Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.10.2017, Az. V ZB 167/16

V. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 4162

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[X.]:[X.]:BGH:2017:111017BVZB167.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 167/16
vom

11. Oktober 2017

in der Rücküberstellungshaftsache

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2
-
Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 11. Oktober 2017
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
[X.], die Richterinnen Dr. Brückner und
Weinland und die Richter [X.] und Dr. Hamdorf

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde wird festgestellt, dass der Beschluss des [X.] vom 22. November 2016 und der Beschluss des [X.] -
Zivilkammer 29 -
vom 1.
Dezember 2016 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der [X.] auferlegt.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 5.000

Gründe:

I.

Der Betroffene, ein afghanischer Staatsangehöriger, der sich zuvor in [X.] aufgehalten hatte, reiste am 4. Januar 2016 in die [X.]
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Deutschland ein. Mit Bescheid
vom 18. August 2016 lehnte das [X.] den von ihm gestellten Asylantrag als unzulässig ab und ordnete
die Abschiebung nach [X.] an. Der hiergegen erstrebte ver-waltungsgerichtliche Rechtsschutz blieb ohne Erfolg.

Auf Antrag der beteiligten Behörde ordnete das Amtsgericht mit [X.] vom 4.
November 2016 Haft zur Sicherung der Überstellung des Be-troffenen bis zum 23.
November 2016 an. Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies das [X.] zurück.

Nachdem die geplante Rücküberstellung des Betroffenen am 21. [X.] nicht erfolgen
konnte, hat das Amtsgericht auf Antrag der beteilig-ten Behörde mit Beschluss vom 22. November 2016 die Haft bis zum 23.
Dezember 2016 verlängert. Die hiergegen seitens des Betroffenen einge-legte Beschwerde hat das Beschwerdegericht mit Beschluss vom 1. Dezember 2016 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbe-schwerde. Der Senat hat die Vollziehung der [X.] mit Beschluss vom 13. Dezember 2016 einstweilen ausgesetzt. Der Betroffene beantragt nunmehr, die Rechtswidrigkeit der Haft festzustellen. Die beteiligte Behörde beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.

II.

Das Beschwerdegericht meint, der Haftverlängerungsantrag sei zulässig. Auch lägen die materiellen Voraussetzungen für eine Verlängerung der Siche-rungshaft vor. Von einer erneuten Anhörung des Betroffenen sei abzusehen gewesen, weil seit der Anhörung durch das Amtsgericht nur ein geringer Zeit-2
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raum vergangen und nicht ersichtlich sei, dass seitdem neue, eine abermalige Anhörung erforderlich machende Umstände eingetreten seien. Ein Verstoß ge-gen das Gebot des fairen Verfahrens, weil der Bevollmächtigte des Betroffenen an dessen
Anhörung durch das Amtsgericht
nicht habe teilnehmen können, lie-ge nicht vor. Es sei nicht erkennbar, welcher Gesichtspunkt bei Anwesenheit des Bevollmächtigten oder bei vorheriger Zusendung des [X.] zusätz-lich hätte vorgebracht werden können. Es sei lediglich um die Verlängerung der Haft gegangen; die Tatsachen und Umstände seien aus dem vorherigen Ver-fahren bekannt gewesen.

III.

Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FamFG statthafte und auch im Übri-gen zulässige (§ 71 FamFG) Rechtsbeschwerde ist begründet.

1. Die Anordnung der [X.] durch das Amtsgericht hat den Be-troffenen in seinen Rechten verletzt, weil ihm
bei dessen Anhörung ein
schwe-rer
Verfahrensfehler unterlaufen
ist.

a) Einem [X.]n muss die Möglichkeit eingeräumt werden, an dem Termin zur Anhörung des Betroffenen teilzunehmen. Der Grundsatz des fairen Verfahrens garantiert einem Betroffenen, sich zur Wah-rung seiner Rechte in einem Freiheitsentziehungsverfahren von einem Bevoll-mächtigten seiner Wahl vertreten zu lassen und diesen zu der Anhörung hinzu-zuziehen
(Senat, Beschluss vom 10. Juli 2014 -
V [X.], [X.] 2014, 228 Rn. 8; Beschluss vom 20. Mai 2016 -
V [X.], [X.] 2016, 381 Rn. 6 und 20 mwN). [X.] das Gericht durch seine Verfahrensgestaltung eine Teil-nahme des Bevollmächtigten an der Anhörung, führt dies ohne weiteres zu der 5
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Rechtswidrigkeit der Haft bzw. -
soweit es um das Verfahren vor dem Be-schwerdegericht geht -
zur Rechtswidrigkeit der Aufrechterhaltung der Haft. Es kommt nicht darauf an, ob die Anordnung der Haft auf dem Fehler beruht (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Juli 2014 -
V [X.], [X.] 2014, 228 Rn. 7 f.; Beschluss vom 20. Mai 2016 -
V [X.], [X.] 2016, 381 Rn. 13; [X.] vom 13. Juli 2017 -
V [X.], juris Rn. 5).
Das gilt auch für die Ver-längerung der Abschiebungs-
oder Rücküberstellungshaft, auf die nach § 425 Abs. 3 FamFG die Vorschriften über den Erstantrag, also auch diejenigen über die Anhörung, uneingeschränkt anzuwenden sind (Senat, Beschluss vom 6.
April 2017 -
V [X.]/16,
[X.] 2017, 292 Rn. 7).

b) Das Amtsgericht hat gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens ver-stoßen. Es hat,
nachdem ihm der Haftverlängerungsantrag am 22.
November 2016 um 10.33 Uhr per Fax übermittelt wurde, für den gleichen Tag um 13.30
Uhr einen Anhörungstermin bestimmt. Der [X.] hat daraufhin noch vor dem Anhörungstermin dessen Verlegung beantragt, wobei er darauf hingewiesen hat, dass ihm weder der Haftverlängerungsantrag über-mittelt worden noch ein Erscheinen um 13.30
Uhr möglich sei. Letzteres war im
Hinblick auf die zeitlichen Abläufe und die räumliche Entfernung -
der [X.] hat seinen Sitz in [X.], während die Anhörung in [X.] stattfinden sollte -
offenkundig. Vor diesem Hintergrund durfte das Amtsgericht den [X.] nicht zurückweisen und die Anhörung des Betroffenen ohne dessen
[X.]n durchführen.

2.
Eine Heilung des Verfahrensfehlers -
die mit Wirkung für die Zukunft möglich wäre (vgl. Senat, Beschluss vom 18. Februar 2016 -
V [X.],
[X.] 2016, 235 Rn. 25) -
ist auch in der Beschwerdeinstanz nicht eingetre-8
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ten. Sie setzt eine Nachholung der Anhörung des Betroffenen voraus, die nicht erfolgt ist.

3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 74 Abs. 7 FamFG abge-sehen.

[X.] Brückner Weinland

Kazele Hamdorf

Vorinstanzen:

AG [X.], Entscheidung vom 22.11.2016 -
219e [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 01.12.2016 -
329 [X.]/16 -

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Meta

V ZB 167/16

11.10.2017

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.10.2017, Az. V ZB 167/16 (REWIS RS 2017, 4162)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 4162

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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V ZB 167/16

V ZB 32/14

V ZB 140/15

V ZB 59/16

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