Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.12.2004, Az. XI ZR 17/03

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 85

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] ZR 17/03 Verkündet am: 21. Dezember 2004 [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 21. Dezember 2004 durch den Vorsitzenden [X.] und [X.] [X.], [X.], [X.] und [X.]

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 26. November 2002 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an den 19. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückver-wiesen.

Von Rechts wegen - 3 - Tatbestand:

Der Kläger verlangt von der Beklagten, seiner Schwiegermutter, Darlehensrückzahlung in Höhe von 204.516,75 • (= 400.000 DM) nebst Zinsen.

Im Juni und September 1994 wurden von einem Konto des [X.] jeweils 200.000 DM an die Beklagte, die sich damals in einer angespann-ten finanziellen Lage befand, überwiesen. Der Überweisungsbeleg vom September 1994 enthielt in der Spalte "Verwendungszweck" die Angabe "Anteil Grundstückskauf". Im April 1995 kam ein notarieller Überlas-sungsvertrag zustande, in dem die Beklagte ein ihr gehörendes [X.] an den Kläger und dessen Ehefrau, ihre Tochter, aufließ. Als Rechtsgrund wurde in der notariellen Urkunde Schenkung angegeben.

Im Jahre 1999 unterzeichneten die [X.]en zwei auf Juni und September 1994 rückdatierte, im übrigen gleichlautende Darlehensver-träge über jeweils 200.000 DM, in denen eine zinsfreie Überlassung der [X.] vom Kläger an die Beklagte auf unbestimmte Zeit, längstens jedoch bis zum Todestag der Beklagten vorgesehen war. Im August 2001 kündigte der Kläger die angeblichen Darlehen aus wichti-gem Grund.

Während der Kläger sein Begehren auf die Behauptung stützt, den Zahlungen aus dem [X.] lägen wirksam geschlossene Darlehens-verträge zugrunde, macht die Beklagte geltend, bei den schriftlichen Dar-lehensverträgen handele es sich um nichtige [X.], in [X.] seien die beiden Überweisungsbeträge die Gegenleistung für die im - 4 - Jahre 1995 erfolgte [X.] gewesen, die mit Rücksicht auf ein bestehendes dingliches Vorkaufsrecht als Schenkung deklariert worden sei. Hilfsweise hat die Beklagte die Aufrechnung mit angeblich ausstehenden Pachtzinsen und Nutzungsentgelten für ein anderes Grundstück erklärt, das sie an den Kläger und dessen Ehefrau verpach-tet hatte.

Das [X.] hat die Klage nach der Vernehmung der Ehefrau des [X.], der Zeugin [X.], sowie des Steuerberaters beider [X.], des Zeugen [X.], abgewiesen, da es dem Kläger nicht gelungen sei, die Hingabe der beiden Überweisungsbeträge als Darlehen zu [X.]. Das Berufungsgericht hat - ohne die Beweisaufnahme zu [X.] - die Beklagte unter Berücksichtigung ihrer Hilfsaufrechnung zur Zahlung von 127.855,34 • nebst Zinsen verurteilt. Mit ihrer - vom Senat zugelassenen - Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabwei-sungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefoch-tenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsge-richt.

I.

Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt: - 5 -

Die Beklagte sei aufgrund der beiden Darlehensverträge aus dem [X.] verpflichtet, die erhaltene Valuta nebst Zinsen an den Kläger zurückzuzahlen. Es sei der Beklagten nicht gelungen, die Beweiskraft der nachträglich gefertigten Darlehensverträge zu erschüttern. Die Ver-nehmung des Zeugen [X.] durch das [X.] habe nicht den Beweis erbracht, daß die Verträge nur zum Schein unterzeichnet worden seien. Es liege vielmehr nahe, daß durch die schriftlichen Darlehensver-träge bereits im [X.] mündlich getroffene Abreden bestätigt worden seien. Die Zeugin [X.], die dies bekundet habe, sei im Gegensatz zu der Würdigung durch das [X.] glaubwürdig. Auf ihre Aussage komme es aber letztlich nicht an, weil aufgrund von Indizien und der Aussage des Zeugen [X.] von der Richtigkeit der klägerischen Be-hauptung ausgegangen werden könne. Der [X.] der Beklagten überzeuge nicht. Insbesondere habe die Beklagte nachvollziehbare Gründe, weshalb die [X.] als Schenkung, nicht aber als Kaufvertrag deklariert worden sei, nicht nennen können. Der im Schriftsatz vom 10. Oktober 2002 enthaltene Sachvortrag der Beklagten, die Deklaration der Grundstücksübertragung als Schenkung habe allein dem Zweck gedient, das auf dem Grundstück lastende dingliche Vor-kaufsrecht zu umgehen, sei außer Betracht zu lassen, weil der mit Be-schluß vom 17. September 2002 bewilligte [X.] die [X.] nur zu einer schriftsätzlichen Stellungnahme zum bisherigen Sach- und Streitstand, insbesondere zum Schriftsatz der Gegenseite vom 6. September 2002, nicht aber zu neuem Sachvortrag berechtigt habe. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 Abs. 1 ZPO sei nicht veranlaßt.
- 6 - [X.]

Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in mehreren Punkten nicht stand. Die Feststellung des Berufungsgerichts, der Kläger habe den Abschluß zweier Darlehensverträge und die Auszahlung der Darlehensvaluta bewiesen, beruht auf Verfahrensfehlern.

1. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht das Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 10. Oktober 2002 außer acht gelassen.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] darf eine in erster Instanz siegreiche [X.] darauf vertrauen, daß das [X.] ihr rechtzeitig einen Hinweis erteilt, wenn es der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will. Außer zur Hinweiserteilung ist das [X.] auch verpflichtet, der betroffenen [X.] Gelegenheit zu ge-ben, auf den Hinweis zu reagieren und ihren Tatsachenvortrag zu ergän-zen sowie gegebenenfalls auch Beweis anzutreten (vgl. [X.], Urteile vom 27. April 1994 - [X.]I ZR 16/93, [X.], 1823, 1824, vom 27. November 1996 - [X.], NJW-RR 1997, 441, vom 8. Februar 1999 - [X.], [X.], 1379, 1380 f., jeweils m.w.Nachw., ebenso [X.] NJW 1992, 678, 679 und NJW 2003, 2524). § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO, der die Zulässigkeit neuer Angriffs- und Ver-teidigungsmittel in der Berufungsinstanz einschränkt, hat daran nichts geändert. Schon zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) muß Vorbringen, das als Reaktion auf einen nach § 139 ZPO gebotenen Hinweis erfolgt, bei der Entscheidung des Berufungsgerichts - 7 - berücksichtigt werden. Anderenfalls würde die Hinweispflicht leerlaufen (vgl. Musielak/Ball, ZPO 4. Aufl. § 531 Rdn. 17).

b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war die Beklagte berechtigt, umfassend zu dem richterlichen Hinweis vom 17. September 2002 und nicht nur zum letzten Schriftsatz der Gegenseite und dem bis-herigen Sach- und Streitstand vorzutragen. Ausweislich des [X.] hatte der Beklagtenvertreter [X.] insbesondere zu der in der mündlichen Verhandlung vom Berufungsgericht geäußerten Rechtsansicht beantragt, nicht aber zum Schriftsatz der Gegenseite vom 6. September 2002. Die vom Berufungsgericht antragsgemäß gewährte [X.] beruhte daher auf § 139 Abs. 5 ZPO und nicht etwa auf § 283 ZPO.

Das Berufungsgericht war verpflichtet, den fristgerecht eingereich-ten Schriftsatz der Beklagten bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen und gegebenenfalls die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen (vgl. Musielak/[X.], aaO § 139 Rdn. 30). Indem es das nicht getan hat, hat es der Beklagten die Befugnis zu ergänzendem Sachvortrag abgeschnit-ten und den tatsächlich gehaltenen Vortrag verfahrensfehlerhaft nicht zur Kenntnis genommen.

c) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann der Beklagten auch nicht vorgeworfen werden, das im Schriftsatz vom 10. Oktober 2002 enthaltene Vorbringen nicht bereits früher in den Prozeß eingeführt zu haben. Nachdem die Beklagte nach Beweisaufnahme in erster Instanz auf der Grundlage ihres dortigen Vorbringens, das kein Wort über die Umgehung des dinglichen Vorkaufsrechts als Hauptmotiv für die [X.] - deklarierung des Grundstückskaufs als Schenkung und der Kaufpreis-zahlung als Darlehen enthielt, obsiegt hatte, brauchte sie in der [X.] bis zur - ersten und einzigen - mündlichen Verhandlung nicht damit zu rechnen, daß weiterer Vortrag ihrerseits erforderlich wer-den könnte. Das gilt insbesondere auch deshalb, weil das Berufungsge-richt weder Anstalten zu einer Wiederholung der Beweisaufnahme [X.] noch es vor der mündlichen Verhandlung für nötig gehalten hatte, die Beklagte auf seine von der des [X.]s abweichenden Sicht-weise hinzuweisen.

[X.] hat das Berufungsgericht ferner die Glaubwürdigkeit der Zeugin [X.] abweichend vom Erstgericht gewür-digt, ohne die Zeugin erneut zu vernehmen. Damit hat es gegen § 398 ZPO und den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (vgl. [X.], Urteil vom 29. Oktober 1996 - [X.], NJW 1997, 466 m.w.Nachw.) verstoßen. Der Pflicht zur erneuten Vernehmung konnte das Berufungsgericht sich nicht dadurch entziehen, daß es die Aussage der Zeugin teilweise unberücksichtigt gelassen hat, da der Beweiswert der weiteren Indizien nicht losgelöst von der Zeugenaussage zu beurtei-len war (vgl. dazu [X.], Urteil vom 17. Juli 2002 - [X.], NJW-RR 2002, 1649, 1650).

3. Zu Unrecht ist das Berufungsgericht weiterhin von einer [X.] zugunsten des [X.] ausgegangen, der für die Einigung der [X.]en über die Hingabe der im [X.] an die Beklagte über-wiesenen Beträge als Darlehen die Beweislast trägt (Soergel/Häuser, [X.]. § 607 Rdn. 173; MünchKomm/[X.], [X.]. § 488 Rdn. 152). Die in den rückdatierten schriftlichen Darlehensverträgen ab-- 9 - gegebenen Erklärungen rechtfertigen keine Umkehr der Beweislast (vgl. [X.], Urteil vom 10. Juni 1985 - [X.], [X.], 1206, 1207). Die inhaltliche Richtigkeit der Erklärungen unterliegt vielmehr der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO, weil die Urkunden lediglich den [X.] dafür erbringen, daß die in ihnen enthaltenen Erklärungen von den [X.]en abgegeben worden sind (§ 416 ZPO), nicht jedoch, daß sie zu-treffend sind.

I[X.]

Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Entscheidung reif ist, war sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuver-weisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei hat der Senat von der Möglich-keit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.

[X.] [X.]

Wassermann

Appl

Ellenberger

Meta

XI ZR 17/03

21.12.2004

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.12.2004, Az. XI ZR 17/03 (REWIS RS 2004, 85)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 85

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