Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.05.2011, Az. 3 StR 123/11

3. Strafsenat | REWIS RS 2011, 7160

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Gegenstand

Betäubungsmittelstrafrecht: Anwendung der gesetzlichen Neuregelung der Aufklärungshilfe auf die nach deren Inkrafttreten eröffneten Verfahren


Tenor

1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 27. August 2010 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

a) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall [X.] der Urteilsgründe,

b) im [X.].

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte wegen "des gemeinschaftlichen Bestimmens einer Person unter 18 Jahren zum unerlaubten Inverkehrbringen von Betäubungsmitteln (Fall [X.] der Urteilsgründe), des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen, der unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln in zwei Fällen und des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sieben Monaten verurteilt und 12 [X.] eingezogen. Die auf die [X.] der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

Die im Fall [X.] der Urteilsgründe verhängte [X.] von drei Jahren und sechs Monaten für die am 31. Oktober 2008 begangene Tat hat keinen Bestand; dies führt zur Aufhebung des Urteils auch im Ausspruch über die Gesamtstrafe.

3

Das [X.] hat einen minder schweren Fall gemäß § 30a Abs. 3 BtMG abgelehnt und die ausgesprochene [X.] dem gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 BtMG, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 30a Abs. 1 und 2 BtMG entnommen (Freiheitsstrafe von zwei Jahren bis elf Jahren drei Monaten). Diese Strafrahmenverschiebung entspricht der Regelung des § 31 BtMG in der ab dem 1. September 2009 geltenden Fassung. Dabei hat das [X.] nicht bedacht, dass § 31 BtMG in der zur Tatzeit geltenden Fassung das für die Angeklagte günstigere Recht ist.

4

Art. 316d [X.] bestimmt, dass § 31 BtMG in der Fassung des 43. [X.] nicht auf Verfahren anzuwenden ist, in denen vor dem 1. September 2009 die Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossen worden ist. Diese negativ formulierte Überleitungsvorschrift stellt eine - verfassungsrechtlich unbedenkliche ([X.], Beschluss vom 29. November 1989 - 2 BvR 1491/87 u.a., [X.]E 81, 132, 136 f.; [X.], Beschluss vom 2. April 1996 - [X.], [X.]St 42, 113, 120; [X.], in: [X.]/[X.], StGB, 27. Aufl., § 2 Rn. 16) - Derogation des Meistbegünstigungsprinzips (§ 2 Abs. 3 StGB) dar, die die Gerichte in bereits rechtshängigen Verfahren von der gegebenenfalls schwierigen Bewertung entbinden soll, ob die alte oder neue Fassung des § 31 BtMG nach den Umständen des konkreten Einzelfalls das mildere Gesetz sei (BT-Drucks. 16/6268 [X.]: etwa im Hinblick auf die Frage einer Milderung nach § 49 Abs. 1 oder 2 StGB oder eines Absehens von Strafe).

5

Sie bedeutet jedoch nicht, dass im Umkehrschluss die neuen Vorschriften ohne weiteres im Verfahren anzuwenden sind, in denen - wie hier am 27. Mai 2010 - die Eröffnung des Hauptverfahrens nach dem 1. September 2009 beschlossen worden ist. Für die Frage des auf diese Taten anwendbaren Rechts gelten vielmehr die allgemeinen Regeln, nach denen grundsätzlich das zur Tatzeit geltende materielle Recht Anwendung findet (§§ 1, 2 Abs. 1 StGB), sofern das neuere Recht in seiner Gesamtheit keine für den Angeklagten günstigere Regelung (§ 2 Abs. 3 StGB) darstellt ([X.], Beschluss vom 18. März 2010 - 3 StR 65/10, [X.], 523).

6

§ 31 BtMG in der zur Tatzeit (31. Oktober 2008) geltenden Fassung ist für die Angeklagte das günstigere Recht. Es führt gemäß § 30a Abs. 1 und 2 BtMG, § 49 Abs. 2 StGB zu einem Strafrahmen von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von einem Monat bis Freiheitsstrafe von 15 Jahren. Die Strafrahmenverschiebung in der ab dem 1. September 2009 geltenden Fassung eröffnet demgegenüber gemäß § 30a Abs. 1 und 2, § 31 BtMG, § 49 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB den vom [X.] herangezogenen Strafrahmen von zwei Jahren bis elf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe.

7

Da das [X.] die im Fall [X.] der Urteilsgründe verhängte [X.] von drei Jahren und sechs Monaten dem unteren Bereich des Strafrahmens entnommen hat, kann der [X.] nicht ausschließen, dass es bei Beachtung des § 2 Abs. 3 StGB diese Einzelstrafe niedriger bemessen und auch auf eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte. Dagegen bleiben die in den Fällen II.3., 4. und 5.a) der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen von dem aufgezeigten Rechtsfehler unberührt; denn hier stellt sich die Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB für die Angeklagte als günstiger dar, da schon der Ausgangsstrafrahmen des § 29 Abs. 1 BtMG als Strafrahmenuntergrenze die [X.] oder Geldstrafe bestimmt, diese mithin über § 49 Abs. 2 StGB nicht mehr weiter abgesenkt werden kann.

[X.]                                       [X.]

                        [X.]

Meta

3 StR 123/11

03.05.2011

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Osnabrück, 27. August 2010, Az: 15 KLs 2/10 - 606 Js 33132/09, Urteil

§ 30a BtMG, § 31 BtMG vom 29.07.2009, Art 316d StGBEG, § 1 StGB, § 2 Abs 1 StGB, § 2 Abs 3 StGB, § 49 StGB, StrÄndG 43

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.05.2011, Az. 3 StR 123/11 (REWIS RS 2011, 7160)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7160

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Betäubungsmitteldelikt: Aufklärungshilfe und geschönte Schilderung des eigenen Tatbeitrags; Anwendung des milderen Gesetzes in Altfällen


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