von 82.025 € an den Beteiligten zu 1 auszuzahlen. Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 2 mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

9

Die nach § 15 Abs. 2 Satz 3 [X.] i.V.m. § 70 Abs. 1 und 2 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2 ist begründet.

1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Pflicht des Notars zur Auskehr des auf dem [X.] befindlichen Restbetrags an den Beteiligten zu 1 folge aus § 57 Abs. 2 [X.]. Der Betrag sei an den Einzahler zurückzuzahlen, da es jedenfalls an einer wirksamen [X.] für den Restbetrag fehle und auch nicht damit zu rechnen sei, dass eine solche noch nachträglich erteilt werde.

Als [X.] im Sinne von § 57 Abs. 2 Nr. 2 [X.] komme nur die Bestimmung in § 7 Nr. 2 des notariellen Kaufvertrags in Betracht. Diese sei unwirksam, weil für eine Verwahrung mit dieser Anweisung kein berechtigtes [X.] nach § 57 Abs. 2 Nr. 1 [X.] bestehe, weshalb der Notar sie nicht annehmen dürfe. Beide Vertragsparteien hätten bei einem Bauträgervertrag wie dem vorliegenden kein rechtliches [X.] an der notariellen Verwahrung des Kaufpreises.

Unabhängig davon sei die [X.] auch deshalb unwirksam, weil die Verkäuferin durch die Verwahrung der noch nicht fälligen Kaufpreisteilbeträge gegen das gesetzliche Verbot des § 3 Abs. 2 [X.] verstoße, wonach sie als Bauträgerin vor Eintritt der dort festgelegten Voraussetzungen keine Vermögenswerte des Auftraggebers zur Ausführung des Auftrags entgegennehmen dürfe. Wenngleich nicht der Bauträger, sondern der Notar die auf das [X.] eingezahlten Zahlungsmittel entgegennehme, begründe die den Bauträger zum [X.]n bestimmende [X.] für diesen bereits eine rechtlich gesicherte Auszahlungsanwartschaft.

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Notar hat sein Tätigwerden nicht ohne ausreichenden Grund verweigert.

Die Verweigerung der Amtsausübung durch den Notar ist nur zulässig und damit pflichtgemäß, wenn sie auf einen ausreichenden Grund gestützt werden kann (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Das nach § 15 Abs. 2 [X.] für die Prüfung der Verweigerung einer notariellen Amtstätigkeit zuständige Beschwerdegericht ist hierbei nicht an die Beschwerdebegründung gebunden, sondern hat das Ersuchen im Hinblick auf alle Umstände zu prüfen, die der Beschwerde zum Erfolg verhelfen können ([X.], Beschluss vom 9. Dezember 2021 - [X.]/21 Rn. 5, 9, NJW-RR 2022, 428). Solche liegen indes nicht vor.

a) Entgegen der Ansicht des [X.] lässt sich die Verpflichtung des Notars zur Auskehr des auf dem [X.] befindlichen Restbetrags an den Beteiligten zu 1 nicht auf ein fehlendes [X.] an der Verwahrung im Sinne von § 57 Abs. 2 Nr. 1 [X.] und eine damit einhergehende Unwirksamkeit der in § 7 Nr. 2 des notariellen Kaufvertrags enthaltenen [X.] stützen.

Nach § 57 Abs. 2 [X.] darf der Notar Geld zur Verwahrung unter anderem nur entgegennehmen, wenn hierfür ein berechtigtes [X.] der am Verwahrungsgeschäft beteiligten Personen gegeben ist (Nr. 1) und ihm ein Antrag auf Verwahrung verbunden mit einer [X.] näher geregelten Inhalts vorliegt (Nr. 2).

Inwieweit für die Abwicklung von [X.] über ein [X.] bei einem Bauträgervertrag ein entsprechendes berechtigtes [X.] besteht (vgl. zum Streitstand [X.], [X.], 10. Aufl., [X.]. 1 Rn. 94; [X.] in [X.]/[X.]/Winnen, [X.], § 57 Rn. 31 ff.; jeweils m.w.N.), kann für den Streitfall dahinstehen. Denn ein Notar, der - wie hier - einen [X.] angenommen hat, hat die mit dem [X.] verbundene [X.] auch dann zu beachten, wenn ein berechtigtes [X.] der Beteiligten fehlt.

