Bundespatentgericht, Beschluss vom 18.01.2012, Az. 26 W (pat) 516/11

26. Senat | REWIS RS 2012, 10050

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "aloe to go" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2010 009 831.7

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 18. Januar 2012 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] [X.] sowie des [X.] [X.] und der Richterin Dr. Schnurr

beschlossen:

Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 32 des [X.] vom 22. März 2011 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die Wortmarke Nr. 30 2010 009 831.7

2

[X.] to go

3

beansprucht nach einer Beschränkung des [X.] in der Beschwerdeinstanz noch Schutz für die Waren

4

„[X.]: Zucker, Kakao, Tapioka, [X.], Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate; Backpulver; Hefe, Salz; Senf; Gewürze; [X.]

5

Klasse 32: Fruchtsäfte, Mineralwässer“.

6

Mit Beschluss vom 22. März 2011 hat die Markenstelle für Klasse 32 des [X.] die Anmeldung wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft zurückgewiesen, §§ 8 Abs. 2 Nr. 1, 37 Abs. 1 [X.]. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Begriff „[X.]“, die sprachübliche und verbreitete Bezeichnung für „1. zu den [X.] gehörende, in den Tropen und Subtropen wachsende Pflanzen mit wasserspeichernden, dicken Blättern; 2. de bitteren Saft vieler [X.]arten (vgl. [X.], [X.], 5. Aufl. Seite 119)“ stelle im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren lediglich eine Beschaffenheitsangabe dar. In Verbindung mit der weit verbreiteten Bezeichnung „to go“ im Sinne von „zum Mitnehmen“ werde der angesprochene durchschnittliche Verbraucher, [X.]“ als Heilpflanze bekannt sei, deren Substanzen und Säfte zur innerlichen und äußerlichen gesundheitsfördernden Anwendung geeignet seien, die angemeldete Wortkombination lediglich als Sachhinweis darauf verstehen, dass [X.] sofort zur Verfügung stünden, mitzunehmen bzw. schnell und unkompliziert anzuwenden seien.

7

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er beantragt,

8

den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für  Klasse 32 des [X.] vom 22. März 2011 aufzuheben.

II.

9

Die zulässige Beschwerde erweist sich nach Beschränkung des [X.] als begründet. Der begehrten Eintragung in das Markenregister steht weder das Eintragungshindernis fehlender Unterscheidungskraft, § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.], noch ein Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegen, sofern „[X.] to go“ zur Kennzeichnung der nunmehr noch beanspruchten Waren der Klassen 30 und 23 verwendet wird.

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] bedeutet die Eignung einer Marke, die mit ihr beanspruchten Waren als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch für den Verkehr von denen anderer Anbieter unterscheidbar zu machen (vgl. [X.] GRUR 2006, 233, 235 Rdn. 45 - Standbeutel; [X.] GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 62 - [X.]). Die Eintragung als Marke kommt nur in Betracht, wenn ein Zeichen diese Herkunftsfunktion erfüllen kann (vgl. [X.] GRUR 2003, 55, 57 f., Rdn. 51 - [X.]; [X.], 395, 397, Rdn. 18 - [X.] m. w. N.). Ist dies nicht der Fall, widerspricht es dem Allgemeininteresse, das fragliche Zeichen mit seiner Eintragung in das Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (vgl. [X.] GRUR 2006, 608, 610, Rdn. 59 - [X.]; [X.] GRUR 2004, 943, 944, Rdn. 26 - SAT.2; [X.] GRUR 2003, 604, 608, Rdn. 60 - [X.]). Da die Frage der Unterscheidungskraft stets konkret für die jeweils beanspruchten Waren zu beurteilen ist, vermag eine Marke für bestimmte Waren unterscheidungskräftig zu sein, während ihr für andere die Unterscheidungskraft fehlt (vgl. [X.] GRUR 2004, 674, 677, Rdn. 73 bis 78 - Postkantoor; GRUR 2007, 425, 426, Rdn. 32 - MT&C/[X.]). Um das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zu überwinden, reicht nach ständiger Rechtsprechung des [X.] jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft aus (vgl. z. B. [X.], 850, Rdn. 28 - [X.]). Für die nunmehr allein noch beanspruchten Waren der Klassen 30 und 32 kann der angemeldeten Wortfolge „[X.] to go“ mit dem Sinngehalt „[X.] bzw. [X.]-Saft zum Mitnehmen“ das hiernach erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden.