Das Erfordernis eines berechtigten [X.]s gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 1 [X.] soll einer "formularmäßigen" - kostenpflichtigen - Verwahrung entgegenwirken und die Zahl der [X.] niedrig halten (vgl. BT-Drucks. 13/4184, [X.] f.; [X.], Urteil vom 16. November 2020 - [X.] ([X.]) 2/19 Rn. 27, NJW-RR 2021, 784; jeweils zu § 54a Abs. 2 Nr. 1 [X.] a.F. als Vorgängerregelung von § 57 Abs. 2 Nr. 1 [X.]). Ein berechtigtes [X.] ist anzunehmen, wenn die notarielle Verwahrung gegenüber der Direktzahlung eine Absicherung der Beteiligten zumindest deutlich erleichtert ([X.], Urteil vom 16. November 2020 - [X.] ([X.]) 2/19 Rn. 29, NJW-RR 2021, 784). Ausgehend hiervon hat der Notar bei fehlendem berechtigten [X.] zwar die Amtspflicht, die Verwahrungstätigkeit abzulehnen ([X.], Urteil vom 16. November 2020 - [X.] ([X.]) 2/19 Rn. 33, NJW-RR 2021, 784). Der Verstoß des Notars gegen die lediglich an ihn gerichtete Verbotsnorm des § 57 Abs. 2 Nr. 1 [X.] gebietet es indes nicht, die regelmäßig im Grundgeschäft enthaltene öffentlich-rechtliche [X.] an den Notar und die davon zu unterscheidende zivilrechtliche Verwahrungsvereinbarung zwischen den Vertragsparteien, die ebenfalls regelmäßig Bestandteil des Grundgeschäfts ist, für unwirksam zu erachten (allg. Meinung; vgl. BeckOGK [X.]/[X.], Stand: 1. September 2022, § 57 Rn. 32; [X.] in Frenz/Miermeister, [X.], 5. Aufl., § 57 [X.] Rn. 24; [X.] in [X.]/[X.], [X.] mit NotAktVV und [X.], 9. Aufl., Vor §§ 57 ff. [X.] Rn. 26).

Aus einem fehlenden berechtigten [X.] der Beteiligten folgt daher nicht, dass der Notar den verwahrten Kaufpreisteilbetrag wieder an den Beteiligten zu 1 als diejenige Vertragspartei auszahlen muss, die den [X.] auf das [X.] eingezahlt hat. Die vom Beschwerdegericht für seine gegenteilige Auffassung als alleiniger Beleg angeführte Literaturstelle ("vgl. [X.], [X.], 19. Aufl., § 57 Rdn. 59") bezieht sich auf § 57 Abs. 5 [X.] und den hier nicht gegebenen Fall der Rückzahlung bei - von vorneherein - fehlendem Treuhandauftrag.

b) Eine Pflicht des Notars zur Auszahlung des Restkaufpreises auf dem [X.] an den Beteiligten zu 1 folgt, anders als vom Beschwerdegericht angenommen, auch nicht aus einem - etwaigen - Verstoß der Regelung zur Hinterlegung der [X.] in § 7 Nr. 2 des Kaufvertrags gegen materiell-rechtliche Vorschriften, insbesondere § 3 Abs. 2, § 12 [X.].

Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 [X.] darf ein Bauträger Vermögenswerte des Auftraggebers nur entsprechend dem Bauablauf in bis zu sieben Teilbeträgen entgegennehmen oder sich zu deren Verwendung ermächtigen lassen. Ein von § 3 [X.] abweichender [X.] ist unzulässig (§ 12 [X.]).

Es kann dahinstehen, ob die in § 7 Nr. 2 des Kaufvertrags getroffene Regelung zur notariellen Verwahrung der [X.] nach § 134 BGB i.V.m. § 3 Abs. 2, § 12 [X.] unwirksam ist. Denn ein etwaiger Verstoß gegen § 3 Abs. 2, § 12 [X.], der zur Unwirksamkeit der zivilrechtlichen Verwahrungsvereinbarung der Parteien führt (vgl. [X.] in Ganter/[X.]/[X.], Handbuch der [X.], 5. Aufl., [X.]. 4 Rn. 79 f.), ist vom Notar nur zu beachten und die Verwahrung nicht weiter durchzuführen, wenn die Unwirksamkeit der Verwahrungsvereinbarung für ihn evident ist. Eine evidente Unwirksamkeit der Verwahrungsvereinbarung liegt hier indes nicht vor. Dies gilt gleichermaßen im Hinblick auf einen etwaigen Verstoß gegen die Klauselverbote nach §§ 305 ff. BGB.

[X.]) Im Rahmen einer auf Rückzahlung des hinterlegten Geldes an den Käufer gerichteten Beschwerde nach § 15 Abs. 2 [X.] gilt aufgrund der Aufgabenverteilung zwischen dem Notar und den Zivilgerichten ein beschränkter Prüfungsmaßstab. Es ist nicht Aufgabe des Notars und damit nicht Aufgabe der über eine Notarbeschwerde entscheidenden Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit, über materiell-rechtliche Fragen zu befinden. Diese sind daher nicht in einem Beschwerdeverfahren nach § 15 Abs. 2 [X.], sondern in einem Zivilprozess der Beteiligten untereinander zu entscheiden. Anders verhält es sich nur dann, wenn die Unwirksamkeit einer vertraglichen Regelung für den Notar ohne jeden vernünftigen Zweifel erkennbar ist. Eine evident unwirksame Vertragsbestimmung darf ein Notar weder beurkunden noch vollziehen ([X.], Beschluss vom 9. Dezember 2021 - [X.]/21 Rn. 5, NJW-RR 2022, 428; Beschluss vom 1. Oktober 2015 - [X.] 171/14 Rn. 21, NJW-RR 2016, 695). Ist die zivilrechtliche Verwahrungsvereinbarung für den Notar evident unwirksam, ist die Verwahrung für den Notar undurchführbar und darf nicht mehr abgewickelt werden (vgl. [X.], [X.] 1990, 615, 640; siehe auch [X.], Verwahrungstätigkeit des Notars, Rn. 94; [X.], [X.] 1980, 451, 467 f.).

bb) Es ist nicht davon auszugehen, dass die Klausel in § 7 Nr. 2 des Kaufvertrags offensichtlich und ohne jeden vernünftigen Zweifel unwirksam ist und der Notar dies erkennen musste. Zur Frage der Wirksamkeit einer Verwahrungsvereinbarung wie derjenigen in § 7 Nr. 2 des Kaufvertrags besteht in Rechtsprechung und Schrifttum kein einheitliches Meinungsbild. Die Klausel räumt dem Beteiligten zu 1 die Möglichkeit ("…ist Erwerber berechtigt,…") ein, die bei Bezugsfertigkeit der Wohnungen noch ausstehenden Raten auf einem [X.] zu verwahren, sofern das Kaufobjekt zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig fertiggestellt ist oder noch Mängel zu beseitigen sind; macht er von dieser Option Gebrauch, erhält er nach § 7 Nr. 2 Abs. 2 Satz 1 des Vertrages einen Anspruch auf Besitzübertragung gegen den Bauträger. Zwar stößt die Übernahme einer Verpflichtung des Käufers zur Einzahlung der Raten auf ein [X.] bei einem Bauträgervertrag vor dem Hintergrund der § 3 Abs. 2, § 12 [X.] sowie der Klauselverbote nach §§ 305 ff. BGB in Rechtsprechung und Schrifttum unter bestimmten Voraussetzungen auf Bedenken (vgl. [X.], Urteil vom 11. Oktober 1984 - [X.], [X.], 93, juris Rn. 17 ff. zu § 11 Nr. 2a [X.] [jetzt § 309 Nr. 2a BGB]; zum Streitstand allgemein [X.] in Ganter/[X.]/[X.], Handbuch der [X.], 5. Aufl., [X.]. 4 Rn. 80; [X.] in [X.]/[X.], [X.] mit NotAktVV und [X.], 9. Aufl., § 57 [X.] Rn. 26 ff.). Die bloße Option zur Hinterlegung von [X.] auf einem [X.] soll aber eine - auch formularvertraglich - zulässige Gestaltung sein können (vgl. etwa [X.], [X.], 10. Aufl., [X.]. 1 Rn. 103; siehe auch [X.], [X.] 1999, 381, 391 f.; [X.], [X.] 2006, 497, 513 ff.).

cc) Nach alledem kann offenbleiben, ob dem Notar im Falle einer - hier nicht vorliegenden - evident unwirksamen Verwahrungsvereinbarung über die Einstellung der weiteren Vertragsabwicklung hinaus überhaupt gestattet ist, den hinterlegten Kaufpreis kraft seines Amtes wieder an den Einzahlenden [X.] (in diesem Sinne wohl KG, Beschluss vom 30. Juli 2002 - 1 W 59/02, juris Rn. 3 ff. für den Fall des einseitigen Widerrufs mehrseitiger [X.]en nach § 54c Abs. 3 [X.] a.F.; anders [X.] in [X.]/[X.], [X.] mit NotAktVV und [X.], 9. Aufl., § 60 [X.] Rn. 32).