[X.] gehört nicht zu den nach der Fruchtsaftverordnung vom 24. Mai 2004 ([X.] I S. 1016, zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 21. Mai 2010, [X.] [X.]) bzw. der Mineral- und Tafelwasserverordnung vom 1. August 1984 ([X.] I S. 1036, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 1. Dezember 2006 ([X.] I S. 2762) zulässigen Inhaltsstoffen der in Klasse 32 beanspruchten „Fruchtsäfte“ und „Mineralwässer“. Der im Handel erhältliche reine [X.]-Saft wird selbst nicht aus den Früchten, sondern aus den Blättern dieser Pflanze gewonnen. „Fruchtsaft“ i. S. d. Fruchtsaftverordnung (vgl. dort [X.]. 1 zu §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 bis 3 [X.] 21.05.2010) ist jedoch das gärfähige, jedoch noch nicht gegorene, aus gesunden und reifen Früchten (frisch oder durch Kälte haltbar gemacht) einer oder mehrerer Fruchtarten gewonnene Erzeugnis. Da der Handel mit „Fruchtsäften“ und „Mineralwässern“ in [X.] durch die oben genannten Verordnungen reglementiert wird, haben die hier angesprochenen allgemeinen Endverbraucher keine Veranlassung anzunehmen, dass diese Produkte am Markt mit [X.] versetzt oder in dieser Geschmacksrichtung angeboten werden könnten.

Eine solche Annahme liegt bei den nunmehr noch beanspruchten Waren der [X.] ebenfalls fern. Diese Nahrungsmittel und „[X.]“ werden nach dem Ergebnis senatsinterner Recherchen am Markt typischerweise nicht mit Zusätzen von [X.] angeboten. Zwar können einige von ihnen gemeinsam mit [X.] zu einem Nahrungsmittel oder Kosmetikprodukt weiterverarbeitet werden. Bei anderen wird ihr [X.] oder ihre Anwendung gemeinsam mit [X.] zu medizinischen Zwecken empfohlen. Zur Überzeugung des Senats reichen diese Umstände jedoch nicht aus, um einen engen sachlichen beschreibenden Bezug zur angemeldeten Wortkombination in ihrer Gesamtheit zu begründen. Denn bei der gemeinsamen Anwendung, beim [X.] oder bei der Weiterverarbeitung der beanspruchten Waren zusammen mit [X.] steht jeweils nicht allein die Wirkung der Lilienpflanze im Vordergrund. Auch der Zusatz „to go“ führt von einem engen sachlichen beschreibenden Bezug der Markenanmeldung zur beanspruchten Ware als Ausgangsstoff oder Zutat weg. Wie das Beispiel einer in der Anwendung und Vorbereitung aufwändigen Senf-[X.]-Kur zeigt, ist der Zusatz „to go“ im Einzelfall weder zur Charakterisierung des beanspruchten Ausgangsstoffes, noch des unter Verwendung von [X.] hergestellten Endprodukts geeignet. Da der angesprochene allgemeine Endverbraucher die genannten Nahrungsmittel und „[X.]“ ebenso wie der Lebensmittelhandel durchaus von der Pflanze [X.] zu unterscheiden vermag, ist nicht auszuschließen, dass er „[X.] to go“ zumindest auch als Herkunftshinweis auffassen wird, wenn die Wortfolge zur Kennzeichnung dieser Waren verwendet wird.

Für die nunmehr noch beanspruchten Waren ist das angemeldete Zeichen in Ermangelung eines unmittelbar beschreibenden [X.] schließlich auch nicht freihaltebedürftig im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.].

Aus diesen Gründen hat die Beschwerde nach Beschränkung des [X.] Erfolg.

Meta

26 W (pat) 516/11

18.01.2012

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 18.01.2012, Az. 26 W (pat) 516/11 (REWIS RS 2012, 10050)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 10050

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Referenzen
Wird zitiert von

26 W (pat) 547/22

26 W (pat) 1/20

26 W (pat) 25/14

26 W (pat) 513/18

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