3. Die Entscheidung des [X.] stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 15 Abs. 2 Satz 3 [X.] i.V.m. § 74 Abs. 2 FamFG).

Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 1 ist der Notar nicht verpflichtet, einem vom Beteiligten zu 1 und dem Insolvenzverwalter übereinstimmend erklärten Widerruf der [X.] Folge zu leisten und den auf dem [X.] befindlichen Restkaufpreis wunschgemäß an den Beteiligten zu 1 auszuzahlen. Der Notar ist vielmehr berechtigt, die Auszahlung wegen fehlender Zustimmung der Beteiligten zu 2 zu verweigern.

Nach § 60 Abs. 2 [X.] hat ein Notar den Widerruf einer von mehreren Anweisenden erteilten Anweisung - vorbehaltlich einer abweichenden Regelung (§ 60 Abs. 4 [X.]) - nur zu beachten, wenn er durch alle Anweisenden gemeinsam erfolgt. Diese Voraussetzung liegt nicht vor.

a) Bei der in § 7 Nr. 2 des Kaufvertrags erteilten [X.] handelt es sich um eine mehrseitige Anweisung der Verkäuferin und des Beteiligten zu 1.

[X.]) Für die Abgrenzung einer einseitigen von einer mehrseitigen [X.] kommt es entscheidend darauf an, wessen [X.] die mit der Anweisung verbundene Übertragung der Verfügungsbefugnis auf den Notar dient. Dient die Weisung dem Interessenschutz mehrerer Beteiligter, ist eine mehrseitige Anweisung gegeben (vgl. BayObLG, Beschluss vom 1. Juni 1995 - [X.], [X.] 1995, 204, juris Rn. 29; [X.] in Frenz/Miermeister, [X.], 5. Aufl., § 60 [X.] Rn. 17 m.w.N.).

bb) Nach der gebotenen Auslegung der hier in Rede stehenden Vertragsbestimmung, die der [X.] mangels weiterer zu erwartender Feststellungen selbst vornehmen kann, liegt eine mehrseitige Anweisung vor. Die Klausel sichert sowohl die Interessen des Beteiligten zu 1 als auch die der Verkäuferin bei der Abwicklung der Kaufpreiszahlung. Sie trägt einerseits den Interessen des Beteiligten zu 1 Rechnung, weil die bei Bezugsfertigkeit der Eigentumswohnungen hinterlegten noch nicht fälligen [X.] erst nach dessen schriftlicher Bestätigung einer mangelfreien und vollständigen Erbringung der jeweiligen Bauleistung von dem Notar an die Verkäuferin ausgezahlt werden dürfen. Andererseits liegt die Regelung im Interesse der Verkäuferin am vollständigen Erhalt der Kaufpreiszahlung nach erfolgter Besitzübertragung auf den Beteiligten zu 1 bei ordnungsgemäßer Erbringung ihrer Bauleistungen. Die Verwahrung schützt die Verkäuferin vor ungerechtfertigten Mängelrügen sowie der grundlosen Zahlungsverweigerung des Erwerbers (vgl. [X.], Urteil vom 11. Oktober 1984 - [X.], [X.], 93, juris Rn. 21).

b) Diente die [X.] in § 7 Nr. 2 des Kaufvertrags auch den Interessen der Verkäuferin, durfte der Notar davon ausgehen, dass der Widerruf dieser Anweisung der Zustimmung der Beteiligten zu 2 bedarf, die kraft Abtretung in die Rechtsposition der Verkäuferin eingetreten ist.

[X.]) Zwar war die Beteiligte zu 2 ursprünglich nicht am notariellen Verwahrungsverhältnis beteiligt. Unter der Annahme, dass die Beteiligte zu 2 durch die am 20. September 2017 erklärte notarielle Abtretung Inhaberin der Kaufpreis-forderung in Höhe der auf dem [X.] noch befindlichen 82.025 € geworden ist, ist die Beteiligte zu 2 aber verfahrensrechtlich als Beteiligte an der Verwahrung in die Stellung der Verkäuferin gerückt. Wird eine Kaufpreiszahlung über ein [X.] abgewickelt, geht mit der Abtretung des [X.] automatisch auch der [X.] gegen den Notar als Nebenrecht des [X.] im Sinne des § 401 BGB auf den Abtretungsempfänger über.

In der Rechtsprechung des [X.] ist anerkannt, dass sich bei einer Abwicklung der Kaufpreiszahlung über ein [X.] das mit der Pfändung des [X.] entstandene Pfandrecht auf den Auszahlungsanspruch des Verkäufers gegen den Notar erstreckt. Der Anspruch gegen den Notar wird nur deshalb begründet, weil der Verkäufer von seinem Vertragspartner nicht Zahlung an sich verlangen kann; er ergänzt die vertragliche Forderung. Der [X.] gegen den Notar ist daher im Verhältnis zur Kaufpreisforderung als ein Nebenrecht im Sinne von § 401 BGB einzuordnen ([X.], Beschluss vom 9. Juni 2016 - [X.] 37/15 Rn. 20 ff., [X.] 2016, 957). Für die Abtretung des [X.] - auch wenn sie zur Sicherung erfolgt - gilt nichts anderes. Mit dem Übergang des zivilrechtlichen Anspruchs geht der [X.] auch ohne ausdrückliche Mitabtretung als Nebenrecht kraft Gesetzes mit über und der Zessionar rückt auch verfahrensrechtlich in die sich aus dem notariellen Verwahrungsverhältnis ergebende Beteiligtenstellung des Zedenten ein. Zu einer Änderung oder einem Widerruf einer [X.] ist fortan seine Zustimmung als [X.] erforderlich und im Umfang der Abtretung die Mitwirkung des Zedenten entbehrlich ([X.] in Frenz/Miermeister, [X.], 5. Aufl., § 23 [X.] Rn. 33, 37; vgl. für den Pfändungsgläubiger auch BayObLG, Beschluss vom 17. Dezember 2004 - 1Z [X.], [X.] 2005, 616, juris Rn. 14; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., § 23 Rn. 189; a.A. KG, Beschluss vom 9. Januar 1996 - 9 U 8386/94, [X.] 1996, 143).

bb) Der Notar durfte ferner annehmen, dass die Beteiligte zu 2 infolge der Abtretung der [X.]forderung [X.] hinsichtlich des auf dem [X.] noch befindlichen Restbetrags sein kann.

(1) Soweit die Wirksamkeit der Abtretung des [X.] oder sonstige Vorfragen der [X.] im mehrseitigen Verwahrungsverhältnis zu klären sind, ist der Prüfungsmaßstab des Notars im Rahmen einer auf Auszahlung des hinterlegten Geldes gerichteten Beschwerde nach § 15 Abs. 2 [X.] auf eine Evidenzkontrolle beschränkt, da die Prüfung solcher Fragen grundsätzlich nicht Aufgabe des Notars ist (siehe oben unter [X.]) [X.])). In Fallgestaltungen, in denen für den Notar etwa ohne jeden vernünftigen Zweifel feststeht, dass die Abtretung materiell-rechtlich unwirksam ist, darf er annehmen, dass der Zessionar nicht in die verfahrensrechtliche Stellung des Zedenten eingetreten ist. Der Notar handelt hingegen nicht pflichtwidrig, wenn er sich bei begründeten Zweifeln über die [X.] entschließt, den hinterlegten Betrag nicht auszuzahlen, sondern weiter zu verwahren und die Beteiligten auf den Zivilprozess gegeneinander zu verweisen (KG, Beschluss vom 16. März 1999 - 1 W 8724/98, [X.] 1999, 994, juris Rn. 11; [X.], Beschluss vom 9. Februar 1993 - 15 W 198/92, [X.] 1994, 115, juris Rn. 23; [X.] in Frenz/Miermeister, [X.], 5. Aufl., § 23 [X.] Rn. 36; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., § 15 Rn. 74; vgl. auch schon [X.], Urteil vom 21. Dezember 1959 - [X.]/58, [X.] 265, 270 f.).

(2) Gemessen daran stellt sich die Verweigerung der Auszahlung durch den Notar nicht als pflichtwidrig dar. Eine [X.] der Beteiligten zu 2 infolge der Abtretung der [X.]forderung kann vom Notar derzeit nicht evident ausgeschlossen werden.

Der Beteiligte zu 1 hat im Rahmen seiner Notarbeschwerde die Auffassung vertreten, eine wirksame Abtretung des [X.] durch die Verkäuferin habe nicht stattgefunden. Die notarielle Abtretung habe allein fällige Kaufpreisforderungen umfasst, wobei der noch auf dem [X.] verwahrte [X.] nicht zu den fälligen Beträgen gehöre und Fälligkeit aufgrund der Verweigerung der weiteren Erfüllung durch den Insolvenzverwalter nicht mehr eintreten könne. Demgegenüber hat der Notar in seinem Nichtabhilfeschreiben vom 16. Januar 2020 ausgeführt, er könne die Fälligkeit der [X.] nicht beurteilen, da sich diese nach dem [X.] richte, zu dessen Überprüfung er außer Stande sei. Insbesondere könne er nicht feststellen, ob die bislang von dem Beteiligten zu 1 an die Verkäuferin gezahlten [X.] dem erreichten [X.] entsprächen. Da er nicht zu erkennen vermöge, ob noch Ansprüche der Verkäuferin bestünden, müsse er im Rahmen der gebotenen Evidenzprüfung von der Wirksamkeit der Abtretung ausgehen.

Diese Bedenken des Notars hinsichtlich des Kreises der [X.]n, namentlich die Annahme einer möglichen [X.] der Beteiligten zu 2, sind nicht von der Hand zu weisen. Selbst wenn der Insolvenzverwalter die Nichterfüllung weiterer Bauverpflichtungen aus dem Bauträgervertrag erklärt haben mag (§ 103 Abs. 2 [X.]), käme ein fälliger und durchsetzbarer Anspruch der Verkäuferin gegen den Beteiligten zu 1 auf anteilige Kaufpreiszahlung für bereits erbrachte, aber noch nicht bezahlte Bauleistungen in Betracht, der kraft Abtretung auf die Beteiligte zu 2 übergegangen wäre (vgl. [X.], Urteil vom 17. Dezember 2009 - [X.] Rn. 12, NJW-RR 2010, 773; MünchKomm[X.]/[X.], 4. Aufl., § 103 Rn. 32; jeweils zu Ansprüchen des Insolvenzverwalters bei fehlender Erfüllungswahl nach § 103 Abs. 2 [X.] und teilweiser Vorleistung des Schuldners). Ob aufgrund des erreichten [X.]es noch offene Zahlungspflichten bestehen, kann vom Notar, der keine genaue Kenntnis vom [X.] hat, jedenfalls nicht zweifelsfrei verneint werden. Im Ergebnis nichts anderes gilt für etwaige weitere Folgewirkungen aus der Eröffnung des Insolvenzverfahrens für die Empfangszuständigkeit der Beteiligten zu 2, vgl. insbesondere § 51 Nr. 1, § 166 Abs. 2, § 170 Abs. 2 [X.]. In Ermangelung einer Zustimmung der Beteiligten zu 2 ist die Verweigerung der Auszahlung an den Beteiligten zu 1 nach alledem sachlich nicht zu beanstanden.

III.

1. Der angefochtene Beschluss hat somit keinen Bestand; er ist aufzuheben (§ 15 Abs. 2 Satz 3 [X.] i.V.m. § 74 Abs. 5 FamFG). Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der [X.] selbst zu entscheiden. Dies führt zur Zurückweisung der Beschwerde.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 15 Abs. 2 Satz 3 [X.] i.V.m. §§ 81, 84 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 61 Abs. 1, § 36 Abs. 1 GNotKG.

[X.]     

      

Halfmeier     

      

Sacher

      

Borris     

      

Brenneisen     

      

Meta

VII ZB 28/20

02.08.2023

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Berlin, 25. August 2020, Az: 84 T 28/20

§ 57 Abs 2 Nr 1 BeurkG, § 60 Abs 2 BeurkG, § 15 Abs 2 BNotO, § 401 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 02.08.2023, Az. VII ZB 28/20 (REWIS RS 2023, 5273)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 5273

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Notarielle Verwahrung von Fremdgeld: Schriftformerfordernis für Verwahrungsantrag und -anweisung; Zustandekommen eines notariellen Verwahrungsverhältnisses; Verwahrung von …


V ZB 70/10 (Bundesgerichtshof)


V ZB 181/15 (Bundesgerichtshof)


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V ZB 37/15

V ZB 171/14

V ZB 25/21

